Charles d’Orléans de Rothelin

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Charles d’Orléans de Rothelin

Charles d’Orléans de Rothelin, genannt l’Abbé de Rothelin (* 5. August 1691 in Paris; † 17. Juli 1744 ebenda) war ein französischer Geistlicher, Theologe, Numismatiker und Gelehrter und seit 1728 Mitglied der Académie française.

Familie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Charles entstammte dem Geschlecht Orléans-Rothelin, einer illegitimen Nebenlinie des Hauses Orléans-Longueville, und war in der weiblichen Linie ein Nachkomme des Markgrafen Philipp von Hachberg-Sausenberg. Zu seinen Vorfahren gehörte auch Jean de Dunois, der Kampfgefährte der Jeanne d’Arc. Er war das sechste und jüngste Kind von Henri II. von Orléans-Rothelin († 1691) und Gabrielle Eléonore de Montault de Navailles († 1698).

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rothelin kannte seinen Vater, der zwei Monate nach seiner Geburt in der Schlacht bei Leuze umkam, nicht und verlor auch seine Mutter im Kindesalter. Da auch seine Großeltern starben, bevor er neun Jahre alt war, kümmerte sich seine ältere Schwester Suzanne de Clère (1677–1751) um seine Erziehung. Er besuchte das Collège d’Harcourt[1] und promovierte 1716 in Theologie.

1717 starb seine Tante, die Herzogin von Elbeuf Françoise de Montault (1653–1717), kinderlos und hinterließ ein namhaftes Erbe, das teilweise Rothelin zukam.

Als Protegé von Kardinal de Polignac begleitete er diesen 1723 auf seiner Reise nach Rom und war auch 1724 im Umfeld des Kardinals, der am Konklave teilnahm, das Papst Benedikt XIII. wählte.

1726 wurde er zum Abt der Benediktinerabtei Notre-Dame de Cormeilles ernannt.[2] Diese Pfründe brachte ihm 12000 Livres pro Jahr ein[3] und ermöglichte ihm seine Studien. Bei seiner Übernahme befand sich die Abtei in einem schlechten Zustand und hatte nur noch zwei Mönche, aber gute Einkünfte aus ihren englischen Propsteien. Bis zu seinem Tod wuchs der Konvent wieder auf 11 Mitglieder.

1728 wurde er zum Mitglied der Académie française gewählt, wo er bis zu seinem Tod den 11. Sitz einnahm. 1733 wurde er als membre honoraire auch in die Académie des Inscriptions et Belles-Lettres gewählt.[4] Er arbeitete auch an der dritten Auflage des Dictionnaire de l’Académie française mit.

Auch Voltaire schätzte Rothelin und bat ihn 1733 vor der Veröffentlichung in Frankreich um eine Stellungnahme zu seinen Lettres philosophiques. Rothelin war der Meinung, dass Voltaires Werk die königliche Zensur ohne die Entschärfung einiger Passagen nicht passieren werde.[5] Tatsächlich wurde das Werk dann auch verboten und ein Haftbefehl gegen Voltaire ausgestellt. Voltaire widmete Rothelin auch einen Vers.[6]

Exlibris des l’Abbé de Rothelin mit seinem Wappen

Charles galt als einer der gelehrtesten Bibliophilen seiner Zeit. Der nach seinem Tod 1746 erstellte Katalog seiner Bibliothek umfasste 5036 Titel, wobei eine Nummer vielfach für mehrbändige Werke steht.[7] Seine Sammlung fand nicht nur Beachtung wegen der vorhandenen Titel, sondern auch wegen der exquisiten Ausstattung der Bücher. Rothelin ließ seine Bücher bei den besten Buchbindern von Paris binden und auch sein Exlibris mit seinem Wappen einfügen. Dieses Wappen enthält auch noch die Wappen der Markgrafen von Hachberg-Sausenberg und der Grafen von Neuenburg, womit Rothelin an die Urahnin des Geschlechts, Jeanne de Hochberg, anknüpft. Bei der Versteigerung seiner Bibliothek im März 1747[8] wurde die Buchsammlung auseinandergerissen – sie erbrachte einen Ertrag von 83000 Livres.

Der Anti-Lukrez[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Kardinal de Polignac hinterließ das Manuskript einer Widerlegung des Lukrez in metrischen Versen, den er 1741 auf dem Totenbett Rothelin zur Überarbeitung und späteren Publikation anvertraute. Rothelin erkrankte jedoch selbst und starb 1744, ohne die Arbeit ganz vollendet zu haben. So machte erst Charles LeBeau[9] das Werk druckfertig und ließ es 1747 in Paris publizieren („Anti-Lucretius sive De Deo et Natura“ – Anti-Lukrez oder Über Gott und die Natur). Innerhalb von 20 Jahren wurden 15 Auflagen der lateinischen Fassung und eine Anzahl von Übersetzungen ins Französische, Italienische, Englische und Deutsche veröffentlicht.[10]

Das Münzkabinett[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Charles besaß ein umfangreiches Münzkabinett mit zahlreichen römischen Münzen. Er schenkte Charles LeBeau kurz vor seinem Tod etwa 9000 Bronzemünzen. Die restliche Sammlung kaufte aus seinem Nachlass der König von Spanien Ferdinand VI. für 87000 Livres. Sie befindet sich heute mit 136 Gold- und 5293 Silbermünzen im Escorial.[11]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Charles d’Orléans de Rothelin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise, Anmerkungen und Fußnoten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. zu diesem Collège allgemein siehe Collège d’Harcourt in der französischen wikipedia
  2. zur Abtei allgemein siehe den Artikel in der französischen Wikipedia Abbaye Notre-Dame de Cormeilles
  3. s. Stramberg S. 400
  4. s. Homepage der Akademie (Memento des Originals vom 10. Juni 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.aibl.fr
  5. J. B. Shank: The Newton Wars and the Beginning of the French Enlightenment, Chicago und London 2008, S. 302 online in der Google Buchsuche - englisch
  6. «Cher Rothelin, vous fûtes du voyage,
    Vous que le goût ne cesse d’inspirer,
    Vous dont l’esprit si délicat, si sage,
    Vous dont l’exemple a daigné me montrer
    Par quels chemins on peut sans s’égarer
    Chercher ce goût, ce dieu que dans cet âge
    Maints beaux-esprits font gloire d’ignorer.»
    (Adrien-Jean-Quentin Beuchot: Oeuvres de Voltaire: Tome XII., Poésies, Tome I., Paris 1883, S. 327)
    „Teurer Rothelin, Ihr habt die Reise vollbracht (zum temple du goût, von dem das Buch handelt), Ihr, den der gute Geschmack unablässig inspiriert, Ihr, dessen wählerischer und weiser Geist, dessen Beispiel mir zeigte, auf welchen Wegen man, ohne irrezugehen, jenen Geschmack, jenen Gott suchen kann, den in dieser Zeit so manche Schöngeister zu ignorieren sich rühmen.“
  7. G. Martin: Catalogue des livres de feu M. l’abbé d’Orleans de Rothelin, Paris 1746 online im Internet Archive
  8. siehe Gustav Adolf Erich Bogeng: Die großen Bibliophilen. Geschichte der Büchersammler und ihrer Sammlungen, I. Band, Seemann, Leipzig 1922, S. 142 pdf 9,76 MB
  9. zur Person allgemein siehe den Artikel in der französischen Wikipedia Charles Le Beau
  10. siehe Reinhold F. Glei: Über Gott und die Welt. Kardinal Melchior de Polignacs lateinisches Lehrgedicht Anti-Lucretius auf www.ruhr-uni-bochum.de; abgerufen am 15. September 2015
  11. ein INVENTARIO GENERAL DE MANUSCRITOS DÉLA BIBLIOTECA NACIONAL von 1988 zeigt unter Nr. 8240 «Etat des medailles d’or et d’argent du Cabinet de Mr. l’Abbé de Rothelin» (136 de oro y 5293 de plata). pdf 12,29 MB, spanisch; Gustave Brunet, Jacques-Paul Migne: Dictionnaire de Bibliologie Catholique: présentant un exposé des principaux ..., Spalte 526–527 im Internet Archive