Kaing Guek Eav

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Kaing Guek Eav (2009)

Kaing Guek Eav (auch als Kang Kek Iew oder Kaing Kek Iev transkribiert; Khmer: កាំង ហ្គេកអ៊ាវ; * 17. November 1942 in Choyaot, Provinz Kampong Thom), Kampfname „Genosse Duch“ oder „Deuch“ (mĭttâ dŭch មិត្តឌុច, Aussprache: [mit ɗuc]), auch bekannt als Hang Pin, war ein Mitglied der Roten Khmer und von 1976 bis 1979 Leiter des Gefängnisses S-21 (Tuol Sleng) in Phnom Penh. Dort war er verantwortlich für den Tod von mindestens 14.000 Menschen.[1]

Die ersten Jahre

Nach dem Baccalauréat (Abitur) 1962 studierte er erst Mathematik und dann Pädagogik. Ab 1966 arbeitete er als Mathematiklehrer. 1967 trat er der kommunistischen Partei bei. 1968 wurde er inhaftiert und 1970 bei der Generalamnestie für politische Gefangene wieder freigelassen. Anschließend ging er in den Untergrund. Schon dort leitete er ein Foltergefängnis, das wenige überlebten.[2] In dieser Zeit heiratete er Chhim Sophal.[3]

Regierungszeit der Roten Khmer

Von 1975 bis 1979 war er Leiter eines Gefängnisses, in dem die Gefangenen gefoltert und anschließend hingerichtet wurden.

Über diese Zeit sagte er später: „Ich und alle anderen, die an diesem Ort arbeiteten, wussten, dass jeder, der dorthin kam, psychologisch zerstört und durch ständige Arbeit eliminiert werden musste und keinen Ausweg bekommen durfte. Keine Antwort konnte den Tod verhindern. Niemand, der zu uns kam, hatte eine Chance, sich zu retten.“ Eine persönliche Verantwortung sieht er trotzdem nicht: „Ich hatte keine Alternative“, sagt er, „Ich habe gehorcht.“ Er sei „wie jeder andere in der Maschinerie“ gewesen.[4]

Der Maler Vann Nath, einer der wenigen überlebenden Insassen des Gefängnisses, beschrieb, dass er auch als Chef des Folterzentrums immer gutgelaunt und unbekümmert gewesen war.[5]

Flucht und Leben unter falschem Namen

Nach dem Einmarsch vietnamesischer Truppen in Kambodscha im Jahre 1979 floh Kaing Guek Eav aus Phnom Penh. Er wurde von den Roten Khmer degradiert, weil er die Dokumente des Foltergefängnisses vor der Flucht nicht vernichtet hatte. Anschließend lebte er in Thailand und China.

1991 kehrte Eav unter dem falschen Namen Hang Pin nach Kambodscha zurück und lebte mit seiner Familie in dem kleinen Ort Phkoam nahe der thailändischen Grenze. Nachdem seine Frau 1995 dort bei einem Angriff getötet worden war, gab er auch diesen Wohnsitz wieder auf und ging mit seinen Kindern zum Svay Chek College.

Er konvertierte 1995 zum Christentum und war für die Evangelisch-methodistische Kirche als Pastor tätig. Ab 1997 arbeitete er unter seinem falschen Namen für die Nichtregierungsorganisationen American Refugee Committee und World Vision International.

Prozess

1999 wurde Kaing Guek Eav identifiziert und verhaftet. Er gilt als einziger Funktionär der Roten Khmer, der Reue für seine begangenen Taten zeigt, allerdings wird dieser Bekundung von vielen kein Glaube geschenkt.[6] Interviews, die Kaing Guek Eav mit dem US-Journalisten Nate Thayer führte, wurden am 6. Mai 1999 im Far Eastern Economic Review (Hongkong) veröffentlicht.[4]

Nachdem das internationale Rote-Khmer-Tribunal seine Arbeit aufgenommen hatte, sagte er am 31. Juli 2007 als erster Angeklagter aus und gestand zahlreiche Verbrechen. Im August 2008 erhob das Gericht formell Anklage gegen ihn. Nach Auffassung der Untersuchungsrichter leitete der Khmer-Funktionär nicht nur das Gefängnis S-21, sondern folterte selbst Insassen oder unterzog sie menschenunwürdigen Behandlungen. Das Verfahren sollte Ende September 2008 beginnen, der erste Prozesstag war allerdings erst der 17. Februar 2009.[7] Ende November 2009 begannen die Schlussplädoyers. Während Kaing Guek Eav sich erneut für seine Taten entschuldigte und die Freilassung verlangte, forderte die Staatsanwaltschaft eine 40-jährige Haft für den Angeklagten. Am 26. Juli 2010 wurde er zu 35 Jahren Haft verurteilt, die umgehend wegen illegaler Haft um fünf Jahre auf 30 Jahre gekürzt wurden.[8] Von den 30 Jahren hat er bereits elf Jahre abgesessen.[9][10][1] Mitte August 2010 legte der Staatsanwalt Berufung gegen das Urteil ein. Er forderte eine höhere Strafe, da das Urteil nicht ausreichend die Schwere von Duchs Taten sowie seine aktive Rolle bei den Verbrechen des Pol-Pot-Regimes berücksichtige. Außerdem habe das Tribunal den mildernden Umständen zu viel Platz eingeräumt.[11] Im Februar 2012 wurde das Strafmaß in einem Revisionsverfahren auf lebenslänglich erhöht.[12] Das Verfahrensrecht in Kambodscha ermöglicht jedoch, dass ein Verurteilter bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe nach 20 Jahren erstmals einen Antrag auf vorzeitige Entlassung stellen kann. Da Kaing Guek bereits 12 Jahre seiner Strafe zum Zeitpunkt der Verurteilung verbüßt hat, ist es möglich, dass er bereits nach acht Jahren einen Antrag auf frühzeitige Entlassung stellen kann.[13]

Bücher

Weblinks

Commons: Kaing Guek Eav – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Rote-Khmer-Folterchef zu 35 Jahren Haft verurteilt. In: Spiegel Online. 26. Juli 2010.
  2. Extraordinary Chambers in the Courts of Cambodia. Trial Chamber. Case File No. 001/18-07-2007/ECCC/TC. Kaing Guek Eav alias Duch. Judgement. In: United Nations Rule of Law. 26. Juli 2010, S. 42 f. (PDF; 39,36 kB).
  3. Duch, l’enseignant révolutionnaire converti au catholicisme. In: Cambodge Post. 7. April 2009.
  4. a b Hans Michael Kloth: Interview mit einem Massenmörder. In: Spiegel Online. 11. Februar 2008.
  5. Tribunal gegen Pol Pots Schergen. In: Greenpeace Magazin. Nr. 5/2007.
  6. Sascha Zastiral: Die zweifelhafte Reue des Ex-Folterchefs. In: Zeit Online. 26. Juli 2010.
  7. Prozess gegen die Führer der Roten Khmer. (Memento vom 2. April 2010 im Internet Archive) In: Spiegel Online. 17. Februar 2009 (Internet-Archiv vom 2. April 2010).
  8. Folterchef Duch zu 35 Jahren Haft verurteilt. In: stern.de. 26. Juli 2010.
  9. Erstmals Führungsmitglied der Roten Khmer verurteilt. In: NZZ online. 26. Juli 2010.
  10. 30 Jahre Haft für Folterchef der Roten Khmer. In: Süddeutsche.de. 26. Juli 2010.
  11. Höhere Haftstrafe für Duch gefordert. In: NZZ online. 16. August 2010.
  12. Lebenslänglich für den Folterchef der Roten Khmer. In: Zeit Online. 3. Februar 2012.
  13. Alexander Goeb: Das Kambodscha-Drama, Laika Verlag, Berlin 2016 S. 329.