Gottfried Keller-Stiftung

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Lydia Welti-Escher, Porträt von Karl Stauffer-Bern
Namenstafel Lydia-Welti-Escher-Hof, Gründerin der Gottfried Keller-Stiftung, Platz beim Kunsthaus Zürich

Die Gottfried Keller-Stiftung, abgekürzt GKS, ist eine 1890 von Lydia Welti-Escher gegründete Stiftung mit Sitz in Winterthur, die sich dem Erhalt von bildender Kunst in der Schweiz widmet.

Gründung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eidgenössische Gottfried Keller-Stiftung, Haldenstrasse 95 in Winterthur

1890 gründete Lydia Welti-Escher die GKS und vermachte der Schweizerischen Eidgenossenschaft ihr gesamtes nach der Scheidung verbliebenes Vermögen für die Finanzierung besagter Kunststiftung. Die Errichtung der Stiftung war das letzte Lebensziel der reichen Tochter des Zürcher Eisenbahnkönigs Alfred Escher die – gezeichnet durch die Ereignisse um ihre Liebesaffäre mit dem Maler Karl Stauffer-Bern – ihr Leben ein Jahr später im Alter von 33 Jahren beendete. Nachdem die Stifterin zuerst den Namen „Welti-Escher-Stiftung“ erwogen hatte, erhielt die Stiftung schliesslich den Namen des Schweizer Schriftstellers und Politikers Gottfried Keller (1819–1890).

Mit der Schenkung verband die Donatorin den Auftrag, aus den Erträgen des Vermögens bedeutende Werke der bildenden Kunst des In- und Auslandes zu erwerben und insbesondere Kunstwerke vor einem Verkauf ins Ausland zu bewahren. Die von der Stiftung gekauften Werke werden als Dauerleihgaben Schweizer Museen anvertraut, an ihrem ursprünglichen Standort erhalten oder dorthin zurückgeführt. Eine vom Bundesrat bestellte fünfköpfige Kommission bestimmt über die Verwendung des Ertrages aus dem Stiftungsvermögen und über die Art der Ankäufe.

Lydia Welti-Escher wollte mit ihrer Kunststiftung ein patriotisches Werk vollbringen, wie der von ihrem Vater initiierte Gotthardtunnel eines war. Sie war überzeugt, dass sie auch im Geist ihres „verewigten Vaters“ handelte, wenn sie dessen Vermögen einem öffentlichen Zweck zuführte und ihr „Scherflein zur Hebung des eidgenössischen Zusammengehörigkeits-Gefühls“ beitrug.[1]

Verlust des Stiftungsvermögens[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Stiftungsvermögen, das zum grössten Teil aus Wertpapieren und Liegenschaften bestand, belief sich in den Jahren 1890/1891 auf knapp 5 Millionen Franken, was einem heutigen Wert von rund 60 Millionen Franken entspricht. Allerdings fiel dieses beträchtliche Vermögen schon bald der staatlichen Misswirtschaft zum Opfer. Das für die Vermögensverwaltung zuständige Finanzdepartement machte gravierende Fehler, die das Vermögen substantiell schmälerten und das ursprünglich hohe Ertragspotential bald auf ein kümmerliches Niveau drückten, so dass die Gottfried Keller-Stiftung heute ihren Stiftungszweck nur noch mit zusätzlichen Bundesmitteln erfüllen kann: „Da das beträchtliche, 1890 von Lydia Welti-Escher eingebrachte Stiftungskapital wegen Misswirtschaft auf skandalöse Weise mittlerweile zu einem unbedeutenden Fundus verkommen ist …, ist es der Gottfried Keller-Stiftung aus eigener Kraft nicht einmal mehr möglich, den reglementarischen Aufgaben … gebührlich nachzukommen.“[2]

Einerseits verlor die Stiftung durch die Anlagestrategie des Bundes Millionen von Franken: Risikobehaftete, aber tendenziell ertragsstärkere Anlagen wurden kontinuierlich in konservative Papiere mit geringer Rendite umgelagert und vor allem in Obligationen aus Kantonal- und Hypothekarbanken angelegt. Die Gottfried Keller-Stiftung wurde so zu einem „Güselkübel aller möglichen schweizerischen Staatspapiere“.[3] Ausserdem verkaufte das Finanzdepartement zahlreiche Wertpapiere (z. B. sämtliche Maggi-Papiere) mit bedeutenden Kursverlusten. Neben den Fehlern im Anlagemanagement handelte der Bund fahrlässig, indem er auf die kontinuierliche Äufnung[4] des Stiftungsvermögens verzichtete. Noch schwerer wiegt, dass er in grober Verletzung der Stiftungsurkunde das Kapital angriff, wie beispielsweise 1894, als er den Betrag von rund 40 000 Franken zur Schlichtung des Nachsteuerprozesses von Friedrich Emil Welti zulasten des Stiftungsvermögens abbuchte.

Ein vernichtendes Urteil verdient auch der Verkauf der Zürcher Immobilien im Stiftungsbesitz: Sowohl das Belvoir als auch das Areal am Bleicherweg wurden überstürzt und ohne Evaluation des Verkehrswertes verkauft und erbrachten einen Erlös, der 250 000 Franken unter dem amtlichen Schätzwert lag. Eine Alternative zum sofortigen und vollständigen Verkauf war nicht einmal ernsthaft erwogen worden. Gerade auch im Hinblick auf eine langfristige Ausrichtung der Stiftung hätte die Frage abgeklärt werden müssen, ob es nicht klug und notwendig gewesen wäre, Immobilien oder Teile davon als Sachwertanlage für die Stiftung zu behalten. Nicht zuletzt deshalb, weil sich beide Grundstücke an bester Lage befanden und versprachen, durch den sich abzeichnenden Bauboom weiter an Wert zu gewinnen.

Aufgrund dieser Fehlentscheide in der Vermögensverwaltung verfügt die Stiftung heute für Kunstankäufe lediglich über einen jährlichen Eigenertrag von wenigen zehntausend Franken. Mit einer langfristig ausgerichteten Ausschüttungs- und Anlagepolitik jedoch hätte die Gottfried Keller-Stiftung heute ein Vermögen von mehr als 1 Milliarde Franken besitzen können, welches Ankäufe von Kunstwerken im Wert von jährlich mehreren Millionen Franken erlauben würde. Der Historiker Joseph Jung ist deshalb der Ansicht, dass der Bund „mindestens 50 Millionen Franken einschiessen“ müsste, um die Stiftung zu retten.[5][6]

Die Gottfried Keller-Stiftung heute[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sammlung der Stiftung umfasst heute mehr als 6500 Werke in rund 100 Museen der Schweiz mit einem Schwerpunkt in der Malerei des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. 1926 erwarb die Stiftung das Kloster St. Georgen in Stein am Rhein. Seit 1960 gehört ihr auch das Stadtpanorama von Thun, erstellt von Marquard Wocher. Mit Ankäufen wertvoller Interieurs (z. B. Schloss Wülflingen in Winterthur) ist es der Stiftung gelungen, diese in ihrer früheren Umgebung zu erhalten.

Ausstellungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1990: Glanzlichter. 100 Jahre Gottfried Keller-Stiftung, Kunstmuseum Luzern, 20. Oktober bis. 2. Dezember 1990[7]
  • 2019: Glanzlichter der Gottfried Keller-Stiftung, MASILugano, 24. März bis 28. Juli 2019.
  • 2019: Glanzlichter der Gottfried Keller-Stiftung, Landesmuseum Zürich, 14. Februar bis 22. April 2019[8]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Joseph Jung: Das imaginäre Museum: privates Kunstengagement und staatliche Kulturpolitik in der Schweiz: die Gottfried-Keller-Stiftung 1890–1922. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 1998, ISBN 3-85823-681-0.
  • Joseph Jung (Hrsg.): Lydia Welti-Escher. Ein gesellschaftspolitisches Drama. Selbstzeugnisse, Briefe und neue Erkenntnisse. NZZ Libro, Zürich 2008, ISBN 978-3-038234593.
  • Hanspeter Landolt: Gottfried Keller-Stiftung. Sammeln für die Schweizer Museen. 1890–1990. 100 Jahre Gottfried Keller-Stiftung. Benteli, Bern 1990.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Joseph Jung (Hrsg.): Lydia Welti-Escher, S. 171, 175.
  2. „Jahresbericht Gottfried Keller-Stiftung 2001–2004“, zit. Joseph Jung (Hrsg.): Lydia Welti-Escher, S. 405.
  3. Joseph Jung (Hrsg.): Lydia Welti-Escher, S. 415.
  4. Bilden von Rücklagen
  5. Interview mit Joseph Jung in der Weltwoche Nr. 28 vom 10. Juli 2008.
  6. Alice Henkes: Geschichte voller Ungereimtheiten – Gottfried Keller-Stiftung. In: SRF, Kontext, 10. April 2019, abgerufen am 26. Oktober 2022.
  7. Kunstmuseum Luzern: Glanzlichter. 100 Jahre Gottfried Keller-Stiftung. abgerufen am 26. Oktober 2022.
  8. sda: «Glanzlichter der Gottfried-Keller-Stiftung» im Landesmuseum. In: St. Galler Tagblatt, 13. Februar 2019, abgerufen am 26. Oktober 2022.