Eigenkapitalersetzendes Darlehen

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Eigenkapitalersetzende Darlehen sind im Gesellschaftsrecht Gesellschafterdarlehen eines Gesellschafters an seine Gesellschaft, die im Falle der Insolvenz dieser Gesellschaft kraft Gesetzes in Eigenkapital umqualifiziert werden.

Geschichte

Im November 1937 hatte das Reichsgericht entschieden, dass die Finanzierung einer unterkapitalisierten GmbH mit Gesellschafterdarlehen im Falle einer daraus resultierenden Schädigung anderer Gläubiger sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB sei und derartige Forderungen nicht zur Konkurstabelle angemeldet werden dürften.[1] Vielmehr müssten Gesellschafterdarlehen als das behandelt werden, was sie in Wirklichkeit auch seien: nämlich Eigenkapital.[2] Der BGH griff im Dezember 1959 in seinem berühmten „Lufttaxi“-Urteil diese Thematik auf; er verließ dabei jedoch die deliktsrechtliche Argumentation und subsumierte sie unter gesellschaftsrechtliche Regelungen der §§ 30, 31 GmbHG a.F.[3] Danach müssten die einer unterkapitalisierten GmbH zur Verfügung gestellten Gesellschafterdarlehen in der Unternehmenskrise wie haftendes Eigenkapital behandelt werden, solange die Krise nicht überwunden sei. Die im GmbHG vorhandenen Gesetzeslücken wurden in der Folgezeit vom BGH mit einer Vielzahl von Urteilen geschlossen.

Vor allem wandte der BGH seine aufgestellten Regeln bei der GmbH & Co. KG an, auf Bürgschaften des Gesellschafters für Kredite Dritter und auf das Belassen von Gesellschafterdarlehen in der Krise. Mit dem Begriff der Unternehmenskrise setzte er sich ausführlich im März 1980 auseinander.[4] Erst im Juli 1980 wurden mit den §§ 32a und § 32b GmbHG a.F. entsprechende Bestimmungen in das GmbH-Gesetz eingefügt, die aber immer noch Lücken enthielten.[5] Durch den BGH wurde das eigenkapitalersetzende Darlehen vollends zum Rechtsinstitut erhoben und die Probleme sachdienlich gelöst.[6]

Betroffene Rechtsformen

Bei Personengesellschaften können zwischen vollhaftenden Gesellschaftern und deren Gesellschaft keine gegenseitigen Forderungen und Schulden entstehen, also auch keine Gesellschafterdarlehen. Vom Gesellschafter an seine Personengesellschaft geleistete Beträge sind Einlagen, von der Personengesellschaft empfangene Beträge sind Entnahmen. Haben - nicht vollhaftende - Kommanditisten ihre Einlage voll einbezahlt, können darüber hinaus eingezahlte Beträge als Gesellschafterdarlehen zur Verfügung gestellt werden.

Bei Kapitalgesellschaften kann ein Gesellschafter versuchen, sich durch entsprechende Vertragsgestaltung eine theoretische Rückzahlungsmöglichkeit wie normale Gläubiger zu verschaffen. Dazu gewährt er seiner Gesellschaft anstelle von Eigenkapital ein Darlehen, das den Darlehensbestimmungen der §§ 488 ff. BGB unterliegt und damit eine Rückzahlungspflicht durch den Schuldner beinhaltet. Diese Rückzahlungspflicht darf auch durch die schuldende Gesellschaft erfüllt werden, solange sie sich nicht in einer Unternehmenskrise befindet. Fällige Gesellschafterdarlehen dürfen mithin außerhalb einer Unternehmenskrise an die Gesellschafter zurückgezahlt werden wie normale Gesellschaftsverbindlichkeiten, zu denen die Gesellschafterdarlehen in Tilgungskonkurrenz stehen.

Auch bei der Aktiengesellschaft und der KGaA sind Gesellschafterdarlehen möglich. Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG dürfen die von den Aktionären geleisteten Einlagen nicht zurückgewährt werden, was allerdings nach § 57 Abs. 1 Satz 4 AktG nicht für die Rückzahlung von Aktionärsdarlehen gilt. Der BGH hat im März 1984 für die Aktiengesellschaft entschieden, dass ein mit unternehmerischem Interesse beteiligter (25 % und mehr) darlehensgebender Aktionär seine Gesellschafterdarlehen in der Krise der AG analog zu §§ 32a und 32b GmbHG wie Haftkapital behandeln lassen muss.[7] Auch eine unter 25 % liegende, nicht unbeträchtliche Beteiligung kann nach diesem Urteil dazu führen, dass ein Aktionärsdarlehen als eigenkapitalersetzendes Darlehen eingestuft wird, wenn die Beteiligung in Verbindung mit weiteren Umständen (Aufsichtsratsmandat) dem Gläubiger Einfluss auf die Unternehmensleitung sichert und er ein entsprechendes unternehmerisches Interesse erkennen lässt.

Gesetzliche Neuregelung

Durch das (MoMiG), welches zum 1. November 2008 in Kraft getreten ist, sind die gesetzlichen Vorschriften zum eigenkapitalersetzenden Darlehen, insbesondere die § 32a und § 32b GmbHG, für künftige Fälle abgeschafft worden. Nach dem Willen des Gesetzgebers wurden damit auch die früheren Rechtsprechungsregeln zum eigenkapitalersetzenden Darlehen (§ 30, § 31 GmbHG analog) abgeschafft (vgl. ausdrücklich § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG). Das Rechtsinstitut des eigenkapitalersetzenden Darlehens gibt es somit für künftige Fälle nicht mehr. Indes sollen die Rechtsprechungsregeln jedenfalls auf solche Altfälle noch Anwendung finden, in denen sowohl Gewährung als auch Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens vor dem 1. November 2008 erfolgten. Nach dem in Art. 103d EGInsO geregelten Günstigkeitsprinzip ist die alte Rechtslage zudem auf Sachverhalte vor dem 1. November 2008 heranzuziehen, wenn sie für den Anfechtungsgegner günstiger war als die neue Rechtslage. Die Auswirkungen der Gesetzesänderung sind heute noch nicht abschließend absehbar.

Als Ersatz finden sich nun Regeln zur Behandlung von Gesellschafterdarlehen und zur Anfechtbarkeit von deren Rückzahlungen oder Besicherungen in der Insolvenzordnung und dem Anfechtungsgesetz. Nach § 39 Abs. 1 Nr. 5, § 19 Abs. 2, § 135 InsO werden seitdem kraft Gesetz Darlehensrückzahlungsansprüche von Gesellschaftern einer Gesellschaft ohne eine natürliche Person als persönlich haftender Gesellschafter grundsätzlich als nachrangige Insolvenzforderungen eingestuft, unabhängig von deren Eigenkapitalersatzcharakter. Von dieser Regelung sind Gesellschafterdarlehen, welche von nicht geschäftsführenden Gesellschaftern mit einer Beteiligungsquote von nicht mehr als 10 % gewährt werden, ausgenommen.

Hintergrund

Befindet sich eine Kapitalgesellschaft oder eine Personenhandelsgesellschaft, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist (z. B. GmbH & Co. KG), in der Unternehmenskrise und benötigt zusätzliches Kapital, so können die Gesellschafter dieses entweder als zusätzliches Eigenkapital einbringen oder der Gesellschaft Fremdkapital in Form eines Darlehens (Gesellschafterdarlehen) zur Verfügung stellen. Kommt es dann dennoch zur Insolvenz, wäre das eingebrachte Eigenkapital aus Sicht des Gesellschafters verloren. Bei einer Darlehensgewährung, die nach § 488 BGB eine Rückzahlungspflicht auslöst, könnte jedoch theoretisch die Möglichkeit bestehen, dass er im gleichen Rang wie andere Insolvenzgläubiger steht, so dass er eine Rückzahlung in Höhe der Insolvenzquote erwarten könnte. Diese Zahlung würde zu Lasten der anderen Gläubiger gehen, womit deren Quote sinkt. Weiterhin könnte der Gesellschafter − wenn sich abzeichnet, dass die Insolvenz unvermeidlich ist − aufgrund seines Wissensvorsprungs und seines Einflusses auf die Geschäftsführung sich sein Darlehen aus noch vorhandenen Gesellschaftsmitteln zurückzahlen lassen und damit die anderen Gläubiger schädigen.

Literaturhinweise

Einzelnachweise

  1. RG, Urteil vom 16. November 1937, JW 1938, 862, 864
  2. RG JW 1939, 353
  3. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1959, Az. II ZR 187/57; BGHZ 31, 258; NJW 1960, 285 - "Lufttaxi"
  4. BGHZ 76, 326, 329 ff.
  5. BGHZ 90, 370, 379
  6. Cäcilie Lüneborg, Das neue Recht der Gesellschafterdarlehen, 2010, S. 34
  7. BGH, Urteil vom 26. März 1984, Az: II ZR 171/83: Beton- und Monierbau / WestLB; ZIP 2005, 1316