Herrenwyk

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Herrenwyk: Häuser und Vorgärten der ehemaligen Arbeitersiedlung.

Herrenwyk ist ein Ortsteil Lübecks im Stadtteil Lübeck-Kücknitz.

Namensdeutung

Der Name leitet sich, ähnlich wie bei Herrenbrücke und Herreninsel, von der Bezeichnung Hering ab, der hier wegen einer natürlichen Verengung der Trave besonders reichhaltig gefangen wurde und wird. Die Endung -wyk, -wik, -wiek hat im norddeutschen Sprachraum die Bedeutung Bucht.

Charakter des Ortsteils

Das ehemalige Badehaus in der Hochofenstraße

Herrenwyk ist ein überwiegend von Industrie geprägter Stadtteil von Lübeck. Bis in die 1990er Jahre prägten das Hochofenwerk, die Flender-Werft und die Fischindustrie diesen Arbeiterstadtteil. Auch die über die Trave führende Herrenbrücke, die größte Klappbrücke Europas, gehörte zum Erscheinungsbild Herrenwyks. Mit der Industrialisierung wurden auch umfangreiche Arbeitersiedlungen angelegt, die heute noch rund um die Eisenstraße besichtigt werden können.

Die Gebäude, die zur Zeit des Hochofenwerks entstanden, dienen heute anderen Zwecken. So ist das Kasino nun ein Seniorenwohnheim. Das frühere Badehaus, das von den Einwohnern Herrenwyks aufgesucht wurde, deren Häuser nicht über Badezimmer verfügten, dient Bürozwecken.

Industriemuseum Geschichtswerkstatt Herrenwyk

Im ehemaligen Kaufhaus befindet sich das Industriemuseum Geschichtswerkstatt Herrenwyk

An der Kreuzung Kokerstraße/Bäckereistraße befindet sich das Industriemuseum Geschichtswerkstatt Herrenwyk, ein liebevoll eingerichtetes kleines Museum mit zahlreichen Exponaten aus dem einstigen Hochofenwerk. Es gibt eine Dokumentation zu den Lebensverhältnissen der Arbeiter, einen Kaufmannsladen, eine Schmiede mit Werkzeug und einen Schmiedehammer, die Produktion von U-Bootteilen und von Einmann-U-Booten. In einem separaten Raum werden auf einer Karte die Industriebetriebe in Lübeck gezeigt, die im Zweiten Weltkrieg Zwangsarbeiter beschäftigten, auf einer anderen Karte die Lager der Zwangsarbeiter. [1]

Ehemalige Lager

Wichtig für den Ortsteil Herrenwyk waren nach dem Zweiten Weltkrieg die Flüchtlingslager Flender I, II und III sowie das Nikolauslager. In diesen Lagern waren etwa 18.000 Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten untergebracht. Viele von ihnen fanden ihre erste Arbeit auf der Flender-Werft oder in der Fischindustrie. Das schon von der SS als Zwangsarbeiterlager auf der Herreninsel beim heutigen Herrentunnel errichtete „Lager Am Stau“ wurde im Sommer 1947 für polnische Displaced Persons genutzt, die zum Teil gegen ihren Willen in ihre Heimat zurückgeführt wurden. Im Herbst 1947 wurden dort, wie im Lager Pöppendorf im Waldhusener Forst, von der Britischen Militärregierung die nach Deutschland gebrachten Passagiere der Exodus untergebracht, die als illegale Einwanderer am 18. Juli 1947 etwa 20 km vor Gaza von den Briten aufgebracht worden waren.

Nach Aufhebung des Lagers verfestigte sich auf der Herreninsel eine Laubenkolonie zu einer kleinen Eigenheimsiedlung auf Pachtland.

Flender-Werft

Gegründet 1917, Insolvenz Oktober 2002

Die Flender-Werft wurde 1917 gegründet. Geplant war ursprünglich nur der Bau von Schwimmdocks; sehr schnell begann dann aber auch die Konstruktion von Schiffen und U-Booten. In den 1950er Jahren zählte die Flender-Werft mit bis zu 4000 Beschäftigten zu den größten Arbeitgebern in Lübeck. Aufgrund der Schiffbaukrise musste die Belegschaft immer mehr reduziert werden. Dennoch hielt sich die Werft, bis sie sich mit dem Bau von zwei Schnellfähren für die griechische Reederei Superfast Ferries übernahm und im Oktober 2002 Insolvenz beantragen musste. 800 verbliebene Arbeitsplätze fielen weg. Das letzte Schiff war die Norröna für die Färöer. Damit endete auch die 120-jährige Geschichte des Eisen- und Stahlschiffbaus in Lübeck. Die Flender-Werft wurde im Jahr 2006 endgültig aus dem Handelsregister gestrichen. Die Gebäude größtenteils abgerissen und das Gelände wird nun von der Reederei Lehmann für den Fährbetrieb in die Ostblockstaaten genutzt.

Hochofenwerk

Der 1978 errichtete Kühlturm in der Straße Alter Kühlturm im Jahr 2007. Der Turm wurde 2009 abgerissen

Gegründet 1905, Konkurs 1981

Bis zu Beginn der 1990er Jahre war der Ortsteil Herrenwyk Standort eines großen Hüttenwerks. Das in diesem Hochofenwerk anfallende Gichtgas wurde von einem Kraftwerk in Lübeck-Herrenwyk verbrannt. Der Grundstein für das Werk wurde am 7. November 1905 gelegt und im August 1907 in Betrieb genommen. Ab 1905 prägte Moritz Neumark (1866–1943) die Geschicke des Unternehmens, bis er 1934 wegen seiner jüdischen Herkunft gezwungen war, sein Amt als Generaldirektor und alleiniger Vorstand niederzulegen. 1937 übernahm Friedrich Flick das Werk, 1954 erfolgte die Umwandlung in die Metallhüttenwerke Lübeck AG, ab 1958 GmbH. Nach einem Konkursverfahren 1981 wurde das Werk 1992 abgerissen und eingeebnet. Das Gelände wurde von der am 20. April 1982 gegründeten Neue Metallhüttenwerke Lübeck GmbH verwaltet, die es seit 1991 auch nicht mehr gibt. 2009 wurde das letzte Gebäude des Unternehmens, der 1978 errichtete 42 Meter hohe Kühlturm, abgerissen. Die Fläche wird der Hafenbetreiber Lehmann KG als Park- und Rangierfläche für Trailer nutzen.

Kraftwerke

Inbetriebnahme 1911, Abbruch 1990

Am 11. Juni 1911 ging das Kraftwerk der Nordwestdeutschen Kraftwerke AG NWK neben dem Hochofenwerk in Lübeck-Herrenwyk in Betrieb. Ein zweites Kraftwerk folgte 1942 in Lübeck-Siems. Beide Kraftwerke, die zuletzt zur PreussenElektra (jetzt E.ON) gehörten, wurden Anfang der 1990er Jahre stillgelegt und mittlerweile abgerissen.

Stromrichterstation

An Stelle der Kraftwerke wurde die Stromrichterstation der HGÜ Baltic Cable errichtet, die 1994 in Betrieb ging. Von der Stromrichterstation Herrenwyk geht eine 380-kV-Leitung zum Umspannwerk Lübeck-Siems, die dort endet. Diese Leitung ist als einzige 380-kV-Leitung in Deutschland nicht direkt mit den übrigen Leitungen dieser Spannungsebene verbunden. Obwohl schon seit 1990 eine Fortführung nach Schwerin geplant ist, wurde dieses Projekt bisher aus Umweltschutzgründen nicht realisiert. Auf dem Areal der Stromrichterstation befindet sich auch ein 110-/10-kV-Umspannwerk, das über zwei vom Umspannwerk Lübeck-Siems kommende 110-kV-Stromkreise und einen 380-/110-kV-Transformator gespeist wird. Die 110kV-Stromkreise sind auf der untersten Traverse der Freileitung zum Umspannwerk Lübeck-Siems, die eine kombinierte 380-/110-kV-Freileitung darstellt, montiert. Wegen der fehlenden Anbindung der Stromrichterstation in Lübeck-Herrenwyk an das mitteleuropäische 380-kV-Netz konnte das Baltic Cable bis zum Jahr 2004 nicht mit der maximalen Leistung von 600 Megawatt, sondern nur mit maximal 372 Megawatt betrieben werden. In diesem Jahr wurde ein von der Firma Siemens konzipierter und erbauter statischer Blindleistungskompensator (SVC) in Lübeck-Siems in Betrieb genommen und ein 220 kV-Erdkabel zum Umspannwerk Lübeck-Bargerbrück verlegt, wodurch jetzt eine Übertragung mit 600 MW möglich ist.

Herrenbrücke und -tunnel

Herrenbrücke: Baubeginn 1960, Abriss ab September 2005

Die Herrenbrücke war eine Klappbrücke mit vier Stahlklappen. Mit ihrem Bau wurde am 1. September 1960 begonnen. Mit ihren Vorlandbrücken und der eigentlichen Klappbrücke kam sie auf eine Länge von etwa 550 Meter, die Breite der Fahrbahnplatte betrug 27 Meter und die lichte Weite zwischen den Strompfeilern 62 Meter. Bei einer maximalen Höhe für die Schifffahrt von 22 Meter konnten viele Fahrzeuge die Brücke ohne Öffnung passieren.

Auf Grund der vielen Defekte und immens hoher Reparatur- und Instandhaltungskosten wurde die Herrenbrücke ab September 2005 abgerissen und durch den mautpflichtigen Herrentunnel ersetzt.

Technikzentrum

Dienstleistungszentrum des Technikzentrums

Mit der Deindustrialisierung einher geht die Umstrukturierung. Das private Technikzentrum ist ein Technologiezentrum, das in Herrenwyk junge Unternehmen und Existenzgründer ansiedelt und betreut.

Hafen

Der Seelandkai von der Herreninsel gesehen

Eine große Investition in Herrenwyk wurde im Hafenbereich getätigt, wobei in diesem Stadtteil drei Hafenbetreiber miteinander konkurrierten. Die städtische Lübecker Hafengesellschaft betreibt den Seelandkai, die private Lehmann-Gruppe baute das ehemalige Werftgelände der Flender-Werke zu einem Fährterminal um und übernahm das Gelände der Hamburger Hafen und Logistik (HHLA), die dort bis 2009 ein neues Containerterminal für den schienengebundenen Containertransport betrieb.

Einzelnachweis

  1. Internetseite Industriemuseum Geschichtswerkstatt Herrenwyk

Weblinks

Koordinaten: 53° 54′ 15″ N, 10° 48′ 18″ O