Benno Walldorf

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 2. September 2016 um 12:38 Uhr durch Hans Haase (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Benno Walldorf (* 26. April 1928 in Gießen; † 9. Juni 1985 in Bad Homburg vor der Höhe) war ein deutscher Maler und Grafiker, der auch als Jazzmusiker und Fotograf tätig war.

Weitgehend autodidaktisch ausgebildet, gelangte er in den 1960er-Jahren zu einer eigenständigen farbenfrohen Bildsprache, die Elemente eines magischen Realismus mit Einflüssen von Surrealismus und Pop Art verband, und schuf zahlreiche Wandbilder im öffentlichen und halböffentlichen Raum.

Werdegang

Walldorf stammt aus einer bekannten Schaustellerfamilie. Die frühen Eindrücke aus dem Schausteller- und Zirkus-Milieu sollten später seine Formensprache und Motivik stark prägen.

Er erhielt eine kaufmännische Ausbildung, interessierte sich aber schon früh, angeregt durch den mit Antiquitäten handelnden Großvater, für Kunst und begann zu malen. Sporadischen Unterricht erhielt er in Marburg, hatte aber im eigentlichen Sinn keine künstlerische Ausbildung. 1956 zog er nach Frankfurt um. In den 1960er-Jahren fand er zunehmend Anerkennung als Maler und konnte schließlich ganz von der Malerei leben. In den 1970er Jahren, der Ära der „Kunst am Bau“, erhielt er zahlreiche Aufträge für Wandgemälde; das erste schuf er für das Gewerkschaftshaus der I.G. Chemie, Papier, Keramik in Hannover.

In dem letzten Jahr seines Lebens arbeitete er im Kulturamt der Stadt Hattersheim, wo er mit der Organisation von Kulturveranstaltungen aller Art betraut war. Teile seines Nachlasses befinden sich im Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main und im Lippmann + Rau-Musikarchiv in Eisenach.

Motivik

Im Laufe der 1960er Jahre entwickelt Walldorf ein originelles eigenständiges Bildvokabular, das sich in immer neuen Variationen durch zahlreiche Ölgemälde der Zeit zieht. Stühle, Schachbrettmuster, Würfel sind hier vor allem zu nennen.

Sehr gelegentlich entstanden auch Porträts, so von seiner Frau und von der Galeristin Hanna Bekker vom Rath.

Eine großformatige Paraphrase auf Tischbeins bekanntes Goethe-Gemälde im Frankfurter Städel, mit diversen Ingredienzien eines „typischen Walldorf“ entstand 1967 für die Ausstellung „Goethe heute“ und befindet sich heute im Besitz der SEB AG, Frankfurt am Main.

Grafiker

Besondere Aufmerksamkeit widmete Walldorf, von gelegentlichen Ausflügen in andere Techniken abgesehen, dem Siebdruck, dessen intensive direkte Farbigkeit ihm besonders entsprochen hat. Unter den zahlreichen Werke ragt die Mappe „Zirkus“ hervor, deren Blätter nach bekannten Jazzstücken benannt sind.

Eine Episode blieben Collagen im Stile eines Max Ernst, bei denen er sich eines Reprints des Kaufhauskataloges bediente, den auch Ernst für seine bekannten Collageromane benutzt hatte.

Musiker

Walldorf lernte, ebenfalls autodidaktisch, Altsaxophon, spielte nach dem Krieg in Clubs schwarzer GIs seiner Heimatstadt und wechselte später zum Sopransaxophon. In den 1950er Jahren wurde er Teil der lebendigen Frankfurter Jazzszene. Er spielte zunächst bei den Burgundy Street Paraders um Roland Schneider, aus deren Musikerpool er eine eigene Band formte, die als band in the band bestand.[1] Beim Deutschen Amateur-Jazz-Festival in Düsseldorf 1957 wurde er zum besten Sopransaxophonisten gekürt. Seine »Benno Walldorf Blues Combo«, die auch unter dem Namen »Benno Walldorf Jazz Combo« in verschiedenen Besetzungen bis zum Ende seiner musikalischen Laufbahn fortbestand, gründete er im Jahr darauf. Die Gruppe spielte zunächst in ungewöhnlicher Besetzung: Walldorf am Sopransaxophon bildete mit dem Klarinettisten Dietrich Geldern die front line, die zunächst von einer Rhythmusgruppe aus zwei Gitarren und Kontrabass begleitet wurde. 1958 erntete die Band auf dem Deutschen Jazzfestival (für diesen Anlass verstärkt um Peter Trunk am Bass und Albert Mangelsdorff an der Gitarre) „regelrechte Beifallsstürme“. Ein bekanntes Foto zeigt die Musiker auf dem Rollfeld des Frankfurter Flughafens, wo sie zur Begrüßung der Musiker des American Folk and Blues Festival spielen.[2] Walldorf, der die Musik stets als Amateur ausübte, blieb zeitlebens älteren Idiomen des Jazz verhaftet, die er auf hohem Niveau mit eindrucksvoller Tongebung beherrschte. Einflüsse von Sidney Bechet und seinem Idol und späteren Freund Benny Waters sind unüberhörbar. 1984 musste er das Spielen aus gesundheitlichen Gründen aufgeben und verabschiedete sich mit der LP „Farewell Sweet Saxophon“ aus der Musikszene.

Photograph

In den 1950er-Jahren erstand Walldorf eine Rolleicord und brachte sich, wiederum autodidaktisch, das Fotografieren bei. Neben Stadtaufnahmen, Straßenszenen und Menschenaufnahmen für Presse und gelegentlich Buchverlage sind es vor allem seine Musikerporträts, die seinen Rang als Fotograf begründen. Als Musiker auf Augenhöhe und in direktem Kontakt mit berühmten Kollegen aus USA verkehrend, gelingen ihm vor allem Backstage eindrucksvolle Porträts in Frankfurt gastierender Jazzgrößen (Stan Getz, Louis Armstrong u.v.a.m.)

Galerie Elefant

Walldorf, der zeitlebens eine Geschäftstüchtigkeit an den Tag legte und Ende der 1950er Jahre bereits in Frankfurt in der Alten Gasse ein Jazzschallplattengeschäft mit angeschlossener Galerie betrieben hatte, gründete 1971 mit seiner Ehefrau Helga Walldorf im Souterrain seines Hauses in Bad Homburg die Galerie Elefant. Eingeladene Künstler waren aufgefordert, eine Grafik mit Elefanten-Motiv anzufertigen, die an Freunde und Kunden des Hauses auch im Abonnement verkauft wurde. Es entstand eine eindrucksvolle Serie, aus der die Arbeit von Conrad Felixmüller herausragt.

Wandgemälde

  • Gewerkschaftshaus der I.G. Chemie, Papier, Keramik in Hannover (Wandgemälde im Foyer)
  • Stadtbad West, Gießen
  • Universität Konstanz, Philosophische Fakultät, Universitätsbibliothek
  • Deutsche Bank, Filiale Bad Homburg
  • Humboldt-Schule Bad Homburg
  • Technisches Rathaus Frankfurt, Öffentlicher Durchgang (durch den bevorstehenden Abbruch des Gebäudes gefährdet)
  • Friedrich-Ebert Schule Wiesbaden

Ausstellungen und Auszeichnungen

  • Kongresshalle Gießen
  • Förderpreis des Landes Hessen (gemeinsam mit Thomas Bayrle) 1967
  • Goethe heute, Karmeliterkloster Frankfurt 1967
  • Galerie Remmele, Gießen 1969
  • Bonner Kunstverein (Katalog), 1972
  • Spielfreude. Das fotografische Werk des Malers Benno Walldorf, Gotisches Haus, Bad Homburg, 2000/2001
  • The Sound of Frankfurt, Karmeliterkloster (darin Jazzfotos von Walldorf),
  • Benno Walldorf. Magie der Dinge: "MADE IN GERMANY" und Gemälde, Kulturzentrum Englische Kirche, Bad Homburg, 2013

Schallplatten, u.a.

  • Aufnahmen mit Benny Waters, EP, 1962
  • Benno Walldorf Blues Combo, 1976
  • Farewell Sweet Saxophon, mit der Sängerin Jean Shy, 1983
  • Benno Walldorf Jazz & Blues Combo 1957-1984. Happy again - but the Blues?, Doppel-LP 1985

Literatur und Quellen

  • Fritz Usinger: Der Maler Benno Walldorf
  • Esther Walldorf: Faltblatt zur Ausstellung im Museum im Gotischen Haus, Bad Homburg
  • Jürgen Schwab (Hrsg.): The Sound of Frankfurt. Ausstellungskatalog
  • Esther Walldorf: „Happy again - but the Blues?“ Benno Walldorf (1928-1985). In: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. Band 69: Kunst und Künstler in Frankfurt am Main im 19. und 20. Jahrhundert. ISBN 978-3-7829-0545-9.
  • Wolfgang Zöll, Esther Walldorf, Helga Boss-Stenner: jazz o´mania. Geschichten über 80 Jahre Jazz in Bad Homburg und im Vordertaunus. Frankfurt am Main 2010.

Einzelnachweise

  1. Jürgen Schwab Der Frankfurt Sound. Eine Stadt und ihre Jazzgeschichte(n). Frankfurt am Main, Societätsverlag 2005, S. 133
  2. Vgl. Jürgen Schwab Der Frankfurt Sound. Eine Stadt und ihre Jazzgeschichte(n). Frankfurt am Main, Societätsverlag 2005, S. 134 sowie Michael Rauhut, Reinhard Lorenz (Herausgeber) Ich hab den Blues schon etwas länger – Spuren einer Musik in Deutschland, Christoph Links Verlag, Berlin 2008, S. 269

Weblinks