Jens Förster

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Jens Förster (* 7. März 1965 in Lübbecke) ist ein deutscher Sozialpsychologe und Hochschullehrer. Er war von 2007 bis 2014 Professor an der Universität von Amsterdam und hat seit Juli 2014 den Lehrstuhl für Sozialpsychologie an der Ruhr-Universität Bochum inne.[1][2]

Leben

Förster wurde als Sohn einer Lederwarenstepperin geboren.[3] Nach Studien der Psychologie, Deutschen Literatur und Philosophie an der Universität Trier und im Fach Operngesang an der Musikhochschule des Saarlandes seit 1986 legte er 1992 das Diplom ab und promovierte 1994 zum Dr. rer. nat. bei Fritz Strack. Ab 1996 besuchte er als postdoc die Columbia University in New York und übernahm einen Lehrauftrag als Theodor-Heuss-Lektor an der New school for Social Research. Nach 1995 hatte Förster Lehraufträge an den Universitäten Würzburg, Duisburg und an der Jacobs University Bremen.

Von 2003 bis 2005 war er Sprecher der Fachgruppe Sozialpsychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, deren Ethikrat er außerdem beisaß. Seine Hauptforschungsbereiche sind soziale Informationsverarbeitung, Personenbeurteilung, Vorurteile, Kreativität, Innovation, Denkprozesse, Sex und Liebe, Selbstregulation und Motivation.

Von Juli 2007 bis Mai 2014 war er Professor für Psychologie in Amsterdam; dort war er auch Direktor des „Kurt-Lewin-Instituts“. Im April 2013 wurde er für eine Alexander von Humboldt-Professur ausgewählt, um an der Ruhr-Universität Bochum ab 2014 ein „Zentrum für Selbst-Regulation“ aufzubauen.[4] Ende April 2014 wurde die Verleihung dieser Professur wegen Manipulationsvorwürfen vorläufig ausgesetzt. Förster übernahm stattdessen im Juli 2014 eine Psychologie-Professur an der Universität Bochum. Der Auswahlausschuss der Humboldt-Stiftung kündigte seine Entscheidung über die Zuerkennung der Humboldt-Professur für April 2015 an.[5] Am 20. April 2015 gab Förster seinen Verzicht auf die Humboldt-Professur bekannt.[6]

Jens Förster hat über 100 Beiträge in internationalen Fachzeitschriften und Büchern veröffentlicht. Er ist häufig Gast in Talkshows zu Themen wie „Schubladendenken“.[7]

Förster war zudem bis 2007 als Kabarettist und Chansonnier tätig.[8]

Manipulationsvorwürfe

Im September 2012 wurde die Universität von Amsterdam auf Auffälligkeiten in drei Studien Försters hingewiesen.[9] Unter anderem ging es um eine Veröffentlichung in dem Fachmagazin Social Psychological and Personality Science von 2012.[10] Eine Untersuchung der Universität von Amsterdam kam zu dem Schluss, dass die dargestellten Ergebnisse der Studie statistisch quasi unmöglich seien, doch könne dies ein Ergebnis von „schlampiger Wissenschaft“ (sloppy science) oder „fragwürdiger Forschungsmethoden“ sein. Es ließe sich jedoch nicht einwandfrei belegen, dass die Daten bewusst manipuliert worden seien.

Eine weitere Untersuchung durch einen Statistiker, in Auftrag gegeben durch das unabhängige niederländischen Gremium zur Forschungsintegrität „Landelijk Orgaan voor Wetenschappelijke Integriteit“ (LOWI)[11] kam hingegen im April 2014 zu dem Schluss, dass die Variabilität von Kontrollgruppenergebnissen in dieser Veröffentlichung unwahrscheinlich gering sei (...the diversity found in the scores of the control group is so improbably small...) und dass dies nicht auf Schlamperei oder fragwürdige Forschungspraktiken zurückgeführt werden könne. Der Schluss, die Ergebnisse seien manipuliert worden, sei deshalb unausweichlich und Förster trage als Erstautor die Verantwortung.[12] Unter Bezug auf den Untersuchungsbericht des LOWI zog am 24. November 2014 die Zeitschrift Social Psychological and Personality Science den dort beanstandeten Artikel zurück. [13]

Die Vorwürfe wurden von Förster als unzutreffend zurückgewiesen. Es gebe keinen Beweis für einen solchen Vorwurf und die Beweislast liege beim Kläger.[14] Im Mai 2014 erklärte Förster außerdem, die fragliche Veröffentlichung basiere auf Ergebnissen von Studien, die zwischen 1999 und 2008 in Deutschland durchgeführt worden seien und an deren Durchführung über 150 Mitarbeiter beteiligt gewesen seien. Er könne nicht ausschließen, dass eine oder einer von ihnen die Daten manipuliert habe, glaube aber nicht, dass manipuliert wurde.[15] In einem Zeitschriftenartikel von Ende Mai 2015 bezweifelte der Journalist Frank van Kolfschooten dies. Er behauptete, dass eine ehemalige studentische Hilfskraft Försters die Experimente an der Universität von Amsterdam durchgeführt habe.[16] Jens Förster widersprach den Vorwürfen, indem er darauf hinwies, dass das in den Artikeln berichtete Versuchsmaterial eindeutig auf Deutsch verfasst gewesen sei. Die Studien seien damit in Deutschland durchgeführt worden. In Amsterdam seien Nachfolgestudien geplant gewesen.[17]

Die Alexander-von-Humboldt-Stiftung setzte im April 2014 ihre Förderentscheidung zur Verleihung der Humboldt-Professur entsprechend ihrer Stiftungsregeln sowie auf Bitten Försters bis zur Klärung des Sachverhaltes aus.[18] Im April 2015 verzichtete Förster von sich aus endgültig auf die Fördergelder.[19]

Im Oktober 2014 entschied die Universität Amsterdam, dass die Daten aller Veröffentlichungen von Förster aus den Jahren 2007 bis 2014 durch einen Statistiker analysiert werden sollen.[20] Der resultierende Bericht dreier Experten vom Mai 2015 spricht in acht von 15 Fällen von „starken Hinweisen auf geringe wissenschaftliche Wahrhaftigkeit“ (strong evidence for low scientific veracity). In weiteren drei Artikeln sei dies nicht auszuschließen.[21] Die Universität bat die jeweiligen Zeitschriften um Widerruf beziehungsweise um die Erwägung eines Widerrufs.[22] Förster charakterisierte die zur Untersuchung verwendeten Methoden fehlerhaft, verzerrend, und nicht imstande, Schlussfolgerungen in Bezug auf Datenmanipulationen zu erlauben.[23] Ein Ehrengerichtsverfahren der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) wurde am 9. November 2015 mit einem Vergleich geschlossen. Jens Förster verpflichtete sich im Gegenzug zur Einstellung des Verfahrens, zwei seiner Publikationen im Journal of Experimental Psychology zurückzuziehen.[24]

Auszeichnungen

  • Heisenberg-Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft
  • Thomas-M.-Ostrom-Scholars-in-Residence-Award der Ohio-University[25]
  • Charlotte-und-Karl-Bühlerpreis der Deutschen Gesellschaft für Psychologie[26]
  • Kurt-Lewin-Award der European Association of Social Psychology[27]

Schriften (Monographien)

  • Unser Autopilot. Wie wir Wünsche verwirklichen und Ziele erreichen können. Von der Motivationspsychologie lernen. München: DVA
  • Kleine Einführung in das Schubladendenken. München: Goldmann, 2008
  • Der Einfluss von Ausdrucksverhalten auf das menschliche Gedächtnis. Bonn: Holos-Verl., 1995

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.foliaweb.nl/wetenschap/psychologen-bepleiten-meer-onderzoek-naar-forster/
  2. https://plus.google.com/101046916407340625977/posts
  3. J. Förster, Was das Haben mit dem Sein macht. Die neue Psychologie von Konsum und Verzicht. München 2015. S. 60.
  4. Zweite Humboldt-Professur für die RUB. Ruhr-Universität Bochum, 18. April 2013, abgerufen am 1. Mai 2015.
  5. Entscheidung über die Zuerkennung der Humboldt-Professur an Herrn Professor Dr. Jens Förster wird im April 2015 getroffen. humboldt-professur.de; abgerufen am 22. September 2014.
  6. 7 b. Humboldt-Professur socolab.de; abgerufen am 22. April 2015
  7. Profil bei der Universität Amsterdam (Memento vom 18. August 2012 im Internet Archive)
  8. http://www.jensfoerster.de/
  9. Zu gut, um wahr zu sein. Süddeutsche Zeitung, 12. Mai 2014
  10. Förster, J., & Denzler, M. (2012). Sense Creative! The Impact of Global and Local Vision, Hearing, Touching, Tasting and Smelling on Creative and Analytic Thought. Social Psychological and Personality Science, 3(1), 108-117. doi:10.1177/1948550611410890
  11. Webpräsenz des „Landelijk Orgaan voor Wetenschappelijke Integriteit“ (LOWI), englische Version
  12. Untersuchungsbericht zu Manipulationsvorwürfen gegen Prof. Förster (in niederländischer Sprache, Zusammenfassungen auch in englischer Sprache). Fassung vom 29. April 2014 (pdf-Datei, 330kB)
  13. 'Retraction notice' Social Psychological and Personality Science, 24. November 2014
  14. Persönliche Erklärung Försters, 30. April 2014
  15. Stellungnahme Prof. Förster, 11. Mai 2014
  16. 'Psychologist's defense challenged' Science, 30. Mai 2014
  17. Offener Brief Jens Försters vom 29. Mai 2014
  18. Pressemitteilung der Alexander von Humboldt-Stiftung vom 30. April 2014, abgerufen am 4. Mai 2014
  19. Manipulationsverdacht: Sozialpsychologe verzichtet auf renommierten Forscherpreis Der Spiegel vom 22. April 2015
  20. UvA gaat toch mogelijke fraude psycholoog onderzoeken, NRC Handelsblad, 4. Oktober 2014
  21. Evaluating the Scientific Veracity of Publications by dr. Jens Förster, Carel F.W. Peeters, Chris A.J. Klaassen & Mark A. van de Wiel, 15. Mai 2015
  22. Pressemitteilung der Universität Amsterdam 2. Juni 2015 (englisch)
  23. 9. Reaction to UvA Report, June 17, 2015. Social Cognition Lab Group of Prof. Dr. Jens Förster at University of Amsterdam, abgerufen am 8. Januar 2016
  24. Ehrengerichtsverfahren der DGPs gegen Prof. Dr. Jens Förster eingestellt. 11. November 2015, abgerufen am 25. März 2016.
  25. (http://sbig.org.ohio-state.edu/Ostrom_Scholars_page.html)
  26. Preisträger 2010
  27. easp.eu