Abenteuerspielplatz

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Imberg in Witten-Annen

Als Abenteuerspielplatz wird ein Spielplatz bezeichnet, der überwiegend älteren Kindern und Heranwachsenden selbst gestaltbare Erlebnisspielräume bietet. Synonym werden auch die Begriffe „Bauspielplatz“, „Aktivspielplatz“ oder „Robinsonspielplatz“ (Schweiz) benutzt, zudem wird eine solche Einrichtung umgangssprachlich auch teilweise als Kinderfarm bezeichnet.

Allgemeines

Abenteuerspielplätze stehen in der Regel unter der Aufsicht von gemeinnützigen Vereinen oder kommunalen Trägern. Typische Merkmale sind Hüttenbaubereiche, Feuerstellen, abwechslungsreiche Geländemodellierung und außergewöhnliche selbstgebaute Spielgeräte. Beispiele hierfür sind Grabenbrücken, extra lange Rutschen, besonders hohe Klettergerüste und Holzbauten, die mit anderen Spielgeräten, z. B. über Seilbrücken oder Kletterspinnen, verbunden sind.

Abenteuerspielplätze lassen sich als Naturräume im Freien,[1] als Erlebnislandschaften in der Turnhalle,[2] aber auch in Form von Dunkelräumen als „Abenteuerspielplatz der Sinne“ gestalten.[3]

Da die Plätze in der Regel pädagogisch betreut sind, können sie Spielgeräte anbieten, die nicht den Spielgeräte-Normen unterworfen bzw. vom TÜV geprüft sind. Die spielerische Herausforderung stärkt die Geschicklichkeit und das Eigensicherungsvermögen der Kinder und verhindert dadurch das Unfallrisiko weitgehend.

Der Eintritt ist kostenlos. Wenn Kinder regelmäßig zum Spielen kommen möchten, sollten sie angemeldet und versichert werden.

Pädagogische Bedeutung

Naturnahe Erfahrungsbereiche, Materialien und Werkzeuge bieten starke Anreize für vielseitige und schöpferische Aktivitäten, für Spiel und Spaß, für Bewegung und soziales Lernen.

Die Pädagogische Zielsetzung verfolgt die individuale und soziale Entwicklung der Kinder und Jugendlichen. Dazu gehören Neugier, Mut, Geschicklichkeit, Kreativität, Selbständigkeit und Eigeninitiative, kognitive, emotionale und motorische Kompetenz, lösungsorientiertes Denken, Verantwortungsbewusstsein, Partnerschaftlichkeit und Solidarität. Die Kinder sollen selbst tätig werden und ihre Freizeit sinnvoll gestalten. Um diese Zielvorstellungen zu erreichen, ist nach Auffassung der Spielwissenschaftler Siegbert A. Warwitz und Anita Rudolf eine Rückkehr zu den Wurzeln des Spielens notwendig, zu Spiellandschaften, Spielgeräten und Spielformen, welche die Kinder ganzheitlich fordern.[4] Die Spielenden sollten nicht zu Konsumenten kommerziellen Spielguts, sondern zu eigenständigen Gestaltern ihrer Spielwelt werden. Dies erst macht den wahren Wert des Spielens aus.[5]

Abenteuerpädagogik realisiert sich weitestgehend im Sinne einer Wagniserziehung. Sie bietet spannungsreiche, auch gefahrvolle Situationen und Aufgaben, die den vollen mentalen, emotionalen und physischen Einsatz fordern, aber auch mit Glückserlebnissen belohnen.[6] Abenteuerspielplätze haben daher einen hohen Erziehungswert.[7] Dieser trifft sich mit einer erheblichen Attraktivität für Kinder und Jugendliche, die Spannungsreize, persönliche Herausforderungen und außergewöhnliche Erlebnisse suchen.[8]

Geschichte

Abenteuerspielplatz 1975 in Dresden

Vorbild verschiedener Konzeptionen von Abenteuerspielplätzen in Deutschland sind die „Skrammellegeplads“, die Gerümpelspielplätze, die schon 1943 in Dänemark eröffnet wurden. Die Konzeption resultiert aus der Beobachtung des Landschaftsarchitekten C. Th. Sorenson, der Kinder beim Spielen auf Baustellen und Schrottplätzen beobachtete. Aus der Idee heraus entwickelten sich dann die „Byggelegepladser“, die Bauspielplätze. Als weiterer Vorläufer gelten die „Robinsonspielplätze“, die in der Schweiz etabliert sind, und die durch die typischen Bereiche und Inhalte wie Feuer, Wasser und Tierhaltung stark an Abenteuerspielplätze erinnern, aber auch die „adventure playgrounds“ aus England, bei denen eine kontinuierliche sozialpädagogische Betreuung stärker ausgeprägt ist.

Der erste Abenteuerspielplatz in Deutschland entstand zwar schon 1952 (Mannheim). Erst Ende der 1960er / Anfang der 1970er Jahre wurde daraus jedoch eine Bewegung im Zuge der Entstehung von offener Kinder- und Jugendarbeit. In dieser Zeit der Studentenbewegung waren es Initiativgruppen von Eltern, Pädagogen und Studenten, die bisherige Erziehungskonzepte sowie gesellschaftliche Verhältnisse, phantasielose Spielplätze und Funktionalisierung öffentlicher Räume hinterfragten und die „die soziokulturellen Lebensbedingungen in ihrem Wohnbereich verbessern wollten“ (Hiltrud von Spiegel). Ziel war eine alternative Kindererziehung, die den Kindern wieder sinnliche Erfahrungen ermöglicht und Kindheit „entkolonisiert“ und „entkommerzialisiert“. Aus dieser Bewegung heraus entstanden Spielmobile, Kinderspielclubs, Spielhäuser und die Stadtteilbezogene Arbeit. 1967 entstand der erste Abenteuerspielplatz in Berlin Märkischen Viertel. Zeitgleich entwickelte sich aus einer Privatinitiative die erste Jugendfarm in Stuttgart-Elsental. 1972 wurde dort der „Bund der Jugendfarmen und Aktivspielplätze e. V.“ gegründet. Bis zur Wiedervereinigung wurden rund 400 Abenteuerspielplätze und Jugendfarmen, insbesondere in Ballungsgebieten gezählt. In Westdeutschland entstand der erste Abenteuerspielplatz 1971 in Dortmund-Lütgendortmund. Zeitgleich fand in NRW die Gründung des ABA Fachverbandes Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (zunächst unter dem Namen LAG Abenteuer-, Bau- und Aktivspielplätze NRW/LAG ABA) statt. Der BdJA und der ABA Fachverband leisteten wertvolle Hilfe beim Aufbau und der Verbreitung betreuter Spielplätze in den Neuen Bundesländern. Sie gelten auch gegenwärtig noch als offensivste Interessenvertretungen für Abenteuerspielplätze und Jugendfarmen in Deutschland.[9] Die ersten Einrichtungen in Ostdeutschland entstanden 1990 in Ost-Berlin („Kolle 37“ im Prenzlauer Berg, „Pinke Panke“ in Pankow, „Kinderkleeblatt“ in Hellersdorf und „Marzahn-West“). Weitere Einrichtungen in Dresden, Erfurt, Hoyerswerda und Leipzig folgten.

Die Abenteuerspielplatz-Bewegung ist konzeptionell und historisch eng mit der Spielmobil-Bewegung verbunden. Oft verstehen sich Spielmobile im ähnlichen pädagogischen Auftrag wie die Abenteuerspielplätze und sehen sich selbst als kleine rollende Abenteuerspielplätze.

Formen

Unter dem Oberbegriff Abenteuerspielplatz werden auch andere Einrichtungen mit ähnlicher Intention, aber im Detail abweichenden Methoden oder Themenschwerpunkten zusammengefasst.

Bauspielplatz

Bauspielplatz auf der Jugendfarm Freiberg/Rot

Bauspielplätze ermöglichen es Kindern, mit Holz und anderen Materialien Hütten oder Spielobjekte selber zusammenbauen können. Oft entstehen dabei ganze Hüttendörfer, die einem ständigen Veränderungsprozess unterworfen sind. Neben den üblichen Gruppenkontakten entstehen manchmal ein eigenes Sozialsystem mit Rollenspielen, Funktionen, Ämtern und politischen Entscheidungen, aber auch Banden und Machtkämpfen. Sie sind ein hervorragendes Übungsfeld für Sozialverhalten und Konfliktlösung.

Viele dieser Spielplätze bieten über dieses reine Bau-Angebot auch weitere Aktivitäten an, wie Lagerfeuer, Kochen im Freien, Backen im Holzofen, Töpfern (Raku-Keramik), Projekte (Flossbau), Freizeiten, Zeltlager etc. Derartige „Spielplätze“ sind somit eher mit Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen zu vergleichen als mit dem klassischen „möblierten Spielplatz“ auf dem Hof.

Ein Beispiel ist der Bauspielplatz Roter Hahn in Lübeck.

Jugendfarm

Pferde auf der Jugendfarm Freiberg/Rot

Hier nimmt die Haltung und Pflege von Tieren – insbesondere Robustpferde und Tiere aus dem landwirtschaftlichen Bereich (Schafe, Ziegen, Kaninchen, Meerschweinchen) – eine besondere Stellung ein.

Kinder und Jugendliche kommen teilweise täglich auf die Farmen und kümmern sich um die Tiere. Dabei lernen sie Verantwortung zu übernehmen und ihr Umweltbewusstsein wird geschult. Über die Beziehung zum Tier erleben sie Nähe und Geborgenheit und lernen Kontakt und Sozialverhalten. Melken und Käseherstellung, Schafe scheren, Spinnen und Weben, Tierpflege und Tiermedizin, Reiten, Voltigieren, Fahren, Wanderreiten, Reiterspiele, Therapeutisches Reiten, Hufbeschlag sind weitere Aktivitäten. Ökologie, Landwirtschaft und Gartenbau sind weitere Bereiche (Naturschutz, Solarenergie, Windkraft, Pflanzenkläranlage, Bioarchitektur, Grasdach, Heu und Stroh, Gemüse und Kräuter etc.).

Jugendfarmen sind meist kombiniert mit einem Bauspielplatz und vereinen die Tierhaltung mit den Spiel-Elementen Feuer, Erde, Wasser und Luft.

Berühmt sind die Jugendfarmen in Stuttgart (Elsental, Freiberg/Rot,[10] Möhringen, Ludwigsburg, Möglingen etc.) oder der Kinderbauernhof an der Adalbertstraße in Berlin-Kreuzberg. Jugendfarmen arbeiten meist nach einem Konzept aus der Abenteuerpädagogik. Die Idee der Kinder- und Jugendfarmen stammt aus Skandinavien. In Deutschland verbreiten sie sich seit 1980 immer mehr.

Kinderbauernhof

Kinderbauernhöfe haben oft einen eher bildenden Charakter. Gruppen und Schulklassen erfahren praktisches Wissen über Landwirtschaft, Viehzucht, Acker-, Gemüse- und Obstbau sowie Waldwirtschaft.

In jüngster Zeit haben sich unter der Bezeichnung „Stadtteilbauernhof“ auch generationsübergreifende Konzepte entwickelt.

Robinsonspielplatz

Robinsonspielplätze sind das Schweizer Pendant zum Abenteuerspielplatz. Oft sind sie dort mit einer „Freizeitanlage“ verbunden, einem Stadtteilzentrum für Jung und Alt mit Bücherei, Café, Werkstätten, Kultur, Saal, Seniorentreff, Jugendclub etc.

Zahlen

Die Schwerpunkte der Abenteuerspielplatz-Bewegung liegen in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Berlin.[11] Hier eine Übersicht der Anzahl der Plätze in den Bundesländern:

Abenteuerspielplätze 1983
Bundesland Anzahl
Baden-Württemberg 35
Bayern 10
Berlin 35
Bremen 5
Hamburg 26
Hessen 10
Niedersachsen 19
Nordrhein-Westfalen 64
Rheinland-Pfalz 6
Saarland 3
Schleswig-Holstein 3
Gesamt 216

Siehe auch

Literatur

  • G. Beltzig: Kinderspielplätze mit hohem Spielwert, Augsburg 1987
  • Rainer Deimel: Abenteuerspielplätze. In: Ulrich Deinet, Benedikt Sturzenhecker: Handbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit. 3., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2005, ISBN 3-8100-4077-0.
  • U. Höfele: Der Dunkelraum als Abenteuerspielplatz der Sinne, Dortmund 1995
  • Johann R. Krauss: Der Abenteuerspielplatz: Planung, Gründung und pädagogische Arbeit. Reinhardt, München 2003, ISBN 3-497-01652-7.
  • Hans-Jörg Lange (Hrsg.): Ökologische Spiel(t)räume-Ein Fachbuch zur Spielraumplanung und Spielraumgestaltung. Bund der Jugendfarmen und Aktivspielplätze, Stuttgart 1997, ISBN 3-00-001904-9.
  • Hans-Jörg Lange, Jens Lehmann: Abenteuer erleben – Jugendfarmen und Aktivspielplätze als erlebnisorientierte Lernorte und soziale Erfahrungsräume. Edition Erlebnispädagogik, Lüneburg 2007, ISBN 978-3-89569-075-4.
  • Andrea Roos: Ein Platz für alle: Integration behinderter Kinder und Jugendlicher in den Jugendfarm Alltag. Am Beispiel der Jugendfarm Esslingen und der Lebenshilfe Esslingen. VDM Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2013, ISBN 978-3-639-06490-2.
  • Nadine Stumpf: Abenteuer im Schulsport. Was Kinder sich wünschen und wie man diese Wünsche realisieren kann. Wiss. Examensarbeit GHS. Karlsruhe 2001
  • Judith Völler: Abenteuer, Wagnis und Risiko im Sport der Grundschule. Erlebnispädagogische Aspekte. Wissenschaftliche Examensarbeit GHS. Karlsruhe 1997
  • M. Walther-Roche, A. Stock: Erlebnislandschaften in der Turnhalle. Hofmann, Schorndorf 2001
  • Siegbert A. Warwitz, Anita Rudolf: Spiellandschaften gestalten. In: Dieselben: Vom Sinn des Spielens. Reflexionen und Spielideen. 4. Auflage, Schneider, Baltmannsweiler 2016, ISBN 978-3-8340-1664-5. S. 197–209.
  • Siegbert A. Warwitz, Anita Rudolf: Vom Sinn des Spielens. Reflexionen und Spielideen. 4. Auflage, Schneider, Baltmannsweiler 2016, ISBN 978-3-8340-1664-5.
  • Siegbert A. Warwitz: Lohnt sich Wagnis – Oder lassen wir uns lieber be-abenteuern? In: OutdoorWelten, 1, 2014, S. 68 ff., ISSN 2193-2921
  • Katrin Wiedemann: Tierisch Pädagogisch. Bund der Jugendfarmen und Aktivspielplätze, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-9810096-3-7.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Siegbert A. Warwitz, Anita Rudolf: Spiellandschaften gestalten. In: Dieselben: Vom Sinn des Spielens. Reflexionen und Spielideen. 4. Auflage. Schneider, Baltmannsweiler 2016, S. 197–209
  2. M. Walther-Roche, A. Stock: Erlebnislandschaften in der Turnhalle. Hofmann, Schorndorf 2001
  3. U. Höfele: Der Dunkelraum als Abenteuerspielplatz der Sinne. Dortmund 1995
  4. Siegbert A. Warwitz, Anita Rudolf: Was Spielen bedeutet und welche Merkmale es kennzeichnen. In: Dieselben: Vom Sinn des Spielens. Reflexionen und Spielideen. 3. Auflage. Schneider, Baltmannsweiler 2014, S. 18–22
  5. Siegbert A. Warwitz, Anita Rudolf: Spiellandschaften gestalten. In: Dieselben: Vom Sinn des Spielens. Reflexionen und Spielideen. 3. Auflage. Schneider, Baltmannsweiler 2014, S. 197–209
  6. Siegbert A. Warwitz: Lohnt sich Wagnis – Oder lassen wir uns lieber be-abenteuern? In: OutdoorWelten, 1, 2014, S. 68 ff.
  7. G. Beltzig: Kinderspielplätze mit hohem Spielwert, Augsburg 1987
  8. Nadine Stumpf: Abenteuer im Schulsport. Was Kinder sich wünschen und wie man diese Wünsche realisieren kann. Wiss. Examensarbeit GHS. Karlsruhe 2001
  9. Werner Thole: Kinder- und Jugendarbeit. Eine Einführung. Juventa Verlag, Weinheim / München 2000, S. 121.
  10. Karte
  11. ASP-Projekt der Uni Bielefeld, 1982