Habescha

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 18. September 2016 um 18:37 Uhr durch Stephan Hense (Diskussion | Beiträge) (→‎Bevölkerungszahl: kolon). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Begriff Habescha (amharisch habäša, Tigrinya ḥabäša; manchmal: amharisch Abesha, አበሻ abäša; arabisch الأحباش, DMG al-aḥbāš; außerhalb des deutschen Sprachraums bisweilen Habesha) bezeichnet in seinem engeren, historischen Sinn Angehörige der semitischsprachigen Volksgruppen der Amharen und Tigray/Tigrinya im äthiopischen Hochland, wird aber auch im weiteren Sinne für alle Äthiopier und Eritreer verwendet. Die Ethnien sind sich zwar sehr ähnlich, sprechen aber verschiedene – wenngleich verwandte – Sprachen.

Religion

In Äthiopien leben in der Mehrheit Christen (Äthiopisch-Orthodoxe Tewahedo-Kirche, Protestanten, Katholiken) und Muslime. Der christliche Glaube wurde – anders als bei vielen anderen Völkern Afrikas – nicht durch europäische Kolonisierung verbreitet. Die Habescha-Christen gehören vielmehr zu den ältesten christlichen Gemeinden der Welt. In der Bibel finden sich Taufgeschichten (zum Beispiel in Apg 8,26ff EU die Geschichte von Philippus und dem äthiopischen Eunuchen), die auf die Zeit um 50 datiert werden können. Anders als bei den Römischen Kirchen gibt es in Äthiopien und Eritrea eine ununterbrochene Sprachtradition des Christentums, da von jeher Altäthiopisch als Klerikalsprache benutzt wurde. Der Islam ist seit um 615 in Äthiopien vertreten. Muslimische Habescha sind in der Regel Sunniten. Außerdem sind einige Sufi-Orden im Land vertreten.

Die Zahl der äthiopischen Juden ist heute sehr klein; nach israelischen Quellen weniger als 1300 Menschen. Im Zuge der Operation Moses siedelten sich viele jüdische Habescha in Israel an.

Die Christen in Eritrea leben vorwiegend in der Hochebene um Asmara und die muslimischen Teile der Bevölkerung hauptsächlich im Tiefland und in Küstennähe. Neben dem Islam sind die Eritreisch-Orthodoxe Tewahedo-Kirche, römisch-katholische Kirche und die evangelisch-lutherische Kirche vom Staat zugelassen. Religiöse Minderheiten, die nicht zu den offiziell zugelassenen gehören, vor allem evangelikale Gruppen und Zeugen Jehovas sind, besonders seit 2002, von staatlichen Repressionen betroffen.

Kulturelle Gemeinsamkeiten

Grenzübergreifend teilen die Habescha viele kulturelle Elemente miteinander, am deutlichsten wird dies an der gemeinsamen äthiopische Schrift.

Auch die Küche ist im Wesentlichen identisch. Typisch sind großporige, weiche Brotfladen aus Sauerteig (Injera), die mit scharfen Fleisch- oder Gemüsesoßen gegessen werden. Getreide- und Honigbier sind ebenfalls besondere Spezialitäten.

Eine Besonderheit ist, dass auch die äthiopisch-orthodoxen Habescha sich an bestimmte Speiseregeln halten, die der jüdischen Kashrut bzw. den islamischen Speiseregeln ähnlich sind. Schweinefleisch wird daher von Orthodoxen nicht gegessen.

Markant ist auch die traditionelle Art der Habescha, Kaffee zuzubereiten. Dabei wird der Kaffee zunächst geröstet und gemahlen und anschließend in einem bauchigen Gefäß (Jabana) mehrfach aufgekocht. Aus einer Portion Kaffee wird anschließend mehrfach – in der Regel drei Mal – Kaffee gekocht. Die gesamte Zubereitung einschließlich der Röstung erfolgt dabei im Kreis der Gäste.

Bevölkerungszahl

Die Zahl der Habescha variiert je nach Quelle zwischen 32 und 75 Mio, wobei eine Zahl von unter 35 Mio. wahrscheinlich ist (alle Amharen, Tigrinya und Tigray). Eine signifikante Anzahl Habescha lebt außerhalb von Äthiopien und Eritrea. Nach Angaben von joshuaproject.net ergeben sich folgende Zahlen: Äthiopien: 29.300.000, Eritrea: 2.300.000; Vereinigte Staaten von Amerika: 250.000; Sudan: 111.000; Vereinigtes Königreich: 75.000; Israel: 64.000; Italien: 53.000;Schweiz: 21.000; Jemen: 18.000; Kanada: 16.000; Ägypten: 6.000; Deutschland: 6.000; Dschibuti: 3.500; Saudi Arabien: 1.900.

Etymologie des Begriffs Habescha

Die etymologische Herkunft des Begriffs ist unklar. Eine erste Verwendung findet sich im 2./3. Jahrhundert mit Bezug zum aksumitischen Königreich in altsüdarabischen Inschriften. Der Terminus könnte jedoch wesentlich älter sein. Nach einer These Eduard Glasers (Walter W. Müller: „Habashat“, in: Uhlig (Hrsg.) Encyclopaedia Aethiopica: D-Ha. Seite 948) taucht der Begriff „ḫbstjw“ bereits um 1460 v. Chr. in alt-ägyptischen Inschriften auf und bezeichnete die Habescha. Letztlich – so Müller – lässt sich die Begriffsherkunft aber wegen der langen Zeitspanne der Verwendung heute überhaupt nicht mehr zuordnen (Encyclopaedia Aethiopica, a.a.O.). Der Begriff Habescha bildet die etymologische Wurzel des Wortes Abessinien.[1]

Geschichte

Die Habescha teilen ein gemeinsames geschichtliches Erbe. Sie sind im Wesentlichen Nachfahren der Bevölkerung des Kerngebietes des aksumitischen Königreiches.

Über die Herkunft der Habescha gibt es verschiedene Theorien. Nach einer Theorie sind sie Nachfahren von Stämmen aus dem Süden der arabischen Halbinsel, die das Rote Meer überquerten, um auf der afrikanischen Seite zu siedeln. Als Indiz hierfür werden sowohl die äthiopische Schrift, die ohne Zweifel auf die altsüdarabische Schrift zurückgeht, als auch die altäthiopische Sprache angeführt, die zusammen mit den Altsüdarabischen Sprachen und teilweise den neusüdarabischen Sprachen bei einigen Klassifikationen des Semitischen als "südsemitisch" klassifiziert werden. Sowohl die alt- als auch die neusüdarabischen Sprachen sind nicht näher mit dem heutigen Arabischen verwandt, das man in solchen Klassifikationen "Nordarabisch" nennt. Arabisch in diesem Zusammenhang weist auf die Verbreitung auf der Arabischen Halbinsel hin und nicht auf eine Verwandtschaft mit der (Nord)-Arabischen Sprache.

Nach einer weiteren Meinung, die in Europa zuerst von dem deutschen Orientalisten Hiob Ludolf veröffentlicht wurde, entsprechen die Habescha der Bevölkerung des Königreichs von Saba, wie es im Alten Testament erwähnt ist. Die Königin von Saba gebar nach der biblischen Darstellung den Sohn von König Salomon Ebn Melek. Dieser sei später als Kaiser Menelik nach Israel zurückgekehrt, um seinen Vater zu besuchen. Dieser freute sich so sehr über den Besuch, dass er Menelik den Sohn von Zadok und mit diesem die heilige Bundeslade (nach anderen Quellen: eine Replik der heiligen Bundeslade) als Begleitung für die Heimreise mitschickte. Menelik I. war nach dieser Darstellung der Stammvater der Habescha. Diese Darstellung wurde bzw. wird auch von der äthiopischen Kaiserlichen Familie gestützt.

Literatur

  • Eduard Glaser: Die Abessinier in Arabien und Afrika. München 1895, S. 8 f.
  • Wilhelm Max Müller: Asien und Europa nach altägyptischen Denkmälern. Leipzig 1893, S. 116.
  • Wolbert Smidt: Selbstbezeichnung von Təgrəñña-Sprechern (Habäša, Tägaru, Təgrəñña); in: Bogdan Burtea / Josef Tropper / Helen Younansardaroud, Studia Semitica et Semitohamitica [Festschrift für Rainer Voigt], Münster 2005, S. 385 ff., 391 f.
  • Hatem Elliesie: Der zweite Band der Encyclopaedia Aethiopica im Vergleich; in: Orientalistische Literaturzeitung, Band 102, Heft 4-5, Berlin 2007, S. 397 ff. (398-401).

Einzelnachweise

  1. Rainer Voigt: Abyssini. In: Uhlig (Hrsg.) Encyclopaedia Aethiopica: A-C, S. 59-65