Diagnose

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Diagnose (Vorlage:ELSalt, diágnosis ‚Unterscheidung, Entscheidung‘, aus διά-, diá-, ‚durch-‘ und γνώσις, gnósis, ‚Erkenntnis, Urteil‘)[1] ist die „Feststellung, Bestimmung einer körperlichen oder psychischen Krankheit (durch den Arzt)“[2].

Eine Diagnose entsteht durch die zusammenfassende Beurteilung einzelner Befunde wie beispielsweise Beschwerden, Krankheitszeichen (Symptome) oder typischer Gruppen von Symptomen (Syndrom). Auch Normalbefunde oder nicht krankhafte Normabweichungen können zur Diagnosestellung beitragen. Die Befunde werden durch die Anamnese, durch eine körperliche Untersuchung oder durch chemische oder apparative Untersuchungen erhoben.

Der Weg zur Diagnose, die Diagnosefindung, wird auch als Diagnostik bezeichnet und endet typischerweise mit der Benennung des gefundenen Krankheitsbildes. In die Benennung gehen im Idealfall auch Vorstellungen über Krankheitsursache und -entstehung (Ätiologie und Pathogenese) ein.

Die Diagnostik kann, wie bereits in den Hippokratischen Schriften grundlegend[3] dargestellt, rein klinisch erfolgen, meist jedoch handelt es sich um die gezielte Abfolge verschiedener Untersuchungen, z. B. Psychologische Diagnostik oder Bildgebende Diagnostik.

Mit dem Begriff Routinediagnostik kann

  • eine ohne besonderen Aufwand, ohne extra Anforderung durchführbare Maßnahme, z. B. bei Laboren
  • eine Abfolge von ohne konkreten Verdacht durchgeführten Maßnahme, z. B. bei Screening, "mal durchchecken"
  • eine in Behandlungsleitlinien für klinische Symptome (z. B.: HWI) durchzuführende Maßnahme
  • eine in Behandlungsprotokollen in festen Zeitabständen durchzuführende Maßnahme

gemeint sein.

Es gibt Klassifizierungen, (beispielsweise die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme – ICD), mit deren Hilfe Diagnosen schematisch in Gruppen eingeteilt und so grob abgebildet werden.

Die Diagnose ist entscheidend für die weitere Vorgehensweise bei der Behandlung.[4]

Auch in der Psychologie (siehe auch Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) wird der Begriff Diagnose verwendet (Psychologische Diagnostik). Im pflegerischen Bereich wird als Pflegediagnose ein Zustand oder ein gesundheitliches Problem bezeichnet, das Pflegemaßnahmen begründet oder beeinflusst.

Arten von Diagnosen

Im Idealfall fügen sich die erhobenen Einzelbefunde klar zusammen und lassen nur eine einzige Diagnose zu. In diesen Fällen kann dann so eine sichere Diagnose gestellt werden. So muss beispielsweise, um bei einem Patienten eine Sepsis diagnostizieren zu können, nachvollzogen werden, dass die vorhandenen Symptome einer Entzündung tatsächlich ursächlich auf eine Infektion zurückzuführen sind.[5] Nicht in allen Fällen können jedoch sichere Diagnosen herausgearbeitet werden, daher haben sich traditionelle Begriffe für die Sicherheit einer Diagnose eingebürgert.

Ausschlussdiagnose

Die Ausschlussdiagnose (engl. diagnosis by exclusion) ist eine Diagnose, die sich aus dem schrittweisen Ausschluss aller anderen möglichen Erkrankungen mit denselben Symptomen ergibt, bis nur noch die Ausschlussdiagnose übrig bleibt.[6]

Verdachts- und Arbeitsdiagnose

Liefern weder Diagnostik noch Differenzialdiagnostik ein sicheres Ergebnis, dann wird der vermuteten Diagnose ein V. a. (Verdacht auf) vorangestellt. Die Begriffe Verdachts- und Arbeitsdiagnose[7] werden häufig synonym verwendet. Sie sind grundsätzlich Ausgangspunkt weiterer Untersuchungen, um einen Verdacht zu erhärten oder auch zu verwerfen. In der Notfallmedizin wird der Begriff der Arbeitsdiagnose für Symptomenkomplexe verwendet, die im Rahmen einer notärztlichen Versorgung oder in einer Notaufnahme nur zeitverzögert näher differenziert werden können, weil dazu nötige Labor- oder andere Untersuchungen, wie Computertomographie oder konventionelle Röntgendiagnostik, entsprechend Zeit benötigen. Beispiele hierfür sind das akute Koronarsyndrom und das Polytrauma.[8][9]

Gründe, sich nur auf einen begründeten Verdacht zu beschränken, also keine exakte Diagnose zu stellen, liegen typischerweise darin, dass weiterführende Untersuchungen in keinem sinnvollen Verhältnis zu der therapeutischen Konsequenz stehen, vom Patienten abgelehnt werden oder für diesen ein Gesundheitsrisiko bergen. Auch ein Mangel an Möglichkeiten oder Zeit (beispielsweise im Notfall) oder Kostengründe können dagegenstehen. So ist beispielsweise die Diagnose grippaler Infekt immer eine Verdachtsdiagnose, solange keine virologische Untersuchung durchgeführt wurde. Ebenso hat sich in der Notfallmedizin der Begriff des akuten Koronarsyndroms eingebürgert, unter dem letztlich alle Symptome einer Minderdurchblutung des Herzens zusammengefasst werden. Die Differenzierung, ob es sich also konkret um eine Angina pectoris oder einen Herzinfarkt handelt, erfolgt dann zweizeitig.[8]

Differentialdiagnose

Als Differentialdiagnose (auch Differenzialdiagnose; auf Befundschreiben abgekürzt DD) bezeichnet man die Gesamtheit aller Diagnosen, die alternativ als Erklärung für die erhobenen Symptome (Krankheitszeichen) oder medizinischen Befunde in Betracht zu ziehen sind oder in Betracht gezogen worden sind.

Diagnose ex juvantibus

Bei nicht sicher gestellter Diagnose kann gelegentlich durch eine probeweise Therapieanwendung anhand einer beobachteten Verbesserung des klinischen Bildes oder einer Heilung ex post auf die Richtigkeit einer ursprünglichen Diagnose geschlossen werden. Man nennt dies Diagnosis ex juvantibus (Diagnose vom Heilerfolg her).

Fehldiagnose

Eine falsch gestellte Diagnose wird als Fehldiagnose bezeichnet.

Vorgehensweise bei der Erarbeitung einer Diagnose (Diagnostik)

Bereits beim Erstkontakt eines Erkrankten mit dem Arzt kann anhand von Anamnese und körperlicher Untersuchung eine Arbeitsdiagnose erstellt werden. Letztere ist Ausgangspunkt für das weitere Vorgehen, mit dem Ziel notwendige, ergänzende Informationen zu erlangen. Anhand der hinzugekommenen Informationen wird dann im ersten Schritt die Arbeitsdiagnose bestätigt oder verworfen bzw. verändert. Zur Erlangung einer gesicherten Diagnose kann es manchmal mehrerer solcher Schritte bedürfen.[10]

Die Auswahl der notwendigen diagnostischen Maßnahmen richtet sich auch nach der Wahrscheinlichkeit, Therapierbarkeit und Bedrohlichkeit der verbleibenden Differenzialdiagnosen und nach dem mit der Maßnahme verbundenen Aufwand und Risiko. Der Vorgang endet, wenn nur noch eine Diagnose in Frage kommt. Häufig wird der Vorgang vorher abgebrochen – und zwar vernünftigerweise, wenn die verbleibenden Differenzialdiagnosen nur noch Entitäten enthalten, die entweder

  • nicht therapierbar sind,
  • nicht therapiebedürftig sind oder
  • alle die gleiche (dann oft symptomatische) Therapie nahelegen.

Eine Herausforderung der medizinischen Diagnostik ist im Notfall der Zeitmangel.

Grundlegende Diagnostik

Die wichtigsten Methoden zur Diagnostik (Herausfinden einer Diagnose) in der Medizin sind Anamnese (Erhebung der Krankengeschichte durch Befragung des Patienten), Fremdanamnese (Erhebung der Krankengeschichte durch Befragung Dritter), körperliche Untersuchung (Untersuchung des Patienten unter Einsatz der Sinne und einfacher Hilfsmittel, vor allem durch Inspektion, Palpation, Perkussion und Auskultation) sowie die Berücksichtigung des Umfeldes des Patienten (beispielsweise herumliegende Spritzen oder Medikamente am Ort eines Notfalles[11], oder Schimmelbefall der Patientenwohnung).

Apparative Diagnostik

Die medizinischen Untersuchungsmethoden sind in den meisten Fällen hinreichend genau, um Krankheiten mit lebensbedrohlichen Konsequenzen erkennen oder ausschließen zu können. Der Sinn einer diagnostischen Maßnahme muss sorgfältig abgewogen werden. Der erwartete Nutzen muss dem Risiko, der Beeinträchtigung des Patienten und meist auch den Kosten gegenübergestellt werden. Grundsätzlich ist Diagnostik nur „nützlich“, wenn die Diagnose Konsequenzen für die Behandlung des Patienten hat. Ausnahmen hiervon sind etwa Obduktionen zur Klärung von berufsgenossenschaftlichen oder rechtlichen Fragen oder zur Qualitätssicherung der zukünftigen Behandlung anderer bzw. das Feststellen genetischer Ursachen einer Erkrankung, um ggf. Angehörige frühzeitig behandeln zu können. Nur in seltenen Fällen ist eine diagnostische Maßnahme „um der Gewissheit willen“ berechtigt. Die Maßnahme als solche muss in diesen Fällen als Therapie gesehen werden.

Beispiele für apparative Diagnostik sind Labordiagnostik (Untersuchung von Blut, Urin etc.), Gewebs- und Zelldiagnostik mittels Histologie oder Zytologie, bildgebende Verfahren (Sonografie, Endoskopie, Röntgen, CT, MRT und Nuklearmedizinische Bildgebung), Messung elektrischer Felder des Körpers (EKG, EEG, EMG und ENG), Funktionsuntersuchungen (Lungenfunktionstest, Druckmessungen in Gefäßen und Schließmuskeln), Reflexuntersuchung, Provokations- und Belastungstests (Leistungstests (Ergometrie) und Glukosetoleranztest).

Anforderungen an eine Diagnose

Ob die Diagnostik und damit die Diagnose ihr Ziel erreichen, hängt auch von der Qualität der Definition der zugrundeliegenden Kategorien ab. Einer wohldefinierten Kategorie (zum Beispiel Knochenbruch am Unterarm) lässt sich ein Krankheitsbild anhand weniger Kriterien (Sturz in der Anamnese, Schmerzen, Funktionsausfall des betroffenen Arms, Diskontinuität des Knochens im Röntgenbild) zuordnen und damit einer adäquaten Therapie zuführen (z. B. Gipsschiene). Bei Krankheiten, deren Kategorien weniger scharf definiert, umstritten oder komplex sind, ist das Risiko einer Fehldiagnose und damit einer Fehlbehandlung größer. Dieses Problem betrifft vor allem die Psychiatrie. Insbesondere die Persönlichkeitsstörungen sind hier problematische Kategorien.

Gewöhnlich muss die Aussagekraft eines Diagnoseverfahrens einer Überprüfung nach wissenschaftlicher Methode standhalten können, um von der Hochschulmedizin als anerkannt zu gelten (Siehe auch: Evidenzbasierte Medizin). Dennoch werden, vor allem außerhalb von Krankenhäusern und Arztpraxen, oft Methoden eingesetzt, die diese Forderung nicht erfüllen. Siehe hierzu: Alternativmedizin, Naturheilkunde.

Klassifizierung

Für die Verschlüsselung der Diagnosen gegenüber den Krankenkassen gilt die ICD-10-GM (GM=Deutsch)[12] gemäß der internationalen Klassifikation für Krankheiten. Hierzu gibt das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) die deutsche Version der ICD-10 heraus.

Die ambulanten Kodierrichtlinien (AKR) wurden durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) zum 31. Dezember 2011 abgeschafft.

Siehe auch

  • Triage, die Ersteinschätzung vor der ersten Diagnose aufgrund krisenhaftem Zeitdruck

Literatur

  • Medizinische Diagnostik in Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Heinz Goerke zum sechzigsten Geburtstag. Hrsg. von Christa Habrich, Frank Marguth und Jörn Henning Wolf unter Mitarbeit von Renate Wittern. München 1978 (= Neue Münchner Beiträge zur Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften: Medizinhistorische Reihe, 7/8).
  • Rudolf Gross: Medizinische Diagnostik: Grundlagen und Praxis. Berlin/Heidelberg/New York 1969 (= Heidelberger Taschenbücher, 48).

Weblinks

Wiktionary: Diagnose – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikiquote: Diagnose – Zitate
  • www.dimdi.de – Übersetzungshilfe für Diagnosen: ICD-10 (German Modification – Version 2013)

Einzelnachweise

  1. Wilhelm Pape: Handwörterbuch der griechischen Sprache. Bd. 1: A-K. Bearbeitet von Maximilian Sengebusch. 3. Auflage. Vieweg & Sohn, Braunschweig 1914, S. 574
  2. Diagnose. In: Duden, abgerufen am 23. März 2015.
  3. Horst Kremling: Zur Entwicklung der klinischen Diagnostik. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 23, 2004, S. 233–261; hier: S. 233.
  4. Haverkamp W., e.a.: Internistische Intensivmedizin: Methoden – Diagnose – Therapie, Georg Thieme Verlag, 2008, S. 4, ISBN 3-13-156261-7, hier online
  5. Haverkamp W., e.a.: Internistische Intensivmedizin: Methoden – Diagnose – Therapie, Georg Thieme Verlag, 2008, S. 29, ISBN 3-13-156261-7, hier online
  6. Peter Reuter: Springer Lexikon Medizin, S. 479. Springer, Berlin, Heidelberg 2004, ISBN 978-3-540-20412-1. Online: eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  7. Grüne S.: Anamnese – Untersuchung – Diagnostik, Springer-Verlag, 2007, S.28, ISBN 3-540-32866-1, hier online
  8. a b Ortlepp J.: Internistische Akut-, Notfall- und Intensivmedizin: das ICU-Survival-Book ; mit 113 Tabellen und 14 Algorithmen, Schattauer Verlag, 2012, S.99, ISBN 3-7945-2806-9, hier online
  9. Dick W. F., e.a.: Logbuch der Notfallmedizin: Algorithmen und Checklisten, Springer-Verlag, 2013, S. 102, ISBN 3-642-55797-X, hier online
  10. Buchner H., e.a.: Strategien neurophysiologischer Untersuchungen: Elektroneurografie – Elektromyografie. Georg Thieme Verlag, 2011, S. 4, ISBN 3-13-163151-1, hier online
  11. Grüne S.: Anamnese – Untersuchung – Diagnostik, Springer-Verlag, 2007, S. 205, ISBN 3-540-32866-1, hier online
  12. Diagnosenverschlüsselung nach ICD-10-GM. Kassenärztliche Vereinigung Sachsen, abgerufen am 23. Februar 2012.