Benutzer:Gerd Wiechmann/Restaurador

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Die Restaurador war ein venezolanisches Kanonenboot bzw. ein Kreuzer, das 1883 von dem amerikanischen Eisenbahnmilliadär und Robber Baron Jay Gould als Privatjacht gebaut worden war und seinerzeit als die größte Luxusjacht der Welt galt. Nachdem die Jacht 1900 von der venezolanischen Regierung als Kriegsschiff angekauft worden war, wurde die nun in Restaurador ("Der Erneuerer") umbenannte Atlanta im venezolanischen Bürgerkrieg eingesetzt und jagte vergeblich den berüchtigten Rebellendampfer ''Ban Righ''. Im Dezember 1902 wurde die Restaurador von dem deutschen Kleinen Kreuzer Gazelle im Hafen von Guanta im Rahmen der Venezuelablockade als Teil deutscher Kanonenbootpolitik gekapert und unter deutscher Reichskriegsflagge in Dienst gestellt. Sie nahm unter dem Kommando von Kapitänleutnant Titus Türk an der internationalen Blockade teil; die amerikanische ''yellow press'' bezeichnete daraufhin Türk und seine Mannschaft als "Piraten der Karibik". Nach dem Ende der Blockade wurde die Restaurador wieder der venezolanischen Marine übergeben. Im Sommer 1903 nahm sie an den Kampfhandlungen gegen Ende des Bürgerkriegs teil, der General Cipriano Castro endgültig als Präsidenten bestätigte. Die Restaurador wurde ca. 1918 in General Salom unbenannt und noch in den 1940er Jahren in venezolanischen Kriegsschiffslisten geführt.

= Vorgeschichte. Die Luxusjacht =[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Technische Daten der Atalanta: Auftraggeber, Eigner: Jason Gould, New York Typ: Dampfyacht Bauwerft: William Cramp & Sons shipyard, Philadelphia Baunummer: 235 Kiellegung: 10. Dezember 1883 Stapellauf: 7. April 1884 Fertigstellung: Juni 1884 Größe: 509 t Länge über Alles: 230 Fuß, 3 inches Breite über Alles: 26 Fuß, 4 inches Tiefgang: 13 Fuß Maschine: 2 Zylinder-Dampfmaschine Maschinenleistung: 1000 PS Geschwindigkeit: 18 Seeemeilen Beiboote: eine Herreshoff-Dampfbarkasse, ein Dingi, ein Ruderkutter und ein Walboot als Gig Besatzung: 53 Technische Daten als Restaurador: Bewaffnung: 1-7,6 cm Geschütz, 4-5,7 cm Geschütze, 2-3,7 Maschinenkanonen

Die Atalanta war bei ihrer Fertigstellung die größte und schnellste Jacht der Welt und mit modernster Technik ausgerüstet, wie Türk schrieb:

Die Form des mit drei hohen Masten mit Stengen getakelten und weit ausspringendem Bug versehenen Schiffes war eine sehr hübsche, die innere Einrichtung der Salons und Wohnräume eine selten schöne zu nennen. Alles in Eichenholz oder Zedernholz geschnitzt, eigentlich jeder Schreibtisch, jedes Büfett ein Kunstwerk. Alle Vorhänge, die Bezüge der schweren geschnitzten Lehnsessel und Sofas aus Seidenbrokat oder Atlas, in allen, auch den kleineren Zimmern große, prachtvoll geschliffene Spiegel, alle Fenster in Türen oder Deckslichtern geschliffenes Spiegelglas oder buntes Glas, der Rest des noch von uns vorgefunden Geschirrs, der Leuchter, Kronlampen aus schwer plattiertem Kupfer. Dazu elektrisches Licht, Dampfheizung, Eismaschinen und Kühlräume - kurz, ein Fahrzeug, wie es raffinierter ausgestattet kaum gebaut werden kann.

So auch der Scientific American am 15. November 1884:

Her lines forward give an easy and graceful entrance in the water; her run is long and smooth, finishing with an elliptical overhanging stern of the true american type, a striking feature of this most perfect boat.

Schon drei Monate nach der Fertigstellung gab es ein dramatisches Unglück: Am 4. September 1883 rammte die Jacht im Hafen von New York in voller Fahrt einen Hafenschlepper, der in der Mitte durchschnitten wurde und sofort sank; offenbar wurden einige Männer des Schleppers vermißt. Erstaunlicherweise trug die Atalanta keinerlei Beschädigungen davon.

Da Jay Gould am 2. Dezember 1892 starb, ging die Jacht eventuell in den Besitz seines Sohns Howard Gould über. Dieser scheint die Atalanta aber nicht genutzt zu haben; jedenfalls wurde bereits im bereits im Oktober 1893 in der New York Times darüber spekuliert, ob sie nicht eventuell an die brasilianische Regierung verkauft werden sollte. Hintergrund war offenbar die Marinemeuterei in Rio de Janeiro (A Revolta da Armada) 1893/94. Da sich die eigene Marine im Aufstand gegen die Regierung befand, um die Monarchie wieder zu errichten, kaufte diese in Europa und den USA Kriegssschiffe und Handelsfahrzeuge an, um eine neue Marine zu bilden. Wie auch immer, der Verkauf fand nicht statt, und 1895 nahm die Atalanta an der Kieler Woche teil.

1899 beabsichtigte die kolumbianische Regierung die Atalanta für $ 120.000 ankaufen, wovon $ 80.000 für die Anschaffung des eigentlichen Schiffs und die Restsumme für die Bewaffnung eingeplant waren. Tatsächlich aber wurde die Jacht erst 1900 von der Regierung Cipriano Castro gekauft und in Restaurador ("Der Erneuerer") umbenannt. Da sich Castro selbst als der "Erneuerer" Venezuelas verstand, war der Name der Restaurador natürlich stark symbolisch aufgeladen. Zusammen mit dem gleichzeitig angekauften Kanonenboot bzw. Kreuzer Bolivar (ex Spanisch Galicia) verfügte Castro über die stärkste Marine im südkaribischen Raum, der der Nachbarstaat Kolumbien nichts entgegen zu setzen hatte.

Tatsächlich diente aber die neue Marine keineswegs der Auseinandersetzung mit ausländischen Mächten, sondern der Abwehr von Filibusterunternehmen seiner Gegner. Die so genannten Liberalen versuchten von Kolumbien und dem holländischen Curacao aus, auf dem Land- und Seeweg Expeditionen nach Venezuela zu senden, um lokale Aufstände auszulösen. Um ein Gegengewicht zur Bolivar und Restaurador zu besitzen, kaufte das Revolutionskomitee 1901 in London den Dampfer Ban Righ (schottisch: "Der weibliche König", also die Königin, sprich: "Benn Rih") an, der in Antwerpen zu einem Kriegsschiff umgerüstet wurde. Von Dezember 1901 bis März 1902 operierte die Ban Righ vor der Küste Venezuelas und schoß in einem Gefecht ein kleineres Kanonenboot der Regierung zum Wrack. Aufgrund von Maschinendefekten, die eventuell durch Sabotage entstanden, wurde der Rebellendampfer gefechtsunfähig. Er lag in Cartagena/Kolumbien auf und wurde offenbar 1907 für die kolumbianische Marine angekauft.

Während der Jagd auf die Ben Righ war der Marineoffizier Roman Delgado Chalbaud Kommandant der Restaurador. 27 Jahre später sollte er als General und Anführer einer Revolutionsjunta selbst ein Filibusterunternehmen gegen Venezuela unternehmen - gegen seinen früheren Weggefährten und nunmehrigen Präsidenten Juan Vicente Gómez. Wie die Revolutionäre von 1901 kaufte auch er im Ausland ein "Kriegsschiff" an - den deutschen Dampfer ''Falke''. Doch vorerst sollte Delgado Chalbaud ganz andere Erfahrungen mit dem Deutschen Reich machen. Am ??? wurde sein Schiff im Hafen von Guanta von einem Kommando des deutschen Kleinen Kreuzers S.M.S. Gazelle geentert.

= Die Restaurador als deutsches Hilfsschiff in der Venezuelablockade =[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 11. Dezember 1902 begann die Operation des Kleinen Kreuzers S.M.S. Gazelle gegen die Restaurador im Hafen von Guanta im Staat Anzoategui. Am frühen Morgen erschien das Flaggschiff der Ostamerikanischen Kreuzerdivision, der Große Kreuzer S.M.S. Vineta unter Kommodore Scheder, und teilte der Gazelle mit, dass das Ultimatum gegen die Regierung Castro abgelaufen und die Restaurador zu entern sei. Daraufhin wurde um 09.40h Leutnant zur See v. Bechtolsheim mit einem Boot entsandt, um die Übergabe zu fordern:

Holen Sie innerhalb 10 Minuten die Flagge nieder und verlassen Sie das Schiff. Jedem Versuch des Widerstandes werde ich mit rücksichtsloser Gewalt begegnen.

Der Kommandant der Restaurador, Roman Delgado Chalbaud bat zwar um zehn Minuten Aufschub, doch das Kommando der Gazelle vermutete eine Kriegslist und begann sofort, ein Enterkommando auszusenden, das aus ihren vier Beibooten bestand: der Dampfpinnaß unter Türk, der Ruderpinnaß unter Oberleutnant zur See von Rosenberg, dem I. Kutter unter Oberleutnant zur See Lorey und der Jolle unter Bootsmannsmaat Materne.

Das Entern der Restaurador verlief ohne Widerstand von venezolanischer Seite. Die venezolanische Besatzung verließ unter Einhaltung des Protokolls das Kanonenboot. Eine an Land in Bereitschaft gehaltene Abteilung Infanterie griff nicht in die Enterung ein. Das Schiff wurde sofort in Betrieb genommen und Türk um 11.00h durch ein Signal der Vineta zum Kommandanten der Restaurador ernannt, die nun unter Reichskriegsflagge gestellt wurde und nun als S.M.S. Restaurador diente. Die Bezeichnung Kreuzer durch Türk ist falsch und stammt mit Sicherheit von ihm selbst; in jeder Hinsicht, sowohl in Bezug auf ihre Größe als auch Bewaffnung war die Restaurador ein Kanonenboot und wurde in den internationalen Flottenlisten auch als solches bezeichnet. Vermutlich wollte Türk seine eigene Bedeutung etwas hervorheben.

Aufgrund der unglaublichen Verwahrlosung des Schiffs trat die Restaurador zwecks einer gründlichen Überholung am 12. Dezember ihre Reise nach Port of Spain, der Hauptstadt von Trinidad an; seinerzeit eine englische Kolonie. Aufgrund der Verschmutzung der Schiffsräume wohnte die deutsche Besatzung auf dem Oberdeck unter den Sonnensegeln. Am 13. Dezember traf sie dort ein, ein Prahm wurde als provisorischer Wohnort angemietet. In den nächsten Tagen wurde das Schiff gründlich durch Ausschwefeln desinfiziert, sämtliche Polstermöbel, Decken, Matrazen usw. zum Desinfizieren an Land gegeben und durch Kontraktarbeiter das Schiff gereinigt. Außerdem wurde es gründlich gemalen und, soweit möglich, alle für ein Kriegsschiff notwendigen Hilfsgeräte installiert. Dabei erhielt die Besatzung ausgiebige Hilfe durch die englische Seite.

Am 24. Dezember fand Dank eines echten Tannenbaums, den der deutsche Konsul in Port of Spain gestiftet hatte, eine Weihnachtsfeier statt, zu der neben dem Konsul auch deutsche Residenten auf Trinidad geladen wurden. Am 10. Januar 1903 war die Restaurador halbwegs fertiggestellt, allerdings betrug der Gebrauchsdruck der Kessel statt 120 Pfund pro Quadratzoll lediglich 45, also nur ein Drittel der eigentlich notwendigen Leistung. Immerhin ließ sich damit noch eine Höchstgeschwindigkeit von 8 Seemeilen erzielen. Am Abend des 10. Januar 1903 traf die Restaurador in Puerto Cabello ein, und am 12. Januar wurde das Schiff dort durch Kommodore Scheder inspiziert.

Zwei Tage später, am 14. Januar, begann S.M.S. Restaurador den Blockadedienst. Ziel war die Unterbindung des Schmuggelhandels mit dem Festland. Letztlich war das Schiff auf diese Aufgabe nur unzureichend vorbereitet. Auch wenn Türk dies nur andeutet so wird doch deutlich, daß die defekte Maschine die Seefähigkeit des Schiffs stark beeinträchtigte. Hinzu kam ein Manko, das typisch ist für Handelsschiffe, die nachträglich zu Kriegsschiffen umgerüstet werden: Mangelnde Stabilität durch die Aufstellung zu schwerer Geschütze, vor allem am Bug:

Die Restaurador schlingerte so stark, daß der Regelkompaß samt Säule aus der Deckverankerung gerissen wurde - der einzig brauchbare Kompaß an Bord. Er konnte allerdings einige Tage später wieder repariert werden.

Am 16. Januar befand sich das Kanonenboot vor dem Hafen von Tucacas im Staat Falcón; heute ein beliebter Ferienort. Der Hafen befand sich in der Hand der Regierungstruppen so dass Türk die Besatzung auf eine mögliche Enterung durch den Gegner vorbereitete (Kommando: "Enter abschlagen!"). Dazu dienten auch an Bord vorgefundene Mauser-Gewehre, die wieder in Stand gesetzt wurden. In der Nacht zum 17. Januar platzte jedoch das Hauptdampfrohr. Mit einfachsten Mitteln wurde das Rohr in 40 Stunden repariert, während das Schiff praktisch bewegungsunfähig war. Wie verzweifelt die Situation an Bord war, sieht man daran, dass geplant war, das Brandungsboot mit einem Segel zu versehen und damit das Flaggschiff zu suchen, das sich bei Puerto Cabello befinden mußte. Doch gelang es rechtzeitig, eine nächtliche Scheinwerferverbindung zur Vineta herzustellen, die den Kleinen Kreuzer S.M.S. Falke detachierte. Dessen Kommandant und der Leitende Ingenieur billigten die Reparaturmaßnahmen.

In der Folgezeit operierte S.M.S. Restaurador vor La Guayra, Curacao und anderen Orten vor der venezolanischen Küste. In diese Zeit fiel auch der routinemäßige Besatzungswechsel, bedingt durch den Ablösetransport von und nach Deutschland. Lediglich Türk verblieb an Bord.

Am 23. Februar 1903 wurde der "Kreuzer" im Hafen von Puerto Cabello den venezolanischen Behörden übergeben, da die Blockade beendet war. Ohne Übertreibung läßt sich sagen, dass damit eine ungewöhnlichsten Episoden der deutschen Seefahrts- und Marinegesschichte zu Ende ging:

Uns Überlebenden wird die Erinnerung an die "karibische Piratenzeit" - die amerikanischen Blätter beliebten, uns die ´carribbean pirates' zu nennen - und an den kleinen "Restaurador" eine unvergeßliche bleiben.

= Die Restaurador und das Ende des Bürgerkriegs. Die Schlacht von Ciudad Bolivar (Angostura) 1903 =[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Um 1918 wurde die Restaurador in General Salom umbenannt. Bartolomé Salom (1770-1863) war ein führender Militär des Unabhängigkeitskriegs gegen Spanien gewesen und 1909 zum Nationalheld erklärt worden. Vermutlich hatte die Umbenennung politische Gründe: Der Name "Restaurador" war möglicherweise immer noch mit Cipriano Castro als selbst ernannter "Erneuerer" Venezuelas konnotiert. Da Castro bis zu seinem Tod 1924 im puertorikanischen Exil immer wieder auf eine Rückkehr nach Venezuela spekulierte, könnte es ein Versuch Gómez´ gewesen sein, die Erinnerung an Castro auszulöschen.

Das Schicksal der General Salom ist unbekannt. Gómez reformierte zwar beständig Heer, Marine und Luftwaffe, setzte aber stark auf den Aufbau der Fliegerstreitkräfte, die durch eine französische Militärmission ausgebildet wurden. Als im August 1929 der deutsche Frachtdampfer ''Falke'' als Revolutionsschiff vor Venezuela operierte, wurden keine Marinestreitkräfte gegen ihn eingesetzt; offenbar waren weder die General Salom noch der Kreuzer Mariscal Sucre einsatzbereit. Vermutlich wurde die General Salom nach dem Zweiten Weltkrieg, als die venezolanische Marine grundsätzlich neu strukturiert wurde, außer Dienst gestellt und auf der Werft von La Guayra abgewrackt.

Quellen:

  • Titus Türk: 75 Tage an Bord des Kreuzers "Restaurador", 2. Aufl. Lübeck 1905.
  • B. Weyer (Hg.): Taschenbuch der Kriegsflotten, XV. Jahrgang 1914, München 1914, S. 117.
  • Alexander Bredt (Hg.): Weyers Taschenbuch der Kriegsflotten, XXXVI. Jg. 1943/44, München/Berlin 1944, S. 218.
  • Adrian J. English: Armed Forces of Latin America. Their Histories, Development, Present Strength and Military Potential, 2. Aufl. London 1985, S. 453.
  • J. Fred Rippy/Clyde E. Hewitt: Cipriano Castro, "Man without a Country". In: American Historical Review, 55, 1949, S. 36-53.
  • Ed Holm: Yachting´s Golden Age: 1880-1905, New York 1999.
  • American Steam Yachts. In: Scientific American v. 15.11.1884.
  • THE ATALANTA A GUNBOAT. Colombia Purchases George L. Gould´s Big Steam Yacht. In: New York Times v. 21.07.1900.
  • ATALANTA FOR VENEZUELA. Colombia´s Neighbor May Secure Jay Gould´s Yacht. In: New York Times v. 11.11.1900.
  • GOULD YACHT NOT WANTED. Commissionar Isaza Says Columbia Cannot Afford it. In: New York Times v. 30.09.1900.
  • OPERA COMIQUE TRIP OF VENEZUELA`S NAVY. Rich Fittings of Jay Golud´s Old Yacht Burned for Fuel. In: New York Times v. 05.03.1901.
  • VENEZUALAN WARSHIP FLEW AMERICAN FLAG. Adopted Ruse in Order to Bombard Ciudad Bolivar. In: New York Times v. 25.09.1902.

Weblinks:

  • www.jsjohnston.org/JPEGs/358-atalanta.jpg