„Trennung (Partnerschaft)“ – Versionsunterschied

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=== Versionen der Auflösungsgeschichte ===
=== Versionen der Auflösungsgeschichte ===
Beide Partner stehen während der Trennung und darüber hinaus – da sie ihre Liebesbeziehung bzw. Partnerschaft ja einmal aus freien Stücken begonnen hatten – auch vor sich selbst unter einem gewissen Druck zu erklären, warum sie sich am Ende doch getrennt haben. Da die Bewältigung von Ereignissen voraussetzt, dass man sie verstanden zu haben glaubt, spielen bei der Bewältigung dieses möglichen Widerspruchs ''Narrative'' eine zentrale Rolle, und zwar sowohl Reinterpretionen der Beziehungsgeschichte als auch Versionen der Geschichte der Auflösung der Beziehung, die beide Partner jeweils unabhängig voneinander entwickeln.<ref>{{Literatur |Autor=Guy Bodenmann, Thomas Bradbury, Sabine Maderasz |Titel=Scheidungsursachen und -verlauf aus der Sicht der Geschiedenen |Sammelwerk=Zeitschrift für Familienforschung |Band=14 |Nummer=1 |Datum=2002 |Seiten=5–20 |ISSN=1437-2940 |Online=[https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/28251 Online]}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Manfred Herzer |Titel=Ehescheidung als sozialer Prozess |Verlag=VS Verlag für Sozialwissenschaften |Datum=1998 |ISBN=978-3531130989 }}</ref> Besonders aufschlussreich ist hier die Studie von Hill/Rubin/Peplau (1976), weil dieses Team als eines der ganz wenigen Trennungen nicht nur aus der [[Retrospektive]] untersucht hat. Hill und seine Kollegen hatten dabei auch beobachtet, dass die getrennten Paare sich retrospektiv oft nicht einmal darüber einig war, welcher der Partner die Trennung initiiert hatte.<ref name="hillerubinpeplau"/>
Beide Partner stehen während der Trennung und darüber hinaus – da sie ihre Liebesbeziehung bzw. Partnerschaft ja einmal aus freien Stücken begonnen hatten – auch vor sich selbst unter einem gewissen Druck zu erklären, warum sie sich am Ende doch getrennt haben. Da die Bewältigung von Ereignissen voraussetzt, dass man sie verstanden zu haben glaubt, spielen bei der Bewältigung dieses möglichen Widerspruchs ''Narrative'' eine zentrale Rolle, und zwar sowohl Reinterpretionen der Beziehungsgeschichte als auch Versionen der Geschichte der Auflösung der Beziehung, die beide Partner jeweils unabhängig voneinander entwickeln.<ref>{{Literatur |Autor=Guy Bodenmann, Thomas Bradbury, Sabine Maderasz |Titel=Scheidungsursachen und -verlauf aus der Sicht der Geschiedenen |Sammelwerk=Zeitschrift für Familienforschung |Band=14 |Nummer=1 |Datum=2002 |Seiten=5–20 |ISSN=1437-2940 |Online=[https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/28251 Online]}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Manfred Herzer |Titel=Ehescheidung als sozialer Prozess |Verlag=VS Verlag für Sozialwissenschaften |Datum=1998 |ISBN=978-3531130989 }}</ref> ''„Erklärungen, die im Laufe des Auflösungsprozesses produziert werden, sind“'', wie Lenz schreibt, ''„kein Abbild der ‚Trennungsrealität‘, sondern Versuche, diese für sich fassbar zu machen mit der vorgabe, dass man selbst nicht allzu schlecht wegkommt.“''<ref>{{Literatur |Autor=Karl Lenz |Titel=Soziologie der Zweierbeziehung: Eine Einführung |Verlag=Srpinger Fachmedien |Ort=Wiesbaden |Auflage=2 |Datum=2003 |ISBN=978-3-531-33348-9 |Seiten=153 }}</ref> Besonders aufschlussreich ist hier die Studie von Hill/Rubin/Peplau (1976), weil dieses Team als eines der ganz wenigen Trennungen nicht nur aus der [[Retrospektive]], sondern in ihrem gesamten Verlauf untersucht hat. Hill und seine Kollegen hatten dabei auch beobachtet, dass die getrennten Paare sich retrospektiv oft nicht einmal darüber einig war, welcher der Partner die Trennung initiiert hatte.<ref name="hillerubinpeplau"/>


Wie ein Team um den amerikanischen Sozialpsychologen John H. Harvey beobachtet hat, erzeugen Menschen solche Narrative häufig gar nicht für andere, sondern in erster Linie für sich selbst.<ref>{{Literatur |Autor=John H. Harvey, Rodney Flanary, Melinda Morgan |Titel=Vivid Memories of Vivid Loves Gone by |Sammelwerk=Journal of Social and Personal Relationships |Datum=1986-09-01 |DOI=10.1177/0265407586033007}}</ref> Doch können die Versionen auch variieren, je nachdem, an wen sie gerichtet sind.<ref>{{Literatur |Autor=George J. McCall |Titel=Becoming Unrelated. The Management of Bond Dissolution |Herausgeber=S. W. Duck |Sammelwerk=Personal Relationships 4. Dissolving Personal Relationships |Verlag=Academic Press |Ort=London, New York |Datum=1982}}</ref> Ein stereotyp wiederkehrender Bestandteil, der in Beziehungsnarrative erst in der Auflösungsphase eingeht, ist die Aussage, dass der Niedergang sich schon am Anfang der Beziehung abgezeichnet habe.<ref>{{Literatur |Autor=Gunhild O. Hagestad, Michael A. Smyer |Titel=Dissolving long-term relationships. Patterns of divorcing in middle age |Herausgeber=S. W. Duck |Sammelwerk=Personal Relationships 4. Dissolving Personal Relationships |Verlag=Academic Press |Ort=London, New York |Datum=1982}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Heike Bernhardt, Melanie Heldt |Titel=Trennungsprozesse geschiedener Paare. Eine qualitative Studie |Ort=Dresden |Datum=1998 |Kommentar=Diplomarbeit}}</ref>
Wie ein Team um den amerikanischen Sozialpsychologen John H. Harvey beobachtet hat, erzeugen Menschen solche Narrative häufig gar nicht für andere, sondern in erster Linie für sich selbst.<ref>{{Literatur |Autor=John H. Harvey, Rodney Flanary, Melinda Morgan |Titel=Vivid Memories of Vivid Loves Gone by |Sammelwerk=Journal of Social and Personal Relationships |Datum=1986-09-01 |DOI=10.1177/0265407586033007}}</ref> Doch können die Versionen auch variieren, je nachdem, an wen sie gerichtet sind.<ref>{{Literatur |Autor=George J. McCall |Titel=Becoming Unrelated. The Management of Bond Dissolution |Herausgeber=S. W. Duck |Sammelwerk=Personal Relationships 4. Dissolving Personal Relationships |Verlag=Academic Press |Ort=London, New York |Datum=1982}}</ref> Ein stereotyp wiederkehrender Bestandteil, der in Beziehungsnarrative erst in der Auflösungsphase eingeht, ist die Aussage, dass der Niedergang sich schon am Anfang der Beziehung abgezeichnet habe.<ref>{{Literatur |Autor=Gunhild O. Hagestad, Michael A. Smyer |Titel=Dissolving long-term relationships. Patterns of divorcing in middle age |Herausgeber=S. W. Duck |Sammelwerk=Personal Relationships 4. Dissolving Personal Relationships |Verlag=Academic Press |Ort=London, New York |Datum=1982}}</ref><ref>{{Literatur |Autor=Heike Bernhardt, Melanie Heldt |Titel=Trennungsprozesse geschiedener Paare. Eine qualitative Studie |Ort=Dresden |Datum=1998 |Kommentar=Diplomarbeit}}</ref>

Version vom 17. Dezember 2021, 17:37 Uhr

Unter einer Trennung versteht man die Beendigung einer Liebesbeziehung oder Partnerschaft, insbesondere den Abbruch des bis dahin bestehenden, für romantische Beziehungen grundlegenden emotional und sexuell intimen Umgangs der Partner, unabhängig davon, ob diese bis zum Trennungszeitpunkt einen gemeinsamen Haushalt geführt haben oder verheiratet waren. Ein Beziehungsabbruch erfolgt entweder einvernehmlich oder – weitaus öfter – durch den Austritt eines der Partner.

Trennung in diesem Sinne ist von Getrenntleben zu unterscheiden, das bei Verheirateten – in vielen Ländern als rechtliche Voraussetzung einer Ehescheidung – eine faktische Trennung der häuslichen Gemeinschaft bezeichnet.

Sozialgeschichtlicher Kontext

Mit dem Verlust der Monopolstellung der Ehe haben sich in der Westlichen Welt im Laufe des 20. Jahrhunderts viele alternative Formen von sexueller Gemeinschaft ausgebreitet. Nicht nur ist der – noch in der bürgerlichen Gesellschaft idealisierte – Aufschub der Sexualität auf die Idee obsolet geworden, sondern feste Beziehungen werden heute auch nicht mehr zwingend als Vorstufe einer (möglichen) Eheschließung gesehen. „Im Vordergrund steht“, wie der Soziologe Karl Lenz es formuliert hat, „nicht die Suche nach einem geeigneten Partner bzw. einer geeigneten Partnerin, sondern es werden Beziehungen gelebt, die einen Eigenwert haben und sich nicht als Partnersuche instrumentalisieren lassen.“ Auch feste Beziehungen werden oft wieder abgebrochen, mit der Folge, dass Trennungen, ebenso wie der Aufbau neuer Beziehungen, zu sich wiederholende Erfahrungen im individuellen Lebenslauf geworden sind.[1] Die „leichte Scheidung“ ist, wie der französische Soziologe Louis Roussel 1980 aufgewiesen hat, geradezu zur Voraussetzung dafür geworden, dass die Ehe in einer von Differenzierung und Pluralisierung geprägten Gesellschaft als Institution überhaupt noch zu bestehen vermag.[2]

Verlauf

In der soziologischen und psychologischen Fachliteratur werden Trennungen meist nicht als singuläre Ereignisse beschrieben, sondern vielmehr als Prozesse. Die eigentliche Trennung, das „Schluss-machen“ ist, wie Lenz schreibt, „immer nur eine Episode in einer längergestreckten Trennungsphase. Für die Soziologie der Zweierbeziehung geht es nicht primär um dieses Ereignis, sondern um die Verlaufsstrukturen der Auflösungsphase.“[3]

Eine einschlägige Verlaufsbeschreibung des Beziehungszusammenbruchs hat über eine ganze Reihe von Publikationen hinweg der britische Sozialpsychologe Steven W. Duck geliefert. Duck unterscheidet drei Phasen:[4]

  • Erste, intra-psychische Phase: Einer der Partner beginnt, viel Zeit damit zu verbringen, über seine Unzufriedenheit mit der Beziehung nachzudenken, und kommt dabei schließlich zur Überzeugung: „Ich kann das nicht mehr aushalten.“
  • Zweite, dyadische Phase: Der unzufriedene Partner beginnt, sich bei seinem Partner ausführlich über seine Unzufriedenheit zu beklagen, insbesondere darüber, dass der andere sich in der Beziehung seinem Empfinden nach nicht genügend engagiert.
  • Dritte, soziale Phase: Mindestens der unzufriedene Partner, oft aber auch beide beginnen damit, sich auch bei Dritten über ihre Unzufriedenheit zu beklagen. Die dadurch eingeladene Einmischung Dritter beschleunigt den Zusammenbruch der Beziehung meist. (Dies gilt insbesondere für jüngere Paare; älteren redet das Umfeld eher zu zusammenzubleiben.[5]) Die Phase endet mit der Auflösung der Beziehung. Da es im sozialen Umfeld zu Loyalitätskonflikten kommen kann, wird nach der Trennung oft auch eine Reorganisation des Netzwerkes notwendig.

Was darauf folgt, bezeichnet Duck als „Grabpflege“ (grave-dressing): Beide Partner konstruieren jeweils ihr eigenes Narrativ des Zusammenbruchs ihrer Beziehung, in dem sie ihre eigenen Fehler kleinreden und die des Partners übertreiben.

Zu den Einwänden, die gegen Ducks Model vorgebracht worden sind, zählt der, dass die Phasen in Wirklichkeit oft nicht so klar voneinander geschieden seien, wie ihr Autor das suggeriert.[6]

Wie Ty Tashiro und Patricia Frazier 2003 gezeigt haben, verlaufen Trennungen weniger destruktiv, wenn die Partner nicht einander für das Ende der Beziehung verantwortlich machen, sondern auch die Gesamtsituation im Auge behalten.[7]

Rollendifferenzierung

In einer Studie über Trennungen unverheirateter Paare haben die amerikanischen Psychologen Charles T. Hill, Zick Rubin und Letitia Anne Peplau 1976 beobachtet, dass es in der großen Mehrzahl der Fälle zu einer charakteristischen Rollendifferenzierung gekommen war: Einer der Partner (‘break-upper’) betrieb die Trennung, während der andere (‘broken-up-with’) sie über sich ergehen lassen musste.[8] Die amerikanische Soziologin Diane Vaughan (1988) und deren deutscher Kollege Jörg Eckardt (1993) haben diese Beobachtung später bestätigt:[9][10]

„In den allermeisten Fällen möchte ein Partner die Beziehung beenden, während der andere sie fortführen will. Obgleich beide Partner, um sich voneinander zu lösen, die gleichen Stadien (…) (des) Übergangsprozesses durchmachen müssen, beginnt und endet dieser Prozess bei beiden zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Wenn sich der dem anderen noch zugewandte Partner der Tatsache bewusst wird, dass sich die Beziehung in einer ernsten Krise befindet, ist dieser andere in vielfacher Hinsicht bereits gar nicht mehr da.“

Diane Vaughan: Uncoupling, S. 14

Der Partner, der die Beziehung beendet, ist meist auch derjenige, der die Trennung besser verkraftet; wie der verlassene Partner, so macht auch der trennungswillige Partner Trauer durch, jedoch zu einem früheren Zeitpunkt, sodass er hier einen Vorsprung gewinnt.[9] Früher als der Verlassene hat er Gelegenheit, eine negative Version der gemeinsamen Geschichte zu konstruieren, die ihm hilft, die Bindung an den Partner schrittweise abzubauen.[11][10][12]

Für den Partner, der verlassen wird, sind die Bedingungen deutlich schwieriger. Betroffene, und darunter insbesondere verlassene Männer, berichten häufig, dass ihnen nicht oder nur vage bewusst gewesen sei, dass die Beziehung in einer ernsthaften Krise steckt. Frühe Warnsignale, die sie meist erst retrospektiv als solche erkennen, werden lange Zeit als „normale“ Probleme fehlgedeutet, wie sie in jeder Beziehung vorkommen.[11] Erleichterung kann der verlassene Partner sich verschaffen, indem er sich die Rolle des Verlassenen nicht vollständig aneignet, sondern im Auflösungsprozess, und sei es auch nur in bescheidenem Umfang, selbst initiativ wird.[13]

Ursachen

Teile der Forschung sehen die Gründe für die Instabilität von Paarbeziehungen heute hauptsächlich in zwei Bereichen:[14][15]

Da Ursachen wie die vorgenannten Zweierbeziehungen keineswegs von vornherein unmöglich machen, haben Wissenschaftler inzwischen auch komplexere Modelle der Beziehungsstabilität entwickelt, darunter einen austauschtheoretischen und einen stresstheoretischen Ansatz:

Der 1976 vom amerikanischen Sozialpsychologen George Levinger vorgestellte und 1980 von G. B. Spanier und R. A. Lewis 1980 überarbeitete austauschtheoretische Ansatz geht davon aus, dass Zweierbeziehungen nur so lange aufrechterhalten werden, wie beide Partner darin mehr Nutzen als Kosten erblicken. Partner, die unter dem Eindruck stehen, mehr zu geben, als sie nehmen können, tendieren dazu, die Partnerschaft auflösen zu wollen; doch hängt die Umsetzung dieses Wunsches auch von weiteren Faktoren ab, insbesondere davon, ob Trennungsbarrieren (Kinder, finanzielle Aspekte) und ob attraktive und erreichbare Alternativen bestehen.[16][17]

Einen ganz anderen Ansatz hat 2000 der in der Schweiz lehrende Psychologe Guy Bodenmann vorgestellt. Bodenmanns stresstheoreoretischer Ansatz basiert auf der Beobachtung, dass Paarbeziehungen nicht primär infolge einer neurotischen Partnerwahl zerrüttet werden, sondern durch äußere Bedingungen, besonders Alltagsstress. Da Stressbelastung sich grundlegend nicht vermeiden lässt, folgt für Bodenmann daraus, dass die wichtigste Voraussetzung zum Erhalt der Partnerschaft in bestimmten Kompetenzen der Partner liegt, mit denen der Stress minimiert bzw. leichter bewältigt werden kann (Kommunikation, Stressbewältigung).[18]

Trennungsnarrative

Subjektiv wahrgenommene Trennungsgründe

Eine vielbeachtete explorative Studie zu den häufigsten von Getrennten selbst angegebenen Trennungsgründen hat 1990 der deutsche Soziologe Norbert F. Schneider veröffentlicht. Diese Studie hat insbesondere gezeigt, dass Beziehungen umso zerbrechlicher sind, je weniger „Schwellen-Wendepunkte“ (wie Zusammenziehen, Eheschließung, Familiengründung) ein Paar miteinander absolviert hat, wobei insbesondere die Geburt eines Kindes die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ein Paar trotz starker Belastungsfaktoren zusammenbleibt. Nicht zusammenlebende Paare trennen sich bereits unter sehr viel geringerer Problembelastung als solche, die mit Kindern verheiratet in einem gemeinsamen Haushalt leben. In der erstgenannten Gruppe wurden als Trennungsursachen meist Dinge wie Langeweile, Routinisierung und emotionale Verarmung der Partnerschaft angegeben, in der letzteren dagegen insbesondere finanzielle Probleme und tiefreichende Zerwürfnisse mit dem Partner.[19]

Zu den Pionieren der Trennungsforschung zählt der amerikanische Soziologe William J. Goode, der 1956 eine Studie Women in Divorce veröffentlicht hat; die von ihm befragten geschiedenen Ehefrauen hatten als Trennungsgründe, außer unvereinbarer Persönlichkeiten, meist angegeben, dass ihr Partner sie nicht unterstützt, sie autoritär behandelt und vernachlässigt sowie übermäßig viel Alkohol getrunken habe.[20] In den USA folgten weitere Studien, darunter Levinger (1966)[21], Kitson/Sussman (1982)[22], Albrecht/Bahr/Goodman (1983)[23], Price/McKenry (1987)[24], White (1990)[25] und Kayser (1990)[26]. Wie Schneider in einer Bilanz dieser Untersuchungen aufgewiesen hat, werden die Trennungsgründe von den Getrennten heute tendenziell in interpersonellen und intrapsychischen Aspekten (Kommunikationsprobleme, fehlende gegenseitige Wertschätzung, unvereinbare Interessen und Einstellungen) gefunden und nicht wie in der Nachkriegszeit hauptsächlich in „klassischen“ Belastungsfaktoren wie Gewalttätigkeit, finanziellen, Alkohol- und Drogenproblemen. Sexuelle Untreue wird, solange sie nicht zur Bildung einer neuen Beziehung führt, heute eher toleriert als noch um die Mitte des 20. Jahrhunderts, ist aber immer noch ein häufig genannter Trennungsgrund.[19] Eine ebenfalls 1990 veröffentlichte deutsche Studie von Nave-Herz et al. kam zu teilweise anderen Ergebnissen; als häufigste Trennungsgründe wurden darin Unehrlichkeit und Untreue des Partners, Sorge um das Wohl der Kinder sowie erlittene oder angedrohte Gewalttätigkeit angegeben.[27]

Versionen der Auflösungsgeschichte

Beide Partner stehen während der Trennung und darüber hinaus – da sie ihre Liebesbeziehung bzw. Partnerschaft ja einmal aus freien Stücken begonnen hatten – auch vor sich selbst unter einem gewissen Druck zu erklären, warum sie sich am Ende doch getrennt haben. Da die Bewältigung von Ereignissen voraussetzt, dass man sie verstanden zu haben glaubt, spielen bei der Bewältigung dieses möglichen Widerspruchs Narrative eine zentrale Rolle, und zwar sowohl Reinterpretionen der Beziehungsgeschichte als auch Versionen der Geschichte der Auflösung der Beziehung, die beide Partner jeweils unabhängig voneinander entwickeln.[28][29] „Erklärungen, die im Laufe des Auflösungsprozesses produziert werden, sind“, wie Lenz schreibt, „kein Abbild der ‚Trennungsrealität‘, sondern Versuche, diese für sich fassbar zu machen mit der vorgabe, dass man selbst nicht allzu schlecht wegkommt.“[30] Besonders aufschlussreich ist hier die Studie von Hill/Rubin/Peplau (1976), weil dieses Team als eines der ganz wenigen Trennungen nicht nur aus der Retrospektive, sondern in ihrem gesamten Verlauf untersucht hat. Hill und seine Kollegen hatten dabei auch beobachtet, dass die getrennten Paare sich retrospektiv oft nicht einmal darüber einig war, welcher der Partner die Trennung initiiert hatte.[8]

Wie ein Team um den amerikanischen Sozialpsychologen John H. Harvey beobachtet hat, erzeugen Menschen solche Narrative häufig gar nicht für andere, sondern in erster Linie für sich selbst.[31] Doch können die Versionen auch variieren, je nachdem, an wen sie gerichtet sind.[32] Ein stereotyp wiederkehrender Bestandteil, der in Beziehungsnarrative erst in der Auflösungsphase eingeht, ist die Aussage, dass der Niedergang sich schon am Anfang der Beziehung abgezeichnet habe.[33][34]

Nach der Trennung

Wie aus Norbert Schneiders Untersuchung hervorgeht, gelingt ein Aufrechterhalten des Kontakts über die Trennung hinaus am ehesten solchen Paaren, deren Problembelastung gering war. „Wenn hochbelastete Partnerschaften gescheitert sind, so ist in den meisten Fällen der Kontakt mit dem ehemaligen Partner nach kurzer Zeit völlig abgebrochen.“[19]

25 % der von Schneider Befragten gab an, zum Zeitpunkt der Trennung bereits einen neuen Partner bzw. eine neue Partnerin zu haben. Weitere knapp 30 % waren innerhalb von sechs Monaten nach der Trennung eine neue Partnerschaft eingegangen.[19]

Trennung in Literatur und Film

Trennungen sind ein häufiges Thema in der Literatur und im Film. Hier eine Auswahl:

Literatur

  • Graham Greene: Das Ende einer Affäre (The End of the Affair), Vereinigtes Königreich 1951: Sarah verlässt ihren Geliebten Maurice, um ein Gelübde einzulösen, das sie abgelegt hat, als sie ihn nach einem Raketeneinschlag für tot hielt.
  • Michael Ondaatje: Der englische Patient (The English Patient), Kanada 1992: Katherine verlässt Ladislav, den sie liebt, der sich ihr aber nie ganz öffnet.

Film

  • Casablanca, USA 1942: Rick liebt Ilsa, entzieht sich ihr aber, weil ihr Mann Ilsa mehr braucht als er selbst.
  • Le Train – Nur ein Hauch von Glück (Le Train), Frankreich 1973: Julien verlässt Anna, die er liebt, weil ihm der Mut fehlt, seinem Glück seine Ehe zu opfern.
  • Das Appartement (The Apartment), USA 1960: Fran verlässt Jeff, als sie erkennt, dass er sie nur ausnutzt; als sie sich anschließend umzubringen versucht, rettet Bud ihr das Leben.
  • Der Stadtneurotiker (Annie Hall), USA 1977: Alvy verliert seine Freundin Annie und versucht allerlei, um sie wiederzugewinnen.
  • Der Club der Teufelinnen (The First Wives Club), USA 1996: Drei Frauen rächen sich an ihren Ehemännern, die sie wegen jüngerer Frauen verlassen haben.
  • Happy Together (春光乍泄): Die schwulen Liebenden Po-wing und Yiu-fai wandern, um ihr Zusammensein retten zu können, nach Argentinien aus, leben sich aber auseinander.
  • High Fidelity, USA 2000: Nach seiner Trennung von Laura reift in Rob nach und nach die Erkenntnis, dass das Scheitern der Beziehung nicht allein Lauras Fehler war.
  • Vergiss mein nicht! (Eternal Sunshine of the Spotless Mind), USA 2004: Nach der schmerzhaften Trennung von Clementine unterzieht Joel sich einer medizinischen Behandlung, um seine Erinnerungen an die Freundin auslöschen zu lassen.
  • Blau ist eine warme Farbe (La vie d’Adèle), Frankreich 2013: Adèle liebt Emma über alles, geht aber doch mit einer anderen Frau ins Bett. Emma erwischt sie dabei und wirft sie aus der gemeinsamen Wohnung.
  • The Worst Person in the World (Verdens verste menneske), Norwegen 2021: Julie verlässt, um sich selbst zu finden, Aksel für einen anderen.

Literatur

  • Gisela Hötker-Ponath: Trennung und Scheidung - Prozessbegleitende Intervention in Beratung und Therapie. 2. Auflage. Klett-Cotta, 2018, ISBN 978-3-608-89237-6.
  • Karl Lenz: Soziologie der Zweierbeziehung: Eine Einführung. 4. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-531-15810-5 (Online [PDF]).
  • Sabine Welper (Hrsg.): Hochkonflikthafte Trennungsfamilien. Praxiserfahrung und Hilfen für Scheidungseltern und ihre Kinder. 2. Auflage. Beltz, 2013, ISBN 978-3-7799-2436-4.
  • Harald Werneck, Sonja Werneck-Rohrer (Hrsg.): Psychologie der Scheidung und Trennung. 2. Auflage. facultas, 2010, ISBN 978-3-7089-0697-3.

Einzelnachweise

  1. Karl Lenz: Soziologie der Zweierbeziehung: Eine Einführung. 4. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-531-15810-5, S. 23 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. Louis Roussell: Ehen und Ehescheidung. In: Familiendynamik. Band 3, 1980, S. 186–203.
  3. Karl Lenz: Soziologie der Zweierbeziehung: Eine Einführung. 4. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-531-15810-5, S. 161 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. Stephanie S. Rollie, Steve Duck: Divorce and Dissolution of Romantic Relationships: Stage Models and Their Limitations. In: M. A. Fine, J. H. Harvey (Hrsg.): Handbook of divorce and relationship dissolution. Lawrence Erlbaum Associates Publishers, 2006, S. 223–240.
  5. F. C. Dickson: The Best is Yet to Be: Research on Long-Lasting Marriages. In: J. T. Wood, S. Duck (Hrsg.): Under-Studied Relationships. Sage Publishing, Thousand Oaks, CA 1995.
  6. Karl Lenz: Soziologie der Zweierbeziehung: Eine Einführung. 4. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-531-15810-5, S. 168 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. Ty Tashiro, Patricia Frazier: "I'll never be in a relationship like that again": Personal growth following romantic relationship breakups. In: Personal Relationships. Band 10, Nr. 1, S. 113–128, doi:10.1111/1475-6811.00039.
  8. a b Charles T. Hill, Zick Rubin, Letitia Anne Peplau: Breakups Before Marriage: The End of 103 Affairs. In: Journal of Social Issues. Band 32, Nr. 1, S. 147–168, doi:10.1111/j.1540-4560.1976.tb02485.x.
  9. a b Diane Vaughan: Uncoupling. How and Why Relationships Fall Apart. Arrow, 1988, ISBN 978-0-413-18260-9.
  10. a b Jörg Eckardt: Gebrauchte Junggesellen: Scheidungserleben und biographische Verläufe. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 1993, ISBN 978-3-8100-1047-6.
  11. a b Karl Lenz: Soziologie der Zweierbeziehung: Eine Einführung. 4. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-531-15810-5, S. 170 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  12. Karin Jäckel: Der gebrauchte Mann. Abgeliebt und abgezockt – Männer nach der Trennung. dtv, 2000, ISBN 978-3-423-36200-9.
  13. Karl Lenz: Soziologie der Zweierbeziehung: Eine Einführung. 4. Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-531-15810-5, S. 171 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  14. L. A. Kurdek: Predicting marital dissolution: A 5-year prospective longitudinal study of newlywed couples. In: Journal of Personality and Social Psychology. Band 64, 1993, S. 221–242.
  15. B. R. Karney, T. N. Bradbury: The longitudinal course of marital quality and stability: A review of theory, method, and research. In: Psychological Bulleton. Band 118, 1995, S. 3–34.
  16. George Levinger: A social psychological perspective on marital dissolution. In: Journal of Social Issues. Band 32, 1976, S. 21–42.
  17. G. B. Spanier, R. A. Lewis: Marital quality. A review of the Seventies. In: Journal of Marriage and the Family. Band 42, 1980, S. 825–839.
  18. Guy Bodenmann: Stress und Coping bei Paaren. Hogrefe, Göttingen 2000, ISBN 978-3-8017-1352-2.
  19. a b c d Norbert F. Schneider: Woran scheitern Partnerschaften? Subjektive Trennungsgründe und Belastungsfaktoren bei Ehepaaren und nichtehelichen Lebensgemeinschaften. In: Zeitschrift für Soziologie. Band 19, Nr. 6, Dezember 1990, S. 458–470, doi:10.1515/zfsoz-1990-0605.
  20. William J. Goode: Women in Divorce. New Press, New York 1956.
  21. G. Levinger: Sources of Marital Dissatisfaction Among Applicants for Divorce. In: Journal of Orthopsychiatry. Oktober 1966, S. 803–807.
  22. G. C. Kitson, M. Sussman: Marital Complaints. Demographic Characteristics, and Symptoms of Marital Distress in Divorce. In: Journal of Marriage and Family. Nr. 1, 1982, S. 87–101.
  23. S. L. Albrecht, H. M. Bahr, K. L. Goodman: Divorce and Remarriage. Praeger, Westport 1983.
  24. Sharon J. Price, Patrick C. McKenry: Divorce. Sage, Beverly Hills 1987, ISBN 978-0-8039-2356-0.
  25. L. K. White: Determinants of divorce: A review of research in the Eighties. In: Journal of Marriage and the Family. Band 52, 1990, S. 904–912.
  26. Karen Kayser: When love dies. the process of marital disaffection. Guilford, New York 1990, ISBN 978-0-89862-086-3.
  27. Rosemarie Nave-Herz, Marita Daum-Jaballah, Sylvia Hauser, Heike Matthias, Gitta Scheller: Scheidungsursachen im Wandel. Eine zeitgeschichtliche Analyse des Anstiegs der Ehescheidungen in der Bundesrepublik Deutschland. Kleine Verlag, Bielefeld 1990, ISBN 978-3-89370-140-7.
  28. Guy Bodenmann, Thomas Bradbury, Sabine Maderasz: Scheidungsursachen und -verlauf aus der Sicht der Geschiedenen. In: Zeitschrift für Familienforschung. Band 14, Nr. 1, 2002, ISSN 1437-2940, S. 5–20 (Online).
  29. Manfred Herzer: Ehescheidung als sozialer Prozess. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 1998, ISBN 978-3-531-13098-9.
  30. Karl Lenz: Soziologie der Zweierbeziehung: Eine Einführung. 2. Auflage. Srpinger Fachmedien, Wiesbaden 2003, ISBN 978-3-531-33348-9, S. 153.
  31. John H. Harvey, Rodney Flanary, Melinda Morgan: Vivid Memories of Vivid Loves Gone by. In: Journal of Social and Personal Relationships. 1. September 1986, doi:10.1177/0265407586033007.
  32. George J. McCall: Becoming Unrelated. The Management of Bond Dissolution. In: S. W. Duck (Hrsg.): Personal Relationships 4. Dissolving Personal Relationships. Academic Press, London, New York 1982.
  33. Gunhild O. Hagestad, Michael A. Smyer: Dissolving long-term relationships. Patterns of divorcing in middle age. In: S. W. Duck (Hrsg.): Personal Relationships 4. Dissolving Personal Relationships. Academic Press, London, New York 1982.
  34. Heike Bernhardt, Melanie Heldt: Trennungsprozesse geschiedener Paare. Eine qualitative Studie. Dresden 1998 (Diplomarbeit).