Gewerbe

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Ein Gewerbe ist grundsätzlich jede wirtschaftliche Tätigkeit, die auf eigene Rechnung, eigene Verantwortung und auf Dauer mit der Absicht zur Gewinnerzielung betrieben wird, mit Ausnahme freiberuflicher oder landwirtschaftlicher Tätigkeit. Im engeren Sinne versteht man unter Gewerbe die produzierenden und verarbeitenden Gewerbe: Industrie und Handwerk. Ein Gewerbe wird durch einen Gewerbetreibenden in einem Gewerbebetrieb ausgeführt.

Tatbestandsmerkmale

Demonstration des Schmiedehandwerks

In der deutschen Rechtsprechung hat sich folgende Definition durchgesetzt: Ein Gewerbe ist jede erlaubte, selbständige, nach außen erkennbare Tätigkeit, die planmäßig, für eine gewisse Dauer und zum Zwecke der Gewinnerzielung ausgeübt wird und kein freier Beruf ist.[1][2] Hieraus ergeben sich die folgenden Merkmale:

  • nach außen gerichtete Tätigkeit
  • selbständige (nicht freiberufliche) Tätigkeit
  • planmäßig auf gewisse Dauer angelegt
  • Gewinnerzielungsabsicht
  • keine generell gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstoßende Tätigkeit

Nach außen gerichtete Tätigkeit

Eine Tätigkeit ist nach außen gerichtet, wenn sie für Dritte nach außen offen erkennbar in Erscheinung tritt. Die für Dritte nicht erkennbare Absicht ein Gewerbe zu betreiben reicht hierfür nicht aus.[3]

Selbständige (nicht freiberufliche) Tätigkeit

Selbständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs.1 HGB). Wer nicht weisungsgebunden ist, ist demnach selbständig tätig.[2] Dabei muss es sich um eine rechtliche Selbständigkeit handeln, eine wirtschaftliche Selbständigkeit reicht allein nicht aus.[2][3]

Die Tätigkeit darf jedoch nicht den freien Berufen zugehören. Diese erfordern in der Regel eine höhere Bildung und sind besonders durch die persönliche Leitung und Mitarbeit des Betriebsinhabers geprägt[4] (für genauere Erläuterungen siehe den Artikel Freier Beruf (Deutschland)).[5]

Planmäßig auf gewisse Dauer angelegt

Planmäßig und auf gewisse Dauer betriebene gewerbliche Tätigkeit bedeutet, dass diese nicht nur gelegentlich betrieben werden darf. Nach K. Schmidt muss die Tätigkeit auf immer und ewig geplant sein.[6] Zudem müssen die vorgenommenen Handlungen auf eine Vielzahl von Geschäften gerichtet sein. Nicht von Bedeutung ist jedoch, wenn ein Gewerbe nur saisonal betrieben wird/werden kann (z. B. Bierzelt auf dem Oktoberfest oder Strandkorbmiete). Vielmehr ist entscheidend, dass wiederholt und regelmäßig Geschäfte getätigt werden (objektiv) und eine entsprechende Absicht zugrunde liegt (subjektiv).[2]

Gewinnerzielungsabsicht

Eines der weiteren Tatbestandsmerkmale für das Vorliegen eines Gewerbes ist die Gewinnerzielungsabsicht. Hierbei ist aber die gewerbliche Tätigkeit von der reinen Liebhaberei zu unterscheiden. Es fehlt eine offiziell definierte Bagatellgrenze nach unten, jedoch sind bei der Einkommensteuer bis zu 410 € pro Jahr steuerfrei (Freigrenze nach § 46 Absatz 3 EStG), was als Hilfskriterium herangezogen werden kann.

Gewerberecht

In Deutschland unterliegt die Ausübung eines Gewerbes der Gewerbeordnung. Danach muss jede gewerbliche Tätigkeit bei der zuständigen Gemeinde an- und abgemeldet werden; umgangssprachlich spricht man vom „Gewerbeschein“. Dabei ist aber zu beachten, dass der Beginn des Gewerbes nicht vom Zeitpunkt der Beantragung eines Gewerbescheins abhängt, sondern vom Beginn der selbständigen Tätigkeit.

Ausgehend von der in Art. 12 Grundgesetz festgeschriebenen Berufsfreiheit wurde in der Gewerbeordnung die Gewerbefreiheit festgeschrieben. Danach steht es jedem im Rahmen weiterer Gesetze frei, ein Gewerbe zu betreiben und Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Weiterhin ist das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb mittlerweile als Eigentumsrecht im Sinne des Art. 14 GG anerkannt. Die gesetzlichen Einschränkungen der Gewerbefreiheit, sieht man von der persönlichen Zuverlässigkeit einmal ab, können in drei Hauptgruppen gelistet werden:

  • Alle handwerklichen Tätigkeiten
  • Gaststättenkonzessionen nach jeweiligem Landesrecht
  • Das komplette Makler- und Bewachungswesen (§§ 33 und 34 ff. GewO, z. B. Immobilien, Versicherungen, Darlehen, Finanzanlagen)

§ 6 der Gewerbeordnung entzieht einige Tätigkeiten (z. B. die Fischerei und die Tätigkeit der Rechtsanwälte und Notare) ihrem Anwendungsbereich.

Man unterscheidet Gewerbe in die vier Gruppen Industrie, Handwerk, Handel und Sonstiges (darin Dienstleistungen, Hausgewerbe und Verlags­wesen). 1878 wurde in Deutschland die Gewerbeaufsicht eingeführt, die die Einhaltung von arbeits- und immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen überwacht und darauf aufbauend Gewerbebetriebe bei groben Verstößen auch schließen kann.

Ist für die Ausübung des Gewerbes ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb notwendig, gilt der Gewerbetreibende als Istkaufmann und ist zur Führung von Büchern verpflichtet. Kaufleute nach dem HGB müssen Bilanzen erstellen.

Steuerrecht

Einkommensteuer

Einkünfte aus Gewerbebetrieb gehören in Deutschland zu den in § 2 Abs. 1 EStG genannten sieben Einkunftsarten und zählen zu den Gewinneinkünften. Gesetzliche Grundlage der Einkünfte aus Gewerbebetrieb ist § 15 EStG. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfasst die Gewinne, die mit dem Gewerbe erzielt werden.

Gewerbesteuer

Ein entscheidender Unterschied in der steuerlichen Behandlung gegenüber den Freiberuflern besteht darin, dass Gewerbetreibende zusätzlich zur Einkommensteuer noch Gewerbesteuer von ihrem Gewinn zahlen müssen. Dies ist ein Nachteil für den Betroffenen, der erst in den letzten Jahren durch höhere Freibeträge und die Anrechnung bei der Einkommensteuer gemildert wurde.

Siehe auch

Literatur

  • Martin Krämer: Der Gewerbebegriff im Zivilrecht. Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2009, ISBN 978-3-8300-4195-5.
  • Rainer Wörlen, Handelsrecht mit Gesellschaftsrecht (Lernen im Dialog), Carl Heymanns Verlag, 9. Auflage (2008), ISBN 978-3-452-26795-5

Weblinks

Wiktionary: Gewerbe – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  • UStG Umsatzsteuergesetz
  • GewStG Gewerbesteuergesetz

Einzelnachweise

  1. Rainer Wörlen, Handelsrecht und Gesellschaftsrecht, Rz. 10, S.6.
  2. a b c d Spangemacher, Handels- und Gesellschaftsrecht, S. 24.
  3. a b Rainer Wörlen, Handelsrecht und Gesellschaftsrecht, Rz. 11, S.7.
  4. Rainer Wörlen, Handelsrecht und Gesellschaftsrecht, Rz. 13, S.7.
  5. Spangemacher, Handels- und Gesellschaftsrecht, S. 25.
  6. Karsten Schmidt, § 9 II 2d; Canaris, § 2 II 2b; vgl. Alpmann Schmidt, HR, S. 4.