„Messungen der Neutrinogeschwindigkeit“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Zeile 105: Zeile 105:
:<math>\delta t=3{,}1\pm5{,}3\ (\mathrm{stat.}) \pm8\ (\mathrm{sys.})</math> Nanosekunden.
:<math>\delta t=3{,}1\pm5{,}3\ (\mathrm{stat.}) \pm8\ (\mathrm{sys.})</math> Nanosekunden.


Im Rahmen der Mai-2012-Messungen benutzten sie die externe Ausrüstung die von der Borexino-Gruppe entwickelt wurde<ref name=Caccianiga />, und die von LVD, Borexino und ICARUS ermittelten Geodäsiedaten. Sie verbesserten auch ihre [[Szintillationszähler]] und den [[Trigger (Elektronik)|Trigger]]. Dabei konnten 48 Neutrinoereignisse (mit Energien größer als 50 MeV, wobei die durchschnittliche Neutrinoenergie 17 GeV betrug) für die Analyse benutzt werden, mit einer Obergrenze für Flugzeitunterschiede:<ref name=lvd12 />
Im Rahmen der Mai-2012-Messungen benutzten sie die externe Ausrüstung die von der Borexino-Gruppe entwickelt wurde, und die von LVD, Borexino und ICARUS ermittelten Geodäsiedaten. Sie verbesserten auch ihre [[Szintillationszähler]] und den [[Trigger (Elektronik)|Trigger]]. Dabei konnten 48 Neutrinoereignisse (mit Energien größer als 50 MeV, wobei die durchschnittliche Neutrinoenergie 17 GeV betrug) für die Analyse benutzt werden, mit einer Obergrenze für Flugzeitunterschiede:<ref name=lvd12 />


:<math>\delta t=0{,}9\pm0{,}6\ (\mathrm{stat.}) \pm3{,}2\ (\mathrm{sys.})</math> Nanosekunden,
:<math>\delta t=0{,}9\pm0{,}6\ (\mathrm{stat.}) \pm3{,}2\ (\mathrm{sys.})</math> Nanosekunden,
Zeile 113: Zeile 113:
:<math>-3{,}8\times10^{-6}<\frac{v-c}{c}<3{,}1\times10^{-6}</math> (99% [[Konfidenzintervall|C. L.]]).
:<math>-3{,}8\times10^{-6}<\frac{v-c}{c}<3{,}1\times10^{-6}</math> (99% [[Konfidenzintervall|C. L.]]).


=== Vorläufige Ergebnisse ===
=== ICARUS ===
Nach der Analyse der gebündelten CNGS-Strahlen von Okt.-Nov. 2011 (siehe [[#ICARUS (2012)|oben]]), veröffentlichte die ICARUS-Gruppe auch die Analyse der Mai-Messungen. Sie verbesserten ihre interne Zeitmessung als auch die zwischen CERN und LNGS, benutzten die geodätischen Messungen zusammen mit Borexino und LVD, und benutzten Borexinos LNGS-Zeitsystem. 25 Neutrinoereignisse konnten ausgewertet werden, mit einer Obergrenze für Flugzeitunterschiede zwischen Neutrinos und Licht:<ref>{{Cite journal|author=ICARUS collaboration|title=Precision measurement of the neutrino velocity with the ICARUS detector in the CNGS beam |journal=|volume=|issue=|year=2012|doi=|arxiv=1208.2629}}</ref>


:<math>\delta t=0{,}18\pm0{,}69\ (\mathrm{stat.}) \pm2{,}17\ (\mathrm{sys.})</math> Nanosekunden,
Diese vorläufigen Ergebnisse der anderen Gruppen wurden im Juni 2012 veröffentlicht:<ref>Bertolucci, S: ''Neutrino Speed: a Review of the other Experiments at LNGS'', Neutrino 2012, Kyoto, June 8 2012</ref>


entsprechend Geschwindigkeitsunterschieden von
{|

|ICARUS: || <math>\delta t=5{,}1\pm1{,}1\ (\mathrm{stat.}) \pm5{,}5\ (\mathrm{sys.})</math> Nanosekunden,
:<math>\frac{v-c}{c}=(0{,}7\pm2{,}8\ (\mathrm{stat.})\pm8{,}9\ (\mathrm{sys.}))\times10^{-7}</math>.
|-

|OPERA: || <math>\delta t=1{,}6\pm1{,}1\ (\mathrm{stat.}){\scriptstyle {+6{,}1\atop -3{,}7}}\ (\mathrm{sys.})</math> Nanosekunden
Neutrinogeschwindigkeiten, welche die Lichtgeschwindigkeit um mehr als <math>1.6\times10^{-6}c</math> (95% [[Konfidenzintervall|C. L.]]) übersteigen, sind damit ausgeschlossen.
|}

=== OPERA ===

Die vorläufigen Ergebnisse von OPERA wurden in Juni 2012 veröffentlicht:<ref>Bertolucci, S: ''Neutrino Speed: a Review of the other Experiments at LNGS'', Neutrino 2012, Kyoto, June 8 2012</ref>

:<math>\delta t=1{,}6\pm1{,}1\ (\mathrm{stat.}){\scriptstyle {+6{,}1\atop -3{,}7}}\ (\mathrm{sys.})</math>.


== MINOS (2012) ==
== MINOS (2012) ==

Version vom 14. August 2012, 12:47 Uhr

Messungen der Neutrinogeschwindigkeit werden als Tests der speziellen Relativitätstheorie und zur Bestimmung der Masse von Neutrinos durchgeführt. Gemäß der speziellen Relativitätstheorie ist ihre Geschwindigkeit geringfügig langsamer als Lichtgeschwindigkeit. Die Messungen haben im Rahmen der Messgenauigkeit keine Abweichung von dieser Vorhersage ergeben.

Überblick

Energie 1 keV 1 MeV 1 GeV

Lange Zeit wurde im Rahmen des Standardmodells der Teilchenphysik angenommen, dass Neutrinos masselos sind. Dann müssten sie sich gemäß der speziellen Relativitätstheorie mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Doch seit der Entdeckung von Neutrinooszillationen wird angenommen, dass sie Masse besitzen und daher geringfügig langsamer als Licht sind, da sonst ihre relativistische Energie unendlich groß wäre. Diese Energie ist gegeben durch:

.

mit der Neutrinogeschwindigkeit v und der Lichtgeschwindigkeit c. Die Neutrinomasse m wird auf unter 2 eV/c² geschätzt und ist möglicherweise kleiner als 0,2 eV/c². Nur bei niedrigen Neutrinoenergien würde sich eine deutlich messbare Abweichung der Geschwindigkeit ergeben (Abbildung und Tabelle rechts, gerechnet für 0,2 eV).

Bisherige Experimente benutzten allerdings Neutrinoenergien von über 10 MeV. Die für diese Energiebereiche von der speziellen Relativitätstheorie vorhergesagten Geschwindigkeitsdifferenzen können deshalb mit der aktuellen Genauigkeit der Zeitmessung nicht bestimmt werden. Dass trotzdem Experimente durchgeführt werden, hängt mit der theoretischen Möglichkeit von Verletzungen der Lorentzinvarianz, einer grundlegenden Eigenschaft der speziellen Relativitätstheorie, zusammen.[1] Diese werden motiviert durch spekulative Varianten der Quantengravitation, wonach deutlich größere Abweichungen von der Lichtgeschwindigkeit möglich sein könnten (siehe Moderne Tests der Lorentzinvarianz).

Fermilab (1970er)

Fermilab führte in den 1970ern terrestrische Messungen durch, bei denen die Geschwindigkeit von Myonen mit der von Neutrinos und Antineutrinos (mit Energien zwischen 30 und 200 GeV) verglichen wurde. Zur Messung wurde der Fermilab-Schmalband-Neutrinostrahl benutzt. 400-GeV-Protonen treffen auf ein Target, worauf Sekundärstrahlen aus Pionen und Kaonen entstehen. In einer 345 Meter langen, evakuierten Zerfallsröhre zerfallen diese dann in Neutrinos und Myonen. Die verbliebenen Hadronen werden durch einen Sekundärabsorber aufgehalten, so dass nur die Neutrinos und einige energiereiche Myonen den 500 Meter langen Erd- und Stahlschild durchdringen, um zum Teilchendetektor zu gelangen.

Da die Protonen in Bündeln von einer Nanosekunde Dauer und einem Abstand von 18,73 ns übertragen wurden, konnte die Geschwindigkeit der Myonen und Neutrinos bestimmt werden, denn eine Geschwindigkeitsdifferenz würde erstens zu einer Streckung der Neutrinobündel und zweitens zu einer Verschiebung des gesamten Neutrinozeitspektrums führen. Zuerst wurden die Geschwindigkeiten von Myonen und Neutrinos verglichen.[2] Später wurden auch Antineutrinos berücksichtigt.[3] Es ergab sich im Rahmen der Messgenauigkeit keine Abweichung von der Lichtgeschwindigkeit, die relative Unsicherheit betrug

(95 % Konfidenzniveau).

Eine Energieabhängigkeit der Neutrinogeschwindigkeit konnte bei dieser Messgenauigkeit ebenfalls nicht festgestellt werden.

Supernova 1987A

Die bislang genaueste Übereinstimmung mit der Lichtgeschwindigkeit konnte 1987 durch Beobachtungen von Antineutrinos mit einer Energie von 7,5 bis 35 MeV, die bei der Supernova 1987A in einer Entfernung von etwa 160.000 Lichtjahren entstanden waren, festgestellt werden.[4][5] Die wenigen Stunden, um die die Neutrinos vor dem Licht eintrafen, entsprechen einer relativen Abweichung von

,

werden aber darauf zurückgeführt, dass die wechselwirkungsarmen Neutrinos den Bereich der Supernova ungehindert durchqueren konnten, während das Licht länger dafür benötigte.[6][7]

MINOS (2007)

Die erste Messung der absoluten Transitzeit von 3-GeV-Neutrinos wurde durch die MINOS-Gruppe (2007) von Fermilab auf einer Strecke von 734 km durchgeführt.[8] Zur Erzeugung der Neutrinos (NuMI-Strahl) benutzte MINOS den Fermilab Main Injector, womit 120-GeV-Protonen in fünf bis sechs Bündeln pro Extraktionsphase auf ein Graphittarget geschossen wurden. Die daraus entstehenden Mesonen zerfielen in einem 675 Meter langen Zerfallstunnel in Myonneutrinos (93 %) und Myonantineutrinos (6 %). Die Ankunftszeit wurde durch Vergleich der Ankunftszeiten beim Nah- und Ferndetektor von MINOS ermittelt. Die Uhren beider Stationen wurden durch GPS miteinander synchronisiert.

Es ergab sich eine frühzeitige Neutrinoankunft von ungefähr 126 ns. In der Unsicherheit systematischer Fehler dominieren die beiden Glasfaserverbindungen zur Übertragung der Zeitsignale zwischen den GPS-Empfängern an der Erdoberfläche und den unterirdischen Laboren. Bezogen auf die Entfernung zwischen den beiden Detektoren ergibt sich eine scheinbare Überlichtgeschwindigkeit mit einer relativen Abweichung von (68 % Konfidenzniveau), was mit 1,8σ nicht signifikant war. Für die Anerkennung als wissenschaftliche Entdeckung wären 5σ erforderlich.[9]

Hingegen auf dem Konfidenzniveau von 99 % ergibt sich nach diesem Experiment eine relative Geschwindigkeitsabweichung von

,

sodass das Ergebnis auch mit Unterlichtgeschwindigkeit zu vereinbaren ist.[8]

OPERA (2011, 2012)

OPERA-Neutrino-Anomalie (2011)

Die OPERA-Gruppe führte von 2009 bis 2011 Flugzeitmessungen mit 17-GeV-Myon-Neutrinos (CNGS) durch. Die Messung erfolgte auf einer Strecke von etwa 730 km zwischen einem Target am Super Proton Synchrotron des CERN, wo Pionen und Kaonen entstehen, die teilweise in Myonen und Myon-Neutrinos zerfallen, und dem OPERA-Neutrino-Detektor im LNGS. Zur Synchronisation der Uhren und Bestimmung der genauen Entfernung wurde GPS benutzt, wobei Faserkabel von ungefähr 8 km Länge zur Signalübermittlung in den OPERA-Detektor benutzt wurden. Die zeitliche Verteilung der 10,5 µs langen Protonenpulse wurde auf statistischem Wege mit ungefähr 16000 detektierten Neutrinoereignissen verglichen. Es ergab sich, dass Neutrinos um ungefähr 61 ns früher beim Detektor ankamen, als mit Lichtgeschwindigkeit zu erwarten gewesen wäre. Die Anomalie erschien mit 6 σ signifikant, die Fehleranalyse wurde jedoch als vorläufig bezeichnet.[10][11] Um einige statistische Fehler auszuschließen, führte OPERA im Oktober und November 2011 eine Messung unter veränderten Bedingungen durch. Die Protonenpulse wurden in kurze Bündel von 3 ns mit einem Abstand von 524 ns aufgeteilt, sodass jedes Neutrinoereignis einem Bündel zugeordnet werden konnte. Die Messung von zwanzig Neutrinoereignissen ergab eine vorzeitigen Ankunft von ungefähr 62 ns, im Einklang mit den vorhergehenden Ergebnissen. Zusätzlich aktualisierte OPERA die vorzeitige Neutrinoankunft gemäß der statistischen Hauptanalyse von September auf ungefähr 57 ns. Die Autoren gaben an, dass die Abweichung 6,2 σ beträgt, was signifikant wäre. Sie fügten allerdings hinzu, dass sie aus den Ergebnissen keine weitergehenden Schlüsse ziehen wollen und es notwendig ist, weiter nach noch unbekannten systematischen Fehlern zu suchen.[10]

Es wurden eine Reihe von Erklärungen und Kritiken in arXiv-Vorabpublikationen (die allerdings keiner genauen Begutachtung unterliegen) zu diesem Thema veröffentlicht. Einige davon wurden inzwischen in begutachteten Fachzeitschriften veröffentlicht.[12] Ein signifikanter Einwand gegen das OPERA-Resultat wurde von Andrew G. Cohen und Sheldon Lee Glashow veröffentlicht. Die Autoren wenden den Vakuum-Tscherenkow-Effekt, der in Lorentz-verletzenden Theorien, welche Überlichtgeschwindigkeit erlauben, auftreten müsste, auf Neutrinos an. Sie prognostizieren die Produktion von Elektron-Positron-Paaren, wodurch die Neutrinos in kurzer Zeit erheblich an Energie verlieren würden.[13] Das wurde von der benachbarten ICARUS-Gruppe jedoch nicht beobachtet.[14]

Jedoch im Februar und März 2012 wurde festgestellt, dass weitere Tests zwei Fehlerquellen aufgezeigt haben: einerseits eine fehlerhafte Glasfaserkabelverbindung zwischen einem GPS-Empfänger und einer Computerkarte, und andererseits ein Oszillator, der benutzt wurde, um die Neutrinoereignisse während der GPS-Synchronisation mit einem Zeitstempel zu versehen. Die Fehler wirken in entgegengesetzter Richtung. Bei weitergehenden Untersuchungen ergab ein Vergleich der Ankunft von kosmischen Myonen am OPERA-Detektor und dem benachbarten LVD-Detektor, dass eine Zeitabweichung für den Zeitraum 2008–2011 im Vergleich zu 2007–2008 und 2011–2012 aufgetreten ist. Sie wurde durch den Kabelfehler verursacht, sodass zur vorzeitigen Neutrinoankunft von –60 ns nun ungefähr 73 ns addiert werden müssen. Der entgegensetzte Oszillatorfehler wurde auf ungefähr –15 ns bestimmt. Dadurch wurden diese beiden Probleme als Ursache für die OPERA-Anomalie von ungefähr –60 ns weitgehend bestätigt.[15][16] Am 30. März 2012 traten OPERA-Sprecher Ereditato und Physik-Koordinator Autiero zurück.[17]

Endresultat

Schließlich veröffentlichte die OPERA-Gruppe im Juli 2012 eine neue Analyse ihrer Daten von 2009-2011, worin die gefundenen Fehlerquellen berücksichtigt wurden. Es ergaben sich neue Obergrenzen für Flugzeitunterschiede von

Nanosekunden,

und Obergrenzen für Geschwindigkeitsunterschiede von

.

Auch die neue Analyse der gebündelten Pulse von Oktober und November 2011 ergab:

Nanosekunden.

Alle diese Ergebnisse stimmen mit der Lichtgeschwindigkeit überein, wobei die -Grenze eine Größenordnung genauer ist als frühere terrestrische Flugzeitmessungen.[18]

ICARUS (2012)

Noch bevor die OPERA-Gruppe ihre ursprünglichen Messungen korrigiert hatte, veröffentlichte die ICARUS-Gruppe im März 2012 eine eigene Messung der Neutrinogeschwindigkeit. Der ICARUS-Detektor befindet sich wie OPERA ebenfalls im LNGS. Dabei wurde teilweise dasselbe Equipment zur externen Zeitmessung benutzt, wohingegen die interne Zeitmessung unabhängig war. ICARUS untersuchte die Neutrinos derselben Protonenpulse, die auch von OPERA zwischen Oktober und November 2011 benutzt wurden, also 3-ns-Protonenpulse mit einem Abstand von 524 ns. Dabei wurden sieben Neutrinoereignisse beobachtet, die direkt mit dem jeweiligen Protonenpuls verknüpft werden konnten. Die Obergrenze für die Differenz zwischen der gemessenen Ankunftszeit und derjenigen, die bei Lichtgeschwindigkeit zu erwarten ist, beträgt[19]

Nanosekunden,

Im Rahmen der Messgenauigkeit liegt also Übereinstimmung mit der Lichtgeschwindigkeit vor.[20]

LNGS (2012)

Im Mai 2012 wurde von CERN neuerlich CNGS-Neutrinos nach Gran Sasso gesendet. Die LNGS-Experimente Borexino, OPERA, ICARUS, und LVD begannen mit der Datenauswertung der Neutrino-Ereignisse, wobei sich Übereinstimmung mit der Lichtgeschwindigkeit ergab.[21] Die 17-GeV Myonneutrinos bestanden aus 4 Pulsen pro Strahlextraktion die durch ~300ns getrennt waren. Die Pulse waren wierdum unterteilt in 16 Bündel mit einem Abstand von ~100ns, wobei die Bündelbreite ~2ns betrug.[22]

Borexino

Die Borexino-Gruppe anlysierte die Daten aus den Messungen der gebündelten CNGS-Strahlen von Okt.-Nov. 2011 und Mai 2012.[22] Aus den 2011-Daten konnten sie 36 Neutrinoereignisse auswerten und erhielten eine Obergrenze für Flugzeitunterschiede zwischen Licht und Neutrinos:

Nanosekunden.

Für die Auswertung der 2012-Daten verbesserten sie ihre Messvorrichtungen durch Installierung eines neuen Triggersystems und eines geodätische GPS-Empfängers, der an eine Rubidiumuhr gekoppelt war.[23] Zusammen mit LVD und ICARUS führten sie eine unabhängige, präzise Geodäsiemessung durch. 62 Neutrinoereignisse konnten für die Endanalyse herangezogen werden, wobei sich als Obergrenze für Flugzeitunterschiede ergab:

Nanosekunden,

entsprechend der Obergrenze für Geschwindigkeitsunterschiede von

(90% C. L.).

LVD

Die LVD-Gruppe analysierte zuerst die gebündelten CNGS-Strahlen von Okt.-Nov. 2011.[24] Sie werteten 32 Neutrinoereignisse aus und erhielten eine Obergrenze für Flugzeitunterschiede zwischen Licht und Neutrinos:

Nanosekunden.

Im Rahmen der Mai-2012-Messungen benutzten sie die externe Ausrüstung die von der Borexino-Gruppe entwickelt wurde, und die von LVD, Borexino und ICARUS ermittelten Geodäsiedaten. Sie verbesserten auch ihre Szintillationszähler und den Trigger. Dabei konnten 48 Neutrinoereignisse (mit Energien größer als 50 MeV, wobei die durchschnittliche Neutrinoenergie 17 GeV betrug) für die Analyse benutzt werden, mit einer Obergrenze für Flugzeitunterschiede:[24]

Nanosekunden,

und für Geschwindigkeitsunterschiede:

(99% C. L.).

ICARUS

Nach der Analyse der gebündelten CNGS-Strahlen von Okt.-Nov. 2011 (siehe oben), veröffentlichte die ICARUS-Gruppe auch die Analyse der Mai-Messungen. Sie verbesserten ihre interne Zeitmessung als auch die zwischen CERN und LNGS, benutzten die geodätischen Messungen zusammen mit Borexino und LVD, und benutzten Borexinos LNGS-Zeitsystem. 25 Neutrinoereignisse konnten ausgewertet werden, mit einer Obergrenze für Flugzeitunterschiede zwischen Neutrinos und Licht:[25]

Nanosekunden,

entsprechend Geschwindigkeitsunterschieden von

.

Neutrinogeschwindigkeiten, welche die Lichtgeschwindigkeit um mehr als (95% C. L.) übersteigen, sind damit ausgeschlossen.

OPERA

Die vorläufigen Ergebnisse von OPERA wurden in Juni 2012 veröffentlicht:[26]

.

MINOS (2012)

Parallel zur den LNGS-Messungen führte auch die MINOS seine vorläufigen Messungen von 2007 fort. Dabei wurden Neutrinoereignisse aus über sieben Jahren ausgewertet. Zusätzlich wurde des GPS-Timing-System verbessert, die Verzögerungen in den elektronischen Komponenten besser berücksichtigt, und ein Upgrade der Zeitmessungsequipments durchgeführt. Es wurde folgende Grenze für Zeitunterschiede zwischen Licht und Neutrinos ermittelt:

Nanosekunden.

Neutrinogeschwindigkeit und Lichtgeschwindigkeit stimmen also im Rahmen der Messgenauigkeit überein.[27]

Einzelnachweise

  1. Ellis et al.: Probes of Lorentz violation in neutrino propagation. In: Physical Review D. 78. Jahrgang, Nr. 3, 2008, S. 033013, doi:10.1103/PhysRevD.78.033013, arxiv:0805.0253.
  2. P. Alspector et al.: Experimental Comparison of Neutrino and Muon Velocities. In: Physical Review Letters. 36. Jahrgang, Nr. 15, 1976, S. 837–840, doi:10.1103/PhysRevLett.36.837.
  3. Kalbfleisch et al.: Experimental Comparison of Neutrino, Antineutrino, and Muon Velocities. In: Physical Review Letters. 43. Jahrgang, Nr. 19, 1979, S. 1361–1364, doi:10.1103/PhysRevLett.43.1361.
  4. Hirata et al.: Observation of a neutrino burst from the supernova SN1987A. In: Physical Review Letters. 58. Jahrgang, 1987, S. 1490–1493, doi:10.1103/PhysRevLett.58.1490.
  5. Bionta et al.: Observation of a neutrino burst in coincidence with supernova 1987A in the Large Magellanic Cloud. In: Physical Review Letters. 58. Jahrgang, 1987, S. 1494–1496, doi:10.1103/PhysRevLett.58.1494.
  6. Longo, Michael J.: Tests of relativity from SN1987A. In: Physical Review D. 236. Jahrgang, Nr. 10, 1987, S. 3276–3277, doi:10.1103/PhysRevD.36.3276.
  7. Stodolsky, Leo: The speed of light and the speed of neutrinos. In: Physics Letters B. 201. Jahrgang, Nr. 3, 1988, S. 353–354, doi:10.1016/0370-2693(88)91154-9.
  8. a b MINOS Collaboration: Measurement of neutrino velocity with the MINOS detectors and NuMI neutrino beam. In: Physical Review D. 76. Jahrgang, Nr. 7, 2007, doi:10.1103/PhysRevD.76.072005, arxiv:0706.0437, bibcode:2007PhRvD..76g2005A.
  9. Seife, C.: CERN's gamble shows perils, rewards of playing the odds. In: Science. 289. Jahrgang, Nr. 5488, 2000, S. 2260–2262, doi:10.1126/science.289.5488.2260.
  10. a b OPERA collaboration: Measurement of the neutrino velocity with the OPERA detector in the CNGS beam. 2011, arxiv:1109.4897.. Veröffentlicht 22. September 2011 unter arxiv:1109.4897v1, am 17. November überarbeitet als arxiv:1109.4897v2
  11. Giulia Brunetti: Neutrino velocity measurement with the OPERA experiment in the CNGS beam. Dissertation, 2011, abgerufen am 24. November 2011.
  12. Liste relevanter arXiv-Vorabdrucke und Veröffentlichungen und Suchresultate bei ArXiv
  13. Cohen, Andrew G.; Glashow, Sheldon L.: Pair Creation Constrains Superluminal Neutrino Propagation. In: Physical Review Letters. 107. Jahrgang, Nr. 18, 2011, S. 181803, doi:10.1103/PhysRevLett.107.181803, arxiv:1109.6562..
  14. ICARUS Collaboration: A search for the analogue to Cherenkov radiation by high energy neutrinos at superluminal speeds in ICARUS. In: Physics Letters B. 711. Jahrgang, Nr. 3-4, 2012, S. 270–275, doi:10.1016/j.physletb.2012.04.014, arxiv:1110.3763.
  15. LVD and OPERA collaboration: Determination of a time-shift in the OPERA set-up using high energy horizontal muons in the LVD and OPERA detectors. In: The European Physical Journal Plus. 127. Jahrgang, Nr. 6, 2012, S. 71, doi:10.1140/epjp/i2012-12071-5, arxiv:1206.2488..
  16. LNGS seminar (28. März 2012): LNGS results on the neutrino velocity topic
  17. Eugenie Samuel Reich: Embattled neutrino project leaders step down. NatureNews, 2. April 2012, abgerufen am 2. April 2012 (10.1038/nature.2012.10371).
  18. OPERA collaboration: Measurement of the neutrino velocity with the OPERA detector in the CNGS beam. 2012, arxiv:1109.4897v4.
  19. ICARUS Collaboration: Measurement of the neutrino velocity with the ICARUS detector at the CNGS beam. In: Physics Letters B. 713. Jahrgang, Nr. 1, 2012, S. 17–22, doi:10.1016/j.physletb.2012.05.033, arxiv:1203.3433.
  20. Geoff Brumfiel: Neutrinos not faster than light. NatureNews, 16. März 2012, abgerufen am 16. März 2012 (10.1038/nature.2012.10249).
  21. Neutrinos sent from CERN to Gran Sasso respect the cosmic speed limit. CERN press release, 8. Juni 2012, abgerufen am 8. Juni 2012.
  22. a b Borexino collaboration: Measurement of CNGS muon neutrino speed with Borexino. 2012, arxiv:1207.6860.
  23. Caccianiga et al.: GPS-based CERN-LNGS time link for Borexino. In: Journal of Instrumentation. 2012, arxiv:1207.0591.
  24. a b LVD collaboration: Measurement of the velocity of neutrinos from the CNGS beam with the Large Volume Detector. In: Physical Review Letters (angenommen). 2012, arxiv:1208.1392.
  25. ICARUS collaboration: Precision measurement of the neutrino velocity with the ICARUS detector in the CNGS beam. 2012, arxiv:1208.2629.
  26. Bertolucci, S: Neutrino Speed: a Review of the other Experiments at LNGS, Neutrino 2012, Kyoto, June 8 2012
  27. MINOS reports new measurement of neutrino velocity. Fermilab today, 8. Juni 2012, abgerufen am 8. Juni 2012.