„Phallotoxin“ – Versionsunterschied

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'''Phallotoxine''' sind neben den [[Amatoxine]]n weitere giftige Inhaltsstoffe bestimmter Arten der [[Wulstlinge]] (''Amanita''), so [[Grüner Knollenblätterpilz]] (''A. phalloides'') wie ([[Weißer Knollenblätterpilz|weißer]]) [[Frühlings-Knollenblätterpilz|Frühlings-]] (''A. verna'') alsauch [[Kegelhütiger Knollenblätterpilz]] (''A. virosa''). Bei einer Knollenblätterpilz-Vergiftung spielen die Phallotoxine, die als [[Cyclopeptide|bizyklische]] [[Oligopeptid|Heptapeptide]] aus sieben ringförmig verbundenen [[Aminosäure]]n aufgebaut sind, eine geringere Rolle als die verwandten Oktapeptide der Amatoxine, da sie nicht wie diese über den Darm aufgenommen werden. Gelangen sie dennoch in die Blutbahn, ist ihre Wirkung rascher und ebenfalls hochtoxisch auf die Leber.
'''Phallotoxine''' sind neben den [[Amatoxine]]n weitere giftige Inhaltsstoffe bestimmter Arten der [[Wulstlinge]] (''Amanita''), so [[Grüner Knollenblätterpilz]] (''A. phalloides'') wie ([[Weißer Knollenblätterpilz|weißer]]) [[Frühlings-Knollenblätterpilz|Frühlings-]] (''A. verna'') alsauch [[Kegelhütiger Knollenblätterpilz]] (''A. virosa''). Bei einer Knollenblätterpilz-Vergiftung spielen die Phallotoxine, die als [[Cyclopeptide|bizyklische]] [[Oligopeptid|Heptapeptide]] aus sieben ringförmig verbundenen [[Aminosäure]]n aufgebaut sind, eine geringere Rolle als die verwandten Oktapeptide der Amatoxine, da sie nicht wie diese über den Darm aufgenommen werden. Gelangen sie dennoch in die Blutbahn, ist ihre Wirkung rascher und ebenfalls hochtoxisch auf die Leber.


Die Phallotoxine gehören zu den [[Zytoskelett-Inhibitor]]en und blockieren dessen Umbau. Ihre Eigenschaft als Stabilisatoren für [[Aktin#Aktinfilamente|Aktinfilamente]] macht man sich in der [[Molekularbiologie]] zunutze, um Elemente des Zellskeletts besser darstellen zu können. Phallotoxine sind zumeist [[Amorphes Material|amorphe]], wasserlösliche Feststoffe. Bis heute sind sieben natürlich vorkommende bekannt (neben ''[[Phalloidin]]'' auch ''Phalloin, Phallisin, Phallacin, Phallicidin, Phallisacin'' und ''Prophalloin''), die alle ein gleiches Grundgerüst aufweisen.
Die Phallotoxine gehören zu den [[Zytoskelett-Inhibitor]]en und blockieren dessen Umbau. Ihre Eigenschaft als Stabilisatoren für [[Aktin#Aktinfilamente|Aktinfilamente]] macht man sich in der [[Molekularbiologie]] zunutze, um Elemente des Zellskeletts besser darstellen zu können. Phallotoxine sind zumeist [[Amorphes Material|amorphe]], wasserlösliche Feststoffe. Bis heute sind sieben natürlich vorkommende bekannt, die alle ein gleiches Grundgerüst aufweisen: neben ''[[Phalloidin]]'' auch ''Phalloin, Phallisin, Phallacin, Phallicidin, Phallisacin'' und ''Prophalloin''.

== Geschichte ==
[[Datei:Phalloidin.png|mini|Strukturformel von Phalloidin]]
Als eines der [[Toxin]]e des [[Grüner Knollenblätterpilz|Grünen Knollenblätterpilzes]] (''Amanita phalloides'') wurde der Hauptvertreter der Phallotoxine, das ''Phalloidin'', erstmals 1936 von [[Feodor Lynen]] und Ulrich Wieland kristallin dargestellt, im Chemischen Institut der Uni München unter Leitung [[Heinrich Wieland]]s.<ref name="Wieland">{{Literatur| Autor=Theodor Wieland | Titel=Moderne Naturstoffchemie am Beispiel des Pilzgiftstoffes Phalloidin Vorgetragen in der Sitzung vom 25. April 1981 | Verlag=Springer-Verlag | ISBN=978-3-642-46451-5 | Jahr=2013 | Online={{Google Buch | BuchID=JvGgBgAAQBAJ | Seite=22 }} | Seiten=22 }}</ref> Die Struktur dieses [[Peptid]]s untersuchte [[Theodor Wieland]] ab den 1950er Jahren näher. Es war das erste entdeckte [[Cyclische Peptide|cyclische Peptid]].<ref name="Gutte">{{Literatur| Autor=Bernd Gutte | Titel=Peptides Synthesis, Structures, and Applications | Verlag=Academic Press | ISBN=978-0-08-053859-4 | Jahr=1995 | Online={{Google Buch | BuchID=hO2oQNJDaIwC | Seite=33 }} | Seiten=33 }}</ref> Die [[Helizität#Helizität in der Chemie|helikale]] Konformation seines besonderen Strukturelement, einer [[Thioether]]brücke über ein [[Schwefel|S]]-Atom, konnte erst spät geklärt werden; dieses macht es zu einem bicyclischen Peptid mit außergewöhnlicher Rigidität und hoher Stabilität.

== Merkmale ==
Alle natürlich vorkommenden Phallotoxine sind Cyclopeptide aus sieben [[Aminosäuren]], von denen zwei als ''Tryptathionin'' über eine zusätzliche [[Thioether|Sulfid]]-Querbrücke verbunden werden, sodass ein bicyclisches Heptapeptid vorliegt. Ähnliche Strukturmerkmale weisen die aus acht Aminosäuren aufgebauten [[Amatoxine]] auf, wo die ''[[Tryptophan|Trp]]-[[Cystein|Cys]]''-Querbrücke als [[Sulfoxid]] ausgebildet ist.

Im Unterschied zu diesen Oktapeptiden sind die Phallotoxine bei [[Peroral|oraler]] Aufnahme nahezu unwirksam, da sie vom gesunden Darm nicht aufgenommen werden. Gelangen sie jedoch – durch Schleimhautwunden oder injiziert – in die Blutbahn, entfalten sie rasch ihre Toxizität, insbesondere in Zellen der [[Leber]], und können innerhalb weniger Stunden tödlich wirken. Die [[letale Dosis]] LD<sub>50</sub> ([[Hausmaus|Maus]] [[Intraperitoneal|i.p.]]) beträgt für den Hauptvertreter Phalloidin 2&nbsp;bis 3&nbsp;mg/kg. Allen Phallotoxinen ist das gleiche Grundgerüst gemeinsam, die einzelnen Verteter unterscheiden sich voneinander in den Resten von Seitenketten.


== Weitere Phallotoxine ==
== Vertreter ==
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== Vorkommen ==
In verschiedenen Arten der Knollenblätterpilze wurde Phalloidin neben weiteren Phallotoxinen sowie den [[Amatoxine]]n gefunden. Der [[Kegelhütiger Knollenblätterpilz|Kegelhütige Knollenblätterpilz]] (''Amanita virosa'') enthält außerdem [[Virotoxine]], den Phallotoxinen ähnliche monozyklische Heptapeptide, bei denen eine innere Querbrücke fehlt. Der [[Gelber Knollenblätterpilz|Gelbe Knollenblätterpilz]] (''Amanita citrina'') dagegen, der auch mit weißer Variante auftritt, enthält lediglich [[Bufotenin]].

== Wirkungsweise ==
Das wesentliche Wirkprinzip ist eine Hemmung des (für Zellbewegungen nötigen) Umbaus des Zytoskeletts. Phallotoxine binden irreversibel an polymerisiertes [[Aktin]] – das F-Aktin, aus dem Aktin-Filamente bestehen – und behindern damit den Ab- und Umbau dieser filamentösen Strukturen.

Die hohe Affinität zum F-Aktin der Mikrofilamente wird in spezifischen molekularbiologischen Färbetechniken genutzt, um Anteile des Cytoskeletts sichtbar zu machen.


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==
Im Gegensatz zu Phallotoxin, das die [[Depolymerisation]] von Aktin behindert, stört das marine Toxin [[Latrunculin]] die [[Polymerisation]].
Im Unterschied zu den Phallotoxinen, welche die [[Depolymerisation]] von F-Aktin behindern, wirken die [[Latrunculin]]e – besondere Toxine mariner [[Schwämme]] und [[Meeresschnecke|Schnecken]] – als [[Zytoskelett-Inhibitor]]en, indem sie die [[Polymerisation]] von [[G-Aktin]] zu [[Mikrofilamente]]n stören.


== Quellen ==
== Literatur ==
* {{RömppOnline |Name=Phallotoxine |Datum=2. Januar 2015 |ID=RD-16-01454 }}
* {{RömppOnline |Name=Phallotoxine |Datum=2. Januar 2015 |ID=RD-16-01454 }}
* [[Theodor Wieland]]: ''Amatoxine, Phallotoxine - die Gifte des Knollenblätterpilzes,'' Chemie in unserer Zeit, 13. Jahrg. 1979, Nr. 2, S. 56–63, {{ISSN|0009-2851}}
* [[Theodor Wieland]]: ''Amatoxine, Phallotoxine - die Gifte des Knollenblätterpilzes,'' Chemie in unserer Zeit, 13. Jahrg. 1979, Nr. 2, S. 56–63, {{ISSN|0009-2851}}

== Einzelnachweise ==
<references />


[[Kategorie:Pilzgift]]
[[Kategorie:Pilzgift]]

Version vom 10. Mai 2017, 14:41 Uhr

Grüner Knollenblätterpilz (Amanita phalloides) – enthält neben Phalloidin und andere Phallotoxinen auch noch Amatoxine.

Phallotoxine sind neben den Amatoxinen weitere giftige Inhaltsstoffe bestimmter Arten der Wulstlinge (Amanita), so Grüner Knollenblätterpilz (A. phalloides) wie (weißer) Frühlings- (A. verna) alsauch Kegelhütiger Knollenblätterpilz (A. virosa). Bei einer Knollenblätterpilz-Vergiftung spielen die Phallotoxine, die als bizyklische Heptapeptide aus sieben ringförmig verbundenen Aminosäuren aufgebaut sind, eine geringere Rolle als die verwandten Oktapeptide der Amatoxine, da sie nicht wie diese über den Darm aufgenommen werden. Gelangen sie dennoch in die Blutbahn, ist ihre Wirkung rascher und ebenfalls hochtoxisch auf die Leber.

Die Phallotoxine gehören zu den Zytoskelett-Inhibitoren und blockieren dessen Umbau. Ihre Eigenschaft als Stabilisatoren für Aktinfilamente macht man sich in der Molekularbiologie zunutze, um Elemente des Zellskeletts besser darstellen zu können. Phallotoxine sind zumeist amorphe, wasserlösliche Feststoffe. Bis heute sind sieben natürlich vorkommende bekannt, die alle ein gleiches Grundgerüst aufweisen: neben Phalloidin auch Phalloin, Phallisin, Phallacin, Phallicidin, Phallisacin und Prophalloin.

Geschichte

Datei:Phalloidin.png
Strukturformel von Phalloidin

Als eines der Toxine des Grünen Knollenblätterpilzes (Amanita phalloides) wurde der Hauptvertreter der Phallotoxine, das Phalloidin, erstmals 1936 von Feodor Lynen und Ulrich Wieland kristallin dargestellt, im Chemischen Institut der Uni München unter Leitung Heinrich Wielands.[1] Die Struktur dieses Peptids untersuchte Theodor Wieland ab den 1950er Jahren näher. Es war das erste entdeckte cyclische Peptid.[2] Die helikale Konformation seines besonderen Strukturelement, einer Thioetherbrücke über ein S-Atom, konnte erst spät geklärt werden; dieses macht es zu einem bicyclischen Peptid mit außergewöhnlicher Rigidität und hoher Stabilität.

Merkmale

Alle natürlich vorkommenden Phallotoxine sind Cyclopeptide aus sieben Aminosäuren, von denen zwei als Tryptathionin über eine zusätzliche Sulfid-Querbrücke verbunden werden, sodass ein bicyclisches Heptapeptid vorliegt. Ähnliche Strukturmerkmale weisen die aus acht Aminosäuren aufgebauten Amatoxine auf, wo die Trp-Cys-Querbrücke als Sulfoxid ausgebildet ist.

Im Unterschied zu diesen Oktapeptiden sind die Phallotoxine bei oraler Aufnahme nahezu unwirksam, da sie vom gesunden Darm nicht aufgenommen werden. Gelangen sie jedoch – durch Schleimhautwunden oder injiziert – in die Blutbahn, entfalten sie rasch ihre Toxizität, insbesondere in Zellen der Leber, und können innerhalb weniger Stunden tödlich wirken. Die letale Dosis LD50 (Maus i.p.) beträgt für den Hauptvertreter Phalloidin 2 bis 3 mg/kg. Allen Phallotoxinen ist das gleiche Grundgerüst gemeinsam, die einzelnen Verteter unterscheiden sich voneinander in den Resten von Seitenketten.

Vertreter

Die Phallotoxine unterscheiden sich durch vier variable Seitenreste (R1 bis R4) am Grundgerüst.
Name R1 R2 R3 R4
Phallacin CH2CH(OH)(CH3)2 CH(CH3)2 CH(OH)COOH OH
Phallacidin CH2C(OH)(CH3)CH2OH CH(CH3)2 CH(OH)COOH OH
Phallisacin CH2C(OH)(CH2OH)2 CH(CH3)2 CH(OH)COOH OH
Phallisin CH2C(OH)(CH2OH)2 CH3 CH(OH)CH3 OH
Phalloidin CH2C(OH)(CH3)CH2OH CH3 CH(OH)CH3 OH
Phalloin CH2CH(OH)(CH3)2 CH3 CH(OH)CH3 OH
Prophalloin CH2CH(OH)(CH3)2 CH3 CH(OH)CH3 H

Vorkommen

In verschiedenen Arten der Knollenblätterpilze wurde Phalloidin neben weiteren Phallotoxinen sowie den Amatoxinen gefunden. Der Kegelhütige Knollenblätterpilz (Amanita virosa) enthält außerdem Virotoxine, den Phallotoxinen ähnliche monozyklische Heptapeptide, bei denen eine innere Querbrücke fehlt. Der Gelbe Knollenblätterpilz (Amanita citrina) dagegen, der auch mit weißer Variante auftritt, enthält lediglich Bufotenin.

Wirkungsweise

Das wesentliche Wirkprinzip ist eine Hemmung des (für Zellbewegungen nötigen) Umbaus des Zytoskeletts. Phallotoxine binden irreversibel an polymerisiertes Aktin – das F-Aktin, aus dem Aktin-Filamente bestehen – und behindern damit den Ab- und Umbau dieser filamentösen Strukturen.

Die hohe Affinität zum F-Aktin der Mikrofilamente wird in spezifischen molekularbiologischen Färbetechniken genutzt, um Anteile des Cytoskeletts sichtbar zu machen.

Siehe auch

Im Unterschied zu den Phallotoxinen, welche die Depolymerisation von F-Aktin behindern, wirken die Latrunculine – besondere Toxine mariner Schwämme und Schnecken – als Zytoskelett-Inhibitoren, indem sie die Polymerisation von G-Aktin zu Mikrofilamenten stören.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Theodor Wieland: Moderne Naturstoffchemie am Beispiel des Pilzgiftstoffes Phalloidin Vorgetragen in der Sitzung vom 25. April 1981. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-642-46451-5, S. 22 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Bernd Gutte: Peptides Synthesis, Structures, and Applications. Academic Press, 1995, ISBN 978-0-08-053859-4, S. 33 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).