Benutzer:Elkawe/Fürsorge und Fürsorgeerziehung von 1945 - 1991

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Die Fürsorge und Fürsorgeerziehung von 1945 – 1991 beinhaltete viele Rechte und Probleme der ehemaligen Heimkinder. Von 1949 bis mindestens 1975, hatte die damalige Fürsorgeerziehung eine grundlegende Bedeutung für den „Runden Tisch Heimerziehung“ (RTH), der die 1950er und 60er Jahre im Auftrage der Legislative für die damaligen ca. 800.000 Kindern und Jugendlichen aufarbeiten sollte, um eine eventuelle ordentliche Restitution ermöglichen zu können.

Zusätzlich können die Themen: Die Rechte ehemaliger Heimkinder 1949-1975, die Rechte der ostdeutschen ehemaligen Heimkinder und die Zwangsarbeit ehemaliger Heimkinder mitbetrachtet werden.

Einführung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Zweite Weltkrieg war vorbei und die Nation begab sich ab der ‚Stunde Null’ an den Wiederaufbau. Viele Mütter und sehr viele Väter waren umgekommen und es gab sehr viele elternlose Kinder und Jugendliche, die als Waisen und Halb-Waisen irgendwo unterkommen mussten. Ab den 23. Mai 1949 wurde die Bundesrepublik Deutschland ein freiheitlich parlamentarisch demokratischer Rechtsstaat und hatte die verbrieften Grundrechte seiner staatlich schutzbefohlenen Säuglinge, Kinder und Jugendlichen zu garantieren, die ab 1945 bis 1991 in den rund 3200 Kinderheimen und Jugendanstalten leben mussten. Bis in die 1970er Jahre befanden sich ca. 2000 Heime in oder unter der unmittelbaren kirchlichen Trägerschaft der beiden großen Religionsgemeinschaften und/oder deren unterstellten Stiftungen. Eine staatlich verpflichtende Aufsicht auf Ausführung der Erziehung oder den praktizierten Alltag in den Heimen, ob alles mit dem Recht und Gesetz im Einklang war, gab es nicht, wurde allerdings auch vorausgesetzt. Mit der ‚Adenauer Ära’ begann das restriktive deutsche Erziehungswesen, das unreflektiert zum großen Teil noch vom NS-Regime übernommen wurde. Die zum großen teil übernommenen Erzieher hatten die autoritären „Zucht und Ordnung“ Strukturen zur Fürsorgeerziehung fortgeführt.

Die Darstellungen dieses Berichts, begründen sich auf viele Biographien und umfassten das gesamte hier nur kurz skizzierte Geschehen über einen Zeitraum von fast sechzig Jahren, von der Geburt eines Heimkindes nach 1945 bis hin zu den ab dem Jahr 2003 beginnenden Aktivitäten Ehemaliger Heimkinder in Deutschland. Die meisten Lebensberichte ehem. Heimkinder beruhen auf einer großen Ausdauer, Kreativität und Kraft, aber auch mit den vielen Schmerzen und existenziellen Krisen verbundenen Selbstaufklärung. Dabei stellten die hürdenreichen und neuen bitteren Erfahrungen, einen Schwerpunkt mit einer Selbstkonfrontation und der damit verbundene Aktensuche dar. Ausgehend von der „Spurensicherung“ vieler ehem. Heimkinder und der durch sie aktivierten Erinnerung an ihren Lebens-Stationen und Menschen, haben viele von ihnen in den letzten Jahren wichtige Gespräche mit ehemaligen Verantwortlichen in Ämtern und Heimen geführt und sind ihren eigenen Lebensweg nachgegangen. Ihre Lebens-Rekonstruktionen konnten zusammen mit bestimmten Amts-Mündel-Akten, exemplarisch für viele Tausend Heimkinderschicksale in Deutschland dargestellt werden. Sie kamen in Kontakt mit einigen Verantwortlichen in Institutionen und Einrichtungen - auch noch aus der damaligen Zeit bis 1975 -, die von wenig unterstützender Zuwendung bis hin zu brüsker Zurückweisung und brüskierter Abfertigung reichten. Die auf diesem Weg bisher gemachten Erfahrungen, hatte der Autor Gregor Ter Heide in Gesprächsprotokollen, Akten, Klagen, Beschwerden und auswertenden Berichten aufgezeichnet. Die Biografien ehemaliger Heimkinder, konnten auch durch einige Büchern, Filmbeiträge oder andere Veröffentlichungen, mit einem hinzugefügten rechtlichen Hintergrund, zum besseren Verständnis der damaligen Fürsorgeerziehung beitragen. Ab 1945 wurden in West-Deutschland bis in die 1970er Jahre, ca. 800.000 Kinder und Jugendliche, als sog. Fürsorgezöglinge - zum großen teil rechtswidrig -, zur Fürsorgeerziehung in „Obhut“ genommen. In den Berichten der ehemaligen Heimkinder, wurden immer wieder Menschenrechtsverletzungen durch das Erziehungspersonal beinhaltet, wobei das Ausgeliefertsein, die faktische Rechtlosigkeit, die bestehende Schwarze Pädagogik, massive Gewalttätigkeiten, sexuelle Übergriffe, unerlaubte Schläge, unmenschliche Strafen, Arrest, Briefzensur, Demütigungen, Kontaktsperren, religiösen Zwängen und Zwangsarbeiten benannt, in den meisten Kinderheime und Jugendanstalten alltäglich waren. Nach Gesetzen der Weimarer Republik, wurde von 1922 bis 1991, nach fast dem gleichen Inhalt des Reichsjugendwohlfahrtgesetzes (RJWG) und ab 1962 beim Jugendwohlfahrtgesetz (JWG), mit einer staatlichen Aufsichtsverpflichtung gehandelt. Allerdings wurden die Kinder und Jugendlichen bis zu 80 % in die christliche Vereinspflege gegeben, die nicht unter der Aufsicht des Staates gestellt wurden. Die landesrechtlichen nationalen Regelungen bzw. Vorschriften des RJWG - sogar noch Erlasse aus der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus -, wurden zunächst in der Fassung von 1932 und dann bis zur Jugendwohlfahrt (JWG)-Novelle 1961, unverändert weiterbenutzt. Eine Reform der Bundesstaatlichen Heimaufsicht scheiterte in den 1950er und 1960er Jahren nicht zuletzt daran, dass die freien und vor allem die kirchlichen Träger dies als Eingriff in ihre Selbständigkeit werteten und daher strikt ablehnt wurde. Der Art. 6 des Grundgesetzes (GG), - der Staat als sog. Wächter -, beinhaltete seit 1849 ein natürliches Elternrecht iher Kinder und Jugendlichen und regelte zudem ab 1962 auch deren Rechte durch die Aufsicht des Landesjugendamtes, die allerdings durch die Staatskirchenverträge nicht ordentlich wahrgenommen werden konnte. Die staatliche Gemeinschaft hatte natürlich kein geborenes Wächteramt, sondern das hatte der Gesetzgeber an die staatliche Organgewalt des Jugendamtes delegiert, was heute im SGB VIII iVm. SBG X normiert ist.

Bis in die 1970er Jahre mussten sehr viele Heimkinder noch rund 5 Jahre in den Kinderheimen verbringen, wobei es in den 1960er Jahre auch noch Voll- oder Halbwaisen gab, die bis zum 16. Lebensjahr im Heim verbringen mussten. Die Jugendlichen, die in die ‚Jugendanstalten’ durch das Amtsgericht oder Vormundschaftsgericht eingewiesen wurden, waren meistens 14 Jahre alt und mussten dort bis zu 2 Jahren verbringen.

Rechtslage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die damalige Fürsorgeerziehung erhielt ab dem 1. April 1924 durch das „Reichjugendwohlfahrtsgesetz“ (RJWG) von 1922, die erste reichseinheitliche gesetzliche Grundlage, deren organisatorischen und rechtlichen Grundzüge, die sie heute immer noch trägt. Das RJWG sollte nur „zum Schutz“ der Jugend sein und hatte im weitesten Sinne den Rang eines Verfassungsauftrages bekommen. Es sollte die familiäre Erziehung „stützen und stabilisieren“ und nur im Falle ihres Scheiterns an deren Stelle treten. Allerdings entstanden unklare Zuständigkeitskataloge und anstatt klar definierter Maßnahmen und Leistungen; kam ein unübersichtliches Durcheinander von Organisationsnormen, Zuständigkeitsregelungen und Leistungsverpflichtungen zustande. Das hatte dazu geführt, dass letztlich „Kontrolle und Aufsicht“ im Gesetz, über die erzieherische Leistung, Betreuung und Beratung des Kindes dominierten und dem Gesetz den Charakter eines „Eingriffsgesetzes“ vermittelten, obwohl ihm doch das Recht des Kindes „auf Erziehung zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit“ in § 1 als Leitformel vorangestellt war. Vor allem aber war das RJWG ein „Organisationsgesetz“.

Das RJWG schuf erstmals eine einheitliche kommunale Erziehungsbehörde, um die Zuständigkeiten für den Schutz von Pflegekindern, der Amtsvormundschaft, der Fürsorgeerziehung und der Schutzaufsicht, als Form der öffentlicher Zwangserziehung und der Jugendgerichtshilfe zu bewerkstelligen. Für die Kernbereiche konzentrierte sich bis dahin, eine organisatorisch zersplitterter öffentlicher Jugendhilfe, die außerdem noch für die Jugendpflege und die Fürsorge von Säuglingen und Kleinkinder zuständig war.

Das Recht der öffentlichen Erziehung hatte sich ab 1924 mit dem RJWG zuerst seine Bürokratie in der Verwaltung der Kinder und Jugendlichen geschaffen und war somit – wie wir heute wissen – in keiner Weise seinen Verfassungsauftrag bei der „Aufsicht und Betreuung“ ihrer staatlich Schutzbefohlenen Mündeln ordentlich nachgekommen. Ein Eingriff in das väterliche Sorgerecht, war gegen dessen Willen nach § 1 Satz 3 des RJWG eigentlich nur dann zulässig, wenn ein Gesetz es erlaubte.

Das hierfür zutreffende Gesetz war der damalige § 1666 BGB, der den Eingriff legitimierte, wenn das geistige oder leibliche Wohl des Kindes dadurch gefährdet war, dass der Vater das Recht der Sorge für die Person des Kindes missbrauchte, das Kind vernachlässigte oder sich des unsittlichen Verhaltens schuldig machte, so das Vormundschaftsgericht zur Abwendung der Gefahr die erforderlichen Maßregeln zu treffen hatte. Der Staat verpflichtete sich damit, die Gefahren für das geistige oder leibliche Wohl der Kinder abzuwenden.

Die Bundesrepublik Deutschland war ab dem 8. Mai 1945 am Ende des Krieges (Stunde Null) bei allen staatlich schutzbefohlenen Mündeln bzw. ehemaligen Heimkindern für die an ihnen begangenen Menschenrechtsverletzungen voll haftbar. Die zuletzt übrig gebliebene geschäftsführende Regierung Dönitz vom sog. „Dritten Reich“ - des offiziellen „Deutschen Reichs“ -, war auf Grund des Völkerrechts-Beschluss ab 1945 abgesetzt und aufgehoben worden. Der Staat hatte nicht durch die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht aufgegeben, sondern nur die Deutsche Wehrmacht bzw. das Militär. Das Deutsche Reich hatte sich 1949, nur mit einer neuen Verfassung, auch einen neuen Namen gegeben, so dass dieser West-Deutsche Staat, offiziell ein parlamentarisch-demokratischer Rechtsstaat werden konnte. Die erste Zeit hatte vorübergehend bis 1949 der Alliierte Kontrollrat, den westdeutschen Staat, stellvertretend im Auftrage Deutschlands mit Kontrollratsgesetzen verwaltet. Im Potsdamer Abkommen hatte ab August 1945 der Alliierte Kontrollrat dafür sorge zu tragen, dass u.a. auch das Erziehungswesen und die politischen demokratischen Grundsätze wörtlich durchzusetzen sind:

„Das Erziehungswesen in Deutschland sollte so überwacht werden, dass eine erfolgreiche Entwicklung der demokratischen Ideen möglich gemacht werde“.

Dazu gab die Kontrollrat-Proklamation Nr. 1 – betreffend der Aufhebung vom NS-Recht – sowie Nr. 3 zu Grundsätzen für die Umgestaltung der Rechtspflege vom Kontrollratsgesetz, die eine eindeutige rechtliche juristische Auskunft ermöglicht, um die Obliegenschaften der zuständigen Jugendämter zu regeln.

Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 23. 05. 1949 trat das Grundgesetz (GG) in Kraft und mit dem Artikel 20 Abs. 1 GG wurde der Sozialstaatsgrundsatz festgeschrieben, aus dem die sozialen Grundrechte abgeleiten werden konnten. Die nach dem Krieg abgeschafften Arbeitshäuser und Besserungsanstalten wurden allerdings wieder eingeführt, obwohl durch die veränderten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse, eine Reform des Fürsorgerechts unbedingt notwendig wurde. Die unselige „Tradition“ der Fürsorgeerziehung als „Zwangserziehung“, stand der NS-Jugendfürsorge in Nichts nach, sondern hatte ab 1949 noch eine Zuspitzung erfahren. Durch die Erfahrung aus der NS-Zeit wurde allerdings die verfassungsrechtliche Stellung des „natürlichen“ Elternrechts im Artikel 6 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland bedeutend verstärkt und in den Grundrechte-Katalog aufgenommen. Der Artikel 6 Absatz 1 GG stellt die Ehe und Familie insgesamt unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Die Absätze 2 und 3 bestimmen die elterlichen Freiräume bei ihrer Betätigung und bei ihren Entscheidungen im Verhältnis zum staatlichen Handeln. Der Art.6 GG garantiert den Eltern den Vorrang und damit die Eigenständigkeit und Selbstverantwortlichkeit bei der Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Gleichzeitig wurde die staatliche Gemeinschaft zum Wächter darüber eingesetzt, welcher sich aber nur im Rahmen von Gesetzen bewegen darf, die sich an der Förderung und Entwicklung der Kinder orientieren. Die weltanschaulich-ideologische Barrieren und ein fehlender politischer Wille verhinderten bis in die 1970er Jahre, eine flächendeckende Umsetzung von Alternativen. Ein damals sehr konservativ gesellschaftliches Kartell aus Kirchen, Jugendamt, Gerichten, Lehrer, Nachbarn und Eltern, legten fest, was gut und / oder böse war oder verwahrloste. Wenn ein Kind oder Jugendlicher die Gesellschaft störte, war eine Heimerziehung eine fast unausweichliche Konsequenz. Soziale Problemfälle wurden damit allerdings nicht gelöst, sondern durch Heimeinweisung dort erst richtig produziert. Es wurde mehr oder weniger nur nach dem Motto: „Aus den Augen - aus dem Sinn“ gehandelt. Die ersten Reformbestrebungen, bleiben trotz einer Leitsatz- Beurteilung zum Fürsorgerecht am 24. 06. 1954 vom BVerwG , bis in die 1970er Jahre ohne Einfluss. Wörtlich:

„Soweit das Gesetz dem Träger der Fürsorge zugunsten des Bedürftigen Pflichten auferlegt wird, hat der Bedürftige entsprechende Rechte“.

Sehr problematisch war dabei, dass die am 01. 01. 1925 in Kraft getretenen „Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge“ (RGr) und der „Verordnung über die Fürsorgepflicht“ (RFV), bis zur Einführung des BSHG zum 01. 06.1962 bestehen blieben. Ab da erst besaß die BRD ein umfassendes Netz der sozialen Sicherung, wobei der Sinn und die Aufgabe darin bestand, dem einzelnen Menschen in jeder Situation ein „menschenwürdiges Leben“ zu ermöglichen und sich ein System der sozialen Sicherung, die auf drei Säulen beruht, als soziale Vorsorge (Sozialversicherung), soziale Entschädigung (Versorgung) und des sozialen Ausgleich (Fürsorge) entwickelt konnte. Am 16. 04. 1956 erfolgte eine Neuordnung der Arbeitslosenfürsorge und der Begriff Arbeitslosenhilfe wurde eingeführt, um eine deutliche Trennung zur öffentlichen Fürsorge zu schaffen, so dass am 13. 05. 1969 die Arbeitslosenversicherung (AVAVG) inkl. der Arbeitsvermittlung, die ab dem 01. 07. 1969 vom Arbeitsförderungsgesetz (AFG) abgelöst und am 24. 03. 1997 in das SGB im „Buch III“ integriert wurde.
vgl. BVerwGE 1, 159 / BVerwG V C 78.54 vom 24. 06. 1954 - Leitsatz
vgl. BVerwGE 25, 307 / BVerwG V C 29/66 vom 30. 11. 1966 - Leitsatz Nr. 1.2

Bis zur JWG-Novelle 1961 wurde in der Weimarer Republik beschlossenen RJWG, die Kinder in freie und kirchlich unterstellte Vereinspflege, nicht unter Aufsicht des Landesjugendamtes gestellt, wobei die landesrechtlichen Regelungen bzw. Vorschriften des RJWG und sogar Erlasse aus der Weimarer Republik, sowie aus dem Nationalsozialismus, zunächst in der Fassung von 1932 unverändert weiterbestanden. Eine Reform der „Heimaufsicht“ scheiterte in den 50er Jahren nicht zuletzt daran, dass die freien und kirchlichen Träger dies als Eingriff in ihre Selbständigkeit werteten und daher ablehnten. Somit hatte der Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland beweisbar seine eigenen Ansprüche gegenüber den staatlichen Schutzbefohlenden Mündeln bzw. den ehemaligen Heimkindern nicht eingelöst. Das Heimsystem der Nachkriegszeit ließe sich somit auch als eine Art „Perpetuum mobile“ beschreiben, an dessen Anfang das Säuglingsheim stand. Die Eintrittskarten zur Fürsorgeerziehung wurden bereits in den Säuglingsheimen verteilt. Kinder und Jugendliche waren auch schon 1949 direkte Grundrechtsträger und bedurften gegenüber Erwachsenen noch einen besonderen Schutz des Staates.

Wenn Familien „versagten“ oder den sog. Normen nicht entsprachen, wurden die Jugendlichen buchstäblich „aus dem Verkehr gezogen“ und ins Abseits, oft hinter Mauern und Zäunen mit verschlossenen Türen „weggeschlossen“. Dennoch war das Bewusstsein von der Existenz der Jugendlichen in den Jugendanstalten - was natürlich keine Gefängnisse waren - bekannt, allerdings diente ihre unentgeltliche Arbeitskraft auch der Aufrechterhaltung des politischen und des Ökonomischen Gesellschaftssystems. Erst ab den 70er Jahren, gab es einen vielfältigen Paradigmenwechsel mit der Einführung des neuen Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG) 1990, sowie unzählige Anstrengungen und Erfolge im Bestreben der freien, wie der öffentlichen (örtlichen wie überörtlichen) Jugendhilfe durch das Sozialgesetzbuch (SGB VIII) von 1991 bestmöglich zu erfüllen.

Ab 1952 bis zum Jahr 2009 musste die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) für die (ehemaligen) Kinder und Jugendlichen in der Fürsorgeerziehung als vorrangig benutzbar und besonders wichtig angesehen werden, die am 5. Dez. 1952 von der BRD ratifiziert wurde. Ab diesem Zeitpunkt im Jahr 1952, mussten die einfachsten „Rechte“ und die „Würde“ der westdeutschen Heimkinder strikt eingehalten werden, denn wer dagegen verstieß machte sich strafbar und wäre somit zum Schadensersatz verpflichtet. Wenn staatlich beauftragtes Handeln, die Hoheitlichen Aufgaben und Tätigkeiten der Exekutive oder Legislative in der BRD beinhaltete, war die Verpflichtung zur Achtung der Menschenrechte und der im Art. 1 EMRK Abschnitt I genannten Rechte gleich welcher Art, standen der in ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen - z.B. Heim- und Pflegekinder -, bestimmte Rechte und Freiheiten unabdingbar zu. Wenn diese Rechte und Freiheiten durch einen rechtsfreien Raum missachtet wurden, indem ihnen der Schutz der EMRK nicht gewährt wurde, musste eindeutig eine Staatshaftung erfolgen, wenn es sich um staatlich schutzbefohlende Mündel handelte. Eine andere Interpretation der Verletzung der Konvention der Vereinten Nationen (VN/UNO) würde im Widerspruch zu den Menschenrechten und auch zu Art.1 Abs. 2 GG stehen.
vgl. BVerfGE 28, 326 / BVerfG 2 BvR 2365/09 v. 04. 05. 2011 - Leitsätze

Bis zum Jahr 1962 wurde nur nach dem RJWG von 1922 gehandelt, um Kinder und Jugendliche in die „Vereinspflege“ der privaten und kirchlich unterstellten Jugendwohlfahrtsverbände zu geben und waren damit „nicht“ der Aufsicht des Landesjugendamtes, sondern der des Bundes unterstellt. Wurde eine Entscheidung für eine Anstalts- bzw. Heimeinweisung einmal getroffen, musste sie so gut wie nie mehr überprüft werden. Die einzelfallbezogenen und auch die einrichtungsbezogenen Rechtsbrüche und Missstände wurden bis in die 1970er Jahre nicht erkannt und nicht behoben. Die damaligen Erziehungspraktiken standen mit den Grund- und Menschenrechten eines demokratischen und sozialen Rechtsstaates im krassem Widerspruch. Die Zustände in der Heimerziehung waren der Fachöffentlichkeit und den zuständigen Verantwortlichen der Kinder- und Jugendpolitik zu jedem Zeitpunkt der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte bekannt. Natürlich gab es zu jedem Zeitpunkt einzelne Einrichtungen und Modellprojekte, indem ‚Würde’ und ‚Rechte’ von Kindern bzw. Jugendlichen geachtet und ihre individuelle Entwicklungen gefördert wurden.

In den 1950er und 1960er Jahren gab es die offene gezeigte Armut und die dadurch entstandenen Probleme in vielen Familien, bewirkte in der Politik - vor allem gegenüber den Jugendlichen -, eine kriminalisierte repressive Sozialpolitik, die mit verschiedenen rechtlichen Mitteln behoben werden sollte. Leichte oder ungenaue Straftatbestände wurden vielfältig zur „sozialpolitischer“ Zielsetzung eingesetzt und richteten sich neben der „Bettelei“ auch noch gegen die „Arbeitsbummelei“ und unter bestimmten Umständen auch gegen „Arbeitslose“, die gem. § 361 Nr. 7 StGB wegen der angewiesenen, [angeblich] angemessenen Arbeit eine „Arbeitsverweigerung“ begingen, wenn sie aus öffentlichen Mitteln von der Behörde eine Unterstützung empfingen und deswegen „Arbeitsscheu“ bestraft werden konnten. Das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) von 1961 ermächtigte die Behörden dazu, die Sozialhilfe Empfänger zwangsweise in ein „Arbeitshaus“ einzuweisen, wenn sie „sich mehrfach weigerten“ eine „zumutbare Arbeit“ gem. des BSHG a.F. anzunehmen. Bis 1962 war dies sogar ohne richterlichen Beschluss möglich. Bedürftige konnten zudem bis dahin in eine sog. „Besserungsanstalt“ eingewiesen werden, wenn sie aus Mangel an innerer Festigkeit gefährdet waren, da sie kein geordnetes Leben gem. § 72 BSHG führen konnten.

Neben einigen inhaltlichen Änderungen wurde vorher nur unter Streichung des „R“ für Reich das RJWG zum JWG 1962 umbenannt, wobei viele Strukturen und Mechanismen die im alten RJWG vorhanden blieben. Ab derzeit war das Landesjugendamt direkt aufgrund der Fürsorgeerziehung für die Aufsicht in den Jugendanstalten zuständig und konnte Wohlfahrts-Vereinigungen und kirchlich unterstelle Heime sowie Anstalten für staatliches Handeln, die Selbst-Aufsicht an den Säuglingen, Kindern und Jugendlichen übertragen. Hier wurden den Jugendanstalten aufgrund der demokratisch angeordneten Bestimmung - im Grundverhältnis dem Staat gegenüber -, die eingewiesenen staatlich schutzbefohlenen Zöglinge zugesprochen unterstellt, das ein besonderes Sonderrechtsverhältnis in Form vom sog. „besonderen Gewaltverhältnis“ nach dem deutschen Verwaltungsrecht bis Anfang 1974 bei der Arbeitserziehung aufgrund des JGG bedeutete und natürlich zur Arbeitsleistung ausgenutzt wurde. Eine Reform der Heimaufsicht scheiterte in den 50er Jahren nicht zuletzt daran, dass die freien bzw. und kirchlichen Träger dies als Eingriff in ihre Selbständigkeit werteten und daher ablehnten.

Die Gruppe der Heimkinder wurden durch die Nichtanwendungen der rechtsstaatlich garantierten Sicherungen, zu Ausgelieferten der Heimträger, da die Staatskirchenverträge die eigenen kirchlichen Institutionen - vor allem wirtschaftlich - sicherten. Die damalige Fürsorgeerziehung war ein grundgesetzwidriges, mangelhaftes und undemokratisches System in Deutschland, somit ein systematischen Unrecht an schutzlosen Kindern. Schon am 29. Juli 1959 hatte das BVerfG darauf hingewiesen, dass die allgemeinen naturrechtlichen Vorstellungen bei der Norminterpretation keine Rolle spielen dürfen, denn gem. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG, ist ein allgemeines „Sittengesetz“ oder die herrschende „Moralauffassung“, bei der Erziehung nicht zulässig. Die „herrschende Meinung“ der Verantwortlichen in der Kinder- und Jugendhilfe hatte allerdings als Erziehungsziel „Anpassung und Gehorsam“ propagiert, das durch das SGB VIII ab 1991 erstmals ausgeschossen wurde. Noch bis 1980er Jahre führte ein „ehrloses und unsittliches Verhalten“ eines Elternteils auch zum Entzug des Sorgerechts aufgrund § 1666 BGB und das Kind oder der Jugendliche wurde in die Führsorgerziehung auf Beschluss des Vormundschaftsgerichts oder des Amtsgerichts eingewiesen. Auch der Begriff der „Verwahrlosung“ blieb bis heute als unbestimmter Rechtsbegriff im Art. 6 Abs. 3 GG bestehen, und wurde evtl. zum wesentlichen Grund die Kinder und Jugendlichen als sog. „Störer“ oder „Gestörte“ von ihren Familien zu trennen, denn es war fast immer die Voraussetzung von einer richterlichen Anordnung oder eines Beschlusses zur „Fürsorgeerziehung“. Wörtlich steht immer noch im Art. 6. Abs. 3 GG:

Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen“.
vgl. BVerfGE 10, 59 / BVerfG, 1 BvR 205/58 vom 29. 07. 1959, Rn. 28, 30, 87 ff

Das ab 1. Juli 1962 geltende Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) wurde erst ab dem 1. Januar 1991 im SGB VIII vollkommen geändert. Zusammen mit dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) vom 03. 10. 1990, wurden über das Achte Sozialgesetzbuch die politische und fachliche Kritik an der Kontroll- und Eingriffsorientierung des Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) aufgenommen. Somit konnte ein Angebots- und Leistungsgesetz für Kinder, Jugendliche und ihrer Eltern geschaffen werden, das auf Unterstützung und Hilfsangebote setzt. Das Inkrafttreten des SGB VIII wird daher auch als Paradigmenwechsel in der Kinder- und Jugendhilfe angesehen. Wörtlich:

„Ein fürsorglich-kontrollierender Stil im Umgang mit Schutzbefohlenen sollte durch die Entwicklung einer autonomieorientierten Kinder- und Jugendhilfe abgelöst werden“.

In der Politik, sollte die „bürgerliche“ Gesellschaft von tradierten Autoritäten und Grundwerten, Erziehungsprinzipien und Moralvorstellungen „befreit“ werden. Die Entscheidungsprozesse sollten „transparent“ gemacht, das Establishment auf allen Ebenen durch eine „aufgeklärte“ Gegenelite und eine herrschaftsfreie „Gegenkultur“ ersetzt werden. Schon seit Mitte der 60er Jahre gab es hier und da auch Rundfunkbeiträge und Zeitungsartikel zum Thema Heimerziehung. In diesen Beiträgen wurde darstellt, das die Lebensbedingungen und darin enthaltene (mangelnde) Sozialisationschancen der Kinder und Jugendlichen skandalisierten. Kinder und Jugendliche, die in Heimen leben mussten, wurden durch die Gesellschaft zum Außenseiter abgestempelt oder wurden dazu gemacht. Dabei wurde insbesondere das im System der Fürsorgeerziehung enthaltene Prinzip der Ausgrenzung, Disziplinierung und Unterdrückung angeprangert. Grundlage für den Zeitgeist der 60er Jahre und dem damit verbundenen gesellschaftlichen Wertewandel war, der auch vor der Kinder- und Jugendhilfe nicht halt gemacht hatte. In einer öffentlichen Diskussion wurden die Zustände im Heim angeprangert, da durch die Reschresche der Medien, u.a. eine „gefängnisähnliche Isolation und Einsperrung, miese Berufsausbildung, autoritäre Erziehungsmethoden, Entzug von Grundrechten, psychische Zerstörung der Zöglinge als Heim-Insassen aufgedeckt werden konnte. Festgestellt wurde u.a. fast überall, dass es keine freie Berufswahl gab, keine Abschaffung der Prügelstrafe, keine Entlassung von gewalttätigen Erziehern, keine Wahrung des Briefgeheimnisses, kein freier Ausgang zu gleichaltrigen Jugendlichen. Mit der Makroebene der gesellschaftspolitischen Entwicklungen wurde der Boden geschaffen, auf dem die Heimkampagne mit den anschließenden Reformen stattfinden konnte. Erst mit eine medienwirksamen, kritischen Betrachtung des bis weit in die 60er Jahre hinein reichenden, konservativen Zeitgeistes und den Forderungen nach Modernisierung und Demokratisierung in Wirtschaft, Arbeitsleben, Sozialpolitik und im Bildungsbereich, ermöglichte es sehr langsam einige grundlegende Veränderungen, die sich allerdings immer nur sehr mühselig auf die Strukturen der Heimerziehung mit ihren verschiedenen Institutionen ausgewirkt hatten.

Fürsorge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Viele ehemalige Heimkinder mussten ihre sog. Heimkarriere in den Säuglings- und Kleinkinderheimen beginnen. Der benutzte Begriff: „Heimkarriere“, war ein schreckliches und zynisches Wort, weil mit Karriere eigentlich eine individuelle Erfolgsgeschichte gemeint ist. Die gesammelten Erfahrungen ihrer ersten drei bis vier Lebensjahre in den sog. „Heim“, konnte meistens im Gedächtnis nicht gespeichert werden. Der „normale Alltag“ der Kinderfürsorge, die als „Zöglinge“ in eine Heim-Pflegestelle in „Obhut“ zur „Fürsorge“ kamen; oder diejenigen die zur „Fürsorgeerziehung“ in ein Heim oder in eine Anstalt „eingeliefert“ wurden, spielte sich bis in die 1970er Jahre fast überall gleich ab. Außerdem hatten so gut wie alle Heim- oder Fürsorgezöglinge nie ihren „Amtsvormund“ gesprochen oder jemals persönlich gekannt. Für mindestens einem Drittel der damaligen ca. 800.000 sog. „Zöglinge“, konnte das Alltagsleben mit den Gefängnis oder mit einer Psychiatrie verglichen werden. Die Folgen dieser physischen und psychischen Misshandlungen, haben einen immerwährenden Schaden, auch mit einem lebenslangen Stigma „Heimkind“, hinterlassen, denn es fand eine soziale Ausgrenzung in der Gesellschaft statt. Ausgrenzungen waren für die staatlich schutzbefohlenen Mündel von Beginn seiner Heimaufenthalte an der Tagesordnung, da auch ein Spielen oder der Umgang mit Kindern außerhalb der Heime von den Betreuer/Innen nicht gestattet wurde. Das Heimkind galt allgemein als gemeinlästig, gemeinschädlich und gemeingefährlich und wurde von der Gesellschaft verachtet. In Familien drohte man den Kindern sogar mit der Abgabe ins Heim, wenn sie nicht gehorchten. Die Last des Stigmas und die damit verbundene Vorverurteilung der Person wirken nachweislich bis in die Gegenwart.

Eine von der Heim- und Fürsorgeerziehung große bedrohte Gruppe, waren die unehelich geborene Kinder, die besonders in religiös bestimmten Milieus von vornherein als „Kinder der Sünde“ von „gefallenen Mädchen und Frauen“ diskriminiert wurden. Diese Kinder standen als „Amtsmündel“ von Geburt an unter der Aufsicht des Jugendamtes und des Vormundschaftsgerichtes. Dieser Automatismus wurde erst um 1970 durch eine Verbesserung der Rechtsstellung der „unehelichen Mutter“ gemildert. Das Heimkind galt als Bastard, Bankert, Niemandskind und war somit ein Kind einer damals wahrhaft vaterlosen Gesellschaft, denn es war nach geltendem Gesetz mit dem Vater nicht verwandt. Er stand deshalb von Geburt an gemäß § 40 JWG als staatlich schutzbefohlenes Mündel unter der Vormundschaft des Jugendamts, da der intime Umgang der Mutter verweigert wurde, da sie ja ein Zeugnis ihres Tuns gewesen war, indem sie ein u.e. (uneheliches) Kind hervorbrachte, das man als Heckenbankert abqualifizierte. Deshalb misstraute man der Mutter und nach dem Kirchenrecht sind die unehelich geborenen Kinder, heute immer noch ein „Kind der Sünde“ als ‚irregulares ex defectu’ des sog. fleischgewordenen Fehltritts. Das Schicksal der zwangsweise staatlich schutzbefohlenen Mündel, wurden teils bis zu 80% in den von den Kirchen bzw. ihren Orden und Wohlfahrtsverbänden betriebenen Heimen – je nach Bundesland unterschiedlich – untergebracht. Dort waren die Erzieher/innen größtenteils Nonnen, Ordensbrüder, Diakone und Diakonissen, die für die Kindererziehung verantwortlich waren und hatten zum großen Teil keine Fachausbildung. Das war deswegen besonders bedrückend, da sie zusätzlich die anvertrauten hilflosen liebebedürftigen Kleinkinder, auch noch unter der nie endenden Diskriminierung als „Hurenkinder“ und „Kinder der Sünde“ hinstellten. Den jungen ledigen bzw. allein stehenden Müttern wurden die eigenen Kinder, nicht nur vom Jugendamt bzw. durch das Vormundschaftsgericht einfach aufgrund des Gesetzes weggenommen, schlimmer noch war, das die Heime die Kinder von den Müttern strikt fernhielten, da diese ja als „unkeusche Flittchen“ deren sündiges Erbe sie in sich trügen und deswegen von den religiösen Erzieher/innen verteufelt wurden.

Mit der Geburt wurde ein uneheliches geborenes Kind bzw. Säugling, unmittelbar nach dem RJWG bzw. § 40 JWG als staatlich schutzbefohlenes Mündel, der Amtsvormundschaft unterstellt. Somit wurde z.B. der Sohn einer ledigen (unverehelichten) Mutter, dem System Heimerziehung von Geburt an untergeordnet und war der staatlichen Amtsvormundschaft ausgeliefert. Das Kind wurde anschließend nur verwaltet und galt nicht als Träger von Rechten, obwohl ihm das Recht „auf Erziehung zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit“ - Leitformel § 1 RJWG - vorangestellt und garantiert war. Das Kind wurde von seiner Mutter getrennt, damit sie Selber für ihren eigenen Unterhalt arbeiten gehen konnte, und das Kind musste unfreiwillig in staatliche Obhut eines Säuglingsheims ohne richterliche Anordnung gegeben werden, auch ohne jemals eine Rückführung zur Mutter zu ermöglichen. Es war die Willkür der Jugendämter und der Vormundschaftsgerichte, die nicht mit ihrem (unmenschlichen) Handeln gestoppt wurden, da beide Behörden auch selber keine Unabhängige ordentliche Kontrolle vor Ort zugelassen hatten. Die Fürsorgezöglinge wurden in den Kinderheimen regelrecht „entsorgt“ und waren allen Erziehungsberechtigten schutzlos ausgeliefert, wo sie ein besonderes Schattendasein führen mussten. Sie hatten idR. überhaupt keinen Anschluss an ihre Herkunftsfamilie, wussten oft nichts über ihre Herkunft, konnten sich auf Grund ihrer kompletten Heimsozialisation nicht gegen die Willkür des Heimpersonals auflehnen oder noch viel weniger wehren, als die normal aufgewachsenen anderen Kinder in den echten Familien. Vielfach wurden schon die Kleinstkinder als nicht familienfähig abgestempelt. Sie wurden zu Ausgelieferten, wurden Opfer regelmäßiger Demütigungen, Misshandlungen und das Einsperren in dunklen Räumen, war durch das Heim-Personal der Alltag. Sie wurden in den meisten Fällen entrechtet, entmenschlicht, und wie Kindersklaven gehalten. Als Bettnässer täglich angeschrieen, bedroht, diskriminiert, gedemütigt, geschlagen oder durch Gruppenkeile misshandelt. Täglich der Willkür einiger brutalen Erzieher ausgesetzt, die ohne Erbarmen dem Kind den Gehorsam und die tägliche körperliche schwere Kinder-Arbeiten erzwangen. Funktionierte das Kind nicht, gab es harte Sanktionen bis hin zu sexueller Gewalt und Folter. Vielfach gab es auch seelische und körperliche Gewalt ohne erkennbaren Grund, so dass sich die Angst bis zur Todesangst steigerte. Es gab keine Zuwendung, keinen Halt, keine menschliche Wärme, keinen Ort der Stille, keinen Ort der Privatsphäre und keine Möglichkeit für das Kind etwas wahrzunehmen oder zu erfahren, dass es auch Rechte hatte und diese einfordern könnten. Die Kinder hatten vielfach bis in die 1970er Jahre keinen Beistand, denn es konnten sich keine Kontakte außerhalb des Kinderheims ergeben. Sie gehörten zu einer benachteiligten Minderheit in Deutschland, die systematisch nachhaltig für ihr ganzes Leben geschädigt wurden, da die soziale Herkunft; hier unehelich geboren, dafür ausschlaggebend war. Die Kleidung der Heimkinder und andere materielle Zuwendungen, sowie Bekleidungsgelder und Taschengeld, die u.a. von den Städten den Heimleitern für die Kinder zur Verfügung gestellt wurden, kamen bei vielen Fürsorgezöglingen nicht an. Die Überwiegende Mehrheit der Zöglinge erhielten bereits getragene Kleidung, entweder aus den Kleidersammlungen oder mussten die zu klein gewordene Kleidung von anderen Heimkindern auftragen. Gebrauchte Schuhe, die oft zu groß waren, mussten die kleinen Kinder auch auftragen. Persönlichen Besitz bzw. eigene Kleidung oder eigenes Spielzeug hatten die meisten Kinder bis in die 1960er Jahre nicht. Zum Weihnachtsfest erhielten sie einfache kleine Geschenke, denn „es würde ja sowieso alles kaputt gemacht“. Die Heimkinder waren bis in die 1960er Jahre in relativer Armut groß geworden. Der Schlafsäle waren vielfach von 8 bis zu 25 Betten belegt. Bis Ende der 1950er Jahre hatten die Schlafsäle auch keine Heizung und die Kinder hatten auch keinen eigenen Schrank oder dergleichen zur Verfügung. Regelmäßige ärztliche Untersuchungen fanden oft nicht statt. Die Kinder mussten alle täglichen „Befehle“ und „Ämter“ unter Zwang ausführen, so dass Angst, Schmerz und Todesängste schon bei den kleinen Heimkindern ihre ständigen Wegbegleiter waren.

Das „u.e.-Kind“, wie es im Amts-Jargon bezeichnet wurde, war von der Geburt bis zu seinem einundzwanzigsten (21) Geburtstag – das galt bis 01. 01. 1975 –, ein „Amtsmündel“, die in „Berichten“ über Kinder und Jugendlichen von den Heimen in jährlichen sog. „Entwicklungsberichten“ so bezeichnet wurden. Diese Berichte wurden über die Jahre immer mit gleichbleibenden stereotypisierten Floskeln auf einem vom Jugendamt entworfenen Vordruck, mit ebenso stereotypisierten Fragen, beantwortet. Das Jugendamt und das einweisende Vormundschaftsgericht, das die Führung der Amtsvormundschaft im Hinblick auf das Kindeswohl hätte kontrollieren müssen, haben die „Berichte“ nie hinterfragt. Im späteren Alter wurde z. B. das Kind vom Kinderheim eigenständig mit behördlicher Erlaubnis – nach Jahren hospitalisierender Heimerziehung – (angeblich) wegen „erheblichen Erziehungsschwierigkeiten“ psychiatrisch begutachtet. Eine der Diagnosen: „angeborener Schwachsinn und erethische (reizbare) Umtriebigkeit“, stand z. B. – wenn dem nicht von anderer Stelle widersprochen wurde – von da an immer, Jahr für Jahr in den standardisierten „Entwicklungsberichten“, ohne jemals erneut ge- bzw. überprüft zu werden. Allerdings waren die Auswirkungen der Massenpflege an Säuglingen und Kleinkindern in den überbelegten Schlafsälen, international schon seit den 1930er Jahren und verstärkt in den 1950er Jahre in Westdeutschland, umfassend erforscht. Unter dem Stichwort Hospitalismusschäden, waren diese menschenverachtenden Zustände in diesem Zusammenhang, nicht nur unter Fachleuten bekannt.

In der internationalen Fachliteratur wurden diese depravierenden Langzeitfolgen, der bis in die 1970er Jahre üblich statt findenden Massenpflege in Säuglings- und Kleinkinderheimen, genau beschrieben. Ihre Bedeutung für die Entstehung von Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) wurde durch die Psychotraumatologie belegt. Die Forschungsergebnisse zum Deprivationssyndrom zeigen, dass Heim- bzw. Klinikaufenthalte von Säuglingen schon nach einer Dauer von wenigen Monaten schwere Traumatisierungen mit lebenslangen Folgen bewirkten. Der damalige AGJJ (heute AGJ - Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe) befasste sich 1956 im Fachausschuss „Erziehung im frühen Kindesalter“, mit der Situation von Säuglingen und Kleinkindern in den Heimen. In dem Bericht wurden die Bedingungen der Massenpflege detailliert beschrieben und auch die Auswirkungen dieser Mangelsituation auf die kleinen Kinder, wurden damals klar und eindringlich dargestellt. Wörtlich:

„Kinder aus solchen Heimen bleiben in ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung weit zurück, sodass sie nicht selten wie Schwachsinnige wirken. (...) Nicht nur in der äußeren Entwicklung nimmt es Schaden, es entbehrt entscheidende, die Person des Menschen prägende Erfahrungen. Die Auswirkungen dieser menschlichen Verkümmerung, zum Beispiel Kontaktmangel, Misstrauen, vermindertes Selbstbewusstsein, Abwehrreaktion, reichen tief und weit in das spätere Leben hinein. Wir wissen heute, dass die Gesamthaltung zum Leben von diesen ersten Erfahrungen abhängt“.

In den alten AGJJ-Akten findet sich keine einzige Reaktion der deutschen Heimträger und der dafür zuständigen Ministerien des Bundes der Länder und der Landesjugendämter, die auf diesen erschütternden Bericht hätten reagieren müssen, somit wurden die Forderungen einfach ignoriert. Gleichwohl muss auch bedacht werden, dass es natürlich viele Kinder und Jugendliche gab, die aus Not in Heimerziehung kamen, die tatsächlich gefährdet waren, die Hilfe dringend benötigten und für die der Heimaufenthalt eine – wenn auch sicher nicht immer optimal – Alternative war. Die Gewalt der psychiatrischen Sprache kam einer Verurteilung gleich und wurde jährlich bei den meisten schriftlichen Beurteilungen der Fürsorgezöglinge, an die zuständigen Jugendämter und der Vormundschaftsgerichte bekundet. Sie legitimierten die Heimleiter/in, den Amtsmündel jegliche weitere Bildungs- oder Weiterbildungschance zu verweigern. Der getätigte Ausspruch einiger Erziehungsberechtigten in den Kinderheimen wurde mit: „dbddhkp“ (Doof bleibt doof, da helfen keine Pillen) auch als dementsprechende herabwürdigende menschenverachtende Einstellung gegenüber den anvertrauten schutzbefohlenen Kindern benutzt. Diese Kinder wurden (vielfach beabsichtigt) auf die sog. Puddingschulen oder Hilfsschulen (Schulen für Lernschwache) geschickt und anstatt den Kindern beim lernen zu helfen und ordentlich zu schulisch fördern, wurden sie natürlich in der eigenen Haus- und Landwirtschaft mit körperlichen echte Arbeiten beschäftigt, die in keiner Art und Weise mit irgendwelchen häuslichen Hilfen oder familiären Tätigkeiten zu vergleichen waren. Auch die Gewalterfahrungen der vielen Heimkinder, die für Tausende Ehemalige Heimkinder exemplarisch sind, zeigen das Ineinandergreifen von struktureller und personaler Gewalt, die auch sehr oft als Verbrechen gebrandmarkt werden mussten. Dieses spiegelt sich bei den Gutachten der Erziehungsberechtigten in der sprachlichen Gewalt in den sog. Entwicklungsberichten, der eigenen angefertigten psychologischen und psychiatrischen selbstgeschriebenen „Gutachten“ der Kinderheime und vieler anderer Dokumente wieder, die sich auch in der Akten wiederfinden. Die strukturelle Gewalt konnte auch deswegen stattfinden, weil die staatlichen Institutionen (Jugendämter und Vormundschaftsgerichte) die sog. Fürsorgezöglinge den Kinderheimen auslieferten, denn eine spätere Aufsicht wurde nicht gewährleistet. Die strukturelle Gewalt der totalen Institution „Heim“ hatten die Heimkinder als „ihre“ Zöglinge zur Sache gemacht, entrechtet und entmenschlicht und als Grundlage für das Funktionieren der Institution Heim benutzt. In der dadurch entstandenen absoluten Verfügungsgewalt der Fürsorgeerzieher/innen waren die Kinder denen total unterworfen, deren Gewalthandeln keine Grenzen kannte, weil von außen und innen ihnen keine Grenzen gesetzt wurden. Das ökonomische Funktionieren der Institution Heim stand demnach über dem Gesetz, denn die „Gewalt-Herrschaft“ im Heim, übte solch einen enormen psychischen und physischen Druck auf das Kind aus, dass es menschlich zerbrach und somit zu einem willenlosen, leicht zu führenden Objekt wurde.

Annemarie Dührssen, Kinder- und Jugendpsychiaterin, veröffentlichte 1958 ihre aufsehenerregende empirische Studie Heimkinder und Pflegekinder in ihrer Entwicklung. Die Ergebnisse waren bezogen auf die traumatisierenden Folgen der Massenpflege in den Säuglings- und Kleinkinderheimen sehr genau und weitreichend. Wörtlich:

„Halten wir uns all die schlimmen Dinge vor Augen, dann wird uns deutlich, dass nur ein großzügig angelegtes Doppelprogramm wirklich Abhilfe schaffen kann, bei dem die Vermehrung des Personalbestandes unbedingt mit sorgfältiger fachlicher Ausbildung der notwendigen Hilfskräfte Hand in Hand geht. Dazu müssten umfangreiche wirtschaftliche Mittel zur Verfügung gestellt werden, was aber nicht geschehen wird. […] Womit wir unbedingt aufhören müssen, das ist die Beschwichtigung unseres Verantwortungsgefühls mit der Vorstellung, dass die Schäden, die bei der bisherigen Form entstehen, nicht so schlimm seien, dass sie sich auswachsen oder dass sie letzten Endes konstitutionsbedingt seien.“ (...) „mit Hilfe von nebelhaften Vorstellungen über wissenschaftliche Einsichten“ […] „die mindestens seit einem halben Jahrhundert zum Kenntnisstand der Medizin, der Psychologie und der Reformpädagogik gehören“.

Andreas Mehringer, Sozialpädagoge, befasste sich mit einer Arbeitsgruppe auf dem zweiten Deutschen Jugendhilfetag im Jahr 1966 mit dem „Erziehungsheim als Bildungsträger“. In ihrem Bericht beklagen sie:

„Der immer noch blühende Säuglingshospitalismus ist eine der stärksten Wurzeln für Erfolgslosigkeit im Bildungsbemühen der Heimerziehung“.

Bei Tausenden Heimkindern, wurden die durch die Heimerziehung hergestellten Hospitalismusschäden umgemünzt in Scheindiagnosen, angefangen von erblich bedingtem Schwachsinn diagnostiziert wurde, sodass auch noch Lernbehinderungen, die Schwererziehbarkeit etc. hinzugefügt wurden. Die Kinder wurden nicht nur zwischen Heimen der Jugendhilfe, sondern auch zwischen der Psychiatrie und Einrichtungen für behinderte Kinder hin und her geschoben und viele von ihnen wurden dann dementsprechend als „bildungsunfähig“ etikettiert. Die Heimkinder hatten keinen Beistand und keinen Kontakt außerhalb des Heims, so dass sie sich bei fremden Außenstehenden Erwachsenen über das Inhumane im Kinderheim Mitteilen hätten beschweren können. Das war natürlich nicht so einfach möglich und darüber hinaus trug das Stigma „ein Heimkind zu sein“ - weil es einem ein ganzes Leben anhaftet -, auch noch dazu bei, ihre Glaubwürdigkeit zu bezweifeln oder gänzlich auszuschließen.

Die teils vorhandenen „Akten“ vieler ehem. Fürsorgezöglinge dokumentieren sehr genau das alte „System Jugendfürsorge“, zu dem die „Wege ins Heim“ ebenso gehören, wie das „Leben im Heim“ und die „Wege aus dem Heim“. Die Akten beinhalten außerdem, welche Institutionen und / oder Personen an der „Heimunterbringung“ beteiligt waren. Sie zeigen auch auf, wie aus den Kinderheimen, über die zu ihnen gebrachten Kinder und Jugendlichen an die Institutionen der Jugendfürsorge, an Vormundschaftsgerichte und andere beteiligte Institutionen, immer berichtet wurde. Die Akten befanden sich u. a. hauptsächlich in den Jugendämtern und die Vormundschafts-Akten (die waren bei den Vormundschaftsgerichten in Abteilungen der Amtsgerichte untergebracht. Heimkinder wurden von den Behörden immer anderen fremden Personen „Anvertraut“, obwohl die Kinder und Jugendlichen nach dem Gesetz „Schutzbefohlene“ hätten sein mussten und in Wirklichkeit waren sie „Ausgelieferte“. Ehemalige Heimkinder sind auch nicht erst „im Heim“ - als sich die Tür hinter ihnen schloss -, zu Ausgelieferten geworden, sondern waren es von Anfang an schon „auf dem Weg ins Heim“, indem sie weitgehend der Willkür von Ämtern und Gerichten, vielfach auch schon von Geburt an, ausgesetzt gewesen waren. Schutzbefohlene Heimkinder waren nur „Fälle“, die es möglichst ohne persönlichen und finanziellen Aufwand zu verwalten galt. Die Kinder und auch noch die Jugendlichen wurden in den Akten der Vormundschaftsgerichte durchgehend als „Vormundschaftssache“ bezeichnet und so wurden sie auch behandelt, als Sache eben und nicht als ein lebendiger Mensch. Die Zuwendungen und / oder die Unterstützungen, hätte den Kindern immer „zum Wohle“ gereichen müssen, um ihnen die Chancen auf ein gelingendes Leben zu ermöglichen.

Die Situation in den Heimen für schulpflichtige Kinder beschreibt Prof. Hanns Eyferth 1950 in seinem Buch „Gefährdete Jugend“: In diesen Heimen müssen die Kinder die ganze Hausreinigung, die grobe Küchenarbeit, das Holzhauen, die Botengänge und den größten Teil der Arbeit in den Gärten und in der heimeigenen Landwirtschaft bewältigen. Durch die Arbeit der Kinder wurden Personalkosten eingespart. Die Kinderarbeit beurteilte Eyferth als eine Gefährdung ihrer schulischen Bildung. Sie ließ den Kindern auch keine Zeit für selbstbestimmtes Spielen, dessen große Bedeutung für die emotionale und intellektuelle Entwicklung von Kindern auch schon 1950 zu den gesicherten Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie und der Erziehungswissenschaft gehörte. Es kann heute nicht mehr bestritten werden, dass die Kinder mit der ihnen abgezwungenen Arbeit die Binnenstrukturen der Heime aufrechterhalten mussten, in die sie durch die Jugendämter eingewiesen wurden. Staatliche und kirchliche Träger der Jugendhilfe betrieben also in großem Umfang verbotene Kinderarbeit. Diese gesetzwidrige Ausbeutung der Kinder ist eine der Hauptursachen für die den Heimkindern vorenthaltene schulische und berufliche Bildung. Ein erheblicher Teil von ihnen wurde ohne Volksschul- bzw. Hauptschulabschluss aus der Heimerziehung entlassen. Nach einer Untersuchung des Heimreformers Martin Bonhoeffer besuchten 1973 nur 1% der in Heimen lebenden Kinder und Jugendlichen eine weiterführende Schule. Dass sehr viele ehemalige Heimkinder heute in Altersarmut leben müssen und auf Grundsicherung bzw. ALG II angewiesen sind, ist darauf zurückzuführen.

Im Jahr 1976 sorgte ein Untersuchungsbericht über „Vergessene Heimkinder“ für einen bundesweit diskutierten Skandal. Im Jugendamt einer norddeutschen Provinzstadt wurde bei einer Aktenrevision entdeckt, dass 131 Jugendliche bereits 10 bis 15 Jahre in Heimen lebten, ohne dass seit der Heimeinweisung jemals überprüft worden war, ob die Gründe für die damalige Entscheidung noch bestanden. Bei einigen Jugendlichen fanden sich in den Akten keine Hinweise darauf, in wie vielen und in welchen Heimen sie schon gewesen waren. Bei anderen Heimkindern konnte nicht ermittelt werden, seit wann sie im Heim schon lebten und bei 39 Kindern fanden sich überhaupt keine Angaben über die Gründe für die Heimunterbringung. Bei 81 Jugendlichen befanden sich in den Akten, keine der jährlich vorgeschriebene Entwicklungsberichte. All diese „Versäumnisse“ waren überproportional bei den Jugendlichen vorhanden, die als „Amtsmündel“ unter Amtsvormundschaft des Jugendamtes standen und dafür das zuständige Vormundschaftsgericht die letzte Verantwortung trug. In der Folge dieses Skandals wurden in weiteren Jugendämtern der Bundesrepublik, ebenfalls „Vergessene Heimkinder“ entdeckt, so dass diese Bezeichnung für einige Zeit zu einem in der Jugendhilfe geläufigen Begriff wurde.

Fürsorgeerziehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kinder und Jugendliche wurden nicht erst hinter den Türen der Kinderheime und Jugendanstalten zu entrechteten Opfern von demütigender Willkür und Gewalt. Solche Erfahrungen mussten sie auch schon während der ganzen vorherigen kurzen Lebens-Prozedur im Säuglings- oder Kleinkinderheim machen, an deren Ende immer die „Unterbringung“ in ein Kinderheim oder in die Jugendanstalt stand. Darum ist die Frage, wie oder warum die Kinder und Jugendlichen in die Heime und Anstalten kamen, von ebenso großer Bedeutung, wie die Frage nach den Lebensbedingungen und der Erziehungspraxis in den Heimen. Beides gehört zusammen, wenn es um eine realistische Beurteilung bis in die 1970er Jahre in der Heim- und Fürsorgeerziehung geht. Die ausgebildeten Strukturen der damaligen Fürsorgeerziehung in den Kinderheimen wurde mit Argumentationsmustern als Subkultur der Gewalt stabil gehalten. Vom Erzieher wurde erwartet, dass er sich – ohne das notwendige pädagogische Handwerkszeug, mit einer viel zu großen Gruppe konfrontiert – mit Strenge, hartem Durchgreifen und auch körperlicher Gewalt Respekt verschaffte, die Ordnung aufrecht erhielt. Der Auftraggeber des Erziehungsberechtigten forderte dieses Verhalten, denn die Leitung deckte es im Einvernehmen mit der aufsichtführenden Stiftungs-Behörde bzw. dem Landesjugendamt. Auch die religiöse Gemeinschaft, der die Erzieher angehörten, verlangte Gehorsam gegenüber den Vorgesetzten und legitimierte die Gewalt gegen die Zöglinge als ‚liebevolle Zucht’ im Sinne ‚tätiger Nächstenliebe’.“

Auf vielfachen Wegen wurde die Aufmerksamkeit des örtlichen Jugendamtes auf die Familien, Kinder und Jugendliche gerichtet. Die soziale Kontrolle bezogen auf die Einhaltung der von der Mittelschicht geprägten normativen Erwartungen der Gesellschaft, war in der Bundesrepublik bis in die 1970er Jahre in Abwehr der kulturellen Liberalisierungstendenzen in der Gesellschaft sehr dicht. Vor allem in ländlichem und kleinstädtischem und stark religiös bestimmtem Milieu wie in Bayern, war diese moralisch engherzige und bigotte Kontrolle unmittelbar wirksam. Nachbarn, Lehrer/innen, Mitglieder der Kirchengemeinde und Lehrherren gaben Hinweise oder es handelte sich um Kinder/Jugendliche, die im Gemeinwesen bekannt waren und in Problemfamilien wohnten. Das wichtigste Instrument juristischen Entscheidungen der Jugendämter und Vormundschaftsgerichte, war bei den Heimeinweisungen von Kindern und Jugendlichen - sogar von Säuglingen -, die Anwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe „Verwahrlosung“ und „drohende Verwahrlosung“, auch iZm. Gefahr im Verzuge, die in § 63 RJWG bzw. ab 1962 in § 64 JWG geregelt waren. Eigentlich endete mit dem 19. Lebensjahr die Fürsorgeerziehung gemäß § 72 RJWG, die allerdings nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz verlängert werden konnte. Bis 1962 konnte auch noch eine „eilige Fürsorgeerziehung“ gem. § 67 RJWG bei Gefahr im Verzug oder eine „Versuchsweise Fürsorgeerziehung“ ohne Vormundschaftsgericht durchgeführt werden. Bis dahin gab es auch keine Frist, wann eine Fürsorgeerziehung endgültig beendet werden musste. Erst ab dem Jahr 1985 wurden die Rechtsbegriffe wie „Gefährdung“ und „Verwahrlosung“ im JÖSchG gestrichen, wobei letzterer Begriff: Verwahrlosung immer noch im Grundgesetz in den Artikeln 6 und 11 GG vorhanden ist. Bis 1991 konnte juristisch eine Heim- oder Anstaltserziehung auf Antrag zustande kommen, um dann auf Veranlassung der örtlichen oder überörtlichen Behörden als eine Freiwillige Erziehungshilfe (FEH) beschlossen oder durch Entscheidung des Vormundschaftsgerichts wurde die Fürsorgeerziehung (FE) in einer Heim- oder Anstalts- Einweisung angeordnet. Von 1949 und 1962 lautete § 63 RJWG:

„(1) Ein Minderjähriger, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist durch Beschluß des Vormundschaftsgerichts der Fürsorgeerziehung zu überweisen,1.wenn die Voraussetzungen des § 1666 oder des § 1838 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen und zur Verhütung der Verwahrlosung des Minderjährigen die anderweite Unterbringung erforderlich ist, eine nach dem Ermessen des Vormundschaftsgerichts geeignete Unterbringung aber ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel nicht erfolgen kann“.

Ab 1962 und 1991 war der § 64 JWG für die Einweisung zuständig:

„Das Vormundschaftsgericht ordnet für einen Minderjährigen, der das 20. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Fürsorgeerziehung an, wenn sie erforderlich ist, weil der Minderjährige zu verwahrlosen droht oder verwahrlost ist. Fürsorgeerziehung darf nur angeordnet werden, wenn keine ausreichende andere Erziehungsmaßnahme gewährt werden kann.“

Durch den Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG, war schon damals ein allgemeines „Sittengesetz“ oder eine herrschende „Moralauffassung“, bei der Erziehung nicht zulässig. Die „herrschende Meinung“ der Verantwortlichen in der Kinder- und Jugendhilfe, hatte allerdings als Erziehungsziel „Anpassung und Gehorsam“ propagiert. Schon am 29. Juli 1959 hatte das BVerfG darauf hingewiesen, dass allgemeine naturrechtliche Vorstellungen bei der Norminterpretation keine Rolle spielen und nur das „Wohl des Kindes“ in Betracht kommen dürfte. Dazu hatte 1968 das BVerfG geurteilt:

„dass das Kind als Grundrechtsträger selbst Anspruch auf den Schutz des Staates hat. Das Kind ist ein Wesen mit eigener Menschenwürde und dem eigenen Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit im Sinne der Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG [...] “
vgl. BVerfGE 10, 59 / BVerfG, 1 BvR 205/58 vom 29. 07. 1959, Rn. 28, 30, 87 ff
vgl. BVerfGE 24, 119 / BVerfG 1 BvL 20/63 vom 18. 07. 1968, Rn. 67 ff

Nach dem JWG war es auch möglich einen Minderjährigen (bis 21 Jahren) obligatorisch bis zu sechs Wochen zur Begutachtung gem. § 66 JWG in einer geeigneten Einrichtung unterzubringen, die noch auf Antrag bis zum 21 Lebensjahr vereinfacht verlängert werden konnte (ab 1975 Volljährigkeit 18 Jahre). Die „fristgerechte“ Beendigung der Heimerziehung wurde erst mit dem Sorgerechtsgesetz ab 1980 geregelt. Neue Probleme entstanden wegen Nachrangigkeit (Subsidiarität) von Maßnahmen in der „öffentlichen“ Jugendhilfe gegenüber der „freien“ Jugendhilfe von Jugend- und Wohlfahrtsverbände und der Kirchen, die in der Neufassung des Gesetzes deutlicher wurden als zuvor (z.B. im § 5 Abs. 3, § 8 und § 84 JWG). Der erneut erfolgte Rückzug des Staates zugunsten der freien Träger oder Verbände wurde dem im Grundgesetz festgelegten Individualgrundrechte geschuldet, wobei jetzt die Gewinnmaximierung der Freien gegenüber den Öffentlichen Kinderheim-Trägern in den Vordergrund gestellt werden musste und die sog. Kinder-Stückzahlen bei den Belegungen immer wichtiger wurden. Hierbei hätte zuerst einmal, dass vordergründige angebrachte „Recht auf Erziehung“ oder die „Erziehung durch Recht“ betrachtet werden müssen. Die Ambivalenz dieser Verrechtlichung begleitete den über 100jährigen Institutionalisierungs-Prozess in der öffentlichen deutschen Jugendhilfe, da man sich natürlich nicht über das Entweder/Oder einigen konnte.
vgl. BVerfGE 22, 180 / BVerfG 2 BvF 3/62 v. 18. Juli 1967, Leitsätze 1-5

Jugendschutz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ab dem Jahr 1952 war der Tenor vom „Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit“ JÖSchG (ab 12. Januar 1952 in Kraft) unmissverständlich, denn es war ein Kontrollgesetz gegen unerwünschte Bewegungen der Jugend zum Schutze der bürgerlichen Ordnung und der durch sie repräsentierten Werte. Als „Präventions-Gesetz“ wurde dieses zum angeblichen Schutz der Heranwachsenden deklariert und reichte bis in unsere unmittelbare Vergangenheit, denn die Regelungen des Gesetzes sollten Kinder und Jugendliche [angeblich] davor bewahren, in ihrer körperlichen, geistigen und seelischen Entwicklung zu gefährden oder zu schädigen. Fürsorgeerziehung konnte sehr vereinfacht im Rahmen eines Strafverfahrens auch vom Jugendgericht angeordnet werden. Die rechtlich unbestimmte Rechtsbegriffe wie „Gefährdung“ und „Verwahrlosung“ wurden benutzt und oft genügte schon eine geringfügige oder vermutete Abweichung von der Norm, wobei Widerspenstigkeit, Herumtreiben, Schulschwänzen und Arbeitsbummelei schon ausreichte. Die damaligen pädagogischen erziehungsleitenden Vorstellungen der 50er und 60er Jahre waren konservativ und restriktiv. „Zucht und Ordnung“ mit „Fleiß“, „Gehorsam“ und „Sittsamkeit“ waren die Ideale, wobei die körperliche Züchtigung und Arrest eine Selbstverständlichkeit gewesen war und soziale Kontrolle, Disziplinierung und Diskriminierung durch die Gesellschaft prägten die Heimkinder im Alltag der Anstalt- bzw. der Heimerziehung wo eine Erziehung durch Arbeitstherapie als sog. „Hilfe zur Arbeit“ stattfand. Die Maßnahmen des Jugendschutzes bzw. für die gefährdeten Minderjährigen waren im JÖSchG iVm. dem JWG beweisbar undifferenziert und repressiv wirkend.

Nach dem alten Jugendschutzgesetz wurde das verbotenen „Herumtreiben“ der Jugendlichen in der Öffentlichkeit vor allem in den 1960er Jahren von den Behörden sehr streng umgesetzt, wobei z. B. nach den § 1 (3) JÖSchG (Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit) die Jugendlichen unter 16 Jahren sich während der Dunkelheit nicht mehr herumtreiben durften. Als eine disziplinierende Drohungen wurden bestimmte Sätze vielfach bis in die 70er Jahre gebraucht und zum teil auch noch umgesetzt: „Benimm Dich, sonst kommst Du ins Heim“. Auch alleinerziehende Mütter standen wie selbstverständlich immer unter dem Generalverdacht, „sittlich und moralisch nicht gefestigt“ zu sein. Nach § 9 JÖSchG wurde z.B. auch das Rauchen in der Öffentlichkeit bei den Jugendlichen unter 16 Jahren nicht gestattet und wurde u.a. dazu benutzt, um unter einem Vorwand die heranwachsenden Mädchen und Jungen zu ihrem eigenen Schutz von sog. jugendgefährdenden Orten fernhalten zu müssen, wobei es eigentlich nur um den Versuch der Verhinderung der selbstbestimmten Bewegung der Jugend ging. Nach § 1 JÖSchG durften sich Jugendliche nicht an Orten aufhalten, an denen ihnen eine unmittelbare Gefahr für ihr körperliches, geistiges oder seelisches Wohl droht. Damit haben allerdings die zuständigen Behörden mit zur Hilfenahme der Polizei, die zur Abwendung der Jugendgefahren, die erforderlichen Maßnahmen damit getroffen, indem sie u.a. den Jugendämtern überstellt wurden. Schon die vom Chef der Deutschen Polizei Heinrich Himmler unterzeichnete Polizeiverordnung im totalitären NS-Staat, wurde sofort vom Alliierten Kontrollrat der Siegermächte 1945 kassiert, aber in den Bundesländern weiter praktiziert und schließlich 1951 vom Parlament der souveränen Bundesrepublik mit geringfügigen Änderungen im gleichen Geist von „Kontrolle und Entmündigung“ als Bundesgesetz verabschiedet. Mit dem JÖSchG wurde u.a. Minderjährigen Jugendlichen unter 18 Jahren das „Umhertreiben auf öffentlichen Straßen und Plätzen“ verboten und wer gegen dieses Verordnung verstieß, konnte betraft werden oder kam ins Heim (Jugendanstalt). Eigentlich hätte es iZm. dem Jugendwohlfahrtgesetz (JWG) bedeuten müssen, das es eine Eingliederung des Jugendlichen in die Arbeitswelt inkl. einer betreuten Wohnform, durch eine berufliche Facharbeiter Ausbildung als eine Chance aufgrund ihrer Vorstellung von Arbeit in Bezug auf ihre Lebenswelt, ihre Lebensplanung zur Geltung zu bringen. Das hätte Angebot und Förderung bedeuten müssen, die natürlich nur im Dialog mit den Jugendlichen gefunden werden könnten, um die „ökonomische und soziale Teilhabe“ zu ermöglichen, in der Hoffnung, um eine „soziale Desintegration“ zu verhindern. Der ordnungsrechtliche Jugendschutz verbaute der Jugendhilfe über all die Jahre die systematische Sichtweise der Jugendschutzidee mit dem Schutzgedanken, eine Erziehungshilfeauftrag „zum Wohle“ des Jugendlichen wahrzunehmen. Erst im Jahr 2003 wurde das JÖSchG durch das Jugendschutzgesetz (JuSchG) abgelöst.

Verwahrlosung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Begriff der „Verwahrlosung“ und seine Auslegung wurde zeitgenössisch durch die psychiatrische Wissenschaft gestützt, die immer noch sozialrassistische Züge aufwiesen und dazu beitrug, dass bestimmte „verwahrloste“ Jugendliche als Psychopathen bzw. Soziopathen angesehen wurden. Es kennzeichnete sich ein hermetisch internen Kreis von Ämtern, Gerichten, Trägern und Heimen heraus, in den die Heimkinder unentrinnbar beherrschbar gemacht werden sollten. Die Sprache der Verunglimpfung gegenüber den Jugendlichen, die als sog. „Halbstarke“, im öffentlichem Ansehen herabgewürdigt wurden, denn die Behörden „die es ja wissen mussten“, produzierten und verstetigten das öffentliche Bild vom „verwahrlosten und schwererziehbaren elternlosen Heimkind“. Im Standardwerk der damaligen Heimerziehung wurde in Grundsatzartikeln die Bedeutung der Einfügung der Kinder und Jugendlichen in die „überindividuelle Ordnung“ betont. Die Kinder und Jugendliche sollten zuvorderst zu funktionierenden Gliedern der Gesellschaft erzogen werden und die Ziele der Erziehung waren demnach Anpassungsbereitschaft, Gehorsam, Fleiß, Ordnung und Anspruchslosigkeit. Die Verstöße gegen den „Jugendschutz“ waren der Ausgangspunkt eines Prozesses gegen damalige Jugendlichen, die unter der Diskriminierung über die Ausgrenzung, bis hin zur physischen Vernichtung reichen konnte. Die später Erzieher beurteilten das Verhalten ihrer schutzbefohlenen Zöglinge von einem moralisch-wertenden Standpunkt aus, mit faul, arbeitsscheu, verschlagen, diebisch, lügnerisch, heimtückisch, mannstoll, sittlich verkommen, frech, unverschämt, schmutzig, gemeinschaftsstörend usw.. Als Symptome der „Verwahrlosung“ von Kindern und Jugendlichen konnten gelten: „Unordnung“, „Unbeherrschtheit“, „Pflichtvernachlässigung“, „Ungehorsam“, „Schule schwänzen“, „Frechheit“, „Widerspenstigkeit“, „Bockigkeit“, „Jähzorn“, „Unflätigkeit“, „Unehrlichkeit“, „Kriminalität“, „Arbeitsbummelei“, „Vagabondage“, „Genussleben“, „Gewalttätigkeit“, „Prostitution“, „Herumtreiben“ „sittlichen“ oder „sexuellen Verwahrlosung“, „unsittsame Kleidung oder Gebärden“, „unsittliche Orte“, „Triebhaftigkeit“ und „Haltlosigkeit“. Um als „verwahrlost“ oder „gefährdet“ zu gelten, musste zudem nicht unbedingt ein entsprechendes Verhalten der Jugendlichen vorliegen. Alle diese Vokabeln waren tatsächlich in zahlreichen Beurteilungsberichten an die Behörden zu lesen. Es gab ein ganzes Wörterbuch der diskriminierenden, demütigenden und verächtlich machenden pädagogischen Sprache, die bis weit in die 1970er Jahre hinein in Einrichtungen und Behörden der Jugendhilfe gesprochen wurde.

Die endgültige Abkehr von der althergebrachten preußischen Ansicht, den Bürger als bloßes Objekt staatlichen Handelns zu betrachten, bewirkte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu § 73 BSHG vom 18. 07. 1967 ein neues Denken. Das im § 73 BSHG (Bundessozialhilfegesetz) versteckte „Bewahrungsgesetz“ sah im Rahmen der „Hilfe für Gefährdete“ eine Zwangsunterbringung in einer „geeigneten Anstalt, in einem geeigneten Heim oder in einer geeigneten gleichartigen Einrichtung“ vor. Die Unterbringung sollte verhängt werden, wenn der Gefährdete besonders „willensschwach“ oder in seinem „Triebleben besonders hemmungslos“ war, der Gefährdete verwahrlost oder der „Gefahr der Verwahrlosung ausgesetzt“ war, so dass die „Hilfe nur in einer Anstalt“, in einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung wirksam gewährt werden konnte. Diese Norm, übernommen aus der NS-Zeit, sah also die sog. Hilfe für gefährdete Jugendliche vor und war bis 1967 ein Mittel, um jugendliche Obdachlose und Landstreicher oder Arbeitsfaule in einer geschlossenen Einrichtung aufgrund des Beschluss vom Amtsgericht gem. des § 10 JGG unterzubringen und so aus der Öffentlichkeit zu entfernen, um sie dort mit Arbeitstherapie zu erziehen. Total Unverständlich war, dass der Auslöser für die Zwangsunterbringung lediglich die Armut der Betroffenen gewesen war. Der unantastbare Wesensgehalt der Freiheit eines Kindes oder Jugendlichen ist ein so hohes Rechtsgut, dass nur aus besonders gewichtigen Gründen eingeschränkt werden durfte, dazu gehört in erster Linie das materielle Jugendstrafrecht und das Strafverfahrensrecht. Diese Eingriffe in die persönliche Freiheit des Einzelnen dürfen grundsätzlich nur den Schutz der Allgemeinheit dienen.
vgl. BVerfGE 22, 180 / BVerfG 2 BvF 335/62 vom 18. Juli 1967, u.a Rn. 142, Jugendhilfe

Rechtliches Gehör[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Allgemein wurden die „Heim“- Einweisungen und Unterbringungen in den Jugendanstalten fast ausnahmslos ohne „rechtliches Gehör“ (Art. 103 GG) und ohne „fachkundigen Rechtsbeistand“ für den Beteiligten und des Erziehungsberechtigten bis zum Jahr 1962 durchgeführt. Die Eltern konnten nach den Vorschriften der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) eine nur Beschwerde erheben, allerdings konnte das Kind selbst erst nach Vollendung des 14. Lebensjahres, Rechtsmittel einlegen, wobei dann fast nie ein rechtlich fachlicher juristischer Beistand vorhanden war. Außerdem fanden die anschließenden direkten Überprüfungen „während der Unterbringung“ des minderjährigen Schutzbefohlenen, weder durch die staatlichen Jugendämter, der Vormünder und/oder durch die Vormundschaftsgerichte oder Amtsgerichte statt. Die „Anhörung“ bzw. das gerichtliche Verfahren mit einem Rechtsanwalt konnte nach § 5 FreihEntzG unterbleiben, wenn die Einweisung nicht ohne erhebliche Verzögerung gewährleistet werden konnte. Alle Anträge für eine „Einweisung“ hätten nach § 1666 BGB und §§ 62 bis 67 RJWG bzw. ab 1962 nach § 64 ff JWG von einem „Richter“ kritisch „zum Wohle“ des Kindes bzw. Jugendlichen ge- bzw. überprüft werden müssen. Auf Grund von Anzeigen, die häufig Denunzierungen gleichkamen, und nicht bewiesen wurden, erfolgte daraufhin eine standardisierte Beurteilung, die häufig einer Vor-Verurteilung gleich kamen, so traf es z. B. häufig alleinerziehende Mütter mit dem standarisierten Satz: “Mutter kümmert sich nicht ums Kind“ -, so dass die „drohende Verwahrlosung“ oder ein sog. „asoziales Milieu“ den verantwortlichen Fürsorgerinnen der Jugendhilfe zur Begründung ausreichte, um eine schriftliche Anordnung von den Jugendämtern aufgrund des Amtsgerichtsbeschluss zur Unterbringung der Kinder oder Jugendlichen in ein Heim iZm. dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) anwenden zu können. Das Vormundschaftsgericht hatte gemäß § 1595 Absatz 1 BGB die Eltern nur zu hören und nach § 1695 Absatz 2 BGB „konnte“ das Vormundschaftsgericht mit dem Kind „persönlich Fühlung nehmen“ und die Erfordernis gemäß § 12 FGG (Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) selbst beurteilen. Im § 1 RJWG (Reichsjugendwohlfahrtsgesetz) bzw. im § 1 JWG (Jugendwohlfahrtsgesetz) war eine „rechtsfreie Möglichkeit“ der sog. Fürsorge beinhaltet:

„Jedes deutsche Kind hat ein Recht auf Erziehung zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit. Das Recht und die Pflicht der Eltern zur Erziehung werden durch dieses Gesetz nicht berührt. Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten ist ein Eingreifen nur zulässig, wenn ein Gesetz es erlaubt. Insoweit der Anspruch des Kindes auf Erziehung von der Familie nicht erfüllt wird, tritt, unbeschadet der Mitarbeit freiwilliger Tätigkeit, öffentliche Jugendpflege ein“.

Im letzten Satz befindet sich bis 1991 der grundrechtsfreie Raum, der damals den Jugendämtern und Vormundschaftsgerichten jeglichen Handlungsspielraum, ohne ordentliches rechtliches Gehör gemäß Art. 103 GG und ohne garantierte richterliche Anhörung Art. 104 GG, sowie ohne den direkten Beteiligungsrechten der Eltern, eröffnete. Eigentlich endete mit dem 19. Lebensjahr die Fürsorgeerziehung gemäß § 72 RJWG, allerdings konnte nach dem RJWG und JWG die Erziehung verlängert werden. Bis 1962 konnte eine „eilige“ Fürsorgeerziehung gemäß § 67 RJWG bei ‚Gefahr im Verzug’ oder bei einer „Versuchsweisen“ Fürsorgeerziehung ohne Vormundschaftsgericht stattfinden. Bis dahin gab es auch keine Frist, wann eine Fürsorgeerziehung endgültig beendet werden musste. Ab 1962 war nun auch die Anhörung des Minderjährigen zwingend vorgeschrieben, was u.a. mit seinem Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG begründet wurde. Die Voraussetzungen für die vorbeugende Fürsorgeerziehung wurde die Interventionsschwelle mit der Novelle 1961 gesenkt wenn „nur“ eine körperliche Verwahrlosung drohte.

Freiheitsentziehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Recht in die persönliche Freiheit eines Jugendlichen einzugreifen, kann gemäß Art. 2 II 3 GG nur aufgrund eines Gesetzes bewerkstelligt werden. Die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit wird jedoch durch die Verfassung in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt. Der Gesetzgeber muß bei der Ausübung der ihm erteilten Ermächtigung sowohl die Unantastbarkeit der Würde des Menschen (Art. 1 I GG), das oberste Prinzip der verfassungsmäßigen Ordnung, als auch weitere Verfassungsnormen, insbesondere den Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) und das Gebot der Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit (Art. 20 I GG) beachten. Ist schon die Freiheit der Person ein so hohes Rechtsgut, daß sie nur aus besonders gewichtigem Grund eingeschränkt werden darf, so bedarf der Entzug dieser Freiheit einer besonders strengen Prüfung am Maßstabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Eine richterliche Anweisung an einen „angeblichen“ gefährdeten heranwachsenden Jugendlichen, der über 14 Jahre alt ist, sich in einer geeigneten Anstalt aufzuhalten, ist ein Eingriff in das Grundgesetz der Freiheit der Person nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, wenn es ohne ein ordentliches Gerichtsverfahren geschah. Dabei ist es unerheblich, wo die Unterbringung erfolgt. Auch die zwangsweise Unterbringung in einem „offenen“ Kinderheim, ist auch ein Eingriff in die Freiheit der Person. Nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG sind solche Eingriffe nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes zulässig, wobei grundsätzlich eine vorherige Be- und Verurteilung unter Beteiligung des Jugendlichen erfolgen muss. Der unantastbare Wesensgehalt eines Grundrechts besteht darin, dass jedes Grundrecht aus seiner besonderen Bedeutung im Gesamtsystem der Grundrechte ermittelt werden muss. Die Freiheit der Person ist ein so hohes Rechtsgut, dass sie nur aus besonders gewichtigen Gründen eingeschränkt werden darf. Die Einweisungen in eine Jugendanstalt (keine Jugendstrafanstalt) wurden ab 1961, beim Amtsgericht unter der Berücksichtigung des Bundessozialhilfegesetz (BSHG) vom 05. 07. 1961 (BGBl. I S. 815) iZm. dem „Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen“ , kurz FreihEntzG vom 29. Juni 1956 (BGBl. I S. 599 /-bis 31. 08. 2009), bei dem Jugendgerichtsgesetzes (JGG) beschlossen. Das JÖSchG, das FreihEntzG iVm. dem BSHG wurde beim richterlichen Beschluss mit dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) dazu benutzt, dass dem Jugendlichen eine sog. „Arbeitsbummelei“ bewiesen werden konnte, um ihn dann „versuchsweise“ oder „vorübergehend“ und um ihn danach (evtl.) bis zu zwei Jahre nach dem JGG in einer geschlossenen Anstalt der Fürsorgeerziehung, gegen sein Willen zur „Arbeitserziehung“ einzuweisen.
vgl. BVerfGE 22, 180 / BVerfG 2 BvF 335/62 vom 18. 07. 1967, Leitsätze zur Jugendhilfe

Dazu hatte schon das BVerfG in der st. Resp. am 16. Januar 1957 deutlich beinhaltet:

„Gesetze sind nicht schon dann "verfassungsmäßig", wenn sie formell ordnungsmäßig ergangen sind. Sie müssen auch materiell in Einklang mit den obersten Grundwerten der freiheitlichen demokratischen Grundordnung als der verfassungsrechtlichen Wertordnung stehen, aber auch den ungeschriebenen elementaren Verfassungsgrundsätzen und den Grundentscheidungen des Grundgesetzes entsprechen, vornehmlich dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit und dem Sozialstaatsprinzip. Vor allem dürfen die Gesetze daher die Würde des Menschen nicht verletzen, die im Grundgesetz der oberste Wert ist, aber auch die geistige, politische und wirtschaftliche Freiheit des Menschen nicht so einschränken, daß sie in ihrem Wesensgehalt angetastet würde (Art. 19 Abs. 2, Art. 1 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 GG). Hieraus ergibt sich, daß dem einzelnen Bürger eine Sphäre privater Lebensgestaltung verfassungskräftig vorbehalten ist, also ein letzter unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit besteht, der der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen ist. Ein Gesetz, das in ihn eingreifen würde, könnte nie Bestandteil der "verfassungsmäßigen Ordnung" sein; es müßte durch das Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt werden“.
vgl. BVerfGE 6, 32 / BVerfG 1 BvR 253/56 vom 16. 01. 1957, Rn. 32

Am 21. Juni 1977 musste das Bundesverfassungsgericht nochmals in der st. Resp. ein Urteil sprechen und eindeutig hinzufügen, obwohl es eigentlich immer schon eine Selbstverständlichkeit gewesen war:

„Die Achtung und Schutz der Menschenwürde gehören zu den Konstitutionsprinzipien des Grundgesetzes. Die freie menschliche Persönlichkeit und ihre Würde stellen den höchsten Rechtswert innerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung dar. Der Staatsgewalt ist in allen ihren Erscheinungsformen die Verpflichtung auferlegt, die Würde des Menschen zu achten und sie zu schützen“.
vgl. BVerfGE 45, 187 / BVerfG 1 BvL 14/76 vom 21. Juni 1977, Rn. 143

Auch der Kannt’sche Satz: „Der Mensch muss immer Zweck an sich selbst bleiben“,gilt uneingeschränkt für alle Rechtsgebiete; denn die unverlierbare Würde des Menschen als Person besteht gerade darin, dass er als selbstverantwortliche Persönlichkeit anerkannt bleibt. Aufgrund der dazu ergangenen höchsten Rechtsprechungen in Westdeutschland (BRD), müssen nun alle ehm. Heimkinder und Fürsorgezöglinge die Frage stellen:

„Wie passt dazu eine Einweisung in eine Jugendanstalt, die „versuchsweise“ oder „vorübergehend“ evtl. bis zu zwei Jahre nach dem JGG in einer geschlossenen Anstalt der Fürsorgeerziehung, gegen sein Willen zur „Arbeitserziehung wegen „Arbeitsbummelei“ richterlich angewiesen wurde ?“.

Allgemein konnte aufgrund § 1666 bzw. § 1838 BGB der Eingriff in die elterliche Gewalt durch eine erlassene Anordnung zur Heimeinweisung vom Vormundschaftsgericht iVm. der sog. „freiwilligen“ Erziehungshilfe (FEH), das vorliegende Verfahren als „Fürsorgeerziehung“ (FH), auch gegen den Willen der Mutter bzw. der Eltern bewirkt werden, in dessen Verlauf auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Amtsvormund übertragen wurde. Eltern wurden durch diese Möglichkeit des eben benannten auch genötigt, grundsätzlich der Freiwilligen Erziehungshilfe (FEH) zuzustimmen, um Zwangsmaßnahmen zu vermeiden. Die „Zwangserziehung“ wurde vielfach widerrechtlich nach § 10 StGB für die bedingt strafmündigen Jugendlichen, sowie außerdem für die Fürsorgeerziehung im engeren Sinn, beruhend auf den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften aufrechterhalten, soweit dies zur „Verhütung des völligen sittlichen Verderbens des Minderjährigen“ zur Einweisung in die Jugenderziehungsanstalt für notwendig erachtet wurde. Besonders oft kam es bei Jugendlichen die sich in die Fürsorgeerziehung begeben mussten, zu den oft brutalen und täuschenden Methoden der „Überführung“, „Überstellung“, „Zuführung“, oder zu großen polizeilichen „Aufgreifung und Rückführung“ nach einer erfolglosen Flucht aus der Jugendanstalt. Hierdurch wurde auch vielfach die Rechtswidrigkeit des Handelns in Deutschland gegenüber vielen ehemaligen heranwachsenden Heimkindern bewiesen, da sehr viele wie Schwerverbrecher behandelt wurden. Damals wurden die größtenteils geschlossenen Kinderheime und Jugendanstalten, widerrechtlich dem Wesen und Zweck eines Vollzugs im praktischen Heimalltag benutzt, in dem die Grundrechte eingeschränkt oder gar außer Kraft gesetzt wurden, weil es die durch den Zweck bedingte Natur des Anstaltsverhältnisses notwendig erschien.

Ab dem Jahr 1962 regelte das JWG neben der Jugendfürsorge, die sich der gefährdeten oder schon gestrauchelten Jugend annahm, auch die Jugendpflege, deren Aufgabe es war, allgemein das körperliche, geistige und sittliche Wohl der Jugend „zu fördern“, ohne dass eine akute Gefährdung vorgelegen hatte. Nach § 2 Abs. 2 JWG umfasste die öffentliche Jugendhilfe alle behördlichen Maßnahmen zur Förderung der Jugendwohlfahrt (Jugendpflege und Jugendfürsorge). Die „vorbeugende“ Fürsorgeerziehung konnte darüber hinaus auch dann angeordnet werden, wenn „nur“ eine körperliche Verwahrlosung „drohte“ und die Interventionsschwelle dafür wurde nach § 64 JWG - gegenüber dem RJWG von 1922 - sogar gesenkt, wobei die „heilende“ Fürsorgeerziehung so bestehen blieb. Wenn die Eltern nur bei [angeblichen] sittlichem Fehlverhalten denunziert bzw. angezeigt wurden oder /und sich nicht der Auffassung des Gerichts über ihr Erziehungsversagen anschlossen und ihr Kind bei sich behalten wollten, führte die weit auszulegende Verschuldenserfordernis zur Heimeinweisung des Kindes. Unter anderem konnte der Minderjährige zum „Zweck der Begutachtung“ bis zu sechs Wochen in einer geeigneten Einrichtung nach § 66 Abs. 2 JWG, begründet in der Fürsorgeerziehung untergebracht und die Zustellung des Beschlusses – wenn er über 14 Jahre war –, konnte mit der Begründung „Nachteile für seine Erziehung“ gem. § 65 Abs. 3 S. 3 iVm. § 57 Abs. 4 Satz 2 JWG, verweigert werden. Hierbei hätten schon damals die „Vorschriften zum Wohl des Kindes“ oder des Jugendlichen, im familiengerichtlichen Kindesschutzverfahren nach § 1666 Abs. 1 BGB iVm. § 50e FGG – erst seit 12. 07. 2008 (BGBl. 2008, 1188) geändert –, beachtet werden müssen.

Die meisten Einweisungen zur sofortigen eiligen Heimerziehung bei einfachen Jugendstrafen, geschahen in den 1960 und 1970er Jahren aufgrund des § 60; § 67 JGG, wo dann der Hinweis auf Prüfung der vorübergehenden oder dauerhaften Fürsorgeerziehung mitbeinhaltet wurde, ohne das den Erziehungsberechtigten oder dem über 14 Jahre alte Jugendlichen ein Anhörungs- oder Beteiligungsrecht eingeräumt wurde. Auch der Aufklärungs-Hinweis der Anhörung oder eine gerichtlich beinhaltende Stellungsmaßnahme zur Beteiligungsverweigerung fand seitens des Amtsgerichts nicht statt. Dem Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vertreter eines Angeklagten Jugendlichen stand gemäß § 67 Abs. 1 JGG iVm. § 258 Abs. 2 und 3 StPO zum Beispiel das letzte Wort, neben dem jugendlichen Angeklagten und unabhängig von diesem, nicht nur zu; sondern es war ihm von Amts wegen auch zu erteilen (BGHSt 21, 288), sofern er in der Hauptverhandlung anwesend war(BGH NStZ 1996, 612). Zumindest hätte es eine Vertreterin der Jugendgerichtshilfe oder eines Bewährungshelfers bedurft, um ihnen jeweils Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Ohne strafrechtliche Berücksichtigung des Strafgesetzbuches – analog § 56 b StGB ab 1975 – und des Art. 12 Abs. 1 GG wurden die Maßnahmen zur Arbeitsdisziplinierung bzw. die Maßnahmen zur Arbeitserziehung [fälschlicherweise] widerrechtlich angeordnet, wobei die zu ergreifenden Maßnahmen unspezifisch blieben und es dann eine Auslegungssache der jeweiligen ausführenden geschlossenen Anstalten waren. Im Art. 12 Abs. 2 und 3 wird die Freiheit von Arbeitszwang und Zwangsarbeit garantiert und steht in engen Zusammenhang mit der in Abs. 1 garantierten Berufsfreiheit. Die Folgen der Jugendstraftat, kann gem. § 5 JGG heute noch bei einem Jugendlichen aus gegebenen Anlass als eine Erziehungsmaßregel angeordnet werden, dürfte dann allerdings nicht durch ein gerichtlichen „Freiheitsentzug im Gefängnis“ wie bei einem Straftäter benutzt werden, denn nur durch die Auflagen nach StGB (vgl. § 56 b StGB), fällt der Schutzbereich der Arbeit nicht unter Art. 12 Abs. 2, Abs. 3 GG. Diese gerichtlich angeordneten strafrechtlichen Auflagen müssen dann bei den richterlichen Weisungen zu den Arbeitstätigkeiten, gem. des § 43 StVollzG mit Entlohnung und Sozialbeiträgen abgesichert sein.
vgl. BVerfGE 30, 47 / BVerfG 2 BvL 17/67 vom 15. 12. 1970, Rn. 16
vgl. BVerfGE 74, 102 / BVerfG 2 BvR 209/84 vom 13. 01. 1987, Rn. 70
vgl. BVerfG 2 BvL 7/06 vom 11. 01. 2007, Rn. II 2 a
vgl. BVerfG 2 BvR 1452/87 vom 14. 11. 1990, Leitsatz

Die im der Rn. 18 gebilligte Rechtsauffassung im „Urteil von geschlossenen Jugendanstalten“ des BVerfG von 1972, wobei das bestehenden „besonderen Gewaltverhältnis“ gegenüber den Heimkinder missbraucht wurde, indem die heranwachsenden Heimkinder einem Sonderstatusverhältnis - wie bei einer geschlossene Verwaltungsvollstreckung - gleichgesetzt wurden. Damals wurden die größtenteils geschlossenen Jugendanstalten, dem Wesen und Zweck eines Vollzugs vereinfacht im praktischen Anstalts-Alltag gleichgesetzt, indem die Grundrechte eingeschränkt oder außer Kraft gesetzt wurden, weil es die durch den Zweck bedingte Natur eines Anstaltsverhältnisses notwendig erschien. Das schutzlose Wegsperren in ein geschlossenes Kinderheim oder Erziehungsanstalt, wo unbeobachtet übermäßige Züchtigungen, erniedrigende Strafen, Zwangsarbeit und sexualisierte Gewalt nachweislich verbreitet war, müsste eine Staatshaftung für begangenen Aufsichtspflichtverletzungen der Landesjugendämter erfolgen. Bis zur der Zeit versagte „Wider besseren Wissens“ der Grundrechts-Schutz bei fast allen staatlichen Schutzbefohlenden Mündeln, wobei es nun nicht mehr darauf ankommt, ob es vorsätzlich oder wissentlich geschah.
vgl. BVerfGE 33, 1 / BVerfG 2 BvR 41/71 vom 14. 03. 1972, Rn. 17, 18

Heimaufsicht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nicht zuletzt war deswegen die erfolgreiche Fürsorgeerziehung, wegen der nicht erfolgten staatlichen Aufsichtspflicht des Landesjugendamt gescheitert. Eine wirksame Heimaufsicht scheiterte auch am Widerstand kirchlichen Wohlfahrtsverbände, wie auch der kirchlich unterstellte Stiftungen der Kinderheime und Jugendanstalten, sich die sich auf den Artikel 140 GG beriefen. Die Regierungsfraktionen sprachen bei den Bundestags-Debatten noch in den 1960er Jahren weiterhin offen von „Asozialen“ und „Arbeitsscheuen“. Die Verabschiedung der Regierungsentwürfe im Februar 1960 zum BSHG und zur Novellierung des JWG 1962, spielten bei den Forderungen der katholischen Kirche und ihrer Caritas aufgrund des Art. 140 GG eine wichtige Rolle und die volle Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips war zugunsten der freien kirchlichen Wohlfahrtsverbände eine Forderung, der die Bundesregierung weitgehend entgegen kam. Die Verstärkung staatlicher Aufsichtsbefugnisse lief jedoch der sonstigen politischen Tendenz der Novelle zum RJWG zuwider. Das JWG war ab 1962 vor allem durch die Funktionssperre zugunsten der freien Träger und einer der öffentlichen Hand auferlegten Finanzierungspflicht der freien Wohlfahrtspflege und Jugendhilfe gekennzeichnet. Die Regelung versuchte immer wieder, eine Balance zwischen den Eingriffsrechten des Staates und der Autonomie freier Träger, die u.a. den Kirchen unterstellt sind, herbeizuführen. Der § 78 Absatz 2 Satz 2 JWG betonte ausdrücklich, dass die „Selbständigkeit der Träger der Einrichtungen in Zielsetzung und Durchführung ihrer erzieherischen Aufgaben“ unberührt bleibt, sofern das Wohl der Minderjährigen nicht gefährdet wurde. Durch diese Möglichkeit war bis zum Jahr 1991 ein rechtfreier Raum zugunsten der freien Träger geschaffen worden und daraus entstandenen erst die Menschenrechtverletzungen, die eine Staatshaftung iZm. einer bewiesener Amtspflichtverletzung u.a des Landesjugendamtes in Ausübung eines Amts beim hoheitlichem Handeln gem. § 839 BGB iVm. Art. 34 GG in Betracht kommen.

Nach 1962 richtete sich die Heimaufsicht nach § 78 JWG und nach § 73 JWG musste das Landesjugendamt nach 1961 zudem einmal im Jahr dem Vormundschaftsgericht über die Entwicklung eines jeden Fürsorgezöglings berichten. Deswegen gab es bis zur JWG-Novelle, die am 1. Juli 1962 in Kraft trat, die enthaltende „Sonderregel“ gem. § 29 Abs. 3 RJWG bei der Aufsicht über alle Träger von Anstalten und Heime, die den Kirchen und der freien Jugendwohlfahrt unterstellt waren. Diese Sonderregelung in der Bundesrepublik Deutschland, gab den Landesjugendämtern als staatliche Behörde weiterhin einen Ermessensspielraum, ob die Vorschriften bezüglich der Pflege- und Heimkinderaufsicht die Behörde anwandte oder nicht. Das bedeutete, dass eine hinreichende flächendeckende qualifizierte nachweisliche direkte Aufsicht in den Einrichtungen der Kinderheime und Jugendanstalten nicht stattfand, da ja in Westdeutschland der Staat die Haftungsrechtliche Verantwortung trug. Auch eine Befreiung von der Heimaufsicht konnte beantragt werden. Außerdem verbaten sich alle Einrichtungen die in kirchlicher Trägerschaft waren auch aufgrund von Art. 140 GG jegliche staatliche Eingriffe der Kontrolle in den kirchlichen „Hoheitsgebieten“ der Kinderheime und Jugendanstalten. Die Aufsicht über das Heimkind direkt war möglich, wurde allerdings fast nur auf dem schriftlichen Bericht über das Kind oder des Jugendlichen bewerkstelligt und wenn ein Kontroll-Besuch wegen des Kindes vom Landesjugendamt stattfinden sollte, dann nur mit vorheriger Anmeldung. Die institutionelle Heimaufsicht wurde bundesgesetzlich mit dem JWG erst 1962 eingeführt.

Die Einführung der institutionellen Heimaufsicht in § 78 JWG, war durch die Novelle 1961 zum JWG den schlechten Erfahrungen geschuldet, die man unter der alten Rechtslage gemacht hatte. Rund 70 % aller Kinderheime und Jugendanstalten wurden unter kirchlichen Trägern geführt und die nicht erfolgte staatliche Aufsichtsverpflichtung der Jugendämter, hatte durch das Kirchliche Selbstbestimmungsrecht, gilt auch die Verjährung im innerkirchlichen Regime des Kirchen-Rechts und die Aufsicht hat nachweislich total versagt. Dadurch konnten überhaupt erst die Verletzungen der Menschenrecht unbeaufsichtigt geschehen. Das wurde damit beweisbar Systemimmanent so beabsichtigt, weil die damaligen Regeln schon im Systems selbst enthalten waren, ohne von diesem explizit so beinhaltet zu sein. Daher konnten die negativen Auswirkungen, durch die Unreformierbarkeit der widerrechtlichen systemimmanente Kirchen-Struktur überhaupt erst bewerkstelligt werden.

Bundessozialhilfegesetz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Juli 1958 veröffentlichte das zuständige Bundesinnenministerium den ersten von zwei Referentenentwürfen zu einem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Auf dem Gebiet der Sozialhilfe erklärt die Verordnung über die Fürsorgepflicht von 1924 in § 5 Abs. 3 - der fast gleichlautend mit § 93 Abs. 1 Satz 2 BSHG war, dass die Fürsorgeverbände eigene Einrichtungen vereinbaren sollten. Nach Absatz 2 sind nur mit Trägern von Einrichtungen abzuschließen, die insbesondere unter Berücksichtigung ihrer Leistungsfähigkeit und der Gewährleistung der Grundsätze des § 3 Abs. 1 zur Erbringung der Leistungen geeignet sind. Die Diakonie brachte die Partnerschaft in die interkonfessionellen Gespräche ein. Der Begriff sollte einerseits die institutionelle Autonomie der Kirche herausstellen – dies wurde wichtig, weil das BSHG und JWG eine stärkere staatliche Heimaufsicht und eine breitere Delegation öffentlicher Fürsorgeleistungen an die Kirche vermuten ließ –, aber gleichsam sollte der Begriff „Partnerschaft“ aber auch auf ein gleichrangiges Miteinander von öffentlichen und freien Träger in der Fürsorge hingewiesen. Hier verstand sich die Diakonie als ein Träger unter mehreren in der pluralistischen Gesellschaft. Diese Position konnte oder wollte die katholische Kirche nicht mitgehen und sie postulierte gerade wegen der pluralistischen Gesellschaft die Notwendigkeit eines Vorranges wertgebundener Träger vor dem Staat. In der Veröffentlichung „Evangelische Stimmen zum Bundessozialhilfegesetz“ wurde das BSHG als epochaler Schritt in ein „gutes, ausgereiftes, modernes Fürsorgerecht“, als neue Herausforderung und Impuls für die diakonische Praxis und als gut vereinbar mit dem christlichen Menschenbild gelobt. Doch die sozialethische Diskussion deutete an, dass sich die Kirchen und ihre Diakonie und Caritas mit den sozialpolitischen Neuerungen teilweise schwer taten. Lange stellte barmherzige Hilfe und das Recht des Hilfebedürftigen einen schwer überbrückbaren Gegensatz dar. In der Entstehungszeit des BSHG wurde Armut noch immer stark mit Lebensuntüchtigkeit konnotiert oder als erstrebenswerter christlicher Lebenszustand spiritualisiert. Hilfsbedürftigkeit stand im Zusammenhang mit individuellen schuldhaftem Versagen und wurde weniger als Folge gesellschaftlicher Umstände verstanden.

Besonders wuchs die öffentliche Rolle der Kirchen durch die quantitative Ausweitung der Fürsorge. Die Diakonie besetzte z. B. neue Gebiete sozialer Hilfe jenseits der klassischen Kirche. Sie verlagerte den Schwerpunkt der Hilfeform von der Anstaltsdiakonie zu offenen und halboffenen Einrichtungen und begann vorsichtig, sich anderer Hilfswissenschaften (Psychologie, Medizin, Pädagogik) zu bedienen. Es zeichnet sich spätestens mit den Auswirkungen des BSHG ein massiver Professionalisierungsdruck ab. Hinsichtlich der Sozialhilfe waren nicht nur die 1960er-Jahre „dynamische Zeiten“. Besonders wuchs die öffentliche Rolle der Kirchen durch die quantitative Ausweitung der Fürsorge. Die Diakonie z. B. besetzte neue Gebiete sozialer Hilfe jenseits der klassischen Kirche. Sie verlagerte den Schwerpunkt der Hilfeform von der Anstaltsdiakonie zu offenen und halboffenen Einrichtungen und begann vorsichtig, sich anderer Hilfswissenschaften (Psychologie, Medizin, Pädagogik) zu bedienen. Es zeichnet sich spätestens mit den Auswirkungen des BSHG ein massiver Professionalisierungsdruck ab.

Aus dem Sozialstaatsprinzip erfolgte Keineswegs, dass der Gesetzgeber für die Verwirklichung dieses Ziels nur behördliche Maßnahmen vorsehen darf. Art. 20 Abs. 1 GG bestimmt nur das „Was“, das Ziel, die gerechte Sozialordnung er lässt aber für das „Wie“, d. h. für die Entstehung des Ziels, alle Wege offen. Im übrigen bleibt sowohl nach der im Jugendwohlfahrtsgesetz wie nach der im BSHG getroffenen Regelung nur der Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder Sozialhilfe dem Hilfsbedürftigen gegenüber verpflichtet. Die Aufgabenbereiche der Jugendhilfe und der Sozialhilfe haben das Bild der heutigen gemeindlichen Selbstverwaltung entscheidend mitgeprägt. Aber es darf nicht übersehen werden, daß schon das RJWG von 1922 in § 1 Abs. 3, § 4 Abs. 1 und § 6 die freiwillige Mitarbeit der privaten Jugendhilfe vorausgesetzt und ihre Unterstützung und Förderung durch das Jugendamt angeordnet hat. Allerdings ist die Verpflichtung zur Durchführung der in nicht neu schaffen sollen, soweit geeignete Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege ausreichend vorhanden sind. Auch diese Vorschriften haben den Umfang der beiden Bereiche abgesteckt und damit das Bild der heutigen gemeindlichen Selbstverwaltung mit bestimmt. Man kann daher nicht sagen, zum geschützten Kernbereich der Selbstverwaltung gehöre kraft Herkommens, dass die Gemeinde auf dem Gebiet der Jugend- und Sozialhilfe keinerlei gesetzliche Beschränkung ihres Aufgabenbereichs zugunsten der Tätigkeit der freien Jugendhilfe und der Wohlfahrtsverbände hinzunehmen brauche. Außerdem bleibt den Gemeinden die Gesamtverantwortung dafür, dass in beiden Bereichen durch behördliche und freie Tätigkeit das Erforderliche geschieht. Die Regelung des BSHG und JWG sollte nur eine Abgrenzung der Aufgaben zwischen Gemeinde und privaten Trägern, die lediglich eine vernünftige Aufgabenverteilung und eine möglichst wirtschaftliche Verwendung der zur Verfügung stehenden öffentlichen und privaten Mittel sicherstellen soll.

Kritik zur Heimerziehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Kritik in der damaligen Heimerziehung haben in Deutschland ab dem Jahr 1945 einige Erziehungswissenschaftler genau beschrieben, was eine „Totale Institution“ der Kinderheime oder der Jugendanstalten bedeutete und was geändert werden musste.

Elisabeth Bamberger forderte schon 1948 die Abschaffung der Fürsorgeerziehung und die Streichung des unbestimmten Rechtsbegriffs Verwahrlosung aus dem Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG). Die Praxis der Fürsorgeerziehung hielt sie für pädagogisch kontraproduktiv und politisch mit einer demokratischen Gesellschaftsordnung nicht vereinbar. Sie kritisierte auch die bürokratische „seelenlose Aktenführung“ und Berichterstattung über Kinder, Jugendliche und ihre Familien in Jugendämtern und Heimen. Im Standardwerk „Handbuch der Heimerziehung“ wurde 1955 der „Zwangscharakter des Erziehungssystems“ der Fürsorgeerziehung von Frau Bamberger scharf kritisiert:

„Sie erfordert eine rationale Durchgestaltung der Erziehung. Die Methode herrscht. Die Ordnung des Zusammenlebens erstrebt die erhöhte Brauchbarkeit des Zöglings. Das Erzieher-Zöglings-Verhältnis ist autoritär. Lehrer, Meister und Erzieher fordern als Vertreter objektiver Ansprüche Gehorsam. Deshalb gilt die gehorsame Unterordnung unter den Anspruch der Ordnung als Erziehungserfolg. Die menschliche Zuordnung dient den Ordnungs-, Lehr- und Arbeitsansprüchen. Unerbittlich hart werden Ordnungs- und Arbeitsgewöhnung organisiert. Die Dressur überwiegt das Bedürfnis, Einsicht zu wecken. Die Entschlossenheit der Macht, die das Ordnungssystem schützt, lässt überall den Strafcharakter noch durchschimmern. Die eindeutige Ausrichtung auf ein arbeitshartes Leben macht die Anstalt klar, einfach und durchsichtig. Der Apparat garantiert die Ordnung, die Leitung ordnet die Arbeit an, überwacht sie und bricht den Widerstand mit Gewalt. Drill, blinder Gehorsam und die Entpersönlichung des Verkehrs werden auf die Spitze getrieben. Der Anstaltsapparat mit seinem pädagogisch unvorgebildeten Aufseherstab bildet den äußeren Rahmen des versachlichten Lebens. Es wird unentwegt gearbeitet, um die Kraft der anderen Triebe zu schwächen. Die Arbeit richtet sich gegen körperliche Verweichlichung. Schwere körperliche Arbeit wird bevorzugt“.

Professor Hanns Eyferth charakterisierte schon 1950 die Verhältnisse in den Erziehungsheimen für Jugendliche folgendermaßen:

„Sie richten sich auf eine Erziehung des durch Gehorsam erzwungenen vorschriftsmäßigen Verhaltens. Hier wirken sowohl ältere traditionelle Erziehungsauffassungen von der selbstverständlichen Gehorsamspflicht, wie konfessionelle Vorstellungen und schließlich militärische Vorbilder. Dabei haben wir aber nicht Aufseher, sondern Erzieher vor uns“.

Elisabeth Bamberger hatte nochmals im Jahr 1957 die Tilgung der „Verwahrlosungsparagrafen“ aus dem RJWG gefordert, weil sie in der Praxis der Jugendämter und Gerichte völlig unkontrolliert mit den subjektiven Vorstellungen von Moral, Sitte und Anstand der ihn handhabenden Beamten und Richter aufgeladen wurden, die ihrerseits weitgehend vom „gesunden Volksempfinden“ und ihrer eigenen Mittelschichtsozialisation geprägt waren.

Im Jahr 1958 schrieb ein Psychologe vom Evangelischen Reichserziehungsverband (EREV):

„Man versteht unter Verwahrlosung, ganz allgemein gesagt, eine Summe von Verhaltensweisen eines Menschen, die aus dem Rahmen des sozial Üblichen herausfallen. Verwahrloste Kinder und Jugendliche zeigen in ihrem Verhalten auffällige Erscheinungen, die zwar in sich oft widersprüchlich sein können und individuell unterschiedliche Stärkegrade haben können, die aber doch so viel Gemeinsames aufweisen, dass der Sammelbegriff ‚Verwahrlosung’ durchaus gerechtfertigt erscheint […]. So sind Verwahrloste zunächst einmal in jedem Fall unfähig, sich in die Gemeinschaft einzugliedern, sich den sozialen Ordnungen und Verbindlichkeiten zu fügen und verantwortlich zu handeln. Sie erscheinen ohne Pflichtbewusstsein, sie sind egozentrisch und unberechenbar, launisch, undiszipliniert und Gemütsregungen sind, mindestens nach außen hin, selten ersichtlich. Ihr Mangel an Halt, an Willen, an Leistungsbereitschaft, an echter Kontaktfähigkeit kennzeichnet sie in ihrem Verhalten zur Umwelt. Sie haben einen Hang zum Stehlen, Lügen, Betrügen und zu sexuellen Fehlhaltungen; ihre egoistische Anspruchshaltung treibt sie zu frechem, rohem, oft brutalem Benehmen. […] Damit sie ihre materiellen Wünsche befriedigen können und weil sie sittlichen Forderungen gegenüber taub sind, verfallen sie leicht der Prostitution. Ihr Verhältnis zur Arbeit ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ausdauer. Sie bummeln, schwänzen die Schule, bleiben der Arbeit fern, wie es ihnen passt. Schon bei geringen Belastungen, Anforderungen oder Reibungen in den zwischenmenschlichen Beziehungen kommt es zu Weglaufen und nächtlichem Herumstreunen. Sie weichen fortwährend der Wirklichkeit aus, die sie als Last und Einengung empfinden“.

Herman Wenzel veröffentlichte 1970 in Sachen Erziehung beim renommierten Klett-Verlag (Stuttgart) eine empirische Studie zu einem staatlichen, katholischen und evangelischen süddeutschen Fürsorgeerziehungsheim für männliche Jugendliche:

„Die Befunde seiner Untersuchung, seien lediglich eine Bestätigung seit langem bekannter Tatbestände. Je mehr Untersuchungen gleiche Missstände und Mängel aufzeigten, desto gültiger und dringender werde das Postulat, in der Erziehungshilfe neue Wege zu gehen. Der Misserfolg der Heimerziehung liege weitgehend im Versagen der Heime und Behörden begründet, das nicht mit fehlenden finanziellen Mitteln in den öffentlichen Haushalten entschuldigt werden könne. Inzwischen sind mehr als zwei Jahrzehnte verflossen; die Kritik der britischen Delegation hat aber nichts an ihrer Aktualität eingebüßt“.

Professor Klaus Mollenhauer führte 1971 einer der bedeutendsten Sozialpädagogen der „alten“ Bundesrepublik, eine empirische Untersuchung in sechs Erziehungsheimen durch. Wörtlich:

„Eine Erziehung, die an den spezifischen Erziehungsbedürfnissen der Kinder und Jugendlichen orientiert wäre, konnte in keinem der untersuchten Heime beobachtet werden. Die ermittelten Zielvorstellungen und die beobachteten ihnen zugeordneten Methoden sind zugeschnitten auf abstrakte Normen, Einstellungs- und Verhaltensmuster, ohne dass deren Gültigkeit problematisiert würde, weder generell, noch in Bezug auf die Population auf die sie gemünzt sind. In diesem institutionellen und personellen Organisationszusammenhang werden die Kinder und Jugendlichen als Störfaktoren definiert. Wenn Anpassung an die Erfordernisse der Organisation somit de facto als der Erziehungszweck des Heimes ausgemacht werden kann, so entspricht dem, dass eine im eigentlichen Sinne pädagogische Konzeption entweder gar nicht oder nur in unzulänglichen Ansätzen vorhanden ist“.

Soweit konkrete vertragliche Regelungen in den Fürsorgeeinrichtungen bis zum Jahr 1991 fehlten, bestimmen sich die Rechte und Pflichten in den Rücksichts-, Schutz- und Förderpflichten gegenüber einem Schutzbefohlenen nach § 242 BGB (Treu und Glauben). Danach war das Kinderheim als Pflegeeinrichtung grundsätzlich verpflichtet, das allgemeine Persönlichkeitsrecht der bei ihm untergebrachten Heimkind, nicht selbst durch Eingriffe in deren Persönlichkeits- oder Freiheitssphäre zu verletzen, das Kind vor Belästigungen durch andere Erziehungsberechtigte oder außenstehende Dritte, auf die das Kinderheim einen Einfluss hat, zu schützen, eine Menschen gerechte Unterkunft zur Verfügung zu stellen und die Persönlichkeit des Kindes zu fördern. Die Versagung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, konnten auch Unterlassungs- und Handlungspflichten auslösen. Zur Einhaltung dieser Pflichten, konnte das Kinderheim als Störer von Rechten und Pflichten, nicht nur dann in Anspruch genommen werden, wenn das Kinderheim selbst den Eingriff beging oder steuerte, sondern auch dann, wenn es der Verantwortliche Erzieher unterließ, Maßnahmen zu ergreifen oder seine Fürsorgeeinrichtung so zu organisieren, dass eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts und der Menschenwürde ausgeschlossen wurde.

Zwangsarbeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Historie wurde in der Rechts-Literatur, vor allem durch die 61 Väter und 4 Mütter des deutschen Grundgesetzes (Parlamentarischer Rat 1949), immer beinhaltet, dass die Strafgefangenen, Sicherungsverwahrte und „Fürsorgezöglinge“ nicht auf Grund eines Arbeitsvertrages arbeiten müssen, sondern „auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Verhältnisses“. Zwangsarbeit von Kindern und Jugendliche hatte in Deutschland auch nach 1945 stattgefunden, obwohl der Schutz der Menschenwürde und der Persönlichkeitsrechte durch die Grundrechte in der Verfassung seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland gegolten hat. Ohne Einschränkungen galt auch für Schulkinder und Jugendlichen die in Heimen leben mussten, jegliche Art und Form einer erzwungenen Arbeit. Die Kinder und Jugendliche mussten den Schutz und die Geborgenheit einer Familie entbehren und das staatliche Wächteramt hätte nach Art.6 GG in der Verfassung festgeschrieben und in ganz besonderem Maße hätten gelten müssen, wurden sie in Heimen und Jugendanstalten, für die der öffentliche Träger die Gesamtverantwortung hatte, zu Ausgelieferten, die keine Chance hatten, sich gegen die ihnen zugefügte Erniedrigung, Unterdrückung und Ausbeutung zu wehren. Die Kinder- und Jugendhilfe als Verpflichtung und Selbstverpflichtung, auf die Grundrechte der Verfassung bzw. auf Menschenwürde und Menschenrechte, wurden in der Alltagspraxis der Heimerziehung während der ersten drei Jahrzehnte der Bundesrepublik nicht eingelöst. Bis in die 1970er Jahre mussten Hunderttausende Kinder und Jugendliche in westdeutschen Kinderheimen und Jugendanstalten (keine Jugendstrafanstalten) eine aufgezwungene Arbeit in der Haus- und Landwirtschaft der Heime, in Eigenbetrieben der Heimträger oder Hilfsarbeiten an Fremdfirmen, Milliardenbeträge erwirtschaften. Mit diesem eingesparten staatlichem Geld, wurden Jahr für Jahr widerrechtlich, die Budgets der staatlichen Jugendhilfe entlastet und damit letztendlich auch der Steuerzahler.
vgl.BAG 5 AZR 268/11 vom 16. 05. 2012, Rn 17, 38
vgl.BSGE 18, 246 / BSG 3 RK 36/59 vom 30.01.1963 Fürsorgeerziehung und Versicherungsfreiheit

Vom Verbot zur unentgeltlichen „Arbeit als Therapie“, wurden auch die erzwungenen Arbeiten uneingeschränkt erfasst, die in einer die Menschenwürde missachtenden Weise unter gleichzeitigem Verstoß gegen bestimmte Grundrechte zustande kamen, etwa als Maßnahme zur Arbeitsdisziplin als Verletzung des Art. 12 GG. Ebenso war der Art. 1 Buchst. c des Übereinkommens Nr. 105 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) vom 25. Juni 1957 über die Abschaffung der Zwangsarbeit zu berücksichtigen. Bei der erzwungenen Arbeit muss iZm. der nachweisbaren „Zwangsarbeit“ ein arbeitsvertraglicher Unterschied gemacht werden, denn der beschäftigte Heimzögling, als Arbeitnehmer/in und Weisungsempfänger/in, hatte die erzwungene angeordnete Arbeitsleistung des Weisungsberechtigten zu erbringen. Dabei wurde die unfreiwillige Arbeit einseitig rechtswidrig von einem Vergütungsanspruch und nach dem Sozialversicherungsrecht ausgeschlossen. Das gilt nur für Jugendliche ab dem 14. Geburtstag, da sie nicht dem Verbot der Kinderarbeit unterlagen und für die abgezwungene Arbeit gab es keinen Cent.

Der § 26 BSHG (a.F.) geht auf § 20 der Verordnung über Reichsfürsorgepflicht (RFV) vom 13. 02. 1924 (RGBl. S. 100 - RFV) zurück. Gegenüber dem RFV sind die Voraussetzungen, unter denen die zwangsweise Unterbringung in eine Arbeitseinrichtung erfolgen konnte, durch BSHG wesentlich verschärft worden. Zudem konnte aufgrund des BSHG die Möglichkeit eröffnen werden, jemand zur unentgeltlichen Arbeitsleistung in einer abgeschlossenen Jugendanstalt unterzubringen, wenn er sich trotz wiederholter Aufforderung beharrlich weigerte, eine angewiesene zumutbare Arbeit zu leisten, bevor ihm eine staatl. Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt werden musste. Das im BSHG beinhaltete Alter von 18 Jahren konnte vom Amtsgericht missachtet werden, da anschließend nur das jeweils zuständige Gesetz § 10 Abs. 1 Nr. 4 JGG zur Arbeitserziehung in die Jugendanstalt benutzt wurde. Bei der Unterbringung nach § 73 Abs. 2 und 3 BSHG geht es aber weder um den Schutz der Allgemeinheit noch um den Schutz des Betroffenen. Es geht allein um die „Besserung“ des Betroffenen: Er soll mit Hilfe der Freiheitsentziehung zu einem geordneten Leben hingeführt, an regelmäßige Arbeit gewöhnt, auf Dauer sesshaft gemacht werden.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezog sich explizit nur auf die Zwangsunterbringung von „Gefährdeten“ im Sinn von § 73 BSHG und ließ die fürsorgerechtliche Arbeitshausunterbringung nach § 26 BSHG a.F. und die strafrechtliche Arbeitshausunterbringung nach § 42 d StGB unerwähnt. Doch mit der Feststellung des BVerfG, der Staat habe kein Recht, seine Bürger zu „bessern“, war inhaltlich auch das Verdikt über die zwangsweise Anstaltsunterbringung insgesamt beurteilt worden, die ja bis dahin über weite Strecken genau diese Besserung zum Ziel hatte. Zum 01. 09.1969 wurde dann auch der § 42 d StGB aufgehoben. Die Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift gem. des § 73 BSHG wurde mit der Begründung 1967 vom BVerfG bejaht, dass es nicht Aufgabe des Staates sei, seine Bürger durch Zwangsmaßnahmen wie Pflichtarbeit oder Freiheitsentziehung zu erziehen und zu bessern. Dazu hatte das BVerfG im Urteil am 15. 12. 1970 zum dementsprechende Inhalt des § 26 BSHG a.F. in ständigen Rechtsprechung zur Einweisung arbeitsunwilliger Sozialhilfeempfänger zur Arbeitserziehung nur das BSHG betrachtet ohne auch nur annähernd mit dem JWG iZm. dem Art. 12 GG bei Jugendlichen auseinander zu setzen und im Urteil mit zu berücksichtigen. Hier wurden in damaligen Einweisungsmaßnahmen durch das Amtsgericht - anstatt durchs Vormundschaftsgericht -, bei einer angeordnete Arbeitstherapie „widerrechtlich“ das BSHG (Bundessozialhilfegesetz) und nicht mit dem JWG verbunden, um evtl. einen Facharbeiter Beruf als eine Unterstützung zur „Hilfe zur Selbsthilfe“ gewährleisten zu können. Es kann diese Entscheidung des BVerfG schon deshalb nicht überzeugen, weil sie nur den „Eingriff in die Freiheit der Person“ nach Art. 2 Abs. 2 GG, nicht aber die Vereinbarkeit mit Art. 12, Art. 104 GG und dem Art. 4 EMRK ge- bzw. überprüft hatte. Damit war die zwangsweise Anstaltsunterbringung eines jugendlichen Erwachsenen ab 14 Jahre, die weder dem Schutz der Allgemeinheit noch dem Schutz des Betroffenen selbst, sondern ausschließlich seiner „Besserung“ dient, verfassungswidrig. Ebenso war die Unterbringung zur Arbeitserziehung nach § 26 BSHG a.F., die ja gerade auch dieses Ziel verfolgte, nun hinfällig geworden, denn der vergleichbaren Leistungsausschlusses erstreckte sich bisher, wenn er erwerbsfähig war, nach Alter und Gesundheitszustand, konnte somit nicht mehr zum umfassenden Einsatz seiner Arbeitskraft zur Einkommenserzielung angehalten werden. Die direkte „Arbeitserziehung“ durch Arbeits-Verpflichtung ist von Anfang an Bestandteil des BSHG gewesen. Die gesetzliche Aufgabe der Sozialhilfe, eine Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, musste allerdings der „Würde des Menschen“ und der „Verhältnismäßigkeit der Mittel“ entsprechen, war deswegen grundsätzlich nicht an die Forderung gebunden, seine Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhaltes (z.B. gem. § 18 BSHG) unter Androhung der sanktionierten Kürzung der Mittel einzusetzen. Durch das erhebliche Wachstum der deutschen Industrie während der 50er und 60er Jahre und die einhergehenden faktischen Vollbeschäftigung, ließen den anhaltende wirtschaftliche Aufschwung in den Jahren 1962 bis 1965 nur ca. 0,7 %. gemeldete Arbeitslose übrig und wurde auch ein Grund dafür, dass der dementsprechende Wortlaut im BSHG a.F. im Jahr 1974 schließlich ganz abgeschafft wurde und ab dem 01. 01. 2005 wurde auch das BSHG durch die Sozialgesetzbücher (SGB) ganz abgelöst.
vgl. BVerfGE 30, 47 / BVerfG 2 BvL 17/67 vom 15. 12. 1970, Rn. 18 ff
vgl. BVerfGE 22, 168 / BVerfG 2 BvF 3/62 vom 18. 07. 1967, Rn. 135, 140 ff

Der westdeutsche Parlamentarischer Rat bzw. die Väter des Grundgesetzes - Drs. Nr. 370 vom 13. Dezember 1948 - hatten nach 1945 folgende inhaltliche Kommentierung zur Verfassungs-Ausführung iZm. der Fürsorgeerziehung beschlossen:

„Die vorgeschlagene Fassung wird für ausreichend gehalten, da jede Zwangsarbeit, sei es im Strafvollzug, sei es etwa in der Fürsorgeerziehung nur auf Grund gerichtlicher Entscheidung, die die Strafhaft oder die Fürsorgeerziehung anordnet, möglich ist“
vgl. BVerfGE 74, 102 / BVerfG 2 BvR 209/84 vom 13. 01. 1987, Rn. 67

Vor dem Hintergrund des allgemeinen Aufschwungs der Weltwirtschaft stieg die Bundesrepublik mit jährlichen Zuwachsraten um 10% zum drittgrößten Industriestaat der Erde auf und das Bruttosozialrodukt hatte sich in 10 Jahren bis 1961, mit einer Arbeitslosenquote unter 1%, verdreifacht und es herrschte praktisch die Vollbeschäftigung. Einhergehend mit dem technische Fortschritt, kennzeichnete die Zeit ab den 1960er Jahre die Entwicklung der Bundesrepublik in der Ära Adenauer zur sog. „Wohlstandsgesellschaft“. In der Grundeinstellung hinterließ beim ausbreitenden Wohlstand, bei einer bestimmten Bevölkerungsschicht auch deutliche Spuren. Die Konzentration nur auf materielle Verbesserungen, auf Familie und häusliches Leben und der Stolz auf das Erreichte, bedrängte das Interesse an gesellschaftlichen Veränderungen vielfach in den Hintergrund.“ Der bekannt gewordene Skandal, der insgesamt isolierenden, stigmatisierenden Kinder und Jugendlichen, die im Rahmen der geschlossenen Unterbringung strafenden Heimerziehung, die kriminelle Karrieren der betreuten Kinder und Jugendlichen eher als deren Sozialisations-Entwicklungen positiv beeinflussen konnte, wurde nachhaltig jedoch erst im Gefolge der „Heimkampagne“ ab Mitte der 1960er Jahre diskutiert.

Dem Individuum „Heimkind“ wurde erstmals ab 1962 als ein staatlich schutzbefohlener Zögling ein subjektives Öffentliches Recht als einklagbarer Rechtsanspruch auf Fürsorge gem. dem BSHG durch den Staat gewährt. Hergeleitet wurde dieser Anspruch aus den Grundrechten des Artikel 1 GG (Schutz der Menschenwürde), Art. 2 GG (freie Entfaltung der Persönlichkeit) sowie dem Sozialstaatsgebot des Art. 20 GG. Ausgehend von dieser Maxime wurde ein neues Recht der sozialen Unterstützung entworfen, das im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) vom 01. 06.1962 festgeschrieben wurde. Beispielhaft sehr fragwürdig, ermächtigte § 26 BSHG a.F. bis 1969 den Leistungsträger der örtlichen Fürsorge, arbeitsunwillige Personen als sog. „Müßiggänger“ in ein Arbeitshaus einzuweisen, falls sie selbst wegen der Arbeitsscheu auf Fürsorgeleistungen angewiesen waren. Es wurde dann vor allem vom Amtsgericht beim Beschluss als Einweisungsgrund „nur“ noch das Jugendgerichtsgesetz der § 10 Abs. 1 Nr. 4 JGG benutzt, um eine Einweisung in eine geschlossene Jugendanstalt mit der vorgesehenen Weisung, die Arbeitsleistungen zur Arbeiterziehungsmaßnahme bewerkstelligen zu lassen. Die erzwungene Arbeitstherapie wurde [widerrechtlich] nicht den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 2 und 3 GG unterstellt und es wurde kein Lohn gezahlt und keine Sozialabgaben zur Rente abgeführt, demnach bestand kein Arbeitsvertragsverhältnis, also war es Zwangsarbeit.

Zur strafrechtlichen Seite der „repressiven Fürsorge“ äußerte sich das Bundesverfassungsgericht jedoch weitaus weniger klar. Als ein Essener Strafrichter im Gericht im Jahr 1970 die Frage vorlegt bekam, ob die Bestrafung des „stillen“ Bettelns nicht verfassungswidrig sei da es niemandem schade, lehnte es das BVerfG schlicht ab, sich mit dieser Frage zu befassen. Die bizarre Begründung, die das BVerfG im Jahr 1971 gab, lautete, es handele sich bei § 361 Nr. 4 StGB um eine „vorkonstitutionelle“ Norm, die nicht der ausschließlichen Verwerfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts unterliege und außerdem mit der im Jahr 1974 anstehenden Reform ohnehin aus dem StGB ausscheiden solle. Also alle Jugendliche, die ab 1945 noch nicht 21 Jahre alt waren, hatten bis 1975 ein echtes Problem, wenn sie Nichtsesshafte, Obdachlose, Bettler, Spieler, Trinker, Müßiggänger, Arbeitsscheue, Sozialhilfeempfänger gewesen waren und auffielen, konnte eine Einweisung in die Jugendanstalt erfolgen. Auch der § 1838 BGB wurde allerdings erst 1991 vom SGB VIII abgeschafft, der u.a. bis dahin vorsah, das dass Vormundschaftsgericht anordnen kann, dass der jugendliche Mündel zum Zwecke der Erziehung in einer geeigneten Familie oder in einer Erziehungsanstalt untergebracht wird.
vgl. BVerfGE 32, 256 / BVerfG 1 BvL 29/70 vom 16. 11. 1971

In den Jahren 1967 bis 1974 verschwanden aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG alle Varianten der zwangsweisen Arbeitshaus- bzw. Anstaltsunterbringung gegenüber sozialen jugendlichen Außenseitern aus dem bundesdeutschen Straf- bzw. Fürsorgerecht. Im Jahr 1991 gab es außerdem wegen den zuständigen Sozialgesetzbüchern (SGB) nochmals eine grundlegende Berichtigung und Bereinigung der Sozialgesetzgebungen. Allerdings bestehen weiterhin die problematisch fragwürdigen Inhalte des § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 JGG, indem eine richterliche Anweisung zur Arbeitstherapie als erzwungene Arbeitsmaßnahme, die ohne Arbeitsvertrag und Sozialversicherung ist, mit dem Art. 4 EMRK grundsätzlich in Widerspruch steht. Das muss nicht gelten, wenn die richterliche Weisung aufgrund der §§ 1, 5, 4, 11 u. 105 JGG nur geringfügig in die „Freizeitgestaltung“ des Jugendlichen eingreift und wenn es eine von ihm ausgesuchte „freiwillige“ Arbeit nur kurzzeitig in Anspruch genommen wird, wobei der allgemeine Gleichheitssatz und die Verhältnismäßigkeit iZm. der begangenen Straftat des Jugendlichen – auch wenn er unvermögend ist und kein Beruf hat – gewahrt werden muss. Ein Beispiel: Ein 17 Jahre alter Jugendlicher wurde im Jahr 1983 des Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig gesprochen, indem ihm vom Richter die Weisung erteilt wurde, 16 Stunden Hilfsdienst in gemeinnütziger Einrichtung zu arbeiten. Die Erfüllung der Weisung, Hilfsdienst zu leisten, sei - laut Gericht - Arbeit im Sinne des Art. 12 Abs. 2 GG, da sie trotz ihres sozialen oder karitativen Zwecks grundsätzlich im Rahmen beruflicher Tätigkeit erbracht werde. Hierbei müsste das Gericht allerdings gerügt werden, denn die (Hilfsdienst) Arbeit wurde - wenn auch nur mittelbar - erzwungen, da dem Verurteilten Jugendlichen nach § 11 Abs. 3 JGG bei Nichtbefolgung Ungehorsamsarrest drohte. Damit ist die „unfreiwillige und unentgeltliche“ Arbeitsanweisung eine Zwangsarbeit im Sinne von Art. 12 Abs. 2 GG, die einer aus dem Grundgesetz abgeleiteten genaueren detaillierten Rechtfertigung bedürfe. Wenn es nach einem beweisbaren Vortrag eine Arbeit unter Androhung von körperlicher und psychischer Gewalt erzwungen worden ist, handelt es sich bekanntermaßen um eine erzwungene Arbeit, die grundsätzlich Zwangsarbeit beinhaltet.

Die Zwangsarbeit und die EMRK wurde Rückblickend bei der Fürsorgeerziehung nicht berücksichtigt. Die negative Auffassung des BVerfG vom 14. März 1972 ist nur damit zu erklären, dass es die traditionelle „Ausgestaltung des Strafvollzugs“ bei den Jugendlichen mit der Form eines „besonderen Gewaltverhältnisses“ zuließ, um die Grundrechte des Strafgefangenen - wie bei der Fürsorgerziehung - in einer unerträglichen Unbestimmtheit zu relativieren. Das Grundgesetz war seit 1949 eine wertgebundene Ordnung, die den Schutz von Freiheit und Menschenwürde als den obersten Zweck allen Rechts erkennen musste; dass Menschenbild war bis dato allerdings nicht das des selbstherrlichen Individuums, sondern das der in der Gemeinschaft stehenden und ihr vielfältig verpflichteten Persönlichkeit geschuldet. In Art. 1 Abs. 3 GG wurden bis heute die Grundrechte für Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung für unmittelbar verbindlich erklärt. Dieser umfassenden Bindung der staatlichen Gewalt widerspräche es, wenn im Strafvollzug - auch nach dem § 10 JGG - die Grundrechte beliebig oder nach Ermessen eingeschränkt werden konnten. Eine Einschränkung käme nur dann in Betracht, wenn sie zur Erreichung eines von der Wertordnung des Grundgesetzes gedeckten gemeinschaftsbezogenen Zweckes unerlässlich wäre und in den dafür verfassungsrechtlich vorgesehenen Formen geschah. Die Grundrechte der Strafgefangenen konnten also nur durch oder aufgrund eines Gesetzes (wie die Fürsorgeerziehung) eingeschränkt werden, allerdings auf die– möglichst engbegrenzte – Generalklauseln durfte nicht verzichtet werden.
vgl. BVerfG 33, 1 / BVerfG 2 BvR 41/71 vom 14. März 1972, Rn 18

Bei der Fürsorgeerziehung wurde allerdings bei einer erzwungenen Arbeitsmaßnahme oder bei einer Erziehung durch die erzwungene Arbeit – die eine tatsächliche Zwangsarbeit bedeutete –, nichts gezahlt und somit ein Sozialversicherungsbetrug beweisbar. Hier bestand eine Versicherungspflicht auch für Lehrlinge in staatlich anerkannten Lehrwerkstätten eines Erziehungsheimes, denn bis zum Inkrafttreten des 1. Rentenversicherungsänderungsgesetzes am 1. Juli 1965 sind dennoch nicht für alle in Berufsausbildung befindlichen Personen die erforderlichen Pflichtbeiträge durch die zuständigen Sozialversicherungsträger eingezogen worden. Erst durch die Rechtsprechung wurde klargestellt, dass z. B. Versicherungspflicht auch für Lehrlinge in staatlich anerkannten Lehrwerkstätten eines Erziehungsheimes, für Behinderte, soweit sie eine Lehrzeit zurückgelegt haben, und für sonst zu ihrer Berufsausbildung beschäftigte Vor- und Nachpraktikanten bestand und dass Beiträge einzuziehen waren. Die dadurch in der Versicherungsbiographie entstandenen Lücken, die bis zum Inkrafttreten des Rentenreformgesetzes 1992 durch die Träger der Rentenversicherung entweder überhaupt nicht als rentenrechtliche Zeit berücksichtigt werden konnten oder nur im Wege der ergänzenden Rechtsauslegung als beitragsfreie Zeiten anerkannt worden sind, sollen durch fiktive Beitragszeiten geschlossen werden.
vgl. BSG 13 RJ 73/91 vom 03. 12. 1992
vgl. BSG B 13 R 109/07 R vom 21. 08. 2008, Rn. 19

Hier bestand von den Väter des Grundgesetzes gegenüber der EMRK ein beweisbarer Rechtsmissbrauch, obwohl auch das Grundgesetz in bestimmten Teilen von der UN-Menschenrechtskonvention (AEMR) vom 10. 12. 1948 (UN-Doc. 217/A-III) abgeschrieben wurde. Trotzdem hatten die Väter des GG sowie das BVerfG den Strafvollzug und die Fürsorgeerziehung eines Kindes oder Jugendlichen in einem Atemzug genannt. Die Gründe, die den Verfassungsvätern dazu bewogen hatte, eine so umfassende Heranziehung des Strafgefangenen oder des Fürsorgezöglings zur Arbeit zuzulassen, mögen in Anlehnung an die damals vertretenen Ansichten vom Sinn des Freiheitsentzugs - der verschiedener Art des verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebots -, für alle staatliche Gewalt verbindlich gewesen sein. Dazu hätte es eine Berücksichtigung zum Schutz des Art. 2 EMRK und Art. 4 EMRK und der Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auf das `Recht auf ein „menschenwürdiges“ Leben´ iZm. Art. 12 GG in den Vordergrund gestellt werden müssen, denn daraus konnte die folgende staatliche Schutzpflicht entnommen werden, dass der Staat das schutzbefohlende jugendliche Leben, auch gegen behördliche Angriffe auf Grund der EMRK zu schützen hatte. Dies folgte nicht nur aus der grundrechtlichen Schutzpflicht, wo zum Beispiel jeder Bürger das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit hatte, sondern das ergab sich auch aus dem einfach gesetzlichen Legalitätsgrundsatz der § 152 Abs. 2, § 160 Abs. 1, § 163 Abs. 1, § 170 Abs. 1 StPO. Die Verfassungsgeber bzw. die Väter des Grundgesetzes hatten darüber hinaus schon jede Art zwangsweise Heranziehung untersagen wollen, die auch nur im Ansatz die Gefahr begründete missbraucht zu werden, wenn sie so in der Praxis zu einer Verletzung der „Menschenwürde“ führen könnte.

Hier musste grundsätzlich das herausragende Merkmal einer Zwangsarbeit betrachtet werden:

„Zwangsarbeit ist eine Arbeit, zu der ein Mensch unter Androhung einer Strafe oder eines sonstigen empfindlichen Übels, gegen seinen Willen, gezwungen wird“.

Im IAO-Übereinkommen Nr. 29 aus dem Jahr 1930 (BGBl. II S. 640; BGBl. II S. 1694) heißt in dem Abs. 2 es dazu:

„Als ,Zwangs- oder Pflichtarbeit‘ im Sinne dieses Übereinkommens gelten jedoch nicht [...]:
c) jede Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person auf Grund einer gerichtlichen Verurteilung verlangt wird, jedoch unter der Bedingung, dass diese Arbeit oder Dienstleistung unter Überwachung und Aufsicht der öffentlichen Behörden ausgeführt wird und das der Verurteilte nicht an Einzelpersonen oder privaten Gesellschaften und Vereinigungen verdingt oder ihnen sonst zur Verfügung gestellt wird“.

Dazu müssten bzw. könnten außerdem noch einige Rechtsprechungen als st. Resp. des BVerfG und BVerwG für ehemalige Heimkinder und heranwachsende Fürsorgezöglinge, berücksichtigt oder mit beachtet werden:

1954
Mit dem Gedanken des demokratischen Staates (Art. 20 GG) wäre es unvereinbar, dass zahlreiche Bürger, die als Wähler die Staatsgewalt mitgestalten, ihr gleichzeitig hinsichtlich ihrer Existenz ohne eigenes Recht gegenüber ständen.
vgl.BVerwGE 1, 159 / BVerwG V C 78/54 vom 24. 06. 1954, Rn. 29

1967
Die zwangsweise Anstalts- oder Heimunterbringung eines Erwachsenen, die weder dem Schutz der Allgemeinheit noch dem Schutz des Betroffenen selbst, sondern ausschließlich seiner „Besserung“ dient, ist verfassungswidrig. Die Freiheit der Person ist ein so hohes Rechtsgut, daß sie nur aus besonders gewichtigen Gründen eingeschränkt werden darf.
vgl. BVerfGE 22, 180 / BVerfG 2 BvF 335/62 vom 18. 07. 1967, Leitsatz Nr. 5, Rn. 141

1970
Der Eingriff in das Grundrecht der Freiheit der Person erfolgt entsprechend Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG aufgrund eines förmlichen Gesetzes (§ 26 Abs. 1 BSHG n.F.); auf diese allgemeine und nicht nur für den Einzelfall geltende Einschränkung wird in § 26 Abs. 1 Satz 3 BSHG ausdrücklich hingewiesen; damit ist der Forderung des Art. 19 Abs. 1 GG entsprochen.
(Anm.: Hier wurde der Art. 12 GG und der Art. 4 EMRK nicht mit betrachtet)
vgl. BVerfGE 30, 47 / BVerfG 2 BvL 17/67 vom 15. 12. 1970, Rn. 16

1987
Wo die von der Verfassung gezogene Grenze des Verbots erzwungener Arbeit im Sinne von Art. 12 Abs. 2 und 3 GG verläuft, läßt sich danach nur fallbezogen feststellen. Dabei gilt es im Auge zu behalten, daß Art. 12 Abs. 2 und 3 GG als Ausdruck bewußter Abkehr von Methoden, die die Person herabwürdigen und für totalitäre Herrschaftssysteme kennzeichnend sind, in enger Beziehung steht zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Achtung der Menschenwürde, auf deren Schutz alle staatliche Gewalt verpflichtet ist (Art. 1 Abs. 1 Satz 2, Art. 79 Abs. 3 GG).
vgl. BVerfGE 74, 102 / BVerfG 2 BvR 209/84 vom 13. 01. 1987, Rn. 70 ff

1998
Dabei genügt es verfassungsrechtlichen Anforderungen, daß § 43 Abs. 1 Satz 1 StVollzG ein Arbeitsentgelt auf der Grundlage eines nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften bestimmten Eckwerts (§ 43 Abs. 1 Satz 2 StVollzG) nach Stunden- oder Tagessätzen (§ 43 Abs. 1 Satz 3 StVollzG) mit der Möglichkeit vorsieht, auch die Art der Arbeit und die erbrachten Leistung des Gefangenen zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 2 StVollzG).
vgl. BVerfGE 98, 169 / BVerfG 2 BvR 441/90 vom 01. 07. 1998, Rn. 131

Die deutschen Kommunen und die Landesbehörden waren es - als die unterbringenden Stellen bzw. Maßnahme- und Kostenträger -, die nicht für das leibliche, geistige und seelische Wohl des einzelnen jungen Menschen gesorgt und nicht den Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen gewährleistet haben. Der Staat und vor allem die überwiegend kirchlichen Träger und deren Heimleitungen bzw. deren Mitarbeitern stehen in einer ganzen Verantwortungskette, die an den entscheidenden Stellen kriminalisiert versagt hatten. Der Fachöffentlichkeit bzw. in Forschung und Lehre iZm. der Kinder- und Jugendhilfe waren diese eklatanten menschenrechtsverletzenden Verhältnisse zu jedem Zeitpunkt in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte in den Kinderheimen und Jugendanstalten bekannt. Von den damaligen kritischen Sozialpädagogen und Psychotherapeuten wurde immer wieder die Abschaffung dieses auf den Arbeits-Zwang und Ausbeutung durch Arbeit beruhenden Systems gefordert und praktische Alternativen wurden entwickelt und ausprobiert. Die Fachleute wurden nicht gehört und deren Meinungen wurden nicht anerkannt, weil der politische Wille zu tief greifenden Veränderungen - vor allem durch den Verzicht - auf die Ausbeutung der Arbeitskraft der Jugendlichen in den Jugendanstalten viel Geld gekostet hätte.

Das „erziehen“ zur Arbeit oder anders gesagt; das „erzwingen“ zur Arbeit, war allerdings bis in die 1970er Jahre ein selbstverständliches probates, perfides, profitables Mittel um den Willen der anvertrauten Jugendlichen zu brechen, und sie damit bei den Fürsorgeanstalten zu Arbeitssklaven zu machen. Eine Arbeitsleistung wurde somit nicht aufgrund eines freiwilligen Einverständnisses mit der Verpflichtung zur Arbeit erbracht. Eine auf Zwang und Androhung von Gewalt beruhende Leistung des Schutzbefohlenen, die von einem Erziehungsberechtigten verlangt wird, indem er eine angebliche Arbeit zur Erziehung ausnutzte, begründet keinen Arbeitnehmerstatus iSd. ArbGG des materiellen Arbeitsrechts, da auf jeden Fall ein Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages die Voraussetzung dazu beinhaltet. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ergibt sich demnach auch nicht aus der st. Rspr. des BAG als Leitzatz zu den sog. „sic-non-Fällen“:

„Kann die vor dem Arbeitsgericht in einer bürgerlichrechtlichen Streitigkeit erhobene Klage nur dann Erfolg haben, wenn der Kläger Arbeitnehmer ist (sog. sic-non-Fall), reicht die bloße Rechtsansicht des Klägers, er sei Arbeitnehmer, zur Bejahung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit aus.“
vgl. BAG AZ 5 AZB 25/95 vom 24. 04. 1996

Dazu müssen natürlich alle Möglichkeiten der verschiedenen Beschäftigungen eine unbedingte Berücksichtigung finden.
1. Prekäre Beschäftigung
Es bestand in den Jugendanstalten auch keine „Prekäre Beschäftigung“ des schutzbefohlenen Fürsorgezöglings, da auch sein beweisbares reguläres (Vollzeit-) Arbeitsverhältnis nicht „prekär“ war– vor allem deswegen –, weil er keine ordentliche Entlohnung bekam und zumal auch keine eigenständige Existenzsicherung möglich war, da eine grundsätzliche richterliche Anordnung (analog § 56 b StGB) gem. § 10 JGG iVm. § 43 StVollzG zur Arbeitsleistung oder der ‚Erziehung zur Arbeit’ fehlte. Unter den Begriff „Prekäre Beschäftigung“ fallen auch Arbeitsverhältnisse mit niedrigen Löhnen, die häufig nicht auf Dauer und Kontinuität angelegt sind, keine Absicherung durch die Sozialversicherung oder / und nur geringe arbeitsrechtliche Schutzrechte aufweisen.
2. atypisches Beschäftigungsverhältnis
Ein „atypisches Beschäftigungsverhältnis“ war nicht vorhanden, da die Arbeit des Schutzbefohlenen von den traditionellen Standards des Normalarbeitsverhältnisses, absichtlich vom Einkommen, der Arbeitszeit, der Integration in die sozialen Sicherungssysteme, der Stabilität und den Arbeitnehmer-(schutz)rechten, sowie ggf. von weiteren Dimensionen - wie etwa Tarifbindung, betriebliche Interessen-Vertretung, Weiterbildung und Aufstiegschancen etc. -, total abwich. Die Folgen einer Beschäftigung des Fürsorgezöglings war für die betroffenen Schutzbefohlenen demnach Sittenwidrig (§ 138 BGB) und eine Verletzung gegen Treu & Glauben (§ 242 BGB), da die Arbeit ohne materielle oder soziale Absicherung war. Es bestanden Benachteiligungen und eine Verweigerung der Bezahlung, die dadurch auch eine Unsicherheit zur längerfristigen berufliche Planungssicherheit beinhaltete.
3. Faktischen Arbeitsvertrag
Es handelte sich in den Jugendanstalten bei der Fürsorgeerziehung sowie der arbeitsrechtlichen Lehre, nicht um einen „Faktischen Arbeitsvertrag“ (vollzogenes fehlerhaftes Arbeitsverhältnis), da ein ehem. jugendliches Heimkind die Tatsachen der Zwangsarbeit gem. § 291 ZPO beweisen kann, da eben kein „besonderes Gewaltverhältnis“ vorlag. In einem gerichtlichen Verfahren geht es auch nicht um eine unfreiwillig eingegangene tatsächliche Arbeit und ein faktischer Arbeitsvertrag kann ausgeschlossen werden, da er in diesem bestimmten Bereich des Rechtsverkehrs grundsätzlich auch nicht zustande gekommen war, indem eine ‚unfreiwillige’ zur Verfügung gestellte Arbeitsleistung des Fürsorgezöglings- das sich in der vorübergehenden angeordneten Führsorgeerziehung befand -, bewusst oder unbewusst durch die Jugendanstalt tatsächlich in Anspruch genommen wurde. Das bedeutete, dass ein Vertrag unabhängig vom Willen der Beteiligten nicht mit den üblichen Voraussetzungen eines Vertrags- Angebot und Annahme - zustande kam.
4. konkludenter Arbeitsvertrag
Es bestand bei der Jugendanstalt (z.B. der Diakonie oder Caritas) auch kein sog. „konkludenter Arbeitsvertrag“, da ausdrückliche Angebotserklärungen durch konkludentes Handeln - also schlüssige stillschweigende Handlungen, die den Schluss zulassen, dass der Handelnde ein Rechtsgeschäft abschließen will – nicht zustande kommen konnte, weil eine nachweisbare tatsächliche Eingliederung des schutzbefohlenen Zöglings im Betrieb nicht stattgefunden hatte.

Ein solcher „Sic-non-Fall“ liegt hier bei allen möglichen Arbeitsvertragsangelegenheiten in der damaligen Heimerziehung oder der Fürsorgeerziehung in den Jugendanstalten nicht vor. Die Tatsachen sind nicht doppelrelevant. Die erhobenen Ansprüche sind dadurch unbegründet, da der Kläger nicht Arbeitnehmer war. Eine der in Art. 12 Abs. 2 und Abs. 3 GG ausdrücklich genannten Ausnahmen sei - angeblich laut Gericht - nicht gegeben; ebenso wenig könnten die aufgrund der Arbeitsweisung zu verrichtenden Tätigkeiten ihrer zeitlichen Kürze, dem Schutzbereich des Art. 12 Abs. 2 GG entzogen werden. Hierbei müssten außerdem die richterlich bzw. gerichtlich angeordneten „unentgeltliche Arbeitsweisungen“ immer als Zwangsarbeit angesehen werden, auch wenn es im richterlich angeordneten Strafvollzug einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung aufgrund eines ordentlichen Gerichtsverfahrens zulässig gewesen sei. „Wenn“ es also keine richterlich angeordnete „Erziehung zur Arbeit“ war, müsste eine beschuldigte Jugendanstalt doch zugeben, dass es ‚Zwangsarbeit’ gegeben hatte. Zum rechtlichen Rahmen der Fürsorgeerziehung hätte gelten müssen, dass in erster Linie mit pädagogischen Mitteln die anvertrauten Jugendlichen, mit einer ordentlichen beruflichen Ausbildung, für ein eigenständiges Leben zu unterstützen und zu befähigen. Das geschah beweisbar nicht, denn es wurde nur ohne Verdienst und ohne soziale Ansicherung ‚zwangs’-gearbeitet.
vgl. BAG 10 AZB 60/12 vom 26. 10. 2012, Leitsätze

Prof. Dr. Manfred Kappler nannte im Jahr 2012 in einer Anhörung - Landtag Bayern - folgendes Beispiel:

„In einer großen diakonischen Einrichtung mussten die Kinder ab dem 10. Lebensjahr, nach dem Besuch der Heimschule am Vormittag, nachmittags an jedem Werktag vier Stunden in der Landwirtschaft der Anstalt arbeiten. Die selbe Arbeit mussten sie auch nach dem 14. Geburtstag als Jugendliche verrichten. Ein mir bekannter Ehemaliger, der mit siebzehn aus dieser Anstalt entlassen wurde, kann für die drei Jahre, die er als Jugendlicher in diesem Heim zur Arbeit gezwungen wurde, Geld aus dem Fonds bekommen. Für die vier Jahre verbotener Kinderarbeit in diesem Heim bekommt er nichts. Ein anderer Ehemaliger, der schon als Sechsjähriger in der Heim eigenen Landwirtschaft eines kirchlichen Heimes arbeiten musste, dann als Vierzehnjähriger in eine Handwerkslehre „mit Kost und Logis“ entlassen wurde, bekommt für die acht Jahre verbotener Kinderarbeit keinen Cent aus dem Fonds. Obwohl er ein begabtes Kind war, durfte er nur die „Hilfsschule“ besuchen, aber auch nur dann, wenn es die jahreszeitlich schwankenden „Bedürfnisse“ der Landwirtschaft des Heimes zuließen“.

Hier ist u.a. auch die Bildungsverweigerung zu beklagen, die anstatt zu lernen als echte schwere Arbeit von Schutzbefohlenen stattfand. Kinderarbeit ist Zwangsarbeit und die Menschenrechtverletzung eines Kindes, die in Form einer widerrechtlich angeordneten Arbeit unter Androhung und Einwirkung von körperlicher und seelischer Gewalt getätigt wurde, war durch ehem. Heimkinder eindeutig beweisbar. Das BVerfG aus dem Jahr 1987 kann u.a. iZm. dem Arbeitszwang zitiert werden, dass der Verfassungsgeber (Bundestag und Bundesrat) ...

... „jede Art zwangsweiser Heranziehung untersagen wollte die auch nur im Ansatz die Gefahr begründet auszuufern, missbraucht zu werden, und so in der Praxis zu einer Verletzung der Menschenwürde führen könnte“.
vgl. BVerfGE 74, 102 / BVerfG 2 BvR 209/84 vom 13. 01. 1987, Rn. 70 ff

Heiner Conrad schreibt dazu am 11. Januar 2011 über seine Zeit in der Jugendanstalt Freistatt bei Diepholz: (siehe Referenzen Nr. 6 / Auszug)

„Das Leben, wenn man es als solches bezeichnen kann, war in Freistatt die sprichwörtliche Hölle. Von früh bis spät Arbeiten. Aufstehen. Betten machen. Anziehen. Frühstücken. Umziehen. Kartoffeln schälen, Arbeitszeug anziehen. Draußen zum Appell antreten. Dann gab es schon die ersten Prügel z. B. weil an sich nicht ordentlich gekämmt hatte oder irgendwo ein Knopf fehlte. Dann „abzählen“. Einteilung für die Moorkolonnen. Mit einer Pump-Lore raus ins Moor. Ca. 4 bis 6 km. Arbeit bis zu Mittag, dann wurde das Essen (was man auch immer darunter verstehen sollte) gebracht. Essen, kl. Zigaretten-Pause, weiter arbeiten und ca. 17 Uhr war Feierabend. Wieder auf die Lore und zurück zum Heim. Kalt Duschen. Umziehen. Keller aufräumen. Abendbrot. 2 Stunden Freizeit – ab ins Bett. Das habe ich 5 Monate gemacht. Dann wurde ich zum Bauern in der Umgebung ‚entliehen’. In der Erntezeit 12 bis 14 Stunden Arbeit. Wenn der Herbst kam, wieder ins Moor zum Torf stechen. Dann an anderen Tagen Kuh-, Schweine- und Schafställe ausmisten. Unsägliche Knochenarbeit. Oder man kam in die Sandgrube und musste für die umliegenden Baufirmen Sand ranschaffen. Zwischendurch war ich in mehreren Etappen in der Arrestzelle, weil ich aufmüpfig war. Insgesamt war ich dort drei Wochen und das immer mit Unterbrechungen. Eben ganz, wie es den sogenannten „Brüdern“ gefiel. Ich habe Ausschlag an beiden Beinen bekommen, offene Stellen, die nicht heilen wollten und auch nicht behandelt wurden. Es hieß: Das kam von alleine, das geht auch wieder von alleine. Den Dauerarrest bekam ich u.a. für das „Abhauen“, Diebstahl eines Fahrrades und Schwarzfahren mit der DB und Zweckentfremdung von Heimkleidung weil ich damit in der Öffentlichkeit war. Im Oktober 1964, ich war 16 Jahre alt, wurde ich entlassen und das ohne Geld, ohne Textilien. Ich hatte nur eine Fahrkarte für Bus und Bahn bis Bochum im Wert von 16 DM und die hatte ich an das Jugendamt Bochum zurückzuzahlen. Ich habe keine Arbeit gefunden, ein Heimkind war damals sowie wert wie ein Zuchthäusler. Ich bekam nur Absagen, kein Geld vom Staat, nix. Und das schlimmste war in meinen Augen, dass man meiner Mutter die Waisenrente wegnahm, die sie bis dahin nach Freistatt zu meiner Verfügung mit 60 DM pro Monat überwiesen hatte. Ich habe aber NIE Geld bekommen, das war wohl die Übernachtung mit Vollpension. Dann die Beurteilung meiner Familie, unglaublich. Es hatte sich nie jemand vom Amt um uns gekümmert . Meine Schwester wurde als geisteskrank eingestuft weil sie eine Hirnhautentzündung hatte. Sie ist weder dumm gewesen, noch dumm geworden. Nach jahrelangen Nachforschungen bekam ich aus Freistatt im Jahr 2010 meine Heimakte. Nur meine schlechtesten Seiten wurden darin festgehalten. Das man sich aber wie in einem Gefängnis fühlte oder schwer misshandelt wurde, davon steht nichts drin. Verlogen und verkommen, egal ob evangelisch oder katholisch. Durch die Heimerziehung (damals die unterste Stufe) blieb ich zwei Jahre ohne Arbeit und das zur Zeit eines Wirtschaftswunders. An allen Ecken fehlten Arbeitskräfte schon alleine durch die Väter, die im Krieg geblieben waren. Und da war für ein Heimkind kein Platz und keine Arbeit? Die Freunde von früher waren plötzlich keine mehr. Man wurde gemieden wie die Pest. Wenn ich bei uns auf die Strasse ging, wurden die Freunde von früher von ihren Eltern reingerufen“.

Hier hatte in der Jugendanstalt Freistatt bewusst keine freie Wahl des Arbeitsplatzes gegeben, denn eine Berufsausbildung und Ausbildungsstätte musste gewährt werden, anstatt wurde in oder durch die Jugendanstalt unentgeltlich ohne ordentlichen Arbeitsvertrag, eine unfreiwillige Arbeit als Zwangsarbeit geleistet. Ging es bei der Unterbringung nach den §§ 5 und 6 JWG lediglich um Versorgung, Betreuung und Förderung, musste bei der [unfreiwilligen] Fürsorgeerziehung (FE), ein „Gefährdungs- oder Verwahrlosungspotential“ vorliegen. Daneben spielten aber auch meistens die „finanzielle Erwägungen“ eine Rolle, denn bei Überweisung in die FE in die Jugendanstalt Freistatt - eine Abteilung der Stiftung Bethel -, änderte sich der Kostenträger. Die Kosten für die Heimerziehung (Fürsorgeerziehung = Zwangserziehung) trug dann nicht mehr die Stadt Bochum oder zum großen teil das Landesjugendamt als Landesbehörde, sondern wurde durch die Arbeitstherapie in der Anstalt erbracht. Allerdings war der Kostendruck offenbar in den 50er/60er Jahren noch nicht so hoch, wie in der Zeit zum Ende der 1960er Jahre, weil die 68-Generation mit ihrer „Heimkampagne“ der Außerparlamentarischen Opposition (APO), die zur Veränderung der repressiven Bedingungen in westdeutschen Jugendanstalten führte und ein ganz anderes Denken in den Anstalten erforderte und mit dem Film: „Bambule“ endete. Vor allem war nun den meisten Jugendlichen, u.a. auch durch Medien, ihre unabdingbaren Rechte bekannt und sie verlangten ordentliche Beteiligungsrechte.

Die „Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten“ sog. EMRK-Rechte, gemäß Art. 4 Abs. 1 EMRK, verbietet es, eine Person in Sklaverei oder Leibeigenschaft zu halten und der Abs. 2 verbietet Zwangs- oder Pflichtarbeit. Nicht nach diesem Artikel zählen allerdings z.B. Arbeitspflichten im Strafvollzug. Wenn die EMRK- Vertragsstaaten, sowie insbesondere ihre nationalen Gerichte, die nach der Konvention geschützten Rechte garantierten, waren sie verpflichtet, das innerstaatliche Recht des Art. 2 GG iVm. Art. 12, Art. 14 GG und Art. 4 EMRK, dem Geist dieser Rechte entsprechend anzuwenden. Wenn dies nicht geschah, konnte es sich um eine Verletzung des fraglichen Artikels der Konvention handeln, die heute dem Staat anzulasten ist der seine Aufsichtspflicht verletzte. Insoweit wies im Jahr 2005 der EuGHMR erneut darauf hin, dass mit der Konvention nicht Rechte theoretischer oder illusorischer Natur, sondern praktische und wirksame Rechte garantiert werden sollen. Die Europäische Menschenrechts- Konvention (EMRK) wurde im Rahmen des Europarats ausgearbeitet, am 4. November 1950 in Rom unterzeichnet und trat am 3. September 1953 allgemein in Kraft. Zwangsarbeit war immer in subjektiver Hinsicht ein Tatbestand der Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen. Der subjektive Tatbestand der Zwangsarbeit erforderte z.B. eine verwerfliche Gesinnung des Erziehungsberechtigten, die u. a. mit den massenhaften, systematischen drakonischen Strafen gegen die Fürsorgezöglinge eingesetzt wurden. Nach dem allgemeinen Grundsatz, gilt, wenn Darlegungs- und Beweislasten für anspruchsbegründete Tatsachen vorgetragen werden, besteht bei einem Kläger ein Anspruch für die Erfüllung des subjektiven Tatbestands der Zwangsarbeit, die seinen Anspruch auf eine Restitution begründen kann.
vgl. EuGHMR Rs. Nr. 61603/00 vom 16. 06. 2005, u.a. Rn. 93
vgl. BAG -5 AZR 436/08 vom 22. 04. 2009, Rn. 11
vgl. BAGE 130, 338 / BAG 5 AZR 331/11 vom 16. 05. 2012, Rn. 30
vgl. BAG 5 AZR 248/11 vom 18. 04. 2012, Rn. 14

Beim Vorliegen von erzwungener Arbeit bzw. zur Zwangsarbeit, die exemplarisch für eine Leibeigenschaft oder Sklaverei stand, wurde aufbauend auf der EuGHMR- Rechtsprechung in anderen Fällen die Leibeigenschaft als eine gesteigerte Form der Zwangsarbeit definiert, bei der es der betroffenen Person unmöglich war, ihre Situation zu ändern. Schließlich hatte sich der Gerichtshof in Straßburg mit den aus Artikel 4 EMRK folgenden Verpflichtungen der Mitgliedstaaten des Europa-Rechts auseinander gesetzt. Unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung unterschied der EuGHMR einerseits zwischen der verfahrensrechtlichen Verpflichtung mögliche Fälle von Zwangsarbeit effektiv zu untersuchen und andererseits der positiven Verpflichtung, rechtliche und administrative Rahmenbedingungen zur „Bekämpfung“ von Zwangsarbeit und Leibeigenschaft zu schaffen.

Der französische Staat hat es zum Beispiel in einem anderen Fall unterlassen bis zum Jahr 2012 eine Änderung im Strafgesetzbuch zu bewerkstelligen, um die effektiven rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen zur Bekämpfung von Zwangsarbeit und Leibeigenschaft zu schaffen und deswegen Artikel 4 EMRK verletzt. Der EuGHMR hatte festgestellt, dass diese Rahmenbedingungen seit dem Urteil im Fall „Siliadin gegen Frankreich“ nicht signifikant verbessert wurden, obwohl bereits damals ein Verstoß gegen Artikel 4 EMRK festgestellt worden war. Trotz der damaligen Feststellung des Gerichtshofs, dass die maßgeblichen Bestimmungen in Artikel 225-13 und 225-14 des französischen Strafgesetzbuches in der Praxis keinen wirksamen, effektiven Schutz bieten, sind in der Zwischenzeit keine entsprechenden Gesetzesänderungen erfolgt. Zudem hat es die Generalstaatsanwaltschaft - wie im Siliadin-Fall vom 26. 07. 2005 der Individualbeschwerde Nr. 73316/0 - versäumt, Revision gegen den teilweisen Freispruch durch das Berufungsgericht einzulegen.
vgl. EuGHMR Nr. 67724/09 vom 11. 10. 2012

In Deutschland muss bei einem heutigem Gerichtsverfahren, die damalige Arbeitstherapie in Form von einer richterlich angeordnete Arbeitsauflage iZm. der Fürsorgeerziehung iVm. der Zwangsarbeit, erst noch detailliert erforscht werden, um die erzwungenen Arbeiten vergleichbar mit dem § 43 StVollzG und danach erst die Arbeit, mit dem Arbeitsentgelt und der Sozialversicherung richtig beurteilen zu können.

Ganz anderes ist es in „Jugendstrafanstalten“, denn dort könnte eine Arbeit in den Gefängnissen für Jugendliche hingegen nur bei ‚begrenzten freiwillig’ eingegangenen „Arbeitspflichten“ gelten. Den betroffenen Jugendlichen – was für die Fürsorgeerziehung grundsätzlich nicht in Frage kam – konnte nur durch eine richterliche Anordnung im Rahmen eines gesetzlich ausgeformten und abgestuften Reaktions- und Sanktions-Systems, als Folge einer von ihm begangenen Straftat eine Arbeit auferlegt werden, wenn das zur Zwangserziehung von Jugendlichen und Heranwachsenden dienlich wäre, damit sie wieder als selbstverantwortliche Person innerhalb der menschlichen Gemeinschaft ihr ordentliches eigenständiges Leben führen könnten. Zu den Voraussetzungen dazu gehört außerdem, dass es sich um eine freiwillige Verpflichtung handelt, um dadurch direkt eine bewusst herbeigeführte „Geldschuld“ für das strafrechtliche Vergehen gegenüber dem Staat abzuarbeiten. In der Verpflichtung zu den „unfreiwilligen“ Arbeitsleistungen, darf nur nach dem „Jugendstrafrecht“ als Auflage ein kurzer Strafcharakter benutzt werden, wobei der Art. 12 Abs. 2, 3 GG verfassungsgemäß sehr genau zu berücksichtigen und zu beurteilen ist, sodass die dementsprechenden Arbeitspflichten aufgrund des § 56 b StGB (§ 56 b StGB wurde erst ab 1. Januar 1975 eingefügt) nicht gegen die deutsche Verfassung (GG) und der Menschenwürde verstoßen können. Dabei genügt es die verfassungsrechtlichen Anforderungen des § 43 Abs. 1 Satz 1 StVollzG mit einem Arbeitsentgelt auf der Grundlage der Sozialversicherung-rechtlichen Vorschriften bestimmten Eckwerts (§ 43 Abs. 1 Satz 2 StVollzG) nach Stunden- oder Tagessätzen (§ 43 Abs. 1 Satz 3 StVollzG) mit der Möglichkeit vorsehen, wenn auch die Art der Arbeit und die erbrachte Leistung des Gefangenen gem. § 43 Abs. 2 StVollzG mitberücksichtigt wird. Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch § 198 Abs. 3 StVollzG, soweit danach die Einbeziehung des Strafgefangenen in die gesetzliche Rentenversicherung von einem besonderen Bundesgesetz abhängt. Im Jugendstrafrecht dürften grundsätzlich die Jugendlichen „Straftäter“ aufgrund des JGG, nicht schlechter behandelt werden, wie es auch im Strafvollzug eines „Erwachsenen“ Straftäters vorgeschrieben ist. Ansonsten ergäben sich die zum Ausdruck kommenden Wertentscheidungen des Richters aus Art. 12 Abs. 2 und 3 GG sehr fragwürdig, denn es darf das Jugendstrafrecht bei einer Arbeitsaweisung nur „mit“ einem Endgeld und „mit“ einer Sozialversicherung, die Beurteilung bzw. Verurteilungs- Begründung des Richters im Urteil mitbeinhaltet werden. Somit muss auch beim JGG das allgemeine Prinzip der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung - wie im Erwachsenen-Strafrecht - bei einer Arbeitsanweisung von bis zu zwei Jahren und / oder bei der Intensität der Arbeitsauflagen mitbeachtet werden, damit die EMRK Art. 4 voll umfänglich bei einem Urteilsfindung berücksichtigt wird.
vgl. BVerfGE 74, 102/ BVerfG 2 BvR 209/84 vom 13. 01. 1987, Rn. 49, 59 ff, 87 ff
vgl. BSGE 39, 104 / BSG 2 RU 200/72 v. 30. 1. 1975, Leitsatz zu RVO Versicherungspflicht in der Fürsorgeerziehung - siehe RTH Petitionsauschuss Seite 7
vgl. BVerfGE 7, 377 / BVerfG 1 BvR 596/56 vom 11. Juni 1958 Rn. 70 zur Berufsfreiheit
vgl. BVerfGE 98, 169 / BVerfG 2 BvR 441/90 vom 1. Juli 1998, Rn. 131 zum Endgeld des Strafgefangenen

Ob es eine Fürsorgeerziehung oder ein Strafvollzug gewesen war, kann bei einer damaligen angeordneten bzw. erzwungenen Arbeitsmaßnahme vollkommen unerheblich bleiben, denn der Art. 4 EMRK lässt grundsätzlich keinerlei Arten zur „Arbeitsverpflichtung“ zu, wenn die Arbeit „ungerecht“ oder „bedrückend“ oder in deren Durchführung „eine vermeidbare Härte“ als verbotene der „Zwangsarbeit“ bzw. einer erzwungenen Arbeit darstellt. Mit anderen Worten: Jede Arbeit die „unnötig beschwerlich“ oder „in gewisser Weise schikanös“ ist, auch wenn eine Versicherungspflicht in der Fürsorgeerziehung gewährt worden wäre, ist Zwangsarbeit. Bei der Arbeit im Erwachsenen Strafvollzug, war es „Genau das Gegenteil“, denn wenn dem „Gefangenen“ eine Pflichtarbeit bzw. Arbeitspflicht richterlich zugewiesen wird, gilt die Erweiterung des Anwendungsbereichs gem. § 130 StVollzG, der Faktor für die Mindesthöhe des Arbeitsentgelts und der Sozialversicherung, von dem die Eignung der nach Maßgabe des Art. 12 Abs. 3 GG als Mittel, die zulässige Pflichtarbeit und die Arbeitszuweisung, von einer verfassungsrechtlich gebotener Resozialisierung (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG) abhängt.

Nur eine vom Amtsgericht „zeitlich kurze“ richterlich angeordnete Arbeitsleistung nach § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 JGG als „freiwillige“ und unendgeldliche“ Arbeitstherapie zu erbringen, ist nur dann eine „eng begrenzte“ erlaubte Erziehungsmaßregel gem. § 5 Abs. 1, § 9 Nr. 1 JGG, wenn der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 2, 3 GG nicht berührt wird. Somit ist eindeutig bewiesen, dass auch bei der Fürsorgeerziehung in den Jugendanstalten, die gleichen Vorraussetzungen bei einer Arbeitserziehung nur mit Entgeld und Sozialversicherung gelten konnte. Ansonsten wäre es Zwangsarbeit und ein vorsätzlicher Betrug zur Sozialversicherung, wobei aufgrund § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 266 a Abs. 1 StGB eine Staatshaftung erfolgen müsste.
vgl. BGH II ZR 27/07 vom 2. Juni 2008, Rn. 13 ff

In der Bundesrepublik Deutschland wurde die UN-Kinderrechts-Konvention erst am 15. Juli 2010 uneingeschränkt gültig und hierzu wurde ein neues Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) am 1. Januar 2012 in Kraft gesetzt. Das neue Gesetz soll durch die Verbesserung der präventiven Maßnahmen und den Ausbau der bestehenden Netzwerke „Frühe Hilfen“ einen wirksameren Kinderschutz gewährleisten. Das sich auf die UN-KRK berufene „Klagerecht der Minderjährigen“, wurde erst am 28. 02. 2012 in Genf verabschiedet. Schon am 20. November 1959 wurde die UNO-„Deklaration über die Rechte der Kinder“ einstimmig beschlossen und später erst am 20. November 1989 als UN-Kinderrechts-Konvention (UN-KRK) verabschiedet. Mit der Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte des Kindes, war die Bundesrepublik Deutschland zusätzlich die Verpflichtung eingegangen, die auch in der Konvention anerkannten Rechte durch „alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen“ innerstaatlich, durch Art. 39 KRK, zu verwirklichen.

Bis zum Jahr 2012 waren (ab 1945) diese Kinderrechte der ehemaligen Heimkindern durch die EMRK geschützt, wobei ab Jahr 2009 die gleichen Grundrechte in der GrCh mitbeinhaltet sind. Schon bisher waren gem. Art. 8 EMRK bzw. Art. 6 GG die Rechte der heranwachsenden bzw. der minderjährigen Kinder als besonderes Gewicht, bei allen familiären Bindungen und insbesondere bei dem Kindeswohl zu berücksichtigen. Durch eine Nichtbeachtung des Kindeswohls im nationalen Recht, könnte es ein Schadenersatz gegenüber Deutschland bei einer Beschwerde vor dem EuGHMR bewirken. Die deutschen Rechtsanwendungs-Organe, Gerichte, sowie auch die vollziehende Gewalt, sind demzufolge an die Bestimmungen eines völkerrechtlichen Vertrages gem. Art. 20 Abs. 3 GG gebunden. Das BVerwG und das BVerfG gehen davon aus, dass die Grundrechte unter Berücksichtigung der UN-KRK auszulegen sind und heben hervor, dass ein Kind Träger eigener Menschenwürde und eigener Rechte ist, demnach Grundrechtsträger mit Anspruch auf Schutz des Staates, aufgrund der Gewährleistung seiner grundrechtlich verbürgten Rechte.
vgl. BVerfG 1 BvR 2910/09 vom 31. 03. 2010, Rn. 31 ff
vgl. BVerfG 2 BvR 2115/01 vom 19. 09. 2006, Rn. 43
vgl. BVerwG 1 B 22.10 vom 10. 02. 2011, Rn. 8

Die EMRK hat gem. dem EU-Recht, ein Vorrang vor den innerstaatlichen Rechtsnormen, weil sie einesteils zum EU-Recht geworden ist, andernteils sind diese durch Art. 26 und des Art. 27 der Wiener Vertragsrechtskonvention anzuwenden. Insofern muss man deswegen die EMRK als eigenständige Entität des Europarates, nur im Sinne internationalen (regionalen) Völkerrechts betrachten. Die BR-Deutschland hatte sich als Vertragspartei des „Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge“ vom 23. 05. 1969 als sog. ‚Wiener Vertragsrechtskonvention’, kurz WVK (BGBl. 1985 II S. 926) verpflichtet und kann sich gem. Art. 27 WVK „nicht auf ihr innerstaatliches Recht berufen, um die Nichterfüllung eines Vertrags zu rechtfertigen“. Die Bundesgesetze sind nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) , stets im Einklang mit den vertraglich festgelegten Verpflichtungen gegenüber anderen Völkerrechtssubjekten auszulegen und anzuwenden, selbst wenn sie als der betreffende völkerrechtliche Vertrag, wie z.B. die zusätzlichen Konventionen der EMRK, zeitlich später erlassen worden sind.
vgl. BVerfGE 74, 358 / BVerfG 2 BvR 589/79 vom 26. 03. 1987, Rn. 39

Restitution[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Grundrechte der ca. 800.000 der Kinder und Jugendlichen in deutschen Kinderheimen und Jugendanstalten, musste die damalige Gesetzgebung und die vollziehende Gewalt voll umfänglich gewähren. Durch die deutsche Nichtbeachtung der Menschenrechte an den ehem. Heimkindern, liegt ein Verstoß für die aktuell ca. 300.000 noch lebenden’ Anspruchsberechtigten vor, der bis dato nicht wiedergut gemacht wurde.

Die vielfach beschriebenen Menschenrechtsverletzungen in den damaligen Einrichtungen, werden hier in Kurzform dargestellt und enthalten folgende Tatbestände:

Kindesentzug, Zwangstaufe, Fürsorgeerziehung, Kindeswohlgefährdung, Vernachlässigung, Körperverletzung, Schwachsinn, Geisteskrank, Traumatisierung, Deprivation, Hospitalismus, Aussetzung, Menschenrechtsverletzungen, Gutachtenmissbrauch, Entrechtung, Entmenschlichung, Kindersklavenhaltung, Sexualverbrechen, Vergewaltigung, Folter, Zwangsarbeit, Freiheitsberaubung, Bildungsverweigerung.

Die erlittene körperliche und sexuelle Gewalt, Demütigungen, Gefühlskälte und die mangelnde Zuwendung, haben zusätzlich durch die diagnostische Etikettierungen, zu „schwer erziehbar“, „haltlos“ oder „schwachsinnig“ geführt. Vielen ehem. Heimkinder haben aufgrund der falschen Diagnosen, spätere Selbstzweifel, Depressionen oder Suchterkrankungen und leiden heute noch an einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Im Frühjahr 2006 wurden 9 verschiedene Petitionen zum Thema Heimerziehung in der alten Bundesrepublik für die 60er und 70er Jahre beim Deutschen Bundestag eingereicht, die der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages schließlich zu einer Sammelpetition zusammengefasste. Die Petition wurde vor allem wegen den verjährten Menschenrechtsverletzungen, die an ehemaligen Heimkindern beweis- & belegbar dargelegt wurden, vom Petitionsausschuss angenommen. Abgesehen vom Mord, der nicht verjährt, beträgt die längst mögliche Verjährungsfrist gem. § 78 StGB in Deutschland 30 Jahre. Hier wurde diese Verjährungsregelung des StGB verbindlich benutzt, obwohl ein Verstoß gegen die EMRK und der Grundrechtecharta (GrCh) vorlag. Am 4. Dezember 2008 beschloss der Deutschen Bundestag die Einrichtung eines „Runder Tisch Heimerziehung“ (RTH) mit dem Auftrag, sich mit der Thematik ausführlich zu befassen und am 17. Februar 2009 in einem Unterordnungsverhältnis vom Bundestag (Subordinationsverhältnis) unter der Schirmherrschaft vom Norbert Lammert Prof. Dr. Lammert (Bundestags-Präsident) seine Arbeit aufnehmen. Damit wurde Erstmalig in seiner Geschichte des Deutsche Bundestags solch ein Beschluss einstimmig von allen fünf Fraktionen herbeigeführt und ein solcher Weg beschritten. Zwei Jahre lang wurde in zehn Sitzungen - die 440.000 € gekosteten und jeweils zwei Tage dauerten -, etliche Betroffene, ehemalige Betreuungspersonen und Verantwortliche angehört. Es wurden alle Rechtsgrundlagen diskutiert, pädagogische und psychologische Fragen erörtert, sowie gesellschaftliche Entwicklungen nachgezeichnet. Es wurden zwei Expertisen in Auftrag gegeben, allerdings konnte die Aufarbeitung mit dem RTH nicht abgeschlossen werden, da die Vertreter der Industrie, des Handwerks, der Landwirtschaft und des Adels, am RTH fehlten. Diese Vertreter wurden auch nicht vom RTH eingeladen, obwohl diese sich mindestens mit 7 Mrd. € durch sog. Zwangsarbeiten bereicherten. Es hatte sich bei der gesamten RTH- Angelegenheit deutlich gezeigt, dass weiterhin ein großer Klärungs-Bedarf mit dem Thema Heimerziehung der 60er und 70er Jahre besteht. Erschreckend wurde außerdem feststellt, wie viele von den ehemaligen Heimkindern durch die damaligen Missstände, in voller Härte über Jahre hinweg betroffen waren und auch heute immer noch sind.

In der Arbeitsweisen am Runden Tisch Heimerziehung wurden auch allerhand Widerrechtlichkeiten bewerkstelligt, vor allem durch die undemokratische Arbeitsweise und Moderation der Frau Dr. Antje Vollmer, obwohl der RTH berechtigt und verpflichtet war, ein eigenes, selbstständiges hoheitliches Handeln im Auftrage des Deutschen Bundestages auszuführen. Dieser eingesetzte hoheitliche Träger - Runder Tisch Heimerziehung - musste im Gleichberechtigungsverhältnis mit Staat, Länder, Kirchen und Institutionen - als damalige Aufsichtsverpflichtige -, mit (nur) drei Vertreter der geschädigten ehemaligen Heimkinder handeln, um die Vergangenheit historisch und rechtlich aufzuarbeiten. Diese Amtshandlung war damit ein erstmaliger Hoheitsakt mit einem Runden Tisch im Auftrage des Bundestags, die mit den einberufenen Verantwortlichen und Amtsträgern, bei dieser öffentlich-rechtlichen Amtsausübung, auch im Handeln einen entfaltenden Hoheitsakt in der Außenwirkung darstellte. Dort wurde nicht die Machtsymmetrie zu Gunsten der schwächeren drei Opfervertreter als ehem. Heimkinder eingehalten, denn sie waren ohne Rechtsbeistand gegenüber 17 Funktionären und Institutionenvertreter von Staat und Kirche. Davon waren 14 Fach-Experten und Juristen, deren Meinungsrecht bei der Wahrheitsfindung den demokratischen Grundsätzen widersprach. Durch das starke Übergewicht der Experten von Institutionen am RTH, wichen jeder Festlegung von Tatbeständen im Vorgrund stand, denn sie wollten nie ein echtes Ergebnis für Rehabilitation und Entschädigung, durch echte „Aufarbeitung“ festlegen. Von den Experten wurde eine Sprache des Konjunktivs geführt und gestattete nur ein ewiges „hätte“, „könnte“ „vielleicht“ und „möglicherweise“, das im Ergebnis die Relativierung, Verharmlosung und „Entwirklichung“ aller Ehemaligen führte. Die eingebrachten Erfahrungen und viele vorliegende Befunde aus der historischen und sozialpädagogischen Forschung sowie anderer Quellen, die von den ehem. Heimkindern eingebracht wurden, führten natürlich zum „Reductio ad absurdum“. Die daraus resultierenden „Lösungsvorschläge“ durch das Recht des Hoheits-Aktes „Runder Tisch Heimerziehung“ (RTH), wurden im Ergebnis 1 zu 1 vom Bundestags-Parlament gemäß BT-Drs.17/6143 zum 1. Januar 2012 umgesetzt. Aufgrund der (angeblichen) Verjährung, konnten (wollten) die Abgeordneten allerdings keine „Abwägungen der Grundrechte oder der Menschenwürde“ beschließen, da die Grundrechte natürlich Ableitungen der Menschenwürdegarantie sind. Es wurde durch Gutachten und Expertisen am RTH dargelegt und festgestellt, dass u.a. die fehlende bzw. nicht erfolgte Aufsichtsverpflichtung gegenüber schutzbefohlenen Heimkindern oder schutzbefohlenen Fürsorgezöglingen der Bundesrepublik Deutschland von 1949 – 1975 schuld war, sodass dadurch es extreme Misshandlungen gab. Die eigentlich allgemein belegbar bekannten Tatsachen in den Kinderheimen und Jugendanstalten, sollten grundsätzlich am RTH nicht mit den Begriffen, wie „Menschenrechtsverletzungen“, „sexuelle Verbrechen“ oder „Zwangsarbeit“ und den daraus resultierenden Ergebnissen verbunden werden. Es sollte damit auch den Anschein nach, ein rechtlicher und / oder gesetzlicher Entschädigungsanspruch unbedingt vermieden werden, obwohl dazu genug Beweise schriftlich vorlagen. Eine ordentlichen Rechtsanspruch zur Restitution sollte es somit nicht geben, da der Runde Tisch Heimerziehung, der im Auftrage des Deutschen Bundestages einen Abschluss-Bericht im Jahr 2010 vorstellte, um zu verschleiern und um damit ungenaue und / oder keine allgemeinen Verfehlungen beinhalten zu müssen. Dort heißt es nur, das es Erkenntnisse inhaltlich in der Aufarbeitung gegeben habe und Punkte der Erziehungspraxis, als „Regel- und Rechtsverstöße in der Heimerziehung“ zusammengefasst aufgeführt wurden. Schlicht heißt es im RTH-Abschlussbericht 2010 wörtlich:

„Für eine Beurteilung der Arbeitseinsätze ist zu fragen, ob es sich um „Zwangsarbeit“ im juristischen Sinn gehandelt hat und ob und in welcher Form Sozialversicherungspflicht bestand oder hätte bestehen müssen“.
vgl. Abschlussbericht Runder Tisch Heimerziehung

Eine ordentliche „Fürsorgeerziehung“ und die sog. „Freiwilligen Erziehungshilfe“ nach dem Reichsjugendwohlfahrtsgesetz (RJWG) und Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) versagte. Ein ordentliches Pflegschaftsverhältnis wurde bei den „Unterbringungen“ weder durchgeführt oder ordentlich überprüft. Vom RTH wurden die Widerrechtlichkeiten, der elementaren Grundsätze der Verfassung, wie dem Rechtsstaatsprinzip, der Unantastbarkeit der Menschenwürde und dem Recht auf persönliche Freiheit und körperliche Integrität unbeachtet gelassen. Nach damaliger Rechtslage und deren Auslegungen, war die damalige Fürsorgeerziehung in den Kinderheimen und Jugendanstalten mit den pädagogischen Überzeugungen mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Bei der zusammenfassenden einfachen RTH Einschätzung und Bewertung der damaligen Fürsorgeerziehung wurden im RTH- Abschlussbericht, zahlreiche Rechtsverstöße der Elementaren Grundsätze der Verfassung gegen das Rechtsstaatsprinzip, der Unantastbarkeit der Menschenwürde und dem Recht auf persönliche Freiheit und der körperliche Integrität festgestellt. Trotzdem wurde eine ordentliche anspruchsberechtigte Restitution den ehemaligen Heimkindern verweigert. Auch die Zwangsarbeit von Jugendlichen und die „Kinderarbeit“ in den Heimen war einer der Gründe, für die Forderung der ehemaligen Heimkinder am RTH nach einer finanziellen Entschädigung in Höhe von anrechnungsfreien 300 Euro mtl. gewesen, die bekanntlich von der Mehrheit der Vertreter der Institutionen am RTH, von dem Bund, den Ländern und Kirchen abgelehnt wurde. Der Runde Tisch Heimerziehung hatte widerrechtlich darauf verzichtet die Verantwortlichen von der Industrie, des Handwerks, der Landwirtschaft und des Adels einzuladen, um Milliarden-Beiträge bezüglich der Haftungsübernahme der unrechtmäßigen Bereicherung (Producta sceleris) durch unentgeltliche Inanspruchnahme der Arbeitsleistungen der Kinder und Jugendlichen aus der Heimerziehung, unter Umgehung des Kinder- und Jugendschutzes für die Wiedergutmachung bzw. für die Herstellung des Rechtsfriedens zu leisten. Die einzige finanzielle Leistung aus dem Fonds Heimerziehung mit Bezug auf die während der Unterbringung in Heimen geleisteten Arbeit, wurde nur eine einmalige freiwillige sog. Rentenersatz- bzw. Rentenausgleichszahlung in Höhe von 300 Euro für jeden Monat, für den damaligen Jugendlichen gezahlt, wenn der Heimträger keine Beiträge an die Rentenversicherung abgeführt hatte, das natürlich bei allen ehem. Fürsorgezöglingen zutraf. Das gemeine Wohl des Volkes wurde dadurch nachhaltig finanziell beschwert, da jetzt die Sozialkassen für Folgeschäden einem ehemaligen Heimkind als Antragsteller aufkommen müssen und durch den nicht hergestellten Rechtsfrieden, müssen erneut die Gerichte angerufen werden.

Durch die erwiesenen schweren Menschenrechtsverletzungen, die in den Kinderheimen und Jugendanstalten bis über 1975 hinaus stattgefunden hatten, wurde ab 2009 keine ordentlich Anspruchsberechtigte Aufarbeitung zur Wiedergutmachung im Auftrage des deutschen Bundestags bewerkstelligt. Trotzdem konnten dadurch den ehem. Heimkindern einige sehr teuere und ausreichende Expertisen für die anschließenden gerichtlichen Klagen zur Erlangung einer Restitution, „umsonst“ zur Verfügung gestellt. Entgegen der Forderung der ehemaligen Heimkinder am RTH, wurde die erzwungene „Arbeit“ und das Wort bzw. der Begriff: „Zwangsarbeit“, von der Mehrheit der Institutionenvertreter am RTH grundsätzlich nicht schriftlich niedergeschrieben bzw. nirgendwo beinhaltet. Auch wurde die erzwungene Arbeit, auch nicht als nach dem Grundgesetz verbotene Zwangsarbeit anerkannt, obwohl die im Abschlussbericht des Gremiums dargestellten Fakten und alle bekannten Forschungsergebnisse die Bewertung als „Zwangsarbeit“ rechtfertigen würden. Diese Nichtanerkennung ist einer der Gründe für die Verweigerung einer angemessenen finanziellen Entschädigung und eine der Hauptursachen für die große Unzufriedenheit vieler ehemaliger Heimkinder mit den „Empfehlungen“ des RTH, die auf der Basis des Bundestagsbeschlusses vom Juli 2011 gegenwärtig durch den Fonds Heimerziehung und die Anlauf- und Beratungsstellen der Bundesländer noch bis Ende 2014 umgesetzt wird.
vgl. Anlauf- und Beratungsstellen der Bundesländer zum Fonds Heimerziehung

Die damaligen „kirchlichen“ und /oder kirchlich unterstellten ca. 2000 Kinderheime und Jugendanstalten, verstießen auch noch als Stiftungen gegen das Stiftungsrecht und wurden außerdem durch die „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ explizit über Art. 140 GG den Art. 138 Abs. 2 WRV und auch u.a. mit den Staatskirchenverträgen der einzelnen Bundesländer aufrecht erhalten. Am RTH wurde und konnte die Staatshaftung wegen dem fehlenden „Staatshaftungsgesetz“ in Deutschland außen vor gelassen werden und am RTH wurde nur die im Abschlussbericht eine Sprache des Konjunktivs geführt, das ein ewiges „hätte“, „könnte“ „vielleicht“ und „möglicherweise“ gestattete, sodass im Ergebnis die Relativierung, Verharmlosung und „Entwirklichung“ aller von den Ehemaligen eingebrachten Erfahrungen und der vorliegenden Befunde aus der historischen und sozialpädagogischen Forschung und anderer Quellen zum echten „Reductio ad absurdum“ führte.

In den Anhörungen im Ausschuss für Familien, Senioren, Frauen und Jugend am 27. Juni 2011 wurden wichtige Rechtswissenschaftler zur Problematik der ehemaligen Heimkinder und zur damaligen Fürsorgeerziehung zur Beendigung des Runden Tisches Heimerziehung angehört.
vgl. BT-Drs.17/6143 Deutscher Bundestag. Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, Grüne vom 07.07.2011
vgl. Überfraktionelle Forderung nach Entschädigung von misshandelten Heimkindern Antrag vom 09.06.2011

1. Institut für Pädagogik Prof. Dr. Christian Schrapper:

„Heimerziehung erscheint in diesen Befunden als ein Feld öffentlicher Verantwortung für die Versorgung und Erziehung von Kindern, in dem eben diese öffentliche Verantwortung vielfach und z.T. auch systematisch durch Staat, freie Träger und Wissenschaft grob vernachlässigt wurde“. […] „Kinder und Jugendliche in diesen Heimen haben dadurch in großer Zahl erhebliche Schäden erleiden müssen, oft tiefgehend und lang andauernd wirksam. Unbestreitbar ist aber auch, dass es einzelne Einrichtungen, Gruppen und Erziehungspersonen gab, die Kinder vor Vernachlässigung und Gewalt in ihren Familien geschützt und positiv ihre Entwicklung gefördert haben“ […] „Die grundsätzliche Entscheidung des Runden Tisches Heimerziehung, notwendige Entschädigungsleistungen am erlittenen Schaden und seinen aktuellen Folgen festzumachen und nicht am grundsätzlichen Unrechtsgehalt der damaligen Praxis, muss aus der Sicht vieler Betroffener unverständlich und unbefriedigend bleiben; dies ist zu respektieren“ […] „Trotzdem erscheint der Ausgangspunkt „Folgeschaden“ für eine gesellschaftspolitisch vertretbare und rechtspolitisch legitimierbare Umsetzung von Entschädigungen für Menschen, die zwischen 1945 und ca. 1970 in Heimen leben mussten, der „richtige“ Weg, denn einen Entschädigung mit dem Ausgangspunkt „Rechtsverletzung“ schafft neues Unrecht“[…]

2. Stellungnahme vom Prof. Dr. Manfred Kappeler - ehem. Professor für Sozialpädagogik an der TU Berlin:

„In Übereinstimmung mit diversen Zusammenschlüssen ehemaliger Heimkinder (VEH/Berliner Regionalgruppe ehemaliger Heimkinder/ Regionalgruppe Niedersachsen/ Initiativen in NRW, Hessen, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg) haben die sechs am Runden Tisch Heimerziehung (RTH) vertretenen ehemaligen Heimkinder eine monatliche Rente von 300 Euro oder wahlweise eine Einmalzahlung von 54 000,-- Euro gefordert“. „Ich unterstütze diese Forderung“. […] „Die Heimerziehung der vierziger bis siebziger Jahre hat ihren Bildungsauftrag für die ihr anvertrauten Kinder und Jugendlichen flächendeckend nicht erfüllt. Damit hat sie gegen Art. 6 Abs. 2 GG (staatliches Wächteramt) und gegen § 1 RJWG/ JWG (Recht eines jeden deutschen Kindes „auf Erziehung zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit“ ) verstoßen“. […] „Bezogen auf die Heim interne und Heim externe Arbeit von Jugendlichen, die, wie bei den Kindern, die Hauptursache für die ihnen verweigerte schulische und berufliche Bildung war, heißt es im Abschlussbericht des RTH“: „Aufgrund vieler Berichte ehemaliger Heimkinder sowie aufgrund vorliegender Forschungsergebnisse ist allerdings davon auszugehen, dass in einer großen Zahl von Heimen Arbeit abverlangt wurde, die nicht von einem Erziehungszweck gerechtfertigt war. Das war Unrecht“. […] „Obwohl die den Kindern und Jugendlichen in den Heimen abgezwungene Arbeit von den ehemaligen Heimkindern am RTH einmütig als Zwangsarbeit bewertet wurde und als einer der wichtigsten und umfassendsten Unrechts-Tatbestände von ihnen immer wieder in die Verhandlungen am RTH eingebracht wurde, und obwohl von ihnen immer wieder hervorgehoben wurde, dass Art und Ausmaß dieser Arbeit eine der Hauptursachen für das in der Heimerziehung erlittene Unrecht und seine lebenslangen Folgen war, hat der RTH diesen zentralen Problemkomplex nicht aufgeklärt und damit an einem entscheidenden Punkt seinen Auftrag nicht erfüllt“. […] „Zuletzt noch ein Hinweis auf die sehr große Gruppe der ehemaligen Heimkinder, die von Geburt an in Säuglings- und Kleinkinderheimen leben mussten. Diese Gruppe stellte während der 40er bis 70er Jahre einen großen Anteil aller Altersstufen von Kindern und Jugendlichen – bis hin zur Volljährigkeit – die in Heimen aller Art leben mussten“ [… ]

3. Stellungnahme Prof. Dr. Peter Schruth Hochschule Magdeburg-Stendal:

„Beteiligungen der ehemaligen Heimkinder am Umsetzungsprozess der Fonds. Im Abschlussbericht des RTH (S. 6) heißt es deshalb: „Auch der Mitwirkung der ehemaligen Heimkinder am Runden Tisch kommt eine besondere Bedeutung zu. Sie haben den Forderungen der Betroffenen eine unüberhörbare Stimme gegeben“. […] „Der Antrag der Fraktion Die Linke entspricht mit der Forderung nach einer angemessenen Entschädigung einem wesentlichen Anliegen der ehemaligen Heimkinder. Die beschlossenen Lösungsvorschläge des RTH sehen keine pauschalen Entschädigungen für alle ehemaligen Heimkinder vor, weil die dafür erforderliche Pauschalierte Unrechtsbeschreibung der damaligen Heimerziehung, also ein Bejahen eines systematisches Unrechts der Praxis der Fürsorgeerziehung im Rechtsstaat des Grundgesetzes Nicht mehrheitsfähig war. Auch wenn nach meiner juristischen Beurteilung das damals bis in die 70er Jahre hinein für unbestreitbar gehaltene „besondere Gewaltverhältnis“ (= Fürsorgeerziehung als grundrechtsfreier Raum) Grundlage für eine Begründung eines solchen systematischen Unrecht sein kann, so ist nun laut Abschlußbericht des RTH nicht das pauschale Unrecht der damaligen Heimerziehung, sondern der verursachte Folgeschaden im Einzelfall Ausgangspunkt für die Rehabilitierung der ehemaligen Heimkinder“. […]

4. Stellungnahme Dr. Uwe Kaminsky. Ruhr-Universität Bochum:

Ergebnisse des Forschungsprojektes über die konfessionelle Heimerziehung in der frühen Bundesrepublik Deutschland (1949-1972). „Ein Heimkind zu sein, blieb in der Geschichte der Bundesrepublik immer ein Stigma. Auch nach dem schleichenden Erfolg einer kritischen Sozialarbeitsbewegung, die ihren Höhepunkt in den 1970er Jahren hatte und verbesserte Verhältnisse in vielen Einrichtungen nach sich zog, kritisierten Betroffene, die als Minderjährige in der öffentlichen Erziehung waren, die Erziehungsmethoden und die Auswirkungen, welche die Heimzeit auf ihr späteres Leben bis zur Gegenwart hatte und hat. Aber eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzung über die Heimerziehung gerade in den 1950/60er Jahren fand nicht statt. Erst im Frühjahr 2006 verdichteten sich die Klagen und führten zu verschiedenen Petitionen an den Deutschen Bundestag“. […] „Als 1955 / 56 als Reaktion auf den „Fall Zeven“ – dabei starb ein Kind in einem niedersächsischen, nicht konfessionellen Heim infolge der Misshandlungen durch einen vorbestraften Erzieher – die staatliche Heimaufsicht verschärft werden sollte, wehrten sich die Heime und ihre Fachverbände vehement, da sie den Verlust ihrer Autonomie als freie Träger befürchteten. Allerdings nahmen weder die Verbände noch die Träger selbst eine effektive Kontrollfunktion wahr, die in der Lage gewesen wäre, bei – auch nach den damaligen Standards – offenkundigen Missständen präventiv oder korrigierend eingreifen zu können. Andererseits ließ die bis in die 1960er Jahre ungenügende materielle Ausstattung der Heime wenig Spielräume. Die Einrichtungen finanzierten sich weitgehend über den staatlicherseits gewährten Pflegesatz und wiesen nicht selten in Anbetracht der Kriegsfolgen einen großen Nachholbedarf bezüglich ihrer Räumlichkeiten und Ausstattung auf. Es gibt dabei Hinweise, dass konfessionelle Heime vermutlich aus einer Konkurrenzsituation heraus offenbar bewusst einen niedrigen Pflegesatz und damit geringere Mittel für Verbesserungen in Kauf nahmen, um die Kostenträger zu einer möglichst guten Belegung ihrer Häuser zu bewegen. Solche niedrigen Pflegesätze ließen sich außer mit einfachster Wirtschaftsführung nur durch die Mitarbeit der Minderjährigen in den heimeigenen Ökonomien und Betrieben sowie die vergleichsweise geringen Aufwendungen für das aus Ordensgemeinschaften bzw. Schwestern-/Brüderschaften stammende Personal erreichen. Darüber hinaus sahen sich die Heime einem sich verschärfenden Personalmangel gegenüber, der zunächst durch den fehlenden Nachwuchs der christlichen Personalgenossenschaften bedingt war“. […] „Denn gerade die kirchlich gebundenen Erzieher litten in vielen Heimen unter einer permanenten Überbelastung, da sie oftmals auf den Gruppen schliefen, also einen 24-Stunden-Dienst versahen. Weltliches Personal fand wegen der Unattraktivität des Berufsfeldes – lange Arbeitszeiten, schlechte Entlohnung und fehlende Anerkennung – ungern den Weg in die Heime“. […] „Die Verbindung von Personalmangel und psychiatrischen Erklärungen für Erziehungsschwierigkeiten ergaben eine problematische Gesamtlage, die in zwei nachgewiesenen Fällen evangelischer Einrichtungen zur Verabreichung von Medikamenten führten, wobei die Zufluchtnahme zu einer Sedierung der Jugendlichen als „Verbreiterung der pädagogischen Angriffsfläche“ gedeutet wurde“. […] „Unzureichende bauliche Voraussetzungen und die durch den Personalmangel bedingten Überlastungen der Erziehenden können jedoch nur begrenzt einen Heimalltag erklären, der auch durch die Normalität körperlicher Züchtigung und immer wieder durch demütigende Strafen geprägt war. Denn Strafen galten sowohl in den Waisenhäusern und Kinderheimen als auch in den Erziehungsheimen als wichtiges Erziehungsmittel und reichten von Essensentzug über die Isolierung in „Besinnungszimmern“ bis hin zu körperlicher Züchtigung und Misshandlungen. Demütigende Strafen wurden zwar nur selten aktenkundig, prägten sich aber fest in die Erinnerungen der Betroffenen ein“. […] „Seit dem Ende der 1950er Jahre kam zudem die Schulung einfacher manueller Tätigkeiten hinzu, um die Jugendlichen auf eine etwaige Beschäftigung am Fließband nach ihrem Heimaufenthalt vorzubereiten. Manche Heime übernahmen auch gewerbliche Arbeiten für Firmen, wobei die dort tätigen Jugendlichen nur einen sehr geringen Teil ihres Lohnes ausgezahlt erhielten“

5. Stellungnahme Dr. Friederike Wapler Juristische Fakultät Göttingen:

„Unrecht“ in der westdeutschen Heimerziehung In seiner engeren Bedeutung lässt sich der Begriff des „Unrechts“ mit dem der „Rechtswidrigkeit“ gleichsetzen, d.h. mit Verstößen gegen das jeweils geltende Recht. Der Runde Tisch Heimerziehung ist zu der Erkenntnis gekommen, dass einige der schlimmsten Mißstände in den westdeutschen Heimen schon nach dem geltenden Recht der 1950er und 1960er Jahre zu strafrechtlicher Verfolgung und zu Schadensersatzansprüchen hätten führen müssen, wenn sie vor Gericht verhandelt worden wären. Dies gilt vor allem für die vielen demütigenden, bloßstellenden, grundlosen oder unverhältnismäßig harten Strafen, von denen aus westdeutschen Heimen berichtet wird. Auch sexueller Mißbrauch und Vergewaltigung waren nach den damaligen Gesetzen bereits strafbar. Für viele andere Sachverhalte ist die Rechtslage nach damaligen Maßstäben aber weniger eindeutig. Sie erscheinen vor allem deswegen so unerträglich, weil sie heutigen menschenrechtlichen und rechtsstaatlichen Standards zutiefst widersprechen. Legt man diesen Maßstab an, so erscheinen beispielsweise auch die „milderen“ Formen der körperlichen Züchtigung und andere drakonische Strafen wie Essensentzug und Dunkelarrest als Verstöße gegen elementare Garantien des Grundgesetzes. Gleiches gilt für die extensiven Arbeitspflichten, die mit erzieherischen Motiven in vielen Fällen nicht zu rechtfertigen waren, sondern allein dem wirtschaftlichen Überleben der Einrichtungen dienten. Als „Unrecht“ können aus dieser Perspektive auch viele verfahrensrechtliche Mißstände bewertet werden. So konnten Kinder und Jugendliche aus Gründen ins Heim eingewiesen werden, die aus heutiger Sicht nichtig erscheinen, Anhörungsrechte wurden systematisch umgangen, und es konnte durchaus passieren, daß Kinder in einer vorläufig angeordneten Fürsorgeerziehung „vergessen“ wurden, d.h. daß nie überprüft wurde, ob überhaupt jemals ein Anlaß für die Einweisung ins Heim vorgelegen hatte oder noch bestand“. […] „Die Erkenntnis, daß einige der gravierendsten Mißstände in der Heimerziehung auch mit damaligem Recht und Rechtsverständnis nicht vereinbar waren, gibt den Vorwürfen der ehemaligen Heimkinder jedoch zusätzliches Gewicht. Sie macht deutlich, daß der Umgang mit den Kindern und Jugendlichen in den Heimen keineswegs als der gesellschaftliche Normalfall der 1950er und 1960er Jahre angesehen werden kann, sondern in einem quasi grundrechts- und rechtsstaatsfreien Raum stattgefunden hat. Ein Unrechtsbegriff, der beide Perspektiven umfaßt, ohne sie zu verwischen, könnte folgendermaßen formuliert werden:
„Der Deutsche Bundestag sieht und erkennt an, daß in vielen Heimen der ehemaligen Bundesrepublik elementare Grundrechte wie die Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG), das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie die Rechte auf persönliche Freiheit und körperliche Integrität (Art. 2 Abs. 2 und 104 GG) verletzt wurden. Auch fundamentalen rechtsstaatlichen Grundsätzen wie dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzip, dem Recht auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und dem Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 19 Abs. 4 GG) wurden Rechtslage und Praxis der Heimerziehung systematisch nicht gerecht. Viele der Mißstände, die Heimkinder in der früheren Bundesrepublik erlebt haben, waren schon nach damaliger Rechtslage und nach damaligem Verfassungsverständnis nicht mit dem Gesetz vereinbar; andere, wie die sogenannte „maßvolle“ körperliche Züchtigung, sind jedenfalls aus heutiger Perspektive als Unrecht zu werten.“ […]
vgl. BT-Drs.17/6143 Deutscher Bundestag. Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, Grüne vom 07. 07. 2011
vgl. BVerfG 1 BvR 3023/11 vom 23. 03. 2012, Friedhelm Münter

Ab Dezember 2010 konnte bis in die Gegenwart keine ordentliche Restitution vom bzw. durch den „Runden Tisch Heimerziehung“ im Auftrage des deutschen Bundestags bewerkstelligt werden. Vor allem konnte keine echte Entschädigung oder Wiedergutmachung durch das fehlenden „Staatshaftungsgesetz“ oder durch die derzeitigen nicht abänderbaren Gesetze – behindert durch Staatskirchenverträge iZm. Art. 140 GG – bewirkt werden. Da der überwiegende Teil der Rechtsverletzungen aufgrund der Verjährungen strafrechtlich und zivilrechtlich nicht ordentlich verfolgt werden konnten, lag auch an der Institution „Heim“, die sich in kirchlicher Trägerschaft befanden oder deren unterstellten Stiftungen. Durch die negativen Erfahrungen der ehemaligen staatlich schutzbefohlenen Mündel und / oder der Fürsorgezöglinge in der Fürsorgeerziehung, die in den Kinderheimen sowie Jugendanstalten eingeliefert wurden, bestehen heute immer noch schlimme Erinnerungen, nicht nur aufgrund der körperlichen, seelischen Beeinträchtigungen, sondern wirken außerdem durch die vorhandenen materiellen Verluste nach.

Durch die beweisbare schuldhafte Pflichtverletzung durch Mitarbeiter des Jugendamtes, die – wenn auch angeblich unbewusst – z.B. nur nach Aktenlage und nicht aufgrund von Besuchen vor Ort entschieden, besteht eine eindeutige Amtspflichtverletzung gem. § 839 I BGB (Haftung bei Amtspflichtverletzung), die Schadensersatzansprüche des Kindes auslöst und nur gegen die staatlichen Angestellten oder Beamten, in den langwierigen Gerichtsverfahren geklärt werden können. Voraussetzung ist, dass der Schaden - ohne die Verletzung der Amtspflicht - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre. Es kann sich auch eine „zivilrechtliche Haftung“ gegenüber Dritten aus § 832 I BGB als Haftung des Aufsichtspflichtenden ergeben. Die Schadensersatzansprüche des Kindes oder Jugendlichen richten sich nach Art. 34 S. 1 GG an den öffentlichen Träger des Jugendamtes, wenn der Mitarbeiter grob fahrlässig oder gar vorsätzlich gehandelt oder die Aufsicht nicht wahrgenommen haben, indem die Person anschließend nach Art. 34 II GG persönlich in Regress genommen werden kann. Jeder Verstoß – z.B. fehlendes Aufsuchen eines Kindes im Rahmen eines bestehenden Hilfeplanes, Heimaufenthalts oder Zeiträume eines unbegründete Nichthandelns – kann damit Amtshaftungsansprüche des Kindes gegen das Jugendamt auslösen. Dabei kann es durch alle möglichen Gerichte oder gerichtlichen Instanzen bis zum BVerfG gehen, wenn der zuständige staatliche Angestellte bzw. Beamte sich dementsprechend zur Wehr setzt, da der Staat bzw. das jeweilige Bundesland seinen Rechtsschutz übernimmt. Bei einer möglichen geforderten Restitution, wurden z.B. die Personengruppen der ehemaligen staatlich schutzbefohlenen Mündeln in den 1960er und 1970er Jahren, von wesentlichen rechtsstaatlichen Sicherungen ihrer Rechte – vor allem durch die Staatskirchenverträge was die „Einrede der Verjährung“ betrifft –, durch fehlende Staatshaftungsgesetz ausgeschlossen. Ohne ein deutsches Staatshaftungsgesetz könnte beim Anspruch aus § 839 BGB iVm. Art. 34 GG die Verjährung erst dann beginnen, wenn der geschädigte Schutzbefohlene, eine umfangreiche beweisbare Kenntnis darüber erlangt hat, dass die staatliche Amtshandlung widerrechtlich und schuldhaft war und demnach eine Amtspflichtverletzung darstellte. Dafür genügt im Allgemeinen, dass der Geschädigte alle tatsächlichen Umstände kennt, das sich eine schuldhafte Verletzung der Amtspflicht als so naheliegend darstellt, das eine Amtshaftungsklage, sei es auch nur als Feststellungsklage, so aussichtsreich erscheinen lässt, dass ihm die Klageerhebung zugemutet werden kann. Das scheidet in fasst allen Fällen auch wegen der Kosten aus und weil die lange Zeit durch alle Gerichtsinstanzen im Verhältnis zur Lebenserwartung der damaligen Opfer - vor allem heute durch das hohe Alter eine unverhältnismäßige Härte darstellt.

Die grundlegenden Veränderungen konnten oder wollten die verantwortlichen deutschen kirchlichen und hoheitlich politischen Personen der obersten Legislativen und Exekutiven - die dafür die zuständigen verantwortlichen Ämter inne hatten -, bis heute nicht durch- oder herbeiführen, obwohl sie bis in die Gegenwart für die rechtlichen Aufarbeitungen - hoheitlich auch nach dem Völkerecht - verantwortlich waren und / oder noch sind. Das bedeutet, dass die jetzigen Verantwortlichen der legislativen Gesetzgebung für eine Veränderung ihrer bestehenden nationalen Gesetze, wie zum Beispiel des § 10 Abs. 1 Nr. 4 JGG und den dementsprechenden jeweiligen nationalen Verjährungen iZm. Art. 140 GG bezüglich der tangierten Opfergruppen auch Nichts mehr beabsichtigen wollen. Deswegen kann aufgrund der 30jährigen Verjährungsfrist und der dadurch vorhandenen Möglichkeit der eventuellen Beklagten zur „Einrede der Verjährung“, normal kein ehemaliges Heimkind eine ordentliche Restitution bewirken. Damit lässt der deutsche Staat es bewusst zu, das iZm. den nationalen deutschen Rechten und Gesetzen, gegen das Europa- und EU-Recht verstößt obwohl die „Menschenrechte“ und die „Menschenwürde“, sowie die zuständigen Konventionen, in Vergangenheit und heute, beweisbar missachtet werden.

Referenzen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1. Zuständig dargelegte Rechtsprechungen des BVerfG, BVerwG, BAG, BSG, BGH, EuGH, EuGHMR.
2. Zeitschrift für Sozialreform 1996, Nr. 42 (9), S. 557-571 u.a Recht auf Erziehung von Christoph Sachße
3. Biographien aus Verfassungsbeschwerden ehem. Heimkinder
4. Individualbeschwerden EuGHMR
5. Vortrag von Prof. Dr. Manfred Kappeler in der Anhörung am 12. Juni 2012 im Bayrischen Landtag.
6. Arbeitsgerichtsverfahren Bielefeld 6 Ca 446/13 von Heiner Conrad vom 04. 02. 2013
7. Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts „Das Bewahrungsgesetz“ von Matthias Willing
8. AFET- Sonderveröffentlichung zur Heimerziehung im Zeitraum 1945 bis 1970 - Projekt Uni Koblenz 2010
9. Ausarbeitungen und Recherchen von Gregor Ter Heide, u.a. aufgrund einiger Akten ehem. Heimkinder.
10. Entwicklungen und Wirkungen der Jugendberichte in Deutschland von der AGJ im Jahr 2002
11. Studie zu Veränderungen und Auswirkungen der Heimerziehung über die letzten 40 Jahre von Thomas Köhler-Saretzki
12. Jugendberichte der Bundesregierung von 1961 – 1970
13. Expertise zur Rechtsfragen der Heinerziehung der 50er und 60er Jahre von Dr. Friederike Wapler 2011
14. Abschlussbericht RTH Hoheitlicher Akt = Runder Tisch Heimerziehung 2011
15. Buch „Schläge im Namen des Herrn“ von Peter Wensierski im Jahr 2006