„Chronisch-traumatische Enzephalopathie“ – Versionsunterschied

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In einem Übersichtsartikel aus dem Jahr 2009 wurden 51 Fälle von CTE analysiert, die bis dahin [[Neuropathologie|neuropathologisch]] bestätigt worden waren. Bei diesen 51 Fällen traten 46&nbsp;(90&nbsp;%) bei Profisportlern auf.<ref name="McKee2009" />. Unter den betroffenen Sportlern waren 39 Boxer (85&nbsp;%), fünf American Football-Spieler (11&nbsp;%) sowie ein Profi-Wrestler und ein Fußballspieler. Im Durchschnitt waren die Boxer 14,4 Jahre und die Football-Spieler 18,4 Jahre aktiv gewesen.
In einem Übersichtsartikel aus dem Jahr 2009 wurden 51 Fälle von CTE analysiert, die bis dahin [[Neuropathologie|neuropathologisch]] bestätigt worden waren. Bei diesen 51 Fällen traten 46&nbsp;(90&nbsp;%) bei Profisportlern auf.<ref name="McKee2009" />. Unter den betroffenen Sportlern waren 39 Boxer (85&nbsp;%), fünf American Football-Spieler (11&nbsp;%) sowie ein Profi-Wrestler und ein Fußballspieler. Im Durchschnitt waren die Boxer 14,4 Jahre und die Football-Spieler 18,4 Jahre aktiv gewesen.


Die bisher größte Kohorte kommt aus dem Jahr 2015 und umfasst 153 Fallstudien, alle zwischen 1954 und 2013 neuropathologisch berichtete Fälle von CTE.<ref name="Maroon2015">{{cite journal|last=Maroon |first=JC |coauthors= Winkelman R, Bost J, Amos A, Mathyssek C, Miele V |title=Chronic traumatic encephalopathy in contact sports: a systematic review of all reported pathological cases |journal=PLoS One |year=2015 |volume=10 |pages=e0117338 |pmid=25671598}}</ref> Unter den 153 Fällen befanden sich 69 (45,1 %) ehemalige Boxer, 63 (41,2 %) ehemalige Amateur- und Profi-Football-Spieler, 5 (3,3 %) ehemalige Eishockey-Spieler, 6 (3,9 %) ehemalige Kriegsveteranen und 3 (2,0 %) ehemalige Profi-Wrestler. Die Metastudie wurde von der NFL und den Pittsburgh Steelers finanziell gefördert und von [[:en:Joseph Maroon|Joseph Maroon]] geleitet, der Berater und Neurochirurg für die [[Pittsburgh Steelers]] und medizinischer Direktor für [[WWE|World Wrestling Entertainment]] ist.<ref name="Maroon2015correction">{{cite journal|last=Maroon |first=JC |coauthors= Winkelman R, Bost J, Amos A, Mathyssek C, Miele V |title=Correction: chronic traumatic encephalopathy in contact sports: a systematic review of all reported pathological cases |journal=PLoS One |year=2015 |volume=10 |pages=e0130507 |pmid=26039052}}</ref> In der Studie werden geringfügige Gehirnverletzungen (minor traumatic brain injuries) als alleiniger Risikofaktor für CTE identifiziert. Es wurde kein Zusammenhang zwischen CTE und Sterbealter hergestellt. Auch Selbstmord und prämorbide Demenz waren nicht stark mit CTE assoziiert. Die Autoren schlussfolgerten, dass die Inzidenz von CTE aufgrund des Mangels an Longitudinalstudien im Unklaren bleibt ("We conclude that the incidence of CTE remains unknown due to the lack of large, longitudinal studies.") Ob mehrfache Kopfstöße mit erschütternden und sub-erschütternden Auswirkungen ursächlich zur CTE führen, bleibt damit weiterhin spekulativ. Aber die zunehmende Zahl von wissenschaftlichen Berichten führt zu steigender Besorgnis hinsichtlich der kognitiven Folgen sich wiederholender sportbezogener Gehirnerschütterungen.<ref name="Gardner"/>
Eine sehr große Kohorte kommt aus dem Jahr 2015 und umfasst 153 Fallstudien, alle zwischen 1954 und 2013 neuropathologisch berichtete Fälle von CTE.<ref name="Maroon2015">{{cite journal|last=Maroon |first=JC |coauthors= Winkelman R, Bost J, Amos A, Mathyssek C, Miele V |title=Chronic traumatic encephalopathy in contact sports: a systematic review of all reported pathological cases |journal=PLoS One |year=2015 |volume=10 |pages=e0117338 |pmid=25671598}}</ref> Unter den 153 Fällen befanden sich 69 (45,1 %) ehemalige Boxer, 63 (41,2 %) ehemalige Amateur- und Profi-Football-Spieler, 5 (3,3 %) ehemalige Eishockey-Spieler, 6 (3,9 %) ehemalige Kriegsveteranen und 3 (2,0 %) ehemalige Profi-Wrestler. Die Metastudie wurde von der NFL und den Pittsburgh Steelers finanziell gefördert und von [[:en:Joseph Maroon|Joseph Maroon]] geleitet, der Berater und Neurochirurg für die [[Pittsburgh Steelers]] und medizinischer Direktor für [[WWE|World Wrestling Entertainment]] ist.<ref name="Maroon2015correction">{{cite journal|last=Maroon |first=JC |coauthors= Winkelman R, Bost J, Amos A, Mathyssek C, Miele V |title=Correction: chronic traumatic encephalopathy in contact sports: a systematic review of all reported pathological cases |journal=PLoS One |year=2015 |volume=10 |pages=e0130507 |pmid=26039052}}</ref> In der Studie werden geringfügige Gehirnverletzungen (minor traumatic brain injuries) als alleiniger Risikofaktor für CTE identifiziert. Es wurde kein Zusammenhang zwischen CTE und Sterbealter hergestellt. Auch Selbstmord und prämorbide Demenz waren nicht stark mit CTE assoziiert. Die Autoren schlussfolgerten, dass die Inzidenz von CTE aufgrund des Mangels an Longitudinalstudien im Unklaren bleibt ("We conclude that the incidence of CTE remains unknown due to the lack of large, longitudinal studies.") Ob mehrfache Kopfstöße mit erschütternden und sub-erschütternden Auswirkungen ursächlich zur CTE führen, bleibt damit weiterhin spekulativ. Aber die zunehmende Zahl von wissenschaftlichen Berichten führt zu steigender Besorgnis hinsichtlich der kognitiven Folgen sich wiederholender sportbezogener Gehirnerschütterungen.<ref name="Gardner"/>

Ebenfalls aus dem Jahr 2015 kommt eine gemeinsame neurohistologische Studie der [[Mayo Clinic|Mayo-Klinik]] in Florida und der Boston University, die an 1721 Gehirnen von männlichen Verstorbenen mit neurodegenerativen Störungen durchgeführt wurde.<ref name="Bieniek2015">{{cite journal |last=Bieniek |first=KF |coauthors=Ross OA, Cormier KA, Walton RL, Soto-Ortolaza A, Johnston AE, DeSaro P, Boylan KB, Graff-Radford NR, Wszolek ZK, Rademakers R, Boeve BF, McKee AC, Dickson DW |title=Chronic traumatic encephalopathy pathology in a neurodegenerative disorders brain bank |journal=Acta Neuropathol |year=2015 |volume=130 |pages=877-889 |pmid=26518018}}</ref><ref>{{internetquelle |hrsg=traumaticbraininjury.net |autor=Paul Stone |url=http://www.traumaticbraininjury.net/mayo-clinic-finds-evidence-of-cte-in-high-school-athletes/ |titel=Mayo Clinic Finds Evidence of CTE In High School Athletes |datum=2015-12-02 |zugriff=2016-01-09}}</ref> Kortikale Tau-Proteine dienten als Marker für die CTE-Diagnose. 21 von 66 früheren Athleten, die Kontaktsportarten betrieben hatten, zeigten eine Taupathologie. Im Gegensatz dazu wurde bei keinem von 198 Untersuchten eine Taupathologie erkannt, die keinen Kontaktsport betrieben hatten. 33 von diesen hatten im Einzelfall jedoch traumatische Hirnverletzungen erlebt, durch Stürze, Motorradunfälle oder häusliche Gewalt. Da die CTE-Pathologie nur bei denjenigen Individuen entdeckt wurde, die eine dokumentierte Teilnahme an Kontaktsportarten vorlag, wurde geschlussfolgert, dass dieser Kontakt das größte Risiko darstellt, um an CTE zu erkranken.


Vor dem Hintergrund der anhaltenden Debatte bezüglich Prävalenz und Kausalzusammenhang wurde 2012 auf der '4. Internationalen Konsenskonferenz zum Thema Gehirnerschütterung im Sport', die von der FIFA mitorganisiert und gastgeberisch in Zürich abgehalten wurde,<ref>{{internetquelle |hrsg=FIFA.com |url=http://de.fifa.com/development/news/y=2012/m=10/news=fifa-richtet-konferenz-zum-thema-gehirnerschutterung-aus-1714368.html |titel=FIFA richtet Konferenz zum Thema Gehirnerschütterung aus |datum=2012-10-03 |zugriff=2016-01-04}}</ref> ein Konsens folgenden Inhalts erzielt:<ref name="McCrory">{{cite journal|last=McCrory |first=P |coauthors= |title=Consensus Statement on Concussion in Sport: The 4th International Conference on Concussion in Sport Held in Zurich |journal=Br J Sports Med |year=2013 |volume=47 |pages=250-258 |pmid=23479479}}</ref>
Vor dem Hintergrund der anhaltenden Debatte bezüglich Prävalenz und Kausalzusammenhang wurde 2012 auf der '4. Internationalen Konsenskonferenz zum Thema Gehirnerschütterung im Sport', die von der FIFA mitorganisiert und gastgeberisch in Zürich abgehalten wurde,<ref>{{internetquelle |hrsg=FIFA.com |url=http://de.fifa.com/development/news/y=2012/m=10/news=fifa-richtet-konferenz-zum-thema-gehirnerschutterung-aus-1714368.html |titel=FIFA richtet Konferenz zum Thema Gehirnerschütterung aus |datum=2012-10-03 |zugriff=2016-01-04}}</ref> ein Konsens folgenden Inhalts erzielt:<ref name="McCrory">{{cite journal|last=McCrory |first=P |coauthors= |title=Consensus Statement on Concussion in Sport: The 4th International Conference on Concussion in Sport Held in Zurich |journal=Br J Sports Med |year=2013 |volume=47 |pages=250-258 |pmid=23479479}}</ref>

Version vom 9. Januar 2016, 18:19 Uhr

Dementia pugilistica[1] (lat. dementia „Wahnsinn“, pugilistica „faustkämpferisch") auch Chronisch traumatische Enzephalopathie (CTE)[2][3], Boxerenzephalopathie, faustkämpferisches Parkinson-Syndrom, Boxer-Syndrom oder Punch-Drunk-Syndrom[4][5] ist eine neurale Dysfunktion, die nach häufigen Schlägen oder Stößen auf den Kopf auftritt.[6] Mittlerweile ist die sport-neutrale Bezeichnung CTE am geläufigsten geworden. Der Begriff 'Punch drunk' wurde früher allgemein für zweitklassige Kämpfer, die zu Trainingszwecken eingesetzt werden, verwendet.[4][7]

Verlauf und Diagnose

CTE ist eine eigenständige neurologische Erkrankung (langsam fortschreitende Tauopathie) mit eindeutig durch Außeneinwirkungen (Kopfverletzungen) begründeter Ätiologie. Die neurale Degeneration ist Folge kleiner, traumatisch bedingter Blutungen. CTE tritt meist Jahre nach Beendigung der Sportkarriere mit progressivem Verlauf auf. Bei 34 American Football-Spielern, deren Gehirn nach ihrem Tod histologisch untersucht wurde, korrelierte der Ausprägungsgrad der CTE mit der Dauer der Sportausübung, der Zeit nach Beendigung der Sportkarriere und dem Todesalter.[8].

CTE kann bislang noch nicht eindeutig klinisch diagnostiziert werden, sondern erst post mortem durch histologische Aufarbeitung des Gehirns. Klinisch ist CTE mit zunehmendem Gedächtnisverlust, Verhaltens-und Persönlichkeitsveränderungen, Parkinsonismus, Sprechstörungen, verlangsamtem Gang sowie Depressionen, Suizidrisiko, Agggressivität und eventueller Demenz assoziiert.[9][10] Bei einigen Patienten zeigen sich auch Motoneuronerkrankungen, die klinisch der Amyotrophen Lateralsklerose ähneln.[10]

Neuropathologisch zeigt sich eine Atrophie der Großhirn-Hälften, des medialen Temporallappens, des Thalamus, der Mamilarkörper und des Hirnstammes, einhergehend mit Ventrikelerweiterungen.[9]. Mikroskopisch findet man abnormale Ablagerungen von hyperphoshorylierten Tau-Proteinen in Form von neurofibrillären Aggregaten, Aggregaten in glialen Astrozyten und Neuropil-Fäden im ganzen Gehirn.[9] Diese führen allmählich zum Absterben von Gehirnzellen.[11] Die neurofibrilläre Degeneration bei CTE unterscheidet sich von anderen Tauopathien darin, dass vorwiegend die öberflächlichen Schichten der Großhirnrinde betroffen sind und eine fleckenartige Verteilung in der frontalen und temporalen Großhirnrinde auftritt. Auch die auffällige Anreicherung von Tau-Proteinen in den Astrozyten ist charakteristisch.[9] Wissenschaftler gehen davon aus, dass wiederholte Schädel-Hirn-Traumata, die mit einer Gehirnerschütterung verknüpft sind oder auch ohne Symptome einer Gehirnrerschütterung einhergehen, für die neurodegenerativen Veränderungen verantwortlich sind, die sich in der Anreicherung der hyperphoshorylierten Tau-Proteine und von TDP-43-Proteinen äußern.[10]

Nachdem spezifische pathologische Kriterien für die Diagnose der CTE aufgestellt worden sind, wird die Krankheit in vier Stufen eingeteilt.[8] [11] [12] [13]

Zugrunde liegen post mortem-Untersuchungen, die mit vor dem Tod ermittelten Verhaltensauffälligkeiten in Bezug gesetzt wurden.

  • Stufe I: Kopfschmerzen, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsdefizite
  • Stufe II: zusätzliche Symptome wie Depression, Gefühlsausbrüche, beeinträchtigtes Kurzzeitgedächtnis
  • Stufe III: Kognitive Beeinträchtigungen, Probleme bei der Planung und Organisation von Alltagstätigkeiten, Multitasking-Probleme, Mängel im Beurteilungsvermögen
  • Stufe IV: ausgeprägte Demenz mit starken Gedächtnis- und kognitiven Störungen, die die Alltagsbewältigung unmöglich machen

In der verminderten Koordinationsfähigkeit, die zu Sprechproblemen, unstetem Gang und ungewöhnlichem Verhalten führen kann, ähnelt CTE der Parkinson-Krankheit.

Fälle

Sehr häufig ist das Syndrom bei langjährig aktiven Boxern oder American-Football-Spielern,[14] aber auch bei alkoholabhängigen Menschen, die oft Stürze erleiden und sich durch ihre verminderte Reaktionsfähigkeit nicht auffangen können. Naturgemäß ist die Zahl häufiger Kopfstöße und damit das CTE-Risiko in den Kollisionssportarten Boxen und American Football besonders hoch. Hier können die Spieler pro Jahr mehr als 1000 Stöße erleben, ohne dass diese bereits Gehirnerschütterungen auslösen.[15][16] Der Neuropathologe Bennet Omalu veröffentlichte in den Jahren 2005, 2006 und 2010 drei neurohistologische Fallstudien von CTE bei ehemaligen amerikanischen Profi-Football-Spielern.[17][18][19] Diese Fälle betrafen die NFL-Spieler Mike Webster, Terry Long und Andre Waters. Weitere bekannte NFL-Spieler, die aufgrund des CTE-Syndroms oder mit ihm starben, sind Tom McHale,[20] Justin Strzelczyk[21] oder zuletzt Chris Henry, der erste bekannte Fall eines noch aktiven Football-Spielers mit dieser Erkrankung.[22] Bekannte Opfer der Krankheit im Boxen sind Jack Dempsey, Joe Louis, Beau Jack und Jerry Quarry. Muhammad Ali hingegen leidet vermutlich an Morbus Parkinson. Ein Zusammenhang seiner Erkrankung mit dem Boxen wurde nie belegt.

Auch im Wrestling und Rugby sowie in Eishockey, Lacrosse, Skifahren, Karate, Pferdereiten, Fallschirmspringen und Fußball wurden wiederholte innere Kopfverletzungen beobachtet.[9] Sowohl bei professionellen wie bei halbprofessionellen Fußballspielern sind Fälle von chronisch traumatischer Enzephalopathie diagnostiziert worden.[23][24]

Eine der frühesten histopathologischen Untersuchungen stammt aus dem Jahr 1954.[25] Bei dem darin beschriebenen Boxer, der 51-jährig an einer Gehirnblutug verstarb, war eine Verschwommenheit der Sprache, Vergesslichkeit und Reizbarkeit beschrieben worden. Im letzten Lebensjahr litt er an Parkinson und Demenz. Sein Gehirn wies senile Plaquebildung mit in der Hirnrinde festgestellten Neurofibrillen auf sowie ein verringertes Volumen des Kleinhirns.

Über viele Jahre hinweg wurde danach in einer Reihe von isolierten Einzelfällen über Anzeichen und Symptome von CTE bei ehemaligen Boxern berichtet. Dadurch stützte sich Erklärung dieses Syndroms lange Zeit allein auf anekdotische Evidenz sowie Analogien und Vermutungen. Im Jahr 1973 erschien eine Publikation "Das Nachspiel des Boxens" (The aftermath of boxing), in der die Befunde von 15 neuropathologisch untersuchten ehemaligen Boxern zusammengestellt wurden. Daraus ergab sich erstmals die Abstufung von CTE in mehrere Schweregrade.[26]

In einem Übersichtsartikel aus dem Jahr 2009 wurden 51 Fälle von CTE analysiert, die bis dahin neuropathologisch bestätigt worden waren. Bei diesen 51 Fällen traten 46 (90 %) bei Profisportlern auf.[9]. Unter den betroffenen Sportlern waren 39 Boxer (85 %), fünf American Football-Spieler (11 %) sowie ein Profi-Wrestler und ein Fußballspieler. Im Durchschnitt waren die Boxer 14,4 Jahre und die Football-Spieler 18,4 Jahre aktiv gewesen.

Eine sehr große Kohorte kommt aus dem Jahr 2015 und umfasst 153 Fallstudien, alle zwischen 1954 und 2013 neuropathologisch berichtete Fälle von CTE.[27] Unter den 153 Fällen befanden sich 69 (45,1 %) ehemalige Boxer, 63 (41,2 %) ehemalige Amateur- und Profi-Football-Spieler, 5 (3,3 %) ehemalige Eishockey-Spieler, 6 (3,9 %) ehemalige Kriegsveteranen und 3 (2,0 %) ehemalige Profi-Wrestler. Die Metastudie wurde von der NFL und den Pittsburgh Steelers finanziell gefördert und von Joseph Maroon geleitet, der Berater und Neurochirurg für die Pittsburgh Steelers und medizinischer Direktor für World Wrestling Entertainment ist.[28] In der Studie werden geringfügige Gehirnverletzungen (minor traumatic brain injuries) als alleiniger Risikofaktor für CTE identifiziert. Es wurde kein Zusammenhang zwischen CTE und Sterbealter hergestellt. Auch Selbstmord und prämorbide Demenz waren nicht stark mit CTE assoziiert. Die Autoren schlussfolgerten, dass die Inzidenz von CTE aufgrund des Mangels an Longitudinalstudien im Unklaren bleibt ("We conclude that the incidence of CTE remains unknown due to the lack of large, longitudinal studies.") Ob mehrfache Kopfstöße mit erschütternden und sub-erschütternden Auswirkungen ursächlich zur CTE führen, bleibt damit weiterhin spekulativ. Aber die zunehmende Zahl von wissenschaftlichen Berichten führt zu steigender Besorgnis hinsichtlich der kognitiven Folgen sich wiederholender sportbezogener Gehirnerschütterungen.[7]

Ebenfalls aus dem Jahr 2015 kommt eine gemeinsame neurohistologische Studie der Mayo-Klinik in Florida und der Boston University, die an 1721 Gehirnen von männlichen Verstorbenen mit neurodegenerativen Störungen durchgeführt wurde.[29][30] Kortikale Tau-Proteine dienten als Marker für die CTE-Diagnose. 21 von 66 früheren Athleten, die Kontaktsportarten betrieben hatten, zeigten eine Taupathologie. Im Gegensatz dazu wurde bei keinem von 198 Untersuchten eine Taupathologie erkannt, die keinen Kontaktsport betrieben hatten. 33 von diesen hatten im Einzelfall jedoch traumatische Hirnverletzungen erlebt, durch Stürze, Motorradunfälle oder häusliche Gewalt. Da die CTE-Pathologie nur bei denjenigen Individuen entdeckt wurde, die eine dokumentierte Teilnahme an Kontaktsportarten vorlag, wurde geschlussfolgert, dass dieser Kontakt das größte Risiko darstellt, um an CTE zu erkranken.

Vor dem Hintergrund der anhaltenden Debatte bezüglich Prävalenz und Kausalzusammenhang wurde 2012 auf der '4. Internationalen Konsenskonferenz zum Thema Gehirnerschütterung im Sport', die von der FIFA mitorganisiert und gastgeberisch in Zürich abgehalten wurde,[31] ein Konsens folgenden Inhalts erzielt:[32] “Clinicians need to be mindful of the potential for long-term problems in the management of all athletes. However, it was agreed that chronic traumatic encephalopathy (CTE) represents a distinct tauopathy with an unknown incidence in athletic populations. It was further agreed that a cause and effect relationship has not as yet been demonstrated between CTE and concussions or exposure to contact sports. At present, the interpretation of causation in the modern CTE case studies should proceed cautiously. It was also recognized that it is important to address the fears of parents/athletes from media pressure related to the possibility of CTE.”

CTE im Tiermodell

Im Jahr 2015 wurden in einer Veröffentlichung Tierversuche an Ratten und Mäusen zur Untersuchung von CTE zugrunde gelegt. Dazu wurden bei Ratten traumatische Gehirnverletzungen durch Druckwellen über Detonationen erzeugt und bei Mäusen Schädel-Hirn-Traumata pneumatisch ausgelöst.[33] In standardisierten Tests wurden anschließend impulsives Verhalten und kognitive Defizite quantitativ erfasst und hyperphosphorylierte Tau-Proteine wurden postum immunhistochemisch analysiert. Die traumatisierten Versuchstiere zeigten sowohl im Verhalten als auch in den Tau-Proteinen gegenüber Kontrolltieren auffällige Unterschiede. Versuche an Mäusen, denen über sieben Tage hinweg täglich sechs mechanische Schläge auf den Kopf verabreicht wurden, erbrachten sechs Monate danach eine verbreitete Astrogliose, eine Aktivierung der inflammatorischen Zellen des Zentralnervensystems und eine Anreicherung von hyperphosphorylierten Tau-Proteinen.[34] Da diese neuropathologischen Erscheinungen kennzeichnend für CTE sind, liegt nunmehr ein erstes Tiermodell für weitere CTE-Analysen, im Besonderen der Pathophysiologie der CTE, vor.[35]

Literatur

  • Pschyrembel - Klinisches Wörterbuch, Walter de Gruyter: Berlin, New York 1994 (257. Aufl.), S. 210 und S. 308

Internetquellen

Boston University CTE Center: „What is CTE?“. http://www.bu.edu/cte/about/what-is-cte/ (abgerufen am 9. Januar 2016).

Einzelnachweise

  1. JA Millspaugh: Dementia pugilistica. In: US Naval Medicine Bulletin. 35. Jahrgang, 1937, S. 297–303.
  2. M Critchley: Medical aspects of boxing, particularly from a neurological standpoint. In: Br Med J. 1. Jahrgang, 1957, S. 357–362, PMID 13396257.
  3. RK Sabharwal, Sanchetee PC, Sethi PK, Dhamija RM: Chronic traumatic encephalopathy in boxers. In: J Assoc Physicians India. 35. Jahrgang, 1987, S. 571–573, PMID 3693310.
  4. a b HS Martland: Punch drunk. In: JAMA. 91. Jahrgang, 1928, S. 1103–1107.
  5. CB Courville: Punch drunk. Its pathogenesis and pathology on the basis of a verified case. In: Bull Los Angel Neuro Soc. 27. Jahrgang, 1962, S. 160–168, PMID 14023454.
  6. JA Corsellis: Boxing and the brain. In: British Medical Journal. 298. Jahrgang, 1989, S. 105–109, PMC 1835400 (freier Volltext).
  7. a b Andrew Gardner und Peter Stanwell: Riskante Gehirnerschütterungen: Chronisch traumatische Enzephalopathie (CTE) als Folge von Kopfverletzungen. medicalsportsnetwork.com, April 2012, abgerufen am 2. Januar 2016.
  8. a b AC McKee, Stern RA, Nowinski CJ, Stein TD, Alvarez VE, Daneshvar DH, Lee HS, Wojtowicz SM, Hall G, Baugh CM, Riley DO, Kubilus CA, Cormier KA, Jacobs MA, Martin BR, Abraham CR, Ikezu T, Reichard RR, Wolozin BL, Budson AE, Goldstein LE, Kowall NW, Cantu RC: The spectrum of disease in chronic traumatic encephalopathy. In: Brain. 136. Jahrgang, 2013, S. 43–64, PMID 23208308.
  9. a b c d e f AC McKee, Cantu RC, Nowinski CJ, Hedley-Whyte ET, Gavett BE, Budson AE, Santini VE, Lee H-S, Kubilus CA, Stern RA: Chronic traumatic encephalopathy in athletes: progressive tauopathy after repetitve head injury. In: Journal of Neuropathology and Experimental Neurology. 68. Jahrgang, 2009, S. 709–735, PMID 19535999.
  10. a b c RA Stern, Riley DO, Daneshvar DH, Nowinski CJ, Cantu RC, McKee AC: Long-term consequences of repetitive brain trauma: chronic traumatic encephalopathy. In: Physical Medicine and Rehabilitation. The Journal of Injury, Function and Rehabilitation. 10. Jahrgang, 2011, S. S460-S467, PMID 22035690.
  11. a b Brenda L. Mooney: CTE Study categorizes stages of degenerative brain disease in veterans, athletes. usmedicine.com, Januar 2013, abgerufen am 1. Januar 2016.
  12. TD Stein, Alvarez VE, McKee AC: Chronic traumatic encephalopathy: a spectrum of neuropathological changes following repetitive trauma in athletes and military personnel. In: Alzheimer's Research and Therapy. 6. Jahrgang, 2014, S. 4, PMID 24423082 PMCID=3979082.
  13. H Ling, Hardy J, Zetterberg H: Neurological consequences of traumatic brain injuries in sports. In: Mol Cell Neurosci. 66. Jahrgang, 2015, S. 114–122, PMID 25770439.
  14. Désirée Karge: Erschütterte Sportlergehirne. bild der wissenschaft, Heft 3-2014. Seiten 94-99.
  15. RM Greenwald, Gwin JT, Chu JJ, et al: Head impact severity measures for evaluating mild traumatic brain injury risk exposure. In: Neurosurgery. 62. Jahrgang, 2008, S. 789–798, PMID 18496184.
  16. JG Beckwith: Validation of a noninvasive system for measuring head acceleration for use during boxing competition. In: J Appl Biomech. 23. Jahrgang, 2007, S. 238–244, PMID 18089922.
  17. BI Omalu, DeKosky ST, Minster RL, Kamboh MI, Hamilton RL, Wecht CH: Chronic traumatic encephalopathy in a national football league player. In: Neurosurgery. 57. Jahrgang, 2005, S. 128–134, PMID 15987548.
  18. BI Omalu, DeKosky ST, Hamilton RL, Minster RL, Kamboh MI, Shakir AM, Wecht CH: Chronic traumatic encephalopathy in a national football league player: part II. In: Neurosurgery. 59. Jahrgang, 2006, S. 1086–1092, PMID 17143242.
  19. BI Omalu, Hamilton RL, Kamboh MI, DeKosky ST, Bailes J: Chronic traumatic encephalopathy (CTE) in a National Football League Player: Case report and emerging medicolegal practice questions. In: J Forensic Nurs. 6. Jahrgang, 2010, S. 40–46, PMID 20201914.
  20. Alan Schwarz: New Sign of Brain Damage in N.F.L. In: The New York Times. 27. Januar 2009, abgerufen am 29. Juni 2010 (englisch).
  21. Alan Schwarz: Lineman, Dead at 36, Exposes Brain Injuries. In: The New York Times. 15. Juni 2007, abgerufen am 29. Juni 2010 (englisch).
  22. Alan Schwarz: Former Bengal Henry Found to Have Had Brain Damage. In: The New York Times. 28. Juni 2010, abgerufen am 29. Juni 2010 (englisch).
  23. Jeff Astle's family unhappy with authorities following research over his death. skysports.com, 1. Juni 2014, abgerufen am 30. Dezember 2015.
  24. John Branch: Brain Trauma Extends to the Soccer Field. The New York Times, 26. Februar 2014, abgerufen am 29. Dezember 2015.
  25. W Brandenburg, Hallervorden J: Dementia pugulistica with anatomical findings. In: Virchows Arch. 325. Jahrgang, 1954, S. 680–709, PMID 13226712.
  26. JA Corsellis, Bruton CJ, Freeman-Browne D: The aftermath of boxing. In: Psychol Med. 3. Jahrgang, 1973, S. 270–303, PMID 4729191.
  27. JC Maroon, Winkelman R, Bost J, Amos A, Mathyssek C, Miele V: Chronic traumatic encephalopathy in contact sports: a systematic review of all reported pathological cases. In: PLoS One. 10. Jahrgang, 2015, S. e0117338, PMID 25671598.
  28. JC Maroon, Winkelman R, Bost J, Amos A, Mathyssek C, Miele V: Correction: chronic traumatic encephalopathy in contact sports: a systematic review of all reported pathological cases. In: PLoS One. 10. Jahrgang, 2015, S. e0130507, PMID 26039052.
  29. KF Bieniek, Ross OA, Cormier KA, Walton RL, Soto-Ortolaza A, Johnston AE, DeSaro P, Boylan KB, Graff-Radford NR, Wszolek ZK, Rademakers R, Boeve BF, McKee AC, Dickson DW: Chronic traumatic encephalopathy pathology in a neurodegenerative disorders brain bank. In: Acta Neuropathol. 130. Jahrgang, 2015, S. 877–889, PMID 26518018.
  30. Paul Stone: Mayo Clinic Finds Evidence of CTE In High School Athletes. traumaticbraininjury.net, 2. Dezember 2015, abgerufen am 9. Januar 2016.
  31. FIFA richtet Konferenz zum Thema Gehirnerschütterung aus. FIFA.com, 3. Oktober 2012, abgerufen am 4. Januar 2016.
  32. P McCrory: Consensus Statement on Concussion in Sport: The 4th International Conference on Concussion in Sport Held in Zurich. In: Br J Sports Med. 47. Jahrgang, 2013, S. 250–258, PMID 23479479.
  33. RC Turner, Lucke-Wold BP, Logsdon AF, Robson MJ, Dashnaw ML, Huang JH, Smith KE, Huber JD, Rosen CL, Petraglia AL: The quest to model chronic traumatic encephalopathy: a multiple model and injury paradigm experience. In: Frontiers in Neurology. 6. Jahrgang, 2015, S. 222, PMID 26539159, PMC 4611965 (freier Volltext).
  34. AL Petraglia, Plog BA, Dayawansa S, Dashnaw ML, Czerniecka K, Walker CT, Chen M, Hyrien O, Iliff JJ, Deane R, Huang JH, Nedergaard M: The pathophysiology underlying repetitive mild traumatic brain injury in a novel mouse model of chronic traumatic encephalopathy. In: Surg Neurol Int. 5:184. Jahrgang, 2014, PMID 25593768, PMC 4287910 (freier Volltext).
  35. AL Petraglia, Plog BA, Dayawansa S, Chen M, Dashnaw ML, Czerniecka K, Walker CT, Viterise T, Hyrien O, Iliff JJ, Deane R, Nedergaard M, Huang JH: The spectrum of neurobehavioral sequelae after repetitive mild traumatic brain injury: a novel mouse model of chronic traumatic encephalopathy. In: J Neurotrauma. 31. Jahrgang, 2014, S. 1211–1224, PMID 24766454, PMC 4082360 (freier Volltext).