3-MCPD-Fettsäureester

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3-MCPD-Fettsäureester sind Ester verschiedener Fettsäuren mit 3-Chlor-1,2-propandiol (3-MCPD), einem chlorierten Diol, als Alkoholkomponente.

Vorkommen

In sämtlichen raffinierten, also gereinigten, Pflanzenölen, sind 3-MCPD-Fettsäureester zu finden, wobei die Gehalte sich zum Teil stark unterscheiden.[1]

Die Raffination von Fetten und Ölen muss auf den Produkten nicht kenntlich gemacht werden. Ist ein pflanzliches Speiseöl weder als „nativ“ noch als „kaltgepresst“ gekennzeichnet, ist es höchstwahrscheinlich raffiniert worden. Da tierische Fette, mit Ausnahme von Fischölen, in der Regel nicht raffiniert werden, wurden in diesen Fetten bisher keine 3-MCPD-Ester nachgewiesen.

In vielen Lebensmitteln, für deren Herstellung gereinigte Pflanzenfette benötigt werden, sind deshalb ebenfalls 3-MCPD-Fettsäureester enthalten.[2] So wurden vor allem in Frittierfett und Margarinen hohe Mengen an 3-MCPD-Estern gefunden. Besonders gehärtete Fette weisen durch eine zweite Raffination hohe Werte auf. Aber auch in anderen Lebensmitteln wie Nussnougatcreme und Säuglingsnahrungen sind 3-MCPD-Fettsäureester nachgewiesen worden.[1] Offensichtlich sind 3-MCPD-Fettsäureester ein Teil der Nahrungskette. Deshalb findet sich diese Substanz mittlerweile auch in der Muttermilch wieder.

Die in Lebensmitteln gefundenen Werte weichen zum Teil erheblich voneinander ab, da präzise Analyseverfahren noch in der Entwicklung sind.[3]

Entstehen

Bei der Verarbeitung von pflanzlichen Ölen und Fetten unter hohen Temperaturen können 3-MCPD-Fettsäureester entstehen. So werden sie in erster Linie bei der notwendigen Raffination gebildet. Die Raffination von pflanzlichen Fetten ist ein mehrstufiger chemischer und physikalischer Prozess, durch den die Öle genießbar gemacht werden. Es werden Verunreinigungen wie unerwünschte Schleimstoffe, Säuren, Farbstoffe, Oxidationsprodukte, und Geruchs- und Geschmacksstoffe entfernt. Aber auch toxische Substanzen wie Pestizide, Schwermetalle, giftige Pflanzeninhaltsstoffe, Mykotoxine, polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe werden entfernt. Besonders beim letzten Schritt der Raffination, der Desodorierung durch eine Wasserdampfdestillation bei Temperaturen bis zu 250 Grad C, werden die 3-MCPD-Fettsäureester gebildet.[1][4][3] Das 3-Chlor-1,2-Propandiol wird dem Prozess nicht zugesetzt, sondern entsteht aus Glycerin, welches mit Chlorid zu 3-MCPD reagieren kann.[5]

Gesundheitliche Bedeutung

3-MCPD wurde 2011 von der International Agency for Research on Cancer (IARC) als „mögliches Humankarzinogen“ eingestuft.

3-MCPD wird vor allem als 3-MCPD-Fettsäureester aus raffinierten Fetten und Ölen sowie fetthaltigen Lebensmitteln aufgenommen. Vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) veranlasste Untersuchungen an Ratten zeigen, dass sich die Menge an 3-MCPD, die nach Gabe von 3-MCPD-Fettsäureester aufgenommen wird, nur unwesentlich von der Aufnahme nach Gabe von freiem 3-MCPD unterscheidet.[6] Das BfR legt daher für die Risikobewertung eine vollständige Abspaltung der Fettsäuren aus den über die Nahrung zugeführten 3-MCPD-Fettsäureestern zu Grunde.[6] Bezugnehmend auf neuere wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse zur Toxikologie von 3-MCPD empfiehlt das BfR einen TDI-Wert (Tolerable Daily Intake-Wert) von 2 µg 3-MCPD je Kilogramm Körpergewicht.[6]

Geht man bei der Risikobewertung von dem vom BfR angenommen Fall aus, dass die 3-MCPD-Fettsäureester bei der Verdauung vollständig in freies 3-Chlor-1,2-propandiol umgewandelt werden, können die täglich tolerierbaren Aufnahmemengen (TDI) für freies 3-MCPD zum Teil deutlich überschritten werden. Ein besonderes Problem stellt nach Ansicht des BfR die möglicherweise hohe Exposition von nicht gestillten Säuglingen dar. Insbesondere bei Säuglingen kann über den Verzehr von Anfangs- und Folgenahrungen der Sicherheitsabstand zu den im Tierversuch beobachteten Wirkungen als zu gering angesehen werden. 2007 ergaben Messungen nach Auskunft des BfR tatsächlich deutliche Überschreitungen des TDI-Wertes.[6]

Gesundheitliche Bedeutung in Säuglingsnahrung

Für Säuglingsnahrungen sind bestimmte muttermilchnahe Fettsäuremuster vorgeschrieben. Die dafür notwendigen Fette müssen ebenfalls gereinigt werden. Die Entstehung von Spuren an 3-MCPD-Fettsäureestern scheint zurzeit technologisch unvermeidbar zu sein. Durch neue Analyseverfahren konnten in der jüngsten Vergangenheit 3-MCPD-Fettsäureester deshalb auch in Säuglingsnahrung festgestellt werden. An einer Reduzierung der Gehalte durch veränderte Herstellungsprozesse wird zurzeit intensiv gearbeitet.[3][4] Andererseits ist besonders für den Säugling die Versorgung mit ausreichend Fett für die optimale Entwicklung sehr wichtig. Die Fettsäurenzusammensetzung orientiert sich dabei an dem Vorbild Muttermilch und benötigt hochwertige pflanzliche Fette als Rohstoff.

Für Säuglingsnahrungen müssen die hochwertigen Fette gereinigt werden, da die Verunreinigungen in kaltgepreßtem Öl für den Säugling gesundheitsschädigend wären. Zu den nachteiligen Wirkungen der 3-MCPD-Fettsäureester beim Menschen insbesondere Säuglingen gibt es noch keine wissenschaftlichen Daten. Es ist noch nicht bekannt, ob und in welchem Umfang die 3-MCPD-Fettsäureester im Verdauungstrakt des Säuglings in freies 3-MCPD umgewandelt und resorbiert werden. Geht man von dem ungünstigsten Fall aus, dass 3-MCPD-Fettsäureester komplett in freies 3-MCPD umgewandelt werden, käme es zu einer Überschreitung der täglich tolerierbaren Aufnahmemenge (TDI).

Allerdings kann man den TDI bei Säuglingen nur hilfsweise zugrunde legen, da diese üblicherweise in den ersten Lebensmonaten nicht verwendet wird. Bei der Bewertung eines möglichen gesundheitlichen Risikos durch 3-MCPD-Fettsäureester in Säuglingsanfangs- und Folgenahrungen sind deshalb bisher eine Reihe von Fragen offengeblieben. So ist insbesondere noch gar nicht geklärt, ob die hyperplastische Wirkung der Substanz auf die Nierentubuli beim Menschen überhaupt auftritt. Das BfR geht nach dem derzeitigen Wissensstand davon aus, dass im ungünstigsten Fall der Sicherheitsabstand zu den im Tierversuch beobachteten Wirkungen als zu gering angesehen wird. Es sieht deshalb Handlungsbedarf im Hinblick auf die Minimierung der Gehalte, geht aber von "keiner akuten Gesundheitsgefahr" aus. Deshalb empfiehlt das BfR Eltern ihre Säuglinge "wie gewohnt weiterzufüttern". Es gibt für Säuglinge, die nicht gestillt werden, keine Alternative zu Anfangs- und Folgenahrungen. Eltern sollten demzufolge auch nicht auf andere Milchen wie Kuh-, Ziegen- oder Stutenmilch ausweichen, da diesen wichtige Nährstoffe fehlten. Die österreichischen Behörden, wie die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), sehen sogar "keinerlei Hinweise auf eine Gesundheitsgefährdung".[2][7]

Einzelnachweise

  1. a b c 3-MCPD-Ester in raffinierten Speisefetten und Speiseölen - ein neu erkanntes, weltweites Problem. Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt, Stuttgart, 18. Dezember 2007.
  2. a b Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Fragen und Antworten zur Kontamination von Lebensmitteln mit 3-MCPD-, 2-MCPD- und Glycidyl-Fettsäureestern. 7. Juli 2016, abgerufen 8. Juli 2016.
  3. a b c Verband der Ölsaaten-verarbeitenden Industrie in Deutschland: 3-MCPD-Fettsäureester in Lebensmittel- Forschung und Kooperation zur Reduzierung (PDF; 57 kB).
  4. a b Verband der Ölsaaten-verarbeitenden Industrie in Deutschland: 3-MCPD-Fettsäureester Hintergründe (PDF; 294 kB).
  5. 3-MCPD in Lebensmitteln. lebensmittel.org, abgerufen am 1. November 2009.
  6. a b c d BfR: Stellungnahme Nr. 006/2013 des Bundesinstitutes für Risikobewertung zu 3-MCPD-Fettsäureester in Lebensmitteln vom 3. April 2012.
  7. Stellungnahme des BfR: Säuglingsanfangs- und Folgenahrung kann gesundheitlich bedenkliche 3-MCPD-Fettsäurester enthalten (PDF; 188 kB)

Weblinks