„Räumliches Riechen“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
mal ein Anfang
(kein Unterschied)

Version vom 1. März 2014, 10:45 Uhr

Unter dem Begriff räumliches Riechen, auch Stereoriechen genannt, versteht man das Erkennen der Richtung in der sich die Quelle eines Duftstoffes befindet.

Alle Tiere, von einzelligen Prokaryoten bis zum Menschen, orientieren sich über chemische Reize aus ihrer Umwelt. Der neuronale Vergleich bilateral empfangener Signale ist die Basis für die Fähigkeit der visuellen Tiefenwahrnehmung (räumliches Sehen) und der Lokalisierung von Geräuschen im Raum (räumliches Hören) bei Organismen.[1] Ermöglicht wird dies durch zwei Augen bzw. zwei Ohren. Diese Konstellation ist bei den meisten Wirbeltieren (Vertebrata) und sehr vielen Wirbellosen (Invertebrata) gegeben, da die meisten dieser Organismen auch über zwei „Sensoren“, beispielsweise Nasenlöcher (Nares) oder Antennen, verfügen, die dem Geruchssinn dienen. Eine Form der Detektion ist vor allem bei den meisten Säugetieren das Schnüffeln.

Während Beitrag und Funktion von Augen und Ohren bei der räumlichen Wahrnehmung eindeutig sind, ist dies im Fall von zwei Geruchssensoren, beziehungsweise zwei getrennten Riechkanälen, die prinzipiell ein räumliches Riechen ermöglichen, bei vielen Tierarten noch völlig unklar.[1] Die Fähigkeit des räumliches Riechens wurde bisher erst bei nur sehr wenigen Spezies, wie dem Ostamerikanische Maulwurf (Scalopus aquaticus) und bei Wanderratten (Rattus norvegicus) eindeutig nachgewiesen.

Prinzipien des räumlichen Riechens

Der Ostamerikanische Maulwurf (Scalopus aquaticus) findet seine Nahrung durch räumliches Riechen schneller als durch serielles Schnüffeln. Wird ihm im Laborversuch ein Nasenloch verstopft, so benötigt er deutlich länger, um sein Futter zu finden.[2]

Die Information ‚Geruch‘ beziehungsweise ‚da riecht etwas‘ ist für den riechenden Organismus im Kampf ums Dasein nahezu wertlos. Ohne Lokalisation der Geruchsquelle kann er beispielsweise seine Nahrung oder seinen Sexualpartner nicht finden oder seinem Fressfeind (Prädator) nicht entkommen.

Die Lokalisation einer Geruchsquelle durch einen Organismus ist prinzipiell auf zwei Arten möglich. Durch serielle oder parallele Detektion des Duftstoffes. Bei der seriellen Detektion wird das Geruchsorgan, beispielsweise die Nase, an verschiedene Orte bewegt und der Geruchsunterschied zwischen den beiden Orten verglichen. Die Position, bei der der stärkere Geruchseindruck erhalten wurde, ist offensichtlich näher an der Geruchsquelle. Die räumliche Achse, die sich geometrisch aus den beiden Schüffelpunkten im Raum ergibt, zeigt zumindest grob in die Richtung der Geruchsquelle. Durch weiteres serielles Schnüffeln in Richtung dieser Achse kann die Geruchsquelle näher lokalisiert und gegebenenfalls durch andere Sinne (Sehen, Fühlen) eindeutig lokalisiert werden. Bei der parallelen Detektion erfolgt die Lokalisierung des Duftstoffes zeitgleich durch zwei räumlich getrennte Riechkanäle (Nasenlöcher). Der Intensitätsunterschied im Geruch entspricht einem Geruchsgradienten, .....

Dem seriellen Schnüffeln entspricht beim Hören das Drehen des Kopfes, im Fall einer einseitgen Taubheit, um die Schallquelle zu orten. Das parallele Schnüffeln entspricht dann dem räumlichen Hören mit zwei Ohren, bei dem die Laufzeitdifferenz zwischen den beiden Ohren wesentlichen Anteil an der Richtungslokalisation der Schallquelle hat.

Einzeller

Ein Spermium das die Eizelle über Geruchsrezeptoren gefunden hat.

Als Chemotaxis bezeichnet man die Beeinflussung der Fortbewegungsrichtung von Organismen durch einen Stoffkonzentrationsgradienten. Bei Einzellern ist die Chemotaxis die einfachste Form einer Geruchs- bzw. Geschmacksortung und eine der grundlegendsten physiologischen Zellreaktionen. Für das Überleben von Einzellern und für eine Vielzahl von physiologischen Prozessen ist sie von großer Wichtigkeit. Sie dient beispielsweise der Lokalisierung von vorteilhaften, als auch von schädlichen Substanzen. Vorteilhaft sind beispielsweise Nährstoffe, während Giftstoffe zu den schädlichen Substanzen zählen. Humane Spermien beispielsweise folgen dem Lockstoff Progesteron, den die Eizelle abgibt.[3] Darüber hinaus [[Genexpression|exprimieren] Spermien über 30 verschienden Riechrezeptorgene.[4] Eines davon ist das olfaktorische Gen OR1D2, das auch in der Riechschleimhaut exprimiert wird. Mutationen in OR1D2 wirken sich möglicherweise nicht nur auf die Fähigkeit der Geruchswahrnehmung des Duftstoffes Bourgeonal, sondern auch auf die Fruchtbarkeit des betroffenen Mannes aus.[5] Bourgeonal hat einen Maiglöckchen-artigen Geruch. Die Geruchsschwelle liegt bei Männern deutlich niedriger als bei Frauen. Es ist der einzige bisher bekannte Duftstoff, bei dem es einen geschlechtsspezifischen Unterschied in der Geruchsschwelle gibt.[6] Die Funktion der Riechrezeptoren der Spermien beim Befruchtungsvorgang wird kontrovers diskutiert.Referenzfehler: Ungültiger Parameter in <ref>. Unabhängig davon, was die die Chemotaxis bewirkt und wie der Lock- oder Schreckstoff wahrgenommen wird, auch der Ebene eines Einzellers erfolgt die Lokalisierung immer durch einen seriellen Prozess. In unmittelbarer Umgebung einer Zelle ist, bedingt durch deren geringe Größe (1 bis 10 µm) und die brownsche Bewegung, kein Konzentrationsgefälle vorhanden. Die Konzentration ist in unmittelbarer Nähe isotrop. Einem ortsfesten Einzeller ist es somit nicht möglich an zwei voneinander entfernten Stellen seiner Oberfläche mittels Rezeptoren die Richtung eines Lock- oder Schreckstoffes zu erkennen. Frei schwimmende, begeißelte Bakterien lösen dieses Problem dadurch, dass sie zunächst eine Strecke in einer zufällig festgelegten Richtung schwimmen. Nimmt die mittels Rezeptoren detektierte Konzentration des Lockstoffes zu, so schwimmen sie weiter in diese Richtung. Nimmt sie ab, so wird die Richtung gewechselt. Bei Schreckstoffen verhalten sie sich entsprechend umgekehrt.[7][8]

Einzelnachweise

<references> [4] <ref="mpg1">T. Strünker: Das Ende des „Maiglöckchen-Phänomens“ in der Spermienforschung? Max-Planck-Gesellschaft, vom 24. Februar 2012</ref>

[7] [8] [1] [6] [3] [2] [5]

  1. a b c M. Louis, T. Huber u. a.: Bilateral olfactory sensory input enhances chemotaxis behavior. In: Nature neuroscience. Band 11, Nummer 2, Februar 2008, S. 187–199, ISSN 1097-6256. doi:10.1038/nn2031. PMID 18157126.
  2. a b K. C. Catania: Stereo and serial sniffing guide navigation to an odour source in a mammal. In: Nature communications. Band 4, 2013, S. 1441, ISSN 2041-1723. doi:10.1038/ncomms2444. PMID 23385586. (Open Access, CC BY-NC-SA 3.0)
  3. a b C. Brenker, N. Goodwin u. a.: The CatSper channel: a polymodal chemosensor in human sperm. In: The EMBO journal. Band 31, Nummer 7, April 2012, S. 1654–1665, ISSN 1460-2075. doi:10.1038/emboj.2012.30. PMID 22354039. PMC 3321208 (freier Volltext).
  4. a b Hans Hatt: Geschmack und Geruch. In: Robert F. Schmidt, Florian Lang (Hrsg.): Physiologie des Menschen. 30. Auflage, Springer, 2007, ISBN 3-540-32908-0, S. 421−436.
  5. a b G. Ottaviano, D. Zuccarello u. a.: Human olfactory sensitivity for bourgeonal and male infertility: a preliminary investigation. In: European archives of oto-rhino-laryngology. Band 270, Nummer 12, November 2013, S. 3079–3086, ISSN 1434-4726. doi:10.1007/s00405-013-2441-0. PMID 23525651.
  6. a b P. Olsson, M. Laska: Human male superiority in olfactory sensitivity to the sperm attractant odorant bourgeonal. In: Chemical senses. Band 35, Nummer 5, Juni 2010, S. 427–432, ISSN 1464-3553. doi:10.1093/chemse/bjq030. PMID 20378596.
  7. a b R. M. Macnab, D. E. Koshland: The gradient-sensing mechanism in bacterial chemotaxis. In: PNAS. Band 69, Nummer 9, September 1972, S. 2509–2512, ISSN 0027-8424. PMID 4560688. PMC 426976 (freier Volltext).
  8. a b J. Adler, W. W. Tso: "Decision"-making in bacteria: chemotactic response of Escherichia coli to conflicting stimuli. In: Science (New York, N.Y.). Band 184, Nummer 4143, Juni 1974, S. 1292–1294, ISSN 0036-8075. PMID 4598187.