„Winfried Rief“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[gesichtete Version][ungesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
K Leerzeichen vor/nach Bindestrich korrigiert (siehe Artikel)
Simon.wikipe (Diskussion | Beiträge)
K Ergänzung von Quellen und Referenzen durch Aktualisierung und Ergänzung von Links, Ausbesserung von Fehlern (falsche Bezeichnung von Diagnosebezeichnungen), Löschung von unlogischen Quellen (Angaben in eckigen Quellen ohne Verweise), Ergänzung externer Verweise, Ergänzung von Verlinkungen zu anderen Wikipedia Seiten
Zeile 1: Zeile 1:
'''Winfried Rief''' (geb. [[12. Mai]] [[1959]]) ist ein deutscher Psychologe. Seit 2000 ist er Professor für [[Klinische Psychologie]] und [[Psychotherapie]] an der [[Philipps-Universität Marburg]]. Er etablierte dort die Hochschulambulanz für Psychotherapie (Psychotherapie-Ambulanz Marburg, PAM), das Institut für Psychotherapie-Ausbildung Marburg (IPAM) und leitet die Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie.
'''Winfried Rief''' (geb. [[12. Mai]] [[1959]]) ist ein deutscher Psychologe. Seit 2000 ist er Professor für [[Klinische Psychologie]] und [[Psychotherapie]] an der [[Philipps-Universität Marburg]]. Er etablierte dort die Hochschulambulanz für Psychotherapie ([https://www.uni-marburg.de/de/fb04/therapie-und-beratung/pam Psychotherapie-Ambulanz Marburg, PAM]), das [https://www.uni-marburg.de/de/fb04/therapie-und-beratung/ipam Institut für Psychotherapie-Ausbildung Marburg (IPAM)] und leitet die [https://www.uni-marburg.de/de/fb04/team-rief Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie].


== Leben ==
== Leben ==
{{Belege|Nur für wenige Eckdaten}}
{{Belege|Nur für wenige Eckdaten}}
Rief studierte Psychologie an der [[Universität Trier]] (1979–1984). Danach war er zunächst an der Forschungsstation der Universität Konstanz am psychiatrischen Landeskrankenhaus Reichenau tätig, wo er 1987 zum Thema „Informationsverarbeitung bei Schizophrenen“ promoviert wurde. Seine Habilitation erlangte er 1994 an der [[Universität Salzburg]] zum Thema „Somatoforme Störungen und Hypochondrie“. Es folgten klinische Tätigkeiten am Psychiatrischen Krankenhaus Rottweil (1986–1987) sowie an der [[Medizinisch-Psychosomatischen Klinik Roseneck]] (Prien am Chiemsee), wo er ab 1989 als leitender Psychologe tätig war.
Rief studierte Psychologie an der [[Universität Trier]] (1979–1984). Danach war er zunächst an der Forschungsstation der [[Universität Konstanz]] am psychiatrischen Landeskrankenhaus Reichenau tätig, wo er 1987 zum Thema „Informationsverarbeitung bei Schizophrenen“ promoviert wurde. Seine Habilitation erlangte er 1994 an der [[Universität Salzburg]] zum Thema „Somatoforme Störungen und Hypochondrie“. Es folgten klinische Tätigkeiten am Psychiatrischen Krankenhaus Rottweil (1986–1987) sowie an der Medizinisch-Psychosomatischen Klinik Roseneck (Prien am Chiemsee), wo er ab 1989 als leitender Psychologe tätig war.


Rief nahm im Jahr 2000 einen Ruf auf eine Professur für Klinische Psychologie und Psychotherapie an die [[Philipps-Universität Marburg|Universität Marburg]] an. In den nächsten Jahren folgten Gastprofessuren an der [[Harvard Medical School]] in Boston (2004–2005), der [[University of California]] in San Diego (2009/2010), sowie der [[University of Auckland]] in Neuseeland (2002). Rief ist Sprecher der Kommission „Psychologie und Psychotherapieausbildung“ der [[Deutsche Gesellschaft für Psychologie|Deutschen Gesellschaft für Psychologie]] (DGPs). Er war zudem einige Jahre Präsident der deutschen Gesellschaft für Verhaltensmedizin (2001–2005) und Mitglied in der Expertenkommission der [[American Psychiatric Association]] (APA) und [[Weltgesundheitsorganisation]] (WHO) „Somatic Presentations of Mental Disorders“ zur Vorbereitung von [[DSM-5]] (Peking, 2006). Darüber hinaus ist er Sprecher der DFG-Forschergruppe zu Placebo- und Nocebo-Mechanismen (2010–2019), DFG-Fachkollegiat (2012–2020), Mitglied der DFG-Kommission „Klinische Studien“ sowie Co-Chair der ICD-11 Working Group „Classification of Chronic Pain“ der WHO (seit 2013). Er ist Editor in Chief der Zeitschrift „Clinical Psychology in Europe“ [cpe.psychopen.eu] und Board member der European Association of Clinical Psychology and Psychological Treatment EACLIP [eaclipt org]. Rief wurde 2014 zum „Distinguished International Affiliate, APA Division Health Psychology“ ernannt und erhielt eine Auszeichnung zum „Distinguished Scientist“ von der International Society of Behavioral Medicine 2014.<ref>[https://www.cmbb-fcmh.de/de/forschung/mitglieder/winfried-rief/curriculum-vitae Rief CV]</ref>
Rief nahm im Jahr 2000 einen Ruf auf eine Professur für Klinische Psychologie und Psychotherapie an die [[Philipps-Universität Marburg|Universität Marburg]] an. In den nächsten Jahren folgten Gastprofessuren an der [[Harvard Medical School]] in Boston (2004–2005), der [[University of California]] in San Diego (2009/2010), sowie der [[University of Auckland]] in Neuseeland (2002). Rief ist Sprecher der Kommission „Psychologie und Psychotherapieausbildung“ der [[Deutsche Gesellschaft für Psychologie|Deutschen Gesellschaft für Psychologie]] (DGPs)<ref>{{Internetquelle |url=https://www.dgps.de/index.php?id=143&tx_ttnews%5Btt_news%5D=2020&cHash=f48b1be21ebdeb2fddf1438a3ab05478 |titel=DGPs: Keine Überregulierung der Weiterbildung Psychotherapie: Vier Jahre sind genug! Unterschriftenaktion findet große Unterstützung |datum=16.04.2021 |sprache=deutsch |abruf=2021-09-09}}</ref>. Er war zudem einige Jahre Präsident der deutschen Gesellschaft für Verhaltensmedizin (2001–2005) und Mitglied in der Expertenkommission der [[American Psychiatric Association]] (APA) und [[Weltgesundheitsorganisation]] (WHO) „Somatic Presentations of Mental Disorders“ zur Vorbereitung von [[DSM-5]] (Peking, 2006). Darüber hinaus ist er Sprecher der DFG-Forschergruppe zu Placebo- und Nocebo-Mechanismen (2010–2019), DFG-Fachkollegiat (2012–2020), Mitglied der DFG-Kommission „Klinische Studien“ sowie Co-Chair der ICD-11 Working Group „Classification of Chronic Pain“ der WHO (seit 2013). Er ist Editor in Chief der Zeitschrift „Clinical Psychology in Europe“ <ref>{{Internetquelle |url=https://cpe.psychopen.eu/index.php/cpe |titel=Clinical Psychology in Europe |abruf=2021-09-09}}</ref> und Board member der European Association of Clinical Psychology and Psychological Treatment EACLIPT.<ref>{{Internetquelle |url=https://www.eaclipt.org/ |titel=EACLIPT - Welcome |abruf=2021-09-09}}</ref> Rief wurde 2014 zum „Distinguished International Affiliate, APA Division Health Psychology“ ernannt und erhielt eine Auszeichnung zum „Distinguished Scientist“ von der International Society of Behavioral Medicine 2014.<ref>[https://www.cmbb-fcmh.de/de/forschung/mitglieder/winfried-rief/curriculum-vitae Rief CV]</ref>


== Werk ==
== Werk ==
Das wissenschaftliche Werk von Rief fokussierte über viele Jahre auf die Untersuchung psychologischer Faktoren bei der Entstehung, Aufrechterhaltung und Bewältigung körperlicher Beschwerden. Er forscht zu „[[Liste der psychischen und Verhaltensstörungen nach ICD-10|somatoformen Störungen]]“. Zusammen mit Prof. Hiller (Mainz) entwickelte er das Fragebogenverfahren SOMS (Screening für somatoforme Störungen).<ref>Rief, W.& Hiller, W.(2008). Das Screening für somatoforme Störungen SOMS [The Screening for Somatoform Symptoms]. Manual zum Fragebogen. Bern: Huber-Verlag. 2nd revised edition.</ref> Als nominiertes Mitglied der Initial-Gruppe zur Neuformulierung des Konzeptes der somatoformen Störungen in [[DSM-5]] wirkte er anfangs an diesem Prozess mit, kritisierte jedoch später das 2014 vorgestellte Konzept der „somatischen Belastungsstörungen“ in DSM-5 auch deutlich<ref>W. Rief, A. Martin: How to use the new DSM-5 diagnosis Somatic Symptom Disorder in research and practice? – A critical evaluation and a proposal for modifications. In: Annual Review of Clinical Psychology. 10, 2014, S. 339–67</ref>.
Das wissenschaftliche Werk von Rief fokussierte über viele Jahre auf die Untersuchung psychologischer Faktoren bei der Entstehung, Aufrechterhaltung und Bewältigung körperlicher Beschwerden. Er forscht zu „[[Liste der psychischen und Verhaltensstörungen nach ICD-10|somatoformen Störungen]]“. Zusammen mit Prof. Hiller (Mainz) entwickelte er das Fragebogenverfahren SOMS (Screening für somatoforme Störungen).<ref>Rief, W.& Hiller, W.(2008). Das Screening für somatoforme Störungen SOMS [The Screening for Somatoform Symptoms]. Manual zum Fragebogen. Bern: Huber-Verlag. 2nd revised edition.</ref> Als nominiertes Mitglied der Initial-Gruppe zur Neuformulierung des Konzeptes der somatoformen Störungen in [[DSM-5]] wirkte er anfangs an diesem Prozess mit, kritisierte jedoch später das 2014 vorgestellte Konzept der „somatischen Belastungsstörungen“ in DSM-5 auch deutlich.<ref>W. Rief, A. Martin: How to use the new DSM-5 diagnosis Somatic Symptom Disorder in research and practice? – A critical evaluation and a proposal for modifications. In: Annual Review of Clinical Psychology. 10, 2014, S. 339–67</ref>


Im Jahr 2009 wurde in der deutschen Fassung von ICD-10 die neue Diagnose F45.41 „Chronische Schmerzen mit psychischen und somatischen Faktoren“ eingeführt [Rief et al. in Current Opinion of Psychiatry]. Diese Einführung ging auf eine von Rief geleitete Arbeitsgruppe zurück. Als Co-Chair zusammen mit R.-D. Treede leitete er auch die Arbeitsgruppe zur Klassifikation chronischer Schmerzen in ICD-11. Der Klassifikationsvorschlag dieser Arbeitsgruppe für chronische Schmerzen wurde von der World Health Assembly 2019 in den Entwurf für ICD-11 offiziell aufgenommen [icd.who.int], die weltweit die Grundlage zur Klassifikation körperlicher und psychischer Krankheiten wird.
Im Jahr 2009 wurde in der deutschen Fassung von ICD-10 die neue Diagnose F45.41 „Chronische Schmerzen mit somatischen und psychischen Faktoren“ eingeführt.<ref>{{Literatur |Autor=P. Nilges, W. Rief |Titel=F45.41 Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren: Eine Kodierhilfe |Sammelwerk=Der Schmerz |Band=24 |Nummer=3 |Datum=2010-06 |ISSN=0932-433X |DOI=10.1007/s00482-010-0908-0 |Seiten=209–212 |Online=http://link.springer.com/10.1007/s00482-010-0908-0 |Abruf=2021-09-09}}</ref> Diese Einführung ging auf eine von Rief geleitete Arbeitsgruppe zurück. Als Co-Chair zusammen mit R.-D. Treede leitete er auch die Arbeitsgruppe zur Klassifikation chronischer Schmerzen in ICD-11. Der Klassifikationsvorschlag dieser Arbeitsgruppe für chronische Schmerzen wurde von der World Health Assembly 2019 in den Entwurf für ICD-11 offiziell aufgenommen [icd.who.int], die weltweit die Grundlage zur Klassifikation körperlicher und psychischer Krankheiten wird.


Seit 2004 weitete er seinen Forschungsschwerpunkt auf das Thema „Placebo- und Nocebo-Mechanismen bei medizinischen Interventionen“ aus und leitet seit 2010 eine entsprechende überregionale [[Deutsche Forschungsgemeinschaft|DFG]]-Forschergruppe (DFG 1328). Er konnte belegen, dass die Erwartungen der Patienten wesentlich zum Behandlungserfolg beitrugen, selbst bei sehr invasiven medizinischen Eingriffen (wie herzchirurgische Operationen), und eine Modifikation dieser Patientenerwartungen den Behandlungserfolg solcher Maßnahmen steigert.<ref>Winfried Rief, Meike C. Shedden-Mora, Johannes A. C. Laferton, Charlotte Auer, Keith J. Petrie, Stefan Salzmann, Manfred Schedlowski & Rainer Moosdorf: Preoperative optimization of patient expectations improves long-term outcome in heart surgery patients: results of the randomized controlled PSY-HEART trial.BMC Medicine volume 15, Article number: 4 (2017)</ref> Aber auch für die Entstehung von Nebenwirkungen sind Patientenerwartungen wesentlich.<ref>Petrie KJ, Rief W.: Psychobiological Mechanisms of Placebo and Nocebo Effects: Pathways to Improve Treatments and Reduce Side Effects. Annu Rev Psychol. 2019 Jan 4;70:599-625.</ref>
Seit 2004 weitete er seinen Forschungsschwerpunkt auf das Thema „Placebo- und Nocebo-Mechanismen bei medizinischen Interventionen“ aus und leitet seit 2010 eine entsprechende überregionale [[Deutsche Forschungsgemeinschaft|DFG]]-Forschergruppe (DFG 1328).<ref>{{Internetquelle |url=https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/138279939?context=projekt&task=showDetail&id=138279939& |titel=DFG - GEPRIS - FOR 1328:  Erwartungen und Konditionierung als Basisprozesse der Placebo- und Nocebo-Reaktion : Von der Neurobiologie zur klinischen Anwendung |abruf=2021-09-09}}</ref> Er konnte belegen, dass die Erwartungen der Patienten wesentlich zum Behandlungserfolg beitrugen, selbst bei sehr invasiven medizinischen Eingriffen (wie herzchirurgische Operationen), und eine Modifikation dieser Patientenerwartungen den Behandlungserfolg solcher Maßnahmen steigert.<ref>Winfried Rief, Meike C. Shedden-Mora, Johannes A. C. Laferton, Charlotte Auer, Keith J. Petrie, Stefan Salzmann, Manfred Schedlowski & Rainer Moosdorf: Preoperative optimization of patient expectations improves long-term outcome in heart surgery patients: results of the randomized controlled PSY-HEART trial.BMC Medicine volume 15, Article number: 4 (2017)</ref> Aber auch für die Entstehung von Nebenwirkungen sind Patientenerwartungen wesentlich.<ref>Petrie KJ, Rief W.: Psychobiological Mechanisms of Placebo and Nocebo Effects: Pathways to Improve Treatments and Reduce Side Effects. Annu Rev Psychol. 2019 Jan 4;70:599-625.</ref>


Berufspolitisch setzt sich Rief seit 2011 als Sprecher der Kommission „Psychologie und Psychotherapieausbildung“, die im Auftrag der [[Deutsche Gesellschaft für Psychologie|Deutschen Gesellschaft für Psychologie]] (DGPs) sowie des Fakultätentags Psychologie tätig ist, für eine Revision des [[Psychotherapeutengesetz]]es zur Angleichung an die Aus- und Weiterbildungsstruktur medizinischer Heilberufe ein. Das Gesetz wurde im September 2019 vom Deutschen Bundestag verabschiedet (PsychThGAusbRefG).<ref>[https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2019/kw20-pa-gesundheit-639938 Bundestag Gesetzesarchiv]</ref> Außerdem engagiert er sich seit ca. 2005 für die Nachwuchsförderung innerhalb der [[Klinische Psychologie|Klinischen Psychologie]]. Er entwickelte das sog. „Marburger Modell“ zur Kombination von Promotionsphase und klinischer Ausbildung in Psychotherapie.
Berufspolitisch setzt sich Rief seit 2011 als Sprecher der Kommission „Psychologie und Psychotherapieausbildung“, die im Auftrag der [[Deutsche Gesellschaft für Psychologie|Deutschen Gesellschaft für Psychologie]] (DGPs) sowie des Fakultätentags Psychologie tätig ist, für eine Revision des [[Psychotherapeutengesetz]]es zur Angleichung an die Aus- und Weiterbildungsstruktur medizinischer Heilberufe ein. Das Gesetz wurde im September 2019 vom Deutschen Bundestag verabschiedet (PsychThGAusbRefG).<ref>[https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2019/kw20-pa-gesundheit-639938 Bundestag Gesetzesarchiv]</ref> Außerdem engagiert er sich seit ca. 2005 für die Nachwuchsförderung innerhalb der [[Klinische Psychologie|Klinischen Psychologie]]. Er entwickelte das sogenannte „Marburger Modell“ zur Kombination von Promotionsphase und klinischer Ausbildung in Psychotherapie.


Rief gehörte auch zur Initiativgruppe zur Gründung einer europäischen Gesellschaft für klinische Psychologie und ist Board member von der European Association of Clinical Psychology and Psychological Treatment [eaclipt.org]. Als Editor in Chief lancierte er die Zeitschrift „Clinical Psychology in Europe“, eine Open Access Zeitschrift, die neue Entwicklungen im Bereich Open Science fördern will und keine Article Processing Charges fordert [cpe.psychopen.eu].
Rief gehörte auch zur Initiativgruppe zur Gründung einer europäischen Gesellschaft für klinische Psychologie und ist Board member von der European Association of Clinical Psychology and Psychological Treatment [eaclipt.org]. Als Editor in Chief lancierte er die Zeitschrift „Clinical Psychology in Europe“, eine Open Access Zeitschrift, die neue Entwicklungen im Bereich Open Science fördern will und keine Article Processing Charges fordert [cpe.psychopen.eu].

Version vom 9. September 2021, 11:54 Uhr

Winfried Rief (geb. 12. Mai 1959) ist ein deutscher Psychologe. Seit 2000 ist er Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Philipps-Universität Marburg. Er etablierte dort die Hochschulambulanz für Psychotherapie (Psychotherapie-Ambulanz Marburg, PAM), das Institut für Psychotherapie-Ausbildung Marburg (IPAM) und leitet die Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie.

Leben

Rief studierte Psychologie an der Universität Trier (1979–1984). Danach war er zunächst an der Forschungsstation der Universität Konstanz am psychiatrischen Landeskrankenhaus Reichenau tätig, wo er 1987 zum Thema „Informationsverarbeitung bei Schizophrenen“ promoviert wurde. Seine Habilitation erlangte er 1994 an der Universität Salzburg zum Thema „Somatoforme Störungen und Hypochondrie“. Es folgten klinische Tätigkeiten am Psychiatrischen Krankenhaus Rottweil (1986–1987) sowie an der Medizinisch-Psychosomatischen Klinik Roseneck (Prien am Chiemsee), wo er ab 1989 als leitender Psychologe tätig war.

Rief nahm im Jahr 2000 einen Ruf auf eine Professur für Klinische Psychologie und Psychotherapie an die Universität Marburg an. In den nächsten Jahren folgten Gastprofessuren an der Harvard Medical School in Boston (2004–2005), der University of California in San Diego (2009/2010), sowie der University of Auckland in Neuseeland (2002). Rief ist Sprecher der Kommission „Psychologie und Psychotherapieausbildung“ der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs)[1]. Er war zudem einige Jahre Präsident der deutschen Gesellschaft für Verhaltensmedizin (2001–2005) und Mitglied in der Expertenkommission der American Psychiatric Association (APA) und Weltgesundheitsorganisation (WHO) „Somatic Presentations of Mental Disorders“ zur Vorbereitung von DSM-5 (Peking, 2006). Darüber hinaus ist er Sprecher der DFG-Forschergruppe zu Placebo- und Nocebo-Mechanismen (2010–2019), DFG-Fachkollegiat (2012–2020), Mitglied der DFG-Kommission „Klinische Studien“ sowie Co-Chair der ICD-11 Working Group „Classification of Chronic Pain“ der WHO (seit 2013). Er ist Editor in Chief der Zeitschrift „Clinical Psychology in Europe“ [2] und Board member der European Association of Clinical Psychology and Psychological Treatment EACLIPT.[3] Rief wurde 2014 zum „Distinguished International Affiliate, APA Division Health Psychology“ ernannt und erhielt eine Auszeichnung zum „Distinguished Scientist“ von der International Society of Behavioral Medicine 2014.[4]

Werk

Das wissenschaftliche Werk von Rief fokussierte über viele Jahre auf die Untersuchung psychologischer Faktoren bei der Entstehung, Aufrechterhaltung und Bewältigung körperlicher Beschwerden. Er forscht zu „somatoformen Störungen“. Zusammen mit Prof. Hiller (Mainz) entwickelte er das Fragebogenverfahren SOMS (Screening für somatoforme Störungen).[5] Als nominiertes Mitglied der Initial-Gruppe zur Neuformulierung des Konzeptes der somatoformen Störungen in DSM-5 wirkte er anfangs an diesem Prozess mit, kritisierte jedoch später das 2014 vorgestellte Konzept der „somatischen Belastungsstörungen“ in DSM-5 auch deutlich.[6]

Im Jahr 2009 wurde in der deutschen Fassung von ICD-10 die neue Diagnose F45.41 „Chronische Schmerzen mit somatischen und psychischen Faktoren“ eingeführt.[7] Diese Einführung ging auf eine von Rief geleitete Arbeitsgruppe zurück. Als Co-Chair zusammen mit R.-D. Treede leitete er auch die Arbeitsgruppe zur Klassifikation chronischer Schmerzen in ICD-11. Der Klassifikationsvorschlag dieser Arbeitsgruppe für chronische Schmerzen wurde von der World Health Assembly 2019 in den Entwurf für ICD-11 offiziell aufgenommen [icd.who.int], die weltweit die Grundlage zur Klassifikation körperlicher und psychischer Krankheiten wird.

Seit 2004 weitete er seinen Forschungsschwerpunkt auf das Thema „Placebo- und Nocebo-Mechanismen bei medizinischen Interventionen“ aus und leitet seit 2010 eine entsprechende überregionale DFG-Forschergruppe (DFG 1328).[8] Er konnte belegen, dass die Erwartungen der Patienten wesentlich zum Behandlungserfolg beitrugen, selbst bei sehr invasiven medizinischen Eingriffen (wie herzchirurgische Operationen), und eine Modifikation dieser Patientenerwartungen den Behandlungserfolg solcher Maßnahmen steigert.[9] Aber auch für die Entstehung von Nebenwirkungen sind Patientenerwartungen wesentlich.[10]

Berufspolitisch setzt sich Rief seit 2011 als Sprecher der Kommission „Psychologie und Psychotherapieausbildung“, die im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) sowie des Fakultätentags Psychologie tätig ist, für eine Revision des Psychotherapeutengesetzes zur Angleichung an die Aus- und Weiterbildungsstruktur medizinischer Heilberufe ein. Das Gesetz wurde im September 2019 vom Deutschen Bundestag verabschiedet (PsychThGAusbRefG).[11] Außerdem engagiert er sich seit ca. 2005 für die Nachwuchsförderung innerhalb der Klinischen Psychologie. Er entwickelte das sogenannte „Marburger Modell“ zur Kombination von Promotionsphase und klinischer Ausbildung in Psychotherapie.

Rief gehörte auch zur Initiativgruppe zur Gründung einer europäischen Gesellschaft für klinische Psychologie und ist Board member von der European Association of Clinical Psychology and Psychological Treatment [eaclipt.org]. Als Editor in Chief lancierte er die Zeitschrift „Clinical Psychology in Europe“, eine Open Access Zeitschrift, die neue Entwicklungen im Bereich Open Science fördern will und keine Article Processing Charges fordert [cpe.psychopen.eu].

Veröffentlichungen

  • U. Bingel (for the Placebo Competence Group: U. Bingel, P. Enck, W. Rief, M. Schedlowski): Avoiding nocebo effects to optimize treatment outcome. In: JAMA. 312, 2014, S. 693–694.
  • P. Enck, U. Bingel, M. Schedlowski, W. Rief: Minimize, maximize, or personalize? – What to do with the placebo response in medicine? In: Nature Review Drug Discovery. Vol. 12, 2013, S. 191–204.
  • K. Petrie, T. Müller, F. Schirmbeck, L. Donkin, E. Broadbent, C. J. Ellis, G. Gamble, W. Rief: Effect of providing information about normal test results on patients' reassurance: randomised controlled trial. In: British Medical Journal. 334, 2007, S. 352–354.
  • W. Rief, N. Birbaumer (Hrsg.): Biofeedback. Grundlagen, Indikation, Kommunikation und praktisches Vorgehen in der Therapie. 3. Auflage. Schattauer-Verlag, Stuttgart 2010.
  • W. Rief, E. Broadbent: Explaining medically unexplained symptoms - Models and mechanisms. In: Clinical Psychology Review. 27, 2007, S. 821–841.
  • W. Rief, J. A. Glombiewski: The hidden effects of blinded, placebo controlled randomized trials: An experimental investigation. In: Pain. 153, 2012, S. 2473–2477.
  • W. Rief, P. Henningsen (Hrsg.): Psychosomatik und Verhaltensmedizin. Schattauer-Verlag, Stuttgart 2015.
  • W. Rief, W. Hiller: Das Screening für somatoforme Störungen SOMS. Manual zum Fragebogen. 2., überarb. Auflage. Huber-Verlag, Bern 2008.
  • W. Rief, A. Martin: How to use the new DSM-5 diagnosis Somatic Symptom Disorder in research and practice? – A critical evaluation and a proposal for modifications. In: Annual Review of Clinical Psychology. 10, 2014, S. 339–67.
  • W. Rief, J. Avorn, A. J. Barsky: Medication-attributed adverse effects in placebo groups. Implications for assessment of adverse effects. In: Archives of Internal Medicine. 166(2), 2006, S. 155–160.
  • W. Rief, A. J. Barsky, U. Bingel, B. Doering, R. Schwarting, M. Wöhr, U. Schweiger: Rethinking psychopharmacotherapy: The role of treatment context and brain plasticity in antidepressant and antipsychotic interventions. In: Neuroscience & Biobehavioral Reviews. 60, 2016, S. 51–64. doi:10.1016/j.neubiorev.2015.11.008.
  • W. Rief, U. Bingel, M. Schedlowski, P. Enck: Mechanisms involved in placebo and nocebo responses and implications for drug trials. In: Clinical Pharmacology & Therapeutics. 90, 2011, S. 722–726.
  • W. Rief, A. M. Heitmüller, K. Reisberg, H. Rüddel: Why reassurance fails in patients with unexplained symptoms–An experimental investigation of remembered probabilities. In: PLoS Medicine. 3 (8), 2006, S. e269. doi:10.1371/journal.pmed.0030269.
  • W. Rief, S. Kaasa, R. Jensen, S. Perrot, J. W. S. Vlaeyen, R.-D. Treede, K. C. P. Vissers: The need to revise pain diagnoses in ICD-11. In: Pain. 149, 2010, S. 169–170.
  • M. Schedlowski, P. Enck, W. Rief, U. Bingel: Neuro-Bio-Behavioral Mechanisms of Placebo and Nocebo Responses: Implications for Clinical Trials and Clinical Practice. In: Pharmacological Review. 67, 2015, S. 697–730.
  • C. Seifart, M. Hofmann, T. Bär, J. Riera, U. Seifart, W. Rief: Breaking bad news – what patients want and what they get. Evaluating the SPIKES protocol in Germany. In: Annals of Oncology. 25, 2014, S. 707–711.
  • R.-D. Treede, W. Rief, A. Barke, Q. Aziz, M. I. Bennett, R. Benoliel, M. Cohen, S. Evers, N. B. Finnerup, M. B. First, M. A. Giamberardino, S. Kaasa, E. Kosek, P. Lavandʼhomme, M. Nicholas, S. Perrot, J. Scholz, S. Schug, B. H. Smith, P. Svensson, J. W. S. Vlaeyen, S.-J. Wang: A classification of chronic pain for ICD-11. In: Pain. 156(6), 2015, S. 1003–1007 (shared first authorship of Treede, Rief & Barke).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. DGPs: Keine Überregulierung der Weiterbildung Psychotherapie: Vier Jahre sind genug! Unterschriftenaktion findet große Unterstützung. 16. April 2021, abgerufen am 9. September 2021 (deutsch).
  2. Clinical Psychology in Europe. Abgerufen am 9. September 2021.
  3. EACLIPT - Welcome. Abgerufen am 9. September 2021.
  4. Rief CV
  5. Rief, W.& Hiller, W.(2008). Das Screening für somatoforme Störungen SOMS [The Screening for Somatoform Symptoms]. Manual zum Fragebogen. Bern: Huber-Verlag. 2nd revised edition.
  6. W. Rief, A. Martin: How to use the new DSM-5 diagnosis Somatic Symptom Disorder in research and practice? – A critical evaluation and a proposal for modifications. In: Annual Review of Clinical Psychology. 10, 2014, S. 339–67
  7. P. Nilges, W. Rief: F45.41 Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren: Eine Kodierhilfe. In: Der Schmerz. Band 24, Nr. 3, Juni 2010, ISSN 0932-433X, S. 209–212, doi:10.1007/s00482-010-0908-0 (springer.com [abgerufen am 9. September 2021]).
  8. DFG - GEPRIS - FOR 1328:  Erwartungen und Konditionierung als Basisprozesse der Placebo- und Nocebo-Reaktion : Von der Neurobiologie zur klinischen Anwendung. Abgerufen am 9. September 2021.
  9. Winfried Rief, Meike C. Shedden-Mora, Johannes A. C. Laferton, Charlotte Auer, Keith J. Petrie, Stefan Salzmann, Manfred Schedlowski & Rainer Moosdorf: Preoperative optimization of patient expectations improves long-term outcome in heart surgery patients: results of the randomized controlled PSY-HEART trial.BMC Medicine volume 15, Article number: 4 (2017)
  10. Petrie KJ, Rief W.: Psychobiological Mechanisms of Placebo and Nocebo Effects: Pathways to Improve Treatments and Reduce Side Effects. Annu Rev Psychol. 2019 Jan 4;70:599-625.
  11. Bundestag Gesetzesarchiv