„Modifizierte Newtonsche Dynamik“ – Versionsunterschied

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Die '''modifizierte newtonsche Dynamik''', abgekürzt '''MOND''', ist eine [[physik]]alische [[Hypothese]], die das [[Rotationskurve|Rotationsverhalten]] von [[Galaxie]]n durch Modifikationen der [[Bewegungsgleichung]]en der [[Materie (Physik)|Materie]] im [[Gravitation#Gravitationsfeld|Gravitationsfeld]] erklären soll. MOND wurde 1983 von [[Mordehai Milgrom]] als Alternative zum [[Postulat]] der [[Dunkle Materie|Dunklen Materie]] vorgeschlagen.<ref name="theory">[http://arxiv.org/abs/astro-ph/9303012 Dynamics with a non-standard inertia-acceleration relation: an alternative to dark matter] (englisch)</ref>
Die '''modifizierte newtonsche Dynamik''', abgekürzt '''MOND''' (gesprochen mit kurzem „O“), ist eine [[physik]]alische [[Hypothese]], die das [[Rotationskurve|Rotationsverhalten]] von [[Galaxie]]n durch Modifikationen der [[Bewegungsgleichung]]en der [[Materie (Physik)|Materie]] im [[Gravitation#Gravitationsfeld|Gravitationsfeld]] erklären soll. MOND wurde 1983 von [[Mordehai Milgrom]] als Alternative zum [[Postulat]] der [[Dunkle Materie|Dunklen Materie]] vorgeschlagen.<ref name="theory">Mordehai Milgrom: ''Dynamics with a non-standard inertia-acceleration relation: an alternative to dark matter''. Ann.Phys. 229, 1994, S. 384-415, {{DOI|10.1006/aphy.1994.1012}} ([http://arxiv.org/abs/astro-ph/9303012 arXiv]).</ref>


Die Theorie wird kontrovers diskutiert.<ref>Benoit Famaey, Stacy McGaugh: ''Modified Newtonian Dynamics (MOND): Observational Phenomenology and Relativistic Extensions''. Living Reviews in Relativity 15, 2012, S. 10, {{DOI|10.12942/lrr-2012-10}} ([http://arxiv.org/abs/1112.3960v2 arXiv]).</ref>
Die Theorie wird kontrovers diskutiert und von vielen Anhängern des kosmologischen Standardmodells abgelehnt.


== Hintergrund ==
== Hintergrund ==
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Statt zusätzlicher, nicht sichtbarer Masse schlug [[Mordehai Milgrom]] 1983 vor, dass eine Änderung der newtonschen Bewegungsgesetze die Ursache für die beobachteten Rotationskurven sein könnte. Gemäß der MOND-Hypothese nimmt die Änderung nur bei sehr kleinen [[Beschleunigung|Beschleunigungen]], wie sie im astronomischen Maßstab auftreten, einen relevanten Einfluss auf die Bewegungen.
Statt zusätzlicher, nicht sichtbarer Masse schlug [[Mordehai Milgrom]] 1983 vor, dass eine Änderung der newtonschen Bewegungsgesetze die Ursache für die beobachteten Rotationskurven sein könnte. Gemäß der MOND-Hypothese nimmt die Änderung nur bei sehr kleinen [[Beschleunigung|Beschleunigungen]], wie sie im astronomischen Maßstab auftreten, einen relevanten Einfluss auf die Bewegungen.


Befürworter der MOND-Hypothese führen an, dass die newtonsche Gravitationstheorie von 1686 bereits drei Modifikationen erfahren hat. Bei sehr kleinen Abständen verwenden Physiker ausschließlich die [[Quantenmechanik]], bei sehr großen Geschwindigkeiten Einsteins [[spezielle Relativitätstheorie]] und nahe sehr großer Massen seine [[allgemeine Relativitätstheorie]]. Eine vierte Modifikation im oben genannten Extrembereich sei daher nicht ausgeschlossen.<ref>[http://idw-online.de/pages/de/news313389''Informationsdienst Wissenschaft'']</ref>
Befürworter der MOND-Hypothese führen an, dass die newtonsche Gravitationstheorie von 1686 bereits drei Modifikationen erfahren hat. Bei sehr kleinen Abständen verwenden Physiker ausschließlich die [[Quantenmechanik]], bei sehr großen Geschwindigkeiten Einsteins [[spezielle Relativitätstheorie]] und nahe sehr großer Massen seine [[allgemeine Relativitätstheorie]]. Eine vierte Modifikation im oben genannten Extrembereich sei daher nicht ausgeschlossen.<ref>Pressemitteilung der Univ. Bonn: [http://idw-online.de/pages/de/news313389 ''Studie stürzt Standardtheorie der Kosmologie in die Krise''], 5. Mai 2009.</ref>


== Die Hypothese ==
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eine Funktion ist, die 1 für hohe Werte (<math>x \gg 1</math>) und <math>x</math> für kleine Werte (<math>x \ll 1</math>) annimmt. Die genaue Gestalt der Funktion <math>\mu(x)</math> ist nicht spezifiziert, in der Literatur werden am häufigsten <math>\mu(x) = \frac{x}{1+x}</math> und <math> \mu(x) = \frac{x}{\sqrt{1+x^2}}</math> verwendet.<ref>J. D. Bekenstein: ''[http://arxiv.org/abs/astro-ph/0701848 The modified Newtonian dynamics - MOND - and its implications for new physics.]''</ref> <math>a_0</math> ist eine Konstante, die bestimmt, unterhalb welcher Beschleunigung die Modifikation relevant wird.
eine Funktion ist, die 1 für hohe Werte (<math>x \gg 1</math>) und <math>x</math> für kleine Werte (<math>x \ll 1</math>) annimmt. Die genaue Gestalt der Funktion <math>\mu(x)</math> ist nicht spezifiziert, in der Literatur werden am häufigsten <math>\mu(x) = \frac{x}{1+x}</math> und <math> \mu(x) = \frac{x}{\sqrt{1+x^2}}</math> verwendet.<ref>Jacob D. Bekenstein: ''The modified Newtonian dynamics - MOND - and its implications for new physics''. Contemporary Physics 47, 2006, S. 387, {{DOI|10.1080/00107510701244055}} ([http://arxiv.org/abs/astro-ph/0701848 arXiv]).</ref> <math>a_0</math> ist eine Konstante, die bestimmt, unterhalb welcher Beschleunigung die Modifikation relevant wird.


Unter der Annahme, dass es keine Dunkle Materie gibt und stattdessen die MOND-Hypothese zutrifft, lässt sich <math> a_0 </math> aus astronomisch gemessenen Rotationskurven von Galaxien bestimmen. Milgrom erhielt aus Messungen vieler Galaxien <math> a_0 = 1{,}2 \cdot 10^{-10} \,\mathrm{ms}^{-2}</math>.
Unter der Annahme, dass es keine Dunkle Materie gibt und stattdessen die MOND-Hypothese zutrifft, lässt sich <math> a_0 </math> aus astronomisch gemessenen Rotationskurven von Galaxien bestimmen. Milgrom erhielt aus Messungen vieler Galaxien <math> a_0 = 1{,}2 \cdot 10^{-10} \,\mathrm{ms}^{-2}</math>.
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== Überprüfung der Theorie durch Beobachtungen ==
== Überprüfung der Theorie durch Beobachtungen ==
{{Hauptartikel|1E 0657-558}}


Der Cluster-Merger 1E&nbsp;0657-558 bietet die Möglichkeit, alternative Theorien zu testen. Es handelt sich um zwei Galaxienhaufen, die sich durchdrungen haben, wobei die Sterne sich weitgehend kollisionslos bewegten, während das Gas in der Mitte zurückblieb. Einerseits wurde die sichtbare Masse der Galaxien und des Gases im optischen Spektralbereich bzw. im Röntgenlicht gemessen. Das Massenverhältnis liegt zwischen 2:15 und 3:15, d.h. das Gas überwiegt. Andererseits zeigte das über die Ablenkung des Lichts bestimmte [[Gravitationspotential]], dass die Masse bei den Galaxien überwiegt. Das ist verträglich mit der Version des [[ΛCDM-Modell|kosmologischen Standardmodells]], in der [[Dunkle Materie]] in Form von schweren, nicht[[baryon]]ischen Teilchen vorkommt, während die MOND-Hypothese das Zentrum der Lichtablenkung beim Gas vorausgesagt hatte.<ref name="proof">Douglas Clowe et al.: ''A Direct Empirical Proof of the Existence of Dark Matter''. Astrophys.J. 648, 2006, S. L109-L113, {{DOI|10.1086/508162}} ([http://de.arxiv.org/abs/astro-ph/0608407 arXiv]).</ref>
Der Cluster-Merger 1E&nbsp;0657-558 bietet die Möglichkeit, alternative Gravitationstheorien gegen die [[Dunkle Materie]] zu testen. Dabei wurde einerseits die Verteilung der sichtbaren [[baryon]]ischen Materie gemessen und andererseits das [[Gravitationspotential]] des Clusters mit Hilfe der Ablenkung des Lichts in seinem Gravitationsfeld (wobei die Natur der MOND-Theorie berücksichtigt wurde). Das Massenverhältnis zwischen den enthaltenen Galaxien und dem umgebenden [[Plasma (Physik)|Plasma]] liegt zwischen 2:15 und 3:15. Das heißt, die Galaxien machen nur einen kleineren Teil der baryonischen Gesamtmasse des Clusters aus. Außerdem wurde beobachtet, dass sich die Plasmen der zwei Vorläufer-Cluster zu einem neuen Cluster vereinigt haben, während die Galaxien die Kollision der beiden Vorgänger-Cluster mehr oder weniger kollisionslos überstanden.

Das Gravitationspotential folgt nicht der baryonischen Massenverteilung des Plasmas, sondern derjenigen der Galaxien. Durch eine Modifikation des Gravitationsgesetzes ist dies nicht erklärbar. Es kann allerdings damit erklärt werden, dass die Quelle des Gravitationspotenzials nicht allein die sichtbare Baryonische Materie ist, sondern auch Dunkle Materie.<ref name="proof">[http://de.arxiv.org/abs/astro-ph/0608407 A Direct Empirical Proof of the Existence of Dark Matter] (englisch)</ref> Selbst wenn die MOND-Hypothese zutreffen sollte, muss unsichtbare (dunkle) Materie vorhanden sein.


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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== Literatur ==
== Literatur ==
* Mordehai Milgrom: ''Does Dark Matter Really Exist?'' Scientific American 8/2002; deutschsprachig: [http://www.spektrum.de/alias/dachzeile/gibt-es-dunkle-materie/829190 ''Gibt es Dunkle Materie?''] Spektrum der Wissenschaft Nr. 10/2002, S. 34.

* Anthony Aguirre: [http://www.spektrum.de/alias/keine-schlechte-idee/mond-ist-umstritten-aber-keineswegs-abwegig/829192 ''"Mond" ist umstritten, aber keineswegs abwegig'']. Spektrum der Wissenschaft Nr. 10/2002, S. 39.
* in: ''[[Spektrum der Wissenschaft]].'' Nr. 10. Heidelberg 2002, S.34. {{ISSN|0170-2971}}
<!-- im unten verlinkten Spiegel-Artikel erwähnt, aber als Literatur hier vielleicht zu speziell?
* Mordehai Milgrom: ''Does Dark Matter Really Exist?'' in: ''[[Scientific American]].'' New York 2002, August. {{ISSN|0036-8733}}
* Gianfranco Gentile et al.: ''Universality of galactic surface densities within one dark halo scale-length''. Nature 461, 2009, S. 627-628, {{DOI|10.1038/nature08437}}.
-->


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://arXiv.org/find/physics,astro-ph/1/abs:+mond/0/1/0/all/0/1 Preprints zu MOND] (englisch)
* {{Internetquelle|url=http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25869/1.html |titel=MOND statt Dunkler Materie|werk= [[Telepolis]]| datum=4. August 2007|zugriff=1. Okt. 2009}}
* {{Internetquelle|url=http://www.weltderphysik.de/gebiet/astro/news/2009/neue-zweifel-an-dunkler-materie/|werk=Welt der Physik|titel=Neue Zweifel an Dunkler Materie|datum= 30. September 2009|kommentar=zur Nature-Publikation|zugriff=1. Okt. 2009}}
* {{Internetquelle|url=http://www.weltderphysik.de/gebiet/astro/news/2009/neue-zweifel-an-dunkler-materie/|werk=Welt der Physik|titel=Neue Zweifel an Dunkler Materie|datum= 30. September 2009|kommentar=zur Nature-Publikation|zugriff=1. Okt. 2009}}
* ''[http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/0,1518,652549,00.html Gravitationstheorie. Neue Diskussion über Existenz Dunkler Materie.]'' In: ''[[Spiegel Online]].'' 1. Oktober 2009. Abgerufen am 1. Okt. 2009.
* ''[http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/0,1518,652549,00.html Gravitationstheorie. Neue Diskussion über Existenz Dunkler Materie.]'' Spiegel Online', 1. Oktober 2009.
* [http://www.astro.umd.edu/~ssm/mond/ The MOND pages]
* [http://www.astro.umd.edu/~ssm/mond/ The MOND pages]
* {{Internetquelle|url=http://www.weltderphysik.de/gebiet/astro/news/2012/weiterer-erfolg-fuer-alternative-zur-dunklen-materie/|werk=Welt der Physik|titel=Weiterer Erfolg für Alternative zur Dunklen Materie|zugriff=5. Oktober 2012}}
* {{Internetquelle|url=http://www.weltderphysik.de/gebiet/astro/news/2012/weiterer-erfolg-fuer-alternative-zur-dunklen-materie/|werk=Welt der Physik|titel=Weiterer Erfolg für Alternative zur Dunklen Materie|zugriff=5. Oktober 2012}}
* [http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=21869 ''Dark Matter: a Debate''], 3sat.online, 25. November 2010 ([[Simon White]] und [[Pavel Kroupa]] im Interview mit Ottmar Gendera).
* [http://martinlo.com/Home/RNBP.html Galaxiensimulationen mit einem 1/r Kraftgesetz]


[[Kategorie:Gravitation]]
[[Kategorie:Gravitation]]

Version vom 13. Juli 2014, 00:59 Uhr

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Die modifizierte newtonsche Dynamik, abgekürzt MOND (gesprochen mit kurzem „O“), ist eine physikalische Hypothese, die das Rotationsverhalten von Galaxien durch Modifikationen der Bewegungsgleichungen der Materie im Gravitationsfeld erklären soll. MOND wurde 1983 von Mordehai Milgrom als Alternative zum Postulat der Dunklen Materie vorgeschlagen.[1]

Die Theorie wird kontrovers diskutiert.[2]

Hintergrund

Rotationsgeschwindigkeit von Galaxien

Diagramm zur Diskrepanz zwischen berechneter und gemessener Rotationsgeschwindigkeit von Spiralgalaxien

Seit den 1980er Jahren ergeben Messungen der Rotation von Galaxien, dass die Rotationsgeschwindigkeiten nicht den Erwartungen entsprechen. Die Bahnen der Sterne in einer Galaxie werden nur von der Schwerkraft der in der Galaxie zusammengeballten Materie verursacht. Mittels der beobachteten Masseverteilung (Sterne, Gasnebel) kann die Gravitationskraft, und somit die Bahn der Sterne, berechnet werden.

Es stellte sich heraus, dass die Sterne am Rande der Galaxien schneller umliefen als nach der Theorie vorhergesagt. Man spricht vom „Abflachen der Rotationsgeschwindigkeit“ im Gegensatz zum erwarteten „Abfallen der Rotationsgeschwindigkeit“.

Modifizierte Dynamik statt Dunkler Materie

Da sowohl das newtonsche Gravitationsgesetz als auch Albert Einsteins allgemeine Relativitätstheorie gut überprüfte Theorien zum Verhalten von Materie unter Gravitation sind, nehmen die meisten Astronomen eine nicht sichtbare (das heißt dunkle) Materiekomponente im Halo um die Galaxien an, um deren flache Rotationskurven zu erklären. Auch Beobachtungen auf größeren Skalen, etwa von Galaxienhaufen oder der großräumigen Struktur des Universums, lieferten starke Hinweise auf die Existenz von Dunkler Materie.

Statt zusätzlicher, nicht sichtbarer Masse schlug Mordehai Milgrom 1983 vor, dass eine Änderung der newtonschen Bewegungsgesetze die Ursache für die beobachteten Rotationskurven sein könnte. Gemäß der MOND-Hypothese nimmt die Änderung nur bei sehr kleinen Beschleunigungen, wie sie im astronomischen Maßstab auftreten, einen relevanten Einfluss auf die Bewegungen.

Befürworter der MOND-Hypothese führen an, dass die newtonsche Gravitationstheorie von 1686 bereits drei Modifikationen erfahren hat. Bei sehr kleinen Abständen verwenden Physiker ausschließlich die Quantenmechanik, bei sehr großen Geschwindigkeiten Einsteins spezielle Relativitätstheorie und nahe sehr großer Massen seine allgemeine Relativitätstheorie. Eine vierte Modifikation im oben genannten Extrembereich sei daher nicht ausgeschlossen.[3]

Die Hypothese

Das newtonsche Bewegungsgesetz besagt, dass ein Objekt der konstanten Masse , wenn es einer Kraft ausgesetzt ist, eine Beschleunigung erfährt:

Dieses Gesetz hat sich generell als korrekt erwiesen. Allerdings ist es bei extrem kleinen Beschleunigungen nur schwer oder gar nicht experimentell nachzuweisen. Solche extrem kleinen Beschleunigungen wirken jedoch bei der Gravitationswechselwirkung zwischen entfernten Sternen.

Milgrom schlug vor, das Bewegungsgesetz zu:

abzuändern, wobei

eine Funktion ist, die 1 für hohe Werte () und für kleine Werte () annimmt. Die genaue Gestalt der Funktion ist nicht spezifiziert, in der Literatur werden am häufigsten und verwendet.[4] ist eine Konstante, die bestimmt, unterhalb welcher Beschleunigung die Modifikation relevant wird.

Unter der Annahme, dass es keine Dunkle Materie gibt und stattdessen die MOND-Hypothese zutrifft, lässt sich aus astronomisch gemessenen Rotationskurven von Galaxien bestimmen. Milgrom erhielt aus Messungen vieler Galaxien .

Da alle Vorgänge des Alltagslebens bei Beschleunigungen stattfinden, bleibt hier das Bewegungsgesetz unverändert erhalten. Weit entfernt vom Zentrum einer Galaxie sieht die Situation allerdings anders aus. Nach dem Gravitationsgesetz gilt dort:

wobei die Gravitationskonstante, die Masse der Galaxie und die Masse des betrachteten Sterns ist. ist der Abstand zwischen dem Schwerpunkt der Galaxie und dem des Sterns.

Mit dem modifizierten Bewegungsgesetz entsteht:

Da in dieser Situation gerade , also gelten soll, erhält man:

und somit

Also ist

Der Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit, Beschleunigung und Abstand zum Kraftzentrum für eine Kreisbahn lautet:

Damit ergibt sich

Daraus folgt, dass die Rotationsgeschwindigkeit im weiten Abstand nicht vom Abstand abhängt.

Tensor-Vektor-Skalar-Gravitationstheorie

Eine relativistische Formulierung von MOND wurde 2004 von Jacob Bekenstein vorgeschlagen. Sie wird Tensor-Vektor-Skalar-Gravitationstheorie genannt.

Überprüfung der Theorie durch Beobachtungen

Der Cluster-Merger 1E 0657-558 bietet die Möglichkeit, alternative Theorien zu testen. Es handelt sich um zwei Galaxienhaufen, die sich durchdrungen haben, wobei die Sterne sich weitgehend kollisionslos bewegten, während das Gas in der Mitte zurückblieb. Einerseits wurde die sichtbare Masse der Galaxien und des Gases im optischen Spektralbereich bzw. im Röntgenlicht gemessen. Das Massenverhältnis liegt zwischen 2:15 und 3:15, d.h. das Gas überwiegt. Andererseits zeigte das über die Ablenkung des Lichts bestimmte Gravitationspotential, dass die Masse bei den Galaxien überwiegt. Das ist verträglich mit der Version des kosmologischen Standardmodells, in der Dunkle Materie in Form von schweren, nichtbaryonischen Teilchen vorkommt, während die MOND-Hypothese das Zentrum der Lichtablenkung beim Gas vorausgesagt hatte.[5]

Einzelnachweise

  1. Mordehai Milgrom: Dynamics with a non-standard inertia-acceleration relation: an alternative to dark matter. Ann.Phys. 229, 1994, S. 384-415, doi:10.1006/aphy.1994.1012 (arXiv).
  2. Benoit Famaey, Stacy McGaugh: Modified Newtonian Dynamics (MOND): Observational Phenomenology and Relativistic Extensions. Living Reviews in Relativity 15, 2012, S. 10, doi:10.12942/lrr-2012-10 (arXiv).
  3. Pressemitteilung der Univ. Bonn: Studie stürzt Standardtheorie der Kosmologie in die Krise, 5. Mai 2009.
  4. Jacob D. Bekenstein: The modified Newtonian dynamics - MOND - and its implications for new physics. Contemporary Physics 47, 2006, S. 387, doi:10.1080/00107510701244055 (arXiv).
  5. Douglas Clowe et al.: A Direct Empirical Proof of the Existence of Dark Matter. Astrophys.J. 648, 2006, S. L109-L113, doi:10.1086/508162 (arXiv).

Literatur