Kirche (Organisation)
Kirche (alemannisch kilche, chile, althochdeutsch 'chirihha', mittelniederdeutsch kerke,[1] entlehnt aus spätgriechisch κυριακόν kyriakon ‚dem Herrn gehörig‘[2]) ist eine soziale Organisationsform von Religionen.
Der Begriff wurde (nach Heinrich Friedrich Jacobson) durch keltische Christen von Britannien aus nach Mitteleuropa gebracht[1] oder während der konstantinischen Epoche im Christentum der römischen Kolonialstädte (Metz, Trier, Köln) aufgenommen.[2] Er findet seither überwiegend Anwendung auf Religionsgemeinschaften einer christlichen Konfession. Die Ekklesia, die Glaubensgemeinschaft der Christen, ist in verschiedenen Kirchen organisiert.
Theologische Grundlagen und Geschichte
Die Kirche ist das „Volk Gottes“ in Kontinuität zum ersterwählten Bundesvolk Israel (der jüdisch-christliche Dialog hat diesbezüglich eine bewegte Geschichte hinter sich). Durch die Berufung der Apostel hat Jesus Christus Israel erneut sammeln wollen; in der Nachfolge dieser Apostel verstehen sich die christlichen Kirchen als die Zeugen des Evangeliums, die die Botschaft Christi weitergeben und so der Welt das Heil nicht nur verkünden, sondern es durch den Heiligen Geist auch in ihr vergegenwärtigen.
Klassischerweise wird die Kirche mit dem Glaubensbekenntnis als die „eine, heilige, katholische und apostolische“ bekannt (vgl. Notae ecclesiae). Genauer meint das: Ihr kommt als Kirche Jesu Christi von ihm her unverbrüchliche Einheit zu; sie ist in aller menschlichen Sündigkeit heilig, weil zu Gott gehörig und auf Ihn hingeordnet; sie wird als katholisch im Sinne von allumfassend und weltweit bekannt; und schließlich steht sie in geschichtlicher Kontinuität mit den Aposteln und ist deshalb apostolisch.
Die evangelische Theologie sieht die Kirche dabei vorrangig als creatura verbi, als Geschöpf des Wortes, denn die Kirche lebt vom Wort Christi – und dies im zweifachen Sinne, zum einen von der Botschaft, die Jesus Christus selbst verkündet hat, zum anderen von der Botschaft, die die Kirche im Anschluss an die neutestamentlichen Zeugnisse von ihm verkündet. Die Confessio Augustana (Art. VII) bekennt dazu grundlegend die „eine heilige, christliche Kirche […], die die Versammlung aller Gläubigen ist, bei denen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut dem Evangelium gereicht werden.“ Weiterhin geht das evangelische Kirchenverständnis von einer sichtbaren und einer unsichtbaren Kirche aus, zum einen von der „unsichtbaren“ Kirche der Erwählten, die in eins geht mit der himmlischen Kirche mit den Engeln und Heiligen Gottes und zu der möglicherweise nicht alle gehören, die ihr nach außen hin verbunden sind; zum anderen von der auf Erden sichtbaren Kirche mit all ihren Unzulänglichkeiten und Fehlern. Die evangelischen Kirchen berufen sich auf die Ursprünge des Christentums im Neuen Testament und die reformatorischen Impulse der anbrechenden Neuzeit v. a. durch Martin Luther.
Das orthodoxe Kirchenverständnis sieht die Kirche zunächst als theandrische (d. h. gottmenschliche) Größe, die eine Interaktion von göttlichem und menschlichem Wirken darstellt und nach dem Bild der Dreifaltigkeit in Einheit und Vielheit geschaffen ist. Sie weiß sich dem Bild der Kirche als „Leib Christi“ (vgl. 1 Kor 12) verpflichtet und betont besonders das Wirken des Heiligen Geistes als Fortführung des Wirkens Christi. Wichtig sind ihr darum besonders die Sakramente, in erster Linie die Eucharistie, die sie als Schlüssel zum Verständnis der Kirche und des Christentums allgemein ansieht. Des Weiteren sind der Orthodoxie die Verbindung zur himmlischen Kirche und ihre Gemeinschaft mit derselben wichtig. Dabei berufen sich die orthodoxen Kirchen vorrangig auf die ersten Konzilien der Kirchengeschichte und die Kirchenväter.
Die katholische Kirche hat sich auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil das erste Mal in einer Gesamtschau zu ihrem Kirchenverständnis geäußert und dabei verschiedene Aspekte betont. Traditionell sind die Sakramente und das kirchliche Amt ihr besonders wichtig. Diese Prämissen werden nun in die Bezeichnung der Kirche als Grund-Sakrament aufgenommen, eine Sicht, die die Kirche als Werkzeug und Zeichen des Heils (vgl. LG 1) bestimmt. Dazu kommt die sog. Communio-Theologie, die das Sein der Kirche als Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen und zwischen den einzelnen Menschen und Menschengruppen betrachtet. Ein wichtiger Punkt ist v. a. das „Einheitsamt des Petrus“ – das Papstamt. Das Gleichgewicht zwischen der Gemeinschaft der Bischöfe einerseits und der Zentralstellung des Papstes andererseits muss theologisch erst noch gefunden werden. Quellen des Kirchenverständnisses der katholischen Kirche sind die Heilige Schrift und die eigene Tradition.
Finanzierung
Die Finanzierung der Kirchen unterscheidet sich je nach Land. In Deutschland sind die als öffentlich-rechtliche Körperschaften anerkannten Kirchen berechtigt, die Beiträge ihrer Mitglieder in Form der Kirchensteuer einzuziehen.[3] Sie sind je nach Landeskirche mit 30-80 % die Hauptfinanzierungsquelle der Volkskirchen.[4] Die Kirchen erhalten keine Subventionen im Sinne der Definition des jüngsten Subventionsberichts der Bundesregierung,[5][6] sondern Entschädigungszahlungen (Staatsleistungen) aufgrund von Eigentum, das im Rahmen der Säkularisation durch den Reichsdeputationshauptschluss verstaatlicht wurde; dieses Eigentum machte etwa 27 % der Fläche der heutigen Bundesrepublik aus und wurde größtenteils im Mittelalter von Vermögenden und Adeligen der Kirche gestiftet. Daneben spielen auch Einnahmen aus Stiftungen und Erträge aus verbliebenem eigenem Vermögen, sowie Fördermittel des Staates auf der Grundlage des Subsidiaritätsprinzips[7] eine Rolle.[8] Dieses Einkommen wird durch weitere Spenden und freiwillige Gemeindebeiträge ergänzt.
Die Freikirchen, oft auch Körperschaften des öffentlichen Rechts, finanzieren ihre Arbeit überwiegend aus freiwilligen Beiträgen ihrer Mitglieder, die bis zu einer gewissen Höhe steuerlich absetzbar sind.
Einzelne Kirchen
Nicht jede christliche Konfession ist im religionswissenschaftlichen Sinne und dem Selbstverständnis nach eine Kirche im Sinne einer Organisation, und auch nicht jede Kirche im organisatorischen Sinne ist eine Konfession im Sinne eines Bekenntnisses, dennoch ist der Zusammenhang zwischen Kirche als Organisation und Konfession als Bekenntnis signifikant.
Struktur
Der interne Aufbau der einzelnen christlichen Kirchen weicht teilweise stark voneinander ab.
Siehe auch
Literatur
- Martin Friedrich: Kirche, Bensheimer Hefte 108, Ökumenische Studienhefte 14, Göttingen 2008 (Vandenhoeck & Ruprecht), ISBN 3-525-87122-8
- Dietrich Bonhoeffer: Sanctorum Communio. Dogmatische Untersuchung zur Soziologie der Kirche, 3. Aufl. 1960, München (Chr. Kaiser Verlag)
Einzelnachweise
- ↑ a b Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. Berlin 1854, Digitale Ausgabe: Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2004.
- ↑ a b Wolfgang Pfeifer u. a. (Hrsg.): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Akademie-Verlag, Berlin 1989
- ↑ Vgl. die Erläuterung zur Kirchensteuer durch das Bundesfinanzministerium [1]
- ↑ www.kirchenfinanzen.de: Kirchliche Finanzquellen. Website der EKD, abgerufen am 2. Juni 2011.
- ↑ Zweiundzwanzigster Subventionsbericht. Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 2007–2010. hrsg. vom Bundesfinanzministerium, abgerufen am 13. August 2010.
- ↑ www.kirchenfinanzen.de: Wird die Kirche subventioniert? Website der EKD, abgerufen am 2. Juni 2011.
- ↑ www.kirchenfinanzen.de: Fördermittel. Website der EKD, abgerufen am 2. Juni 2011.
- ↑ Da jede Kirche und jedes ihrer Werke und jede ihrer Einrichtungen finanziell selbständig arbeitet, ist ein Finanzüberblick der Kirchen nur schwer seriös darzustellen, vgl. daher exemplarisch die Auflistung der Badischen evangelischen Landeskirche [2]. Andere Kirchen rechnen vergleichbar.