Institute for Statecraft

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Das Institute for Statecraft („Institut für Staatskunst“) ist eine 2009 gegründete britische Denkfabrik, die sich nach eigenen Angaben der Erneuerung der Praxis der öffentlichen Verwaltung und der Stärkung der nationalen Sicherheit widmet.

Gründung, Sitz und Status[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Institut wurde 2009 gegründet, hat seinen Sitz in Fife, Schottland und den Status einer gemeinnützigen Organisation.[1][2] Das Hauptbüro (head office) liegt laut LobbyFacts in Two Temple Place, London.[3]

Leitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Leitung des Institute for Statecraft obliegt den beiden Gründungsmitgliedern Christopher Donnelly und Daniel Lafayeedney (Stellvertreter).[4] Donnelly ist Sonderberater des Verteidigungsausschusses des House of Commons, war von 1969 bis 1972 Dozent an der Royal Military Academy Sandhurst und Mitglied des TA-Nachrichtendienstes, für den er bis 1990 tätig war. Von 1989 bis 2003 war er Sonderberater der NATO-Generalsekretäre für Ost- und Mitteleuropa.[5] Dan Lafayeedney war 1978 SAS-Soldat, der Direktor Stephen Dalziel arbeitete im militärischen Geheimdienst.[6]

Ziele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu seinen Hauptzielen zählt das Institut eine Verbesserung der Methodik der öffentlichen Verwaltung sowie Bemühungen, die Entstehung eines „nationalen strategischen Defizits“ zu verhindern; dazu gehört „der Erneuerung der Praxis der öffentlichen Verwaltung und der Stärkung der nationalen Sicherheit widmet“.[7] Während in der ethischen Charta der Organisation die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit von staatlichen Organisationen betont wird, wird zugleich darauf hingewiesen, dass das Institut auch bestimmte politische Lösungen für manche Probleme fördert.[8]

Integrity Initiative[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Integrity Initiative („Integritätsinitiative“) wurde 2015 vom Institute for Statecraft ins Leben gerufen, um gegen Propaganda, Desinformation und Fake News vorzugehen, wobei der Schwerpunkt auf der Bekämpfung des russischen Einflusses liege.[9] Dazu wurden Expertengruppen gebildet, die vor allem das Problem der russischen Desinformation analysieren und diskutieren sollen.[10]

Anfang 2019 wurden, nach einer Cyberattacke auf die Website der Initiative, deren Inhalte vom Netz genommen.[11] Westliche Funktionäre vermuten eine Verbindung der Hackergruppe zum russischen Staat. Das britische Außenministerium warf russischen Staatsmedien vor, beim Hack erbeutete Dokumente der Integrity Initiative veröffentlicht zu haben, um das Institute for Statecraft zu diskreditieren. Die staatliche Förderung des Instituts habe den Zweck, der Desinformation im Ausland und nicht im Vereinigten Königreich entgegenzuwirken.[1]

Das Institute for Statecraft geriet in die Kritik, da es laut Constanze Kurz dieselben Mittel der Desinformation anwende, welche es bekämpfen wolle.[12] Die Integrity Initiative habe Artikel zur britischen Innenpolitik über den Nachrichtendienst Twitter weiterverbreitet.[13] Zur Diskreditierung der Labour Party und ihres Parteivorsitzenden Jeremy Corbyn kündigte Außenminister Alan Duncan im Dezember 2018 gegenüber dem britischen Unterhaus eine Untersuchung an.[13] Der Labour-Abgeordnete Chris Williamson forderte eine parlamentarische Untersuchung, da seiner Ansicht nach die „Anschwärzung der Labourpartei und ihres Vorsitzenden Jeremy Corbyn“ auf der Agenda der Integrity Initiative stand.[14] Der Kommunikationswissenschaftler Thorsten Quandt erkennt eine „Wagenburgmentalität“, die in der EU aus Angst vor russischen Einflussversuchen entstanden sei. Er kritisiert, dass das Institute for Statecraft zu den Vorgängen schweigt, sieht die Gefahr eines Verrats der demokratischen Leitideen und fordert Offenheit und eine Debatte.[15]

In Spanien soll sich das Institut im Juni 2018 gegen die Ernennung zum nationalen spanischen Geheimdienstaufseher des ehemaligen Oberst Pedro Baños eingesetzt haben;[12][16] Baños war durch antisemitische und pro-russische Aussagen aufgefallen.[17][18]

In einer Pressemeldung des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel bestritt dessen Leiter Joachim Krause eine Beteiligung seines Instituts an der Initiative, bestätigte aber, dass der freie Institutsmitarbeiter Hannes Adomeit „offenkundig“ dort mitwirke. Krause nannte Berichte in linken Alternativmedien und russischen Staatsmedien, in welchen die Initiative als antirussische Geheimdienstkampagne dargestellt wird, eine Verschwörungstheorie. Das Institute for Statecraft vernetze hier international Forschungseinrichtungen und Personen, um über russische Desinformationspolitik eigenständige Analysen vorzurnehmen, den Austausch unter Wissenschaftlern zu verbessern und die Ergebnisse vorzustellen. Dies sei ein völlig legitimes und weltweit praktiziertes wissenschaftliches Vorgehen.[19] Im März 2023 wurde Institute for Statecraft in Russland als „unerwünschte Organisation“ eingestuft.[20] Die Schottische Stiftungsregulierungsbehörde (OSCR) stellte im Jahre 2019 fest, dass das Institute for Statecraft seine erklärten Stiftungsziele nicht erfüllte, da schottische Stiftungen politisch neutral sein müssen. Nach der Untersuchung löste das Institut die Verbindungen zur Integrity Initiative, beendete die Bezahlung ihrer Treuhänder und akzeptierte eine verstärkte Kontrollaufsicht.[21]

Finanzierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Geschäftsjahr 2017/2018 erhielt das Institut staatliche Finanzierung von 296.500 britischen Pfund. Für 2018/2019 war von staatlicher Seite ein Betrag von knapp zwei Millionen Pfund vorgesehen. Diese Beträge werden aus dem Conflict, Stability and Security Fund, einem 2015 errichteten Fonds innerhalb von Official Development Assistance, bereitgestellt.[22]

Von 2016 bis 2018 finanzierte das britische Verteidigungsministerium zwei Projekte des Instituts mit insgesamt 177.000 Pfund. Weitere finanzielle Unterstützung erhält das Institut von der NATO, dem litauischen Verteidigungsministerium, dem US-Außenministerium und Facebook.[23]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b James Landale: Russia-linked hack ‘bid to discredit’ UK anti-disinformation campaign – Foreign Office. In: BBC. 10. Dezember 2018, abgerufen am 1. Februar 2019 (englisch, aktualisiert am 27. Februar 2019).
  2. OSCR | Charity Details. The Institute for Statecraft, SC040870. Scottish Charity Regulator (OSCR), archiviert vom Original am 2. Februar 2019; abgerufen am 1. Februar 2019 (englisch).
  3. The Institute for Statecraft. In: LobbyFacts. Abgerufen am 12. September 2023 (englisch).
  4. Governance | The Institute for Statecraft. In: The Institute for Statecraft. 2014, archiviert vom Original am 30. März 2014; abgerufen am 12. September 2023 (englisch): „was set up, and is currently led, by Chris Donnelly and Dan Lafayeedney“
  5. Christopher Donnelly: War in Peactime - Ambiguous Warfare and the Resurgence of the Russian Military. In: Council of Military Education Committees of the Universities of the United Kingdom (Hrsg.): COMEC OCCASIONAL PAPER. Nr. 9, 2017, S. 30 (comec.org.uk [PDF]).
  6. John Ferguson: Secret infowars unit that attacked Jeremy Corbyn and Labour shuts down website. In: Daily Record. 27. Januar 2019, abgerufen am 12. September 2023 (englisch).
  7. About Us | The Institute for Statecraft. The Institute for Statecraft, 6. März 2013, archiviert vom Original am 3. Januar 2019; abgerufen am 31. Januar 2019 (englisch).
  8. Ethical Charter | The Institute for Statecraft. In: The Institute for Statecraft. 30. September 2012, archiviert vom Original am 3. Januar 2019; abgerufen am 1. Februar 2019 (englisch).
  9. Keystone, AP, Damian Dovarganes: Anonymous svela 'rete anti Russia'. In: swissinfo.ch. SRG SSR, 24. November 2018, abgerufen am 27. Januar 2019 (italienisch).
  10. Anfrage der Abgeordneten Emily Thornberry und darauffolgende Diskussion im britischen Parlament: Institute for Statecraft: Integrity Initiative. In: Hansard vom 12. Dezember 2018, Band 651
  11. Mark McLaughlin: Anti-propaganda website forced offline by hacking. In: The Times. 25. Januar 2019, archiviert vom Original am 6. September 2021; abgerufen am 27. Januar 2019 (englisch).
  12. a b Constanze Kurz: Die größten Spalter sitzen in den vordersten Reihen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 299, 24. Dezember 2018, S. 15 (faz.net).
  13. a b Damien Gayle: Foreign Office denies state funds went to Twitter account criticising Labour. In: The Guardian. 13. Dezember 2018, abgerufen am 27. Januar 2019 (englisch).
  14. James Ball: When free societies copy Russian media tactics, there’s only one winner. In: The Guardian. 9. Januar 2019, abgerufen am 27. Januar 2019 (englisch).
  15. Caroline Schmidt: Politische Propaganda: Der Kalte Krieg im Netz. In: NDR. 27. März 2019, abgerufen am 6. April 2019 (aktualisiert am 15.04.2019).
  16. Jesús Ossorio, Gonzalo Araluce: Acusan a una ONG de dinamitar la elección de Pedro Baños como director de Seguridad Nacional por "prorruso". In: El Español. 27. November 2018, abgerufen am 12. September 2023 (spanisch).
  17. Jorge Benítez: Pedro Baños, acusado de antisemitismo en Reino Unido. El Mundo, 11. Juni 2019, abgerufen am 26. Juni 2022 (spanisch).
  18. Anabel Díez: El candidato a director de la Seguridad Nacional es un defensor de Rusia. El Pais, 8. Juni 2018, abgerufen am 29. Juni 2022 (spanisch).
  19. Joachim Krause: Antwort auf Anfrage von RIA Novosti - Russische Desinformations-Kampagne gegen wissenschaftliches Projekt zur Analyse russischer Desinformationspolitik. Hrsg.: Institut für Sicherheitspolitik. 9. Januar 2019 (uni-kiel.de [PDF]).
  20. Russia Adds Institute For Statecraft To 'Undesirable Organizations' List. In: Radio Free Europe / Radio Liberty. 20. März 2023, abgerufen am 21. März 2023 (englisch).
  21. Scottish Charity Regulator: Inquiry Report made under Section 33 of the Charities and Trustee Investment (Scotland) Act 2005: The Institute for Statecraft, Scottish Charity Number SC040870. Dundee 4. November 2019 (oscr.org.uk/ [PDF]).
  22. Alan Duncan: Foreign and Commonwealth Office: Integrity Initiative:Written question - 198811. UK Parliament, 10. Dezember 2018, abgerufen am 25. Dezember 2018.
  23. Ian Fraser: Tory minister’s U-turn on infowars attack on Jeremy Corbyn smacks of Cold War dirty tricks. In: Daily Record. 16. Dezember 2018, abgerufen am 18. Januar 2019 (englisch).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Koordinaten: 56° 16′ 5,8″ N, 3° 18′ 41,2″ W