Christuskirche (Heidelberg)

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Christuskirche

Die evangelische Christuskirche Heidelberg ist ein Kirchengebäude des Historismus in der Heidelberger Weststadt.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1890 wurde in Heidelberg mit der Bauplanung des Stadtteiles Weststadt begonnen. Zunächst gehörte die evangelische Kirche der Weststadt der Providenzgemeinde an, die sich noch heute in der Altstadt befindet. Um das Jahr 1894 stellte die Familie P. J. Landfried ein Grundstück in der Mitte des Stadtteiles zur Verfügung, auf dem die evangelische Christuskirche gebaut werden sollte, um der protestantischen Bevölkerung Heidelbergs den Gottesdienst in der Turnhalle der örtlichen Landhausschule zu ersparen. Die beiden neuen Weststadtkirchen waren gleichzeitig im Bau. Die katholische Kirche St. Bonifatius (1898–1903) wurde drei Monate früher fertiggestellt als die Christuskirche. Deren Architekt war Hermann Behaghel. Der erste Spatenstich fand am 24. September 1900 statt, der Grundstein wurde am Himmelfahrtstag 1901 gelegt, die Einweihung erfolgte am 3. Januar 1904. Noch heute ist der Grundstein hinter der Treppe der Kanzel zu finden, am sogenannten Triumphbogen. Der markante 65 m hohe Turm prägt zusammen mit den Türmen von St. Bonifatius das Bild der Weststadt.

Architektur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Innenansicht, Blick zum Chor

Der Baustil der Christuskirche ist eine Mischung aus Jugendstil, Renaissance-Bauformen und gotischen Elementen, entspricht also dem sogenannten typischen Maskenball der Stile des Historismus.

Das ungewöhnliche Dach des Kirchturmes ist in seiner Form und Gestaltung das einzige dieser Art. Als Abschluss zieren jeweils fünf zackenartige Verzierungen die Kupferspitze, auf der ein etwa 4–5 m hohes Kreuz steht und auf dem ein goldener Hahn die Windrichtung anzeigt. Die vier Uhren wurden aufwändig gestaltet. Unter ihnen stehen Jahreszahlen, die an die Stationen der Reformationsgeschichte erinnern. Oberhalb stehen jeweils die dazugehörigen Städte: Wittenberg, Worms, Speyer und Augsburg. Ebenfalls unter den Uhren ragen vier große Wasserspeier schräg gegen den Himmel, welche die vier Evangelisten darstellen. Solch eine Gestaltung – mit Wasserspeiern, Figuren und weiteren Elementen – gibt es in diesem Umfang in keiner Heidelberger Kirche mehr. Der schwebende Engel von Hans Fries (1872–1955) findet sich über dem Hauptportal der Kirche. Auf dem Kopf trägt er eine Krone mit Stern.

Der quadratische Innenraum ist im Sinne einer evangelischen Predigtkirche auf die Kanzel hin orientiert. Auf der linken Seite befindet sich eine breite Empore, wodurch der Eindruck eines zweischiffigen Saales erweckt wird.

Gebaut wurde von 1900 bis 1904 auf Granit-Fundament; die Kirche hat 1200 Sitzplätze, eine Gesamtlänge von 38 Metern, eine Scheitelhöhe von 15 Metern, der Turm ist 65 Meter hoch.

Fenster/Glasmalerei[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Glasfenster im Chor

In der Kirche gibt es im Chorbereich drei große Fenster. Die von Rudolf Yelin dem Älteren entworfenen und von Heinrich Beiler ausgeführten Glasgemälde zeigen Stationen aus dem Leben Jesu und die Seligpreisungen Jesu. Das linke Chorfenster zeigt die Geburt Jesu und die Anbetung durch die Weisen aus dem Morgenland. In der Mitte: Der Leidensweg Jesu; auf der rechten Seite: Die Erscheinung des Auferstandenen gegenüber Paulus vor Damaskus.

Im Seitenschiff der Kirche gibt es zwei weitere farbige Fenster. Sie stellen eine Salbung und eine Wunderheilung Jesu dar. An der Ostseite werden in den Medaillons der Bogenfelder Philipp Melanchthon (1497–1560), Martin Luther (1483–1546) und Jan Hus (1369–1415) dargestellt, über der Westempore Huldrych Zwingli (1484–1531) und Johannes Calvin (1509–1564) in Erinnerung an die reformatorische Bewegung des 15. und 16. Jahrhunderts. Alle Fenster tragen Neorenaissance-Architekturdekor.

Walcker-Orgel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Blick zur Orgel

Die Kirche besitzt eine Orgel, die im Jahre 1903 von Eberhard Friedrich Walcker (Ludwigsburg) erbaut wurde. Das Instrument hat 41 klingende Register auf drei Manualen und Pedal. Es war der damaligen Zeit entsprechend in romantischer Disposition und mit pneumatischer Steuerung versehen.

Im Jahr 1955 wurde die Walcker-Orgel auf eine elektrische Spiele- und Registertraktur umgestellt, und das Klangbild im Sinne der Orgelbewegung für die Darstellung barocker Musik tiefgreifend umgestellt. Die Walcker-Orgel der Christuskirche ist trotz dieser Änderungen ein Zeugnis für die Orgeln der Jahrhundertwende.[1]

Disposition 1954[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

I Hauptwerk C–g3
1. Grobgedackt 16′
2. Prinzipal 08′
3. Gedeckt 08′
4. Traversflöte 08′
5. Oktave 04′
6. Rohrflöte 04′
7. Quinte 223
8. Kleinoktave 02′
9. Waldflöte 02′
10. Großmixtur V–VI
11. Glöckleinton II
12. Trompete 08′
II Schwellwerk C–g3
13. Gemshorn 08′
14. Quintade 08′
15. Weidenpfeife 08′
16. Weitprinzipal 04′
17. Salicional 04′
18. Nasard 223
19. Piccolo 02′
20. Septcornett III
21. Scharfmixtur IV
22. Fagott 16′
23. Trompette harm. 08′
24. Tromba acuta 04′
Tremulant
III Positiv C–g3
25. Rohrflöte 8′
26. Quintade 8′
27. Prinzipal 4′
28. Nasat 113
29. Blockflöte 1′
30. Terzian II
31. Zimbel III–IV
32. Oboe 8′
Pedal C–f1
33. Prinzipalbass 16′
34. Subbass 16′
35. Oktavbass 08′
36. Salicetbass 08′
37. Choralbass 04′
38. Superoktave 02′
39. Rauschbass II
40. Hintersatz III–IV
41. Bombarde 32′
42. Posaune 16′
43. Fagott 16′
44. Clarine 04′

Disposition ab 2011[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im September 2009 begann die Restaurierung der Orgel durch die Orgelbaufirma Gerhard Lenter. Dabei wurde die Orgel bis auf geringe Änderungen wieder dem Originalzustand angenähert.[2] Die restaurierte Orgel wurde am 24. April 2011 geweiht.

I Hauptwerk C–g3
1. Principal 16′
2. Principal 08′
3. Gedeckt 08′
4. Doppelflöte 08′
5. Viola di Gamba 08′
6. Gemshorn 08′
7. Synthematophon 08′
8. Octav 04′
9. Rohrflöte 04′
10. Rauschquinte II 223
11. Mixtur IV–V
12. Trompete 08′
II Schwellwerk C–g3
13. Bordun 16′
14. Principal 08′
15. Traversflöte 08′
16. Quintatön 08′
17. Salicional 08′
18. Dolce 08′
19. Octav 04′
20. Flöte 04′
21. Piccolo 02′
22. Mixtur III–IV
23. Trompete (1954) 08′
24. Clarinette 08′
III Echowerk (schwellbar) C–g3

25. Lieblich Gedeckt 16′
26. Geigenprincipal 08′
27. Rohrflöte 08′
28. Aeoline 08′
29. Vox coelestis 08′
30. Traversflöte 04′
31. Fugara 04′
32. Oboe (1954) 08′
Pedal C–f1
33. Principalbass 16′
34. Violonbass 16′
35. Subbass 16′
36. Gedecktbass (aus II) 16′
37. Quintbass 1023
38. Octavbass 08′
39. Cellobass 08′
40. Salicetbass (aus II) 08′
41. Octav 04′
42. Posaune 16′
43. Trompete 08′
  • Koppeln:
    • Normalkoppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P
    • Superoktavkoppel: II/II, III/III
  • Spielhilfen:
    • Pianopedal III, Pianopedal II
    • Zungenabsteller
    • Handregister zur Walze
    • Generalkoppel
    • zwei Freie Kombinationen
    • Crescendowalze
    • vier Feste Kombinationen: p, mf, f, ff
    • elektronische Setzeranlage
  • System:
    • pneumatische Kegelladen
    • pneumatische Spiel- und Registertraktur
  • Winddruck:
    • 100mm WS
    • Spieltisch: 125mm WS

Krämer-Orgel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit Ostern 2018 befindet sich eine zweite Orgel in der Christuskirche. Mit der Krämer-Orgel von 1790 steht hier nun ein spätbarockes Instrument. Die zweimanualige Krämer-Orgel wurde 1790 für die Ladenburger St.-Gallus-Kirche erbaut. 1865 kam sie in die dortige St.-Sebastians-Kapelle, wo sie bis in die 1960er Jahre und – nach einer Umarbeitung – von 1982 bis 2008, bis zur Schließung und Entwidmung der Kapelle, wieder gespielt wurde.

Glocken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vaterunser-Glocke

Ein halbes Jahr vor der Einweihung der Christuskirche kamen die vier Bronzeglocken an. Sie waren von der Glockengießerei A. Hamm in Frankenthal gegossen worden. Die Glocken wogen insgesamt 125 Zentner und waren auf B, C, D und F gestimmt und auf das damalige Geläute der Kirche St. Bonifatius abgestimmt. 1942 mussten im Zweiten Weltkrieg drei der vier Glocken abgegeben werden.

1951 wurde die Kirche mit neuen Glocken ausgestattet. Es sind Gussstahlglocken, die vom Bochumer Verein gegossen wurden. Sie haben die Töne c, es, f, g und ergeben somit ein ausgefülltes Moll-Motiv. Sie tragen die Inschriften: „Christus vivit“, „Christus regnat“, „Christus vincit“ und „Christus triumphat“ (Christus lebt, regiert, siegt und triumphiert). Das Vollgeläute ist beeindruckend, wohltönend und von weichem Klang.

Renovierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 2004/2005 wurde das ganze Bauwerk saniert. Der Turm bekam eine neue Blattvergoldung sowie einen neuen Blitzschutz, Taubenabwehr; es erfolgten Teilaustausch des Turmhelmes und Wartungsarbeiten im Turminneren. Im Inneren wurden Maßnahmen für die anstehende Orgelrenovierung getroffen; Bleifenster und Kirchengewölbe bekamen einen neuen Anstrich.[3]

Galerie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 100 Jahre Christuskirche Heidelberg. Jubiläumsbuch.
  • Johannes Wilhelm: Umnutzungen von Kirchenbauten. Evangelische Kirche in Bretten-Gölshausen und evangelische Christuskirche in Heidelberg. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, 32. Jg. 2003, Heft 1, S. 105–112 (PDF)
  • Hans Gercke: Kirchen in Heidelberg. 1. Auflage. Schnell und Steiner, Regensburg 2011, ISBN 978-3-7954-2413-8, S. 78–80.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Zu den Dispositionen der Walcker-Orgel. Abgerufen am 27. September 2022.
  2. Eine Orgel im Wandel der Zeit. Festschrift zur Wiedereinweihung der Walcker-Orgel in der Heidelberger Christuskirche. Hrsg. Christusgemeinde (Evangelische Bezirksgemeinde Heidelberg). Verlag Regionalkultur, Heidelberg 2011.
  3. Christuskirche in Heidelberg: Außeninstandsetzung. Internetauftritt des Architekturbüros, abgerufen am 3. Dezember 2010

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Christuskirche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 49° 24′ 7,9″ N, 8° 41′ 7,4″ O