„Verformungsenergie“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Hookes-law-springs.png|mini|Ein an einer elastischen Feder (grau) aufgehängtes Gewicht (gelb) findet ein Gleichgewicht, wo die Abnahme an Lageenergie im Schwerefeld gleich der Zunahme an elastischer Energie in der Feder ist]]
{{QS-Physik}}
Die '''Verformungsenergie''', '''Formänderungsenergie''', '''Verzerrungsenergie''' oder '''elastische Energie''' ({{enS|strain energy}}<ref name="haupt">{{Literatur
Die '''Verformungsenergie''' ist ein Begriff aus den [[Ingenieurwissenschaften]], welcher in der [[Physik]] als „elastische Energie“ („[[potentielle Energie]]“) oder als „[[Reibungsarbeit]]“ (siehe auch „[[innere Reibung]]“) bezeichnet wird.
| Autor=P. Haupt
| Titel=Continuum Mechanics and Theory of Materials
| Verlag=Springer
| Jahr=2002
| Seiten=347, 349, 360, 366, 381, 517, 589
| ISBN=978-3-642-07718-0
| DOI=10.1007/978-3-662-04775-0}}</ref> oder auch ''stored energy function''<ref name="ciarlet">{{Literatur
| Autor=[[Philippe Ciarlet]]
| Titel=Mathematical Elasticity
| Seiten=132
| Band=Bd. 1: Three-Dimensional Elasticity
| Verlag=North-Holland
| Ort=Amsterdam
| Jahr=1988
| ISBN=0-444-70259-8}}</ref>) tritt bei einer [[Verformung]] eines [[Körper (Physik)|Körpers]] auf und wird dabei in ihm gespeichert. Sie ist der [[Energie]]&shy;betrag, der in Materialien aufgebracht werden muss, um die Abweichungen von der idealen, energieärmsten Materialstruktur zu realisieren. Die Verformungsenergie ist eine Form der [[Lageenergie]] in [[Elastizitätstheorie|elastischen]] Systemen<ref name="lexikon physik">{{Literatur
| Sammelwerk=Lexikon der Physik
| Titel=Elastische-Energie
| Datum=1998
| Verlag=Spektrum Akademischer Verlag
| Ort=Heidelberg
| Online=https://www.spektrum.de/lexikon/physik/elastische-energie/3885}}</ref>, siehe Bild. Dort findet ein an einer elastischen Feder im [[Schwerefeld]] der Erde aufgehängtes Gewicht ein Gleichgewicht, in dem die Abnahme an Lageenergie im Schwerefeld gleich der Zunahme an elastischer Energie in der Feder ist. Wird ein weiteres Gewicht angehängt, wird die Feder weiter ausgelenkt und kehrt in die vorherige Lage zurück, wenn das zusätzliche Gewicht wieder entfernt wird. Bei linearer Elastizität ist die elastische Energie W der Feder proportional zur [[Federkonstante]] D und zum Quadrat der Auslenkung:


:<math>\mathsf{W=\frac D2 u^2}</math>
Die Verformungsenergie ist die bei einer mechanischen [[Verformung]] oder [[Kompressionsmodul|Verdichtung]] aufgenommene '''Verformungsarbeit''' oder freigesetzte [[Wärme]] bzw. [[Strahlung]]. Bei einer materiellen Verformung wird die [[kinetische Energie]] stets in elastische/potentielle Energie und/oder in Reibungsenergie/-arbeit umgewandelt.


In anderen Strukturbauteilen existieren vergleichbare Formeln, siehe [[#Berechnung der Formänderungsenergie]]. Der Auslenkungsprozess ist [[Reversibler Prozess|umkehrbar]], solange die Feder nicht überdehnt wird.
== Literatur ==


Das geschieht wenn ihre [[Elastizitätsgrenze]] überschritten wird, siehe [[#Verformungsarbeit und Verformungsenergie]]. Bei Verformung über die Elastizitätsgrenze hinaus nur von Teilen des Körpers, kann es vorkommen, dass sich nicht alle elastisch verformten Bereiche nach Wegnahme der Belastung entspannen, und Gebiete mit [[Eigenspannung]]en verbleiben.
* [https://books.google.de/books?id=5x7YBhvFUhQC&printsec=frontcover&source=gbs_summary_r&hl=de Adrian Pocanschi, Marios C. Phocas: ''Kräfte in Bewegung: Die Techniken des erdbebensicheren Bauens'']. Vieweg+Teubner Verlag, 2003. ISBN 3519004291. Seite 7, 50/51, 59, 75, 135, 211, 253–257, 259, 261, 270, 274, 280, 282, 292, 422, 545/546 (601 Seiten).


== Verformungsarbeit und Verformungsenergie ==
== Weblinks ==
Wenn die Feder von der Kraft über ihre Elastizitätsgrenze hinaus belastet wird, wird ein Teil der '''Verformungsarbeit''' in einem [[Irreversibler Prozess|irreversiblen Prozess]] verbraucht, beispielsweise bei [[Plastizität (Physik)|Plastifizierungen]] ([[Knetmasse|Knete]]), Bruch ([[Steinbruch]]), oder Wärmeerzeugung ([[Viskosität]]/[[innere Reibung]], [[Reibungsarbeit]]). Von der Verformungsarbeit kann bei Wegnahme der Kraft hier nur der mechanische Energieanteil vom Körper zurück gegeben werden, der bis zum Erreichen der Elastizitätsgrenze als Formänderungsenergie gespeichert wurde.
* {{Internetquelle |url=https://www.spektrum.de/lexikon/physik/elastische-energie/3885 |werk=Lexikon der Physik |hrsg=spektrum.de |titel=Elastische Energie |datum=1998 |zugriff=2018-09-07 |abruf-verborgen=1}}


== Berechnung der Formänderungsenergie ==
Die Formänderungsenergie berechnet sich aus der Formänderungsenergiedichte U, aus der sich die [[Mechanische Spannung|Spannungen]] σ<sub>ij</sub> als [[Ableitungsfunktion|Ableitung]] nach den [[Verzerrungszustand|Dehnungen]] ε<sub>ij</sub> ergeben:<ref name="greve">{{Literatur
| Autor=Ralf Greve
| Titel=Kontinuumsmechanik
| TitelErg=Ein Grundkurs für Ingenieure und Physiker
| Verlag=Springer
| Ort=Berlin u. a.
| Datum=2003
| Seiten=211
| ISBN=978-3-642-62463-6
| Online={{Google Buch| BuchID=ZhcjBgAAQBAJ| Seite=211}}
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:<math>\sigma_{ij}=\frac{\part\mathsf U}{\part\varepsilon_{ij}}</math>

Die Spannungsarbeit der Komponente ij ist das Produkt

:<math>l_{i_{ij}}=\int_{\varepsilon_{{ij}_0}}^{\varepsilon_{{ij}_1}}
\sigma_{ij}\,\mathrm d\varepsilon_{ij}</math>,

die sich summiert über alle Komponenten ''ij'' symbolisch und für beliebige Koordinatensysteme als [[Matrizenprodukt]]

:<math>l_i=\int_{\boldsymbol{\varepsilon}_0}^{\boldsymbol{\varepsilon}_1}\boldsymbol\sigma\cdot\,\mathrm d\boldsymbol\varepsilon</math>,

schreiben lässt. Bei [[Hyperelastizität]] ergeben sich die Spannungen koordinatenunabhängig aus<ref name="Frechet">Die [[Fréchet-Ableitung]] einer skalaren Funktion <math>\mathsf U(\mathbf{T})</math> nach einem Tensor <math>\mathbf{T}</math> ist der Tensor <math>\mathbf{A}</math> für den – sofern er existiert – gilt:

:<math>\mathbf{A}:\mathbf{H}
= \left. \frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}s}\mathsf U(\mathbf{T}+s\mathbf{H})
\right|_{s=0}
= \lim_{s\rightarrow 0}
\frac{\mathsf U(\mathbf{T}+s \mathbf{H})-\mathsf U(\mathbf{T})}{s}
\quad\forall\;
\mathbf{H}\,.</math>

Darin ist s ∈ ℝ und ":" das [[Frobenius-Skalarprodukt]]. Dann wird auch

:<math>\frac{\partial\mathsf U}{\partial\mathbf{T}} = \mathbf{A}</math>

geschrieben.</ref>

:<math>\boldsymbol{\sigma}
=\frac{\part\mathsf U}{\part\boldsymbol{\varepsilon}}</math>

womit die [[Kurvenintegral]]e bei der Spannungsarbeit wegunabhängig werden. Das [[Volumenintegral]] der Spannungsarbeit über den ganzen Körper liefert die Formänderungsenergie

:<math>W=\int_V\mathsf U\;\mathrm dV</math>

Mit Ansätzen für die Verschiebung und Verzerrung ergeben sich in der linearen Elastizität mit [[Elastizitätsmodul]] E und [[Schubmodul]] G für den schlanken Stab und Balken der Länge l in x-Richtung die Formeln<ref name="markert">{{Literatur
| Autor=[[Bernd Markert]]
| Titel=Mechanik 2 Elastostatik – Statik deformierbarer Körper
| Auflage=2. Auflage
| Herausgeber=[[Institut für Allgemeine Mechanik Aachen]]
| Ort=Aachen
| Jahr=2015}}</ref>

* für den geraden Stab:
:*unter Normalkraft N: <math>\mathsf{W_N =\int_0^l \frac {N^2}{2EA} dx}</math> mit der Querschnittsfläche A und
:*unter [[Torsionsmoment]] M<sub>T</sub>: <math>\mathsf{W_T = \int_0^l \frac {M_T^2}{2GJ_P} dx}</math> mit polarem Flächenträgheitsmoment J<sub>P</sub>.<ref name="hibbeler">{{Literatur
| Autor=Russel C. Hibbeler
| Titel=Technische Mechanik 2
| TitelErg=Festigkeitslehre
| Auflage=8. Auflage
| Verlag=Pearson Deutschland
| Ort=München
| Jahr=2013
| ISBN=978-3-86894-126-5}}</ref> und
* für den geraden Balken:
:*unter Biegemoment M: <math>\mathsf{W_B = \int_0^l \frac {M^2}{2EJ} dx}</math> mit dem axialen Flächenträgheitsmoment J in Richtung der Balkenachse oder
:*unter Querkraft Q: <math>\mathsf{W_V = \int_0^l \frac {\chi_sQ^2}{2GA} dx}</math> mit dem Formfaktor <math>\mathsf{\chi_s = \frac{A}{J} \int_A \frac{S^2}{t^2} dA}</math>, in dem das [[Statisches Moment|statische Moment]] S und die Breite beziehungsweise Wandstärke t enthalten sind.

Wegen der angenommenen Linearität können die Formänderungsenergien durch mehrere dieser Belastungsarten zur resultierenden Formänderungsenergie addiert werden.<ref name="markert" />

== Siehe auch ==
* [[Elastizität (Physik)]]
* [[Hyperelastizität]]

== Fußnoten ==
<references />

=== Literatur ===
* {{Internetquelle
|url=https://www.spektrum.de/lexikon/physik/elastische-energie/3885
|werk=Lexikon der Physik
|hrsg=spektrum.de
|titel=Elastische Energie
|datum=1998
|zugriff=2018-09-07
|abruf-verborgen=1}}
* {{Literatur
| Autor=Ralf Greve
| Titel=Kontinuumsmechanik
| TitelErg=Ein Grundkurs für Ingenieure und Physiker
| Verlag=Springer
| Ort=Berlin u. a.
| Datum=2003
| Seiten=211
| ISBN=978-3-642-62463-6
| Online={{Google Buch| BuchID=ZhcjBgAAQBAJ| Seite=211}}
| DOI=10.1007/978-3-642-55485-8}}
*{{Literatur
| Autor=[[Holm Altenbach]]
| Titel=Kontinuumsmechanik
| TitelErg=Einführung in die materialunabhängigen und materialabhängigen Gleichungen
| Seiten=259
| Verlag=Springer-Verlag
| Ort=Berlin, Heidelberg
| Datum=2012
| ISBN=978-3-642-24118-5
| DOI=10.1007/978-3-642-24119-2}}

[[Kategorie:Kontinuumsmechanik]]
[[Kategorie:Klassische Mechanik]]
[[Kategorie:Klassische Mechanik]]
[[Kategorie:Energieform]]
[[Kategorie:Energieform]]
[[Kategorie:Kristallographie]]

[[simple:Elastic energy]]
[[sv:Elastisk energi]]

Version vom 17. Oktober 2022, 16:52 Uhr

Ein an einer elastischen Feder (grau) aufgehängtes Gewicht (gelb) findet ein Gleichgewicht, wo die Abnahme an Lageenergie im Schwerefeld gleich der Zunahme an elastischer Energie in der Feder ist

Die Verformungsenergie, Formänderungsenergie, Verzerrungsenergie oder elastische Energie (englisch strain energy[1] oder auch stored energy function[2]) tritt bei einer Verformung eines Körpers auf und wird dabei in ihm gespeichert. Sie ist der Energie­betrag, der in Materialien aufgebracht werden muss, um die Abweichungen von der idealen, energieärmsten Materialstruktur zu realisieren. Die Verformungsenergie ist eine Form der Lageenergie in elastischen Systemen[3], siehe Bild. Dort findet ein an einer elastischen Feder im Schwerefeld der Erde aufgehängtes Gewicht ein Gleichgewicht, in dem die Abnahme an Lageenergie im Schwerefeld gleich der Zunahme an elastischer Energie in der Feder ist. Wird ein weiteres Gewicht angehängt, wird die Feder weiter ausgelenkt und kehrt in die vorherige Lage zurück, wenn das zusätzliche Gewicht wieder entfernt wird. Bei linearer Elastizität ist die elastische Energie W der Feder proportional zur Federkonstante D und zum Quadrat der Auslenkung:

In anderen Strukturbauteilen existieren vergleichbare Formeln, siehe #Berechnung der Formänderungsenergie. Der Auslenkungsprozess ist umkehrbar, solange die Feder nicht überdehnt wird.

Das geschieht wenn ihre Elastizitätsgrenze überschritten wird, siehe #Verformungsarbeit und Verformungsenergie. Bei Verformung über die Elastizitätsgrenze hinaus nur von Teilen des Körpers, kann es vorkommen, dass sich nicht alle elastisch verformten Bereiche nach Wegnahme der Belastung entspannen, und Gebiete mit Eigenspannungen verbleiben.

Verformungsarbeit und Verformungsenergie

Wenn die Feder von der Kraft über ihre Elastizitätsgrenze hinaus belastet wird, wird ein Teil der Verformungsarbeit in einem irreversiblen Prozess verbraucht, beispielsweise bei Plastifizierungen (Knete), Bruch (Steinbruch), oder Wärmeerzeugung (Viskosität/innere Reibung, Reibungsarbeit). Von der Verformungsarbeit kann bei Wegnahme der Kraft hier nur der mechanische Energieanteil vom Körper zurück gegeben werden, der bis zum Erreichen der Elastizitätsgrenze als Formänderungsenergie gespeichert wurde.

Berechnung der Formänderungsenergie

Die Formänderungsenergie berechnet sich aus der Formänderungsenergiedichte U, aus der sich die Spannungen σij als Ableitung nach den Dehnungen εij ergeben:[4][1]

Die Spannungsarbeit der Komponente ij ist das Produkt

,

die sich summiert über alle Komponenten ij symbolisch und für beliebige Koordinatensysteme als Matrizenprodukt

,

schreiben lässt. Bei Hyperelastizität ergeben sich die Spannungen koordinatenunabhängig aus[5]

womit die Kurvenintegrale bei der Spannungsarbeit wegunabhängig werden. Das Volumenintegral der Spannungsarbeit über den ganzen Körper liefert die Formänderungsenergie

Mit Ansätzen für die Verschiebung und Verzerrung ergeben sich in der linearen Elastizität mit Elastizitätsmodul E und Schubmodul G für den schlanken Stab und Balken der Länge l in x-Richtung die Formeln[6]

  • für den geraden Stab:
  • unter Normalkraft N: mit der Querschnittsfläche A und
  • unter Torsionsmoment MT: mit polarem Flächenträgheitsmoment JP.[7] und
  • für den geraden Balken:
  • unter Biegemoment M: mit dem axialen Flächenträgheitsmoment J in Richtung der Balkenachse oder
  • unter Querkraft Q: mit dem Formfaktor , in dem das statische Moment S und die Breite beziehungsweise Wandstärke t enthalten sind.

Wegen der angenommenen Linearität können die Formänderungsenergien durch mehrere dieser Belastungsarten zur resultierenden Formänderungsenergie addiert werden.[6]

Siehe auch

Fußnoten

  1. a b P. Haupt: Continuum Mechanics and Theory of Materials. Springer, 2002, ISBN 978-3-642-07718-0, S. 347, 349, 360, 366, 381, 517, 589, doi:10.1007/978-3-662-04775-0.
  2. Philippe Ciarlet: Mathematical Elasticity. Band 1: Three-Dimensional Elasticity. North-Holland, Amsterdam 1988, ISBN 0-444-70259-8, S. 132.
  3. Elastische-Energie. In: Lexikon der Physik. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1998 (spektrum.de).
  4. Ralf Greve: Kontinuumsmechanik. Ein Grundkurs für Ingenieure und Physiker. Springer, Berlin u. a. 2003, ISBN 978-3-642-62463-6, S. 211, doi:10.1007/978-3-642-55485-8 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Die Fréchet-Ableitung einer skalaren Funktion nach einem Tensor ist der Tensor für den – sofern er existiert – gilt:
    Darin ist s ∈ ℝ und ":" das Frobenius-Skalarprodukt. Dann wird auch
    geschrieben.
  6. a b Bernd Markert: Mechanik 2 Elastostatik – Statik deformierbarer Körper. Hrsg.: Institut für Allgemeine Mechanik Aachen. 2. Auflage. Aachen 2015.
  7. Russel C. Hibbeler: Technische Mechanik 2. Festigkeitslehre. 8. Auflage. Pearson Deutschland, München 2013, ISBN 978-3-86894-126-5.

Literatur