Kastell Kumpfmühl

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Kastell Kumpfmühl
Limes ORL NN (RLK)
Strecke (RLK) Raetischer Limes;
Donau-Iller-Rhein-Limes
Datierung (Belegung) um 80 n. Chr.,
bis spätestens 172 n. Chr.
Typ Kohortenkastell
Einheit Cohors III Britannorum equitata,
ab 107/116: Cohors II Aquitanorum equitata
Größe a) 2,1 ha
b.a) 2,1 ha
b.b) 2,8 ha
Bauweise a) Holz-Erde
b) Stein
Erhaltungszustand Bodendenkmal
Ort Regensburg-Kumpfmühl
Geographische Lage 49° 0′ 28,4″ N, 12° 5′ 0,9″ O
Höhe 354 m ü. NHN
Vorhergehend Kleinkastell Großprüfening (westlich)
Anschließend Castra Regina (nördlich)
Die Lage des Kastell am rätischen Donaulimes

Das Kastell Kumpfmühl war ein römisches Kastell, das um 80 n. Chr. errichtet wurde und in den Markomannenkriegen, nach 171 und spätestens um 175, zu Grunde ging. Seine Reste liegen südlich der Innenstadt von Regensburg im heutigen Stadtbezirk Kumpfmühl-Ziegetsdorf-Neuprüll.

Lage

Das Kastell lag an einer Geländekante am nördlichen Hang des Königsberges etwa 354 Meter über dem Meeresspiegel. Im Osten und Westen wird der Hügel von zwei Talmulden umschlossen. Nach Süden in Richtung Ziegetsberg steigt das Gelände leicht an. In der östlichen Talmulde fließt der Vitusbach nach Norden, dessen Verlauf in römischer Zeit nicht völlig geklärt ist. Die Lage des Kastells bot einen guten Blick auf die ca. 13 Meter tiefer gelegene Ebene mit der Donausüdstraße, auf die Donau, die Regenmündung und auch auf die römische Fernstraße von Augsburg, die von Süden auf das Kastell zulief, unmittelbar vor dem Kastell abknickte und schließlich östlich vorbeiführte, sodass vom Kastell aus sowohl die wichtigsten Verkehrsrouten über Land als auch der Schiffsverkehr auf der Donau gut überwacht werden konnten.

Forschungsgeschichte

Entdeckt wurde das Kastell 1924 bei Grabungen unter Leitung des Landesamtes für Denkmalpflege von G. Steinmetz und P. Reinecke, nachdem sie zuvor systematisch nach einem vermuteten Vorgänger des Regensburger Legionslagers gesucht hatten. Im Rahmen von drei Grabungskampagnen in den Jahren 1924, 1925 und 1927 wurde es letztendlich mittels schmaler Suchgräben durch den örtlichen Grabungsleiter A. Langsdorff lokalisiert. Erfasst wurden die Wehrmauer, die Spitzgräben und der westliche Lagereingang. Mit Ausnahme von Notbergungen fanden am Kastell Kumpfmühl bis in die 1980er Jahre keine archäologischen Untersuchen mehr statt. Weitere Grabungen folgten 1982. Große Flächengrabungen fanden im Kastell Kumpfmühl bedingt durch die moderne Bebauung nie statt. Die bisherigen Forschungen in Kumpfmühl wurden schließlich von Andrea Faber bearbeitet und im Rahmen einer Dissertation 1994 veröffentlicht. Spätere Grabungen der 1990er Jahre erbrachten schließlich den Nachweis, dass sich das Kastell in seiner letzten Bauphase um 45 Meter weiter nach Westen erstreckte, sodass auch der Schatzfund von Kumpfmühl nicht wie vorher angenommen im vicus verborgen wurde sondern im Kastell selbst.

Kastell

Im Zuge der römischen Okkupation des Landes bis zur Donau (Provinz Raetia) wurde um die Jahre 79/81 ein Kastell eingerichtet, das die Grenze an der Donau deckte. Sein Name zur Römerzeit ist nicht bekannt. Wie andere Anlagen auch war es ursprünglich als Holz-Erde-Bau ausgeführt und wurde in trajanisch-frühhadrianischer Zeit in Stein ausgebaut sowie im Rahmen einer zweiten Steinbauperiode in den späten 120er oder 130er Jahren von 2,1 auf 2,8 ha erweitert.

Holzbauphase

Da sie von der ersten Steinbauphase überlagert wird ist von der Holzbauphase kaum etwas erhalten. Lediglich drei Pfostenlöcher von der West- und Nordseite des Kastells lassen sich sicher dem Holzbau zuordnen. Sie lagen unterhalb der Fundamentreste der späteren Steinmauer. Andere Holzbefunde an der Westseite, die zuvor als Teil der Kastellumwehrung gedeutet wurden lassen sich dieser nun nicht mehr eindeutig zuweisen. Da sich ein Großteil der in den 1920er Jahren erforschten Befunde chronologisch nicht einordnen lässt, könnten sie auch Teil der Innenbebauung nach der Kastellerweiterung gewesen sein. Ob das Kastell in der Holzbauphase bereits über zwei Wehrgräben verfügte, ist nicht sicher. Nachgewiesen ist nur der Innere. Den Innenbauten der Holzbauperiode kann kein Befund sicher zugewiesen werden.

Steinbauphase 1

Spätestens ab der ersten Steinbauphase war das Kastell von zwei Wehrgräben umgeben. Die Holz-Erde-Umwehrung wurde an Ort und Stelle durch eine Steinmauer ersetzt, die rundum nachgewiesen ist. An der Lagerwestseite konnten Reste des nordwestlichen Eckturmes erfasst werden. Das Kastell hatte in der Holzbauphase und in der ersten Steinbauperiode eine Innenfläche von ca. 2,1 ha (153 × 139 m).

Steinbauphase 2

In der zweiten Steinbauperiode wurde das Kastell um ca. 45 m nach Westen erweitert auf eine Fläche von 2,8 ha (153 × 184 m). Im Zuge dessen wurden die beiden Wehrgräben im Westen mit den Bruchstücken der westlichen Kastellmauer verfüllt. Wiederverwendbares Material wurde entnommen und für die Erweiterung der Kastellmauer verwendet.

Auch für die Steinbauphasen gibt es kaum Hinweise auf die Innenbebauung des Kastells. Ein Großteil der Befunde lässt sich weder funktional noch chronologisch näher bestimmen. Eine Mauerecke im Zentrum des Kastells gehörte möglicherweise zur Vorhalle einer nach Osten ausgerichteten Principia in der zweiten Steinbauphase. Der zweiten Steinbauphase sind zudem zwei Keller zugehörig, die sich funktional allerdings nicht einordnen lassen.

Vicus

Im Osten und Süden der Militäranlage entstand auf einer Fläche von ca. 20 ha eine zivile Ansiedlung (Vicus) mit Häusern aus Holz und Stein (Streifenhäuser) und den üblichen Gebäuden wie Rasthaus (mansio) und Kastellbad. Es gab Ziegeleien, Töpfereien und metallverarbeitende Werkstätten. Gräberfelder waren wie üblich an den Ausfallstraßen angelegt. Auf dem Bahngelände im Norden wurde der größte römische Friedhof in Deutschland entdeckt, in dem sich auch der Grabstein einer Sarmannina fand. Mit der Zeitstellung um 400 n. Chr. handelt es sich um die älteste bezeugte Christin Raetiens.[1] Gleichzeitig entstand 1,5 km weiter nördlich, am rechten Ufer der Donau, eine andere Siedlung, die vermutlich zu einem weiteren Kastell gehörte, von dem bisher nichts gefunden werden konnte, weil es später vom zivilen Bereich des Legionslagers (Canabae legionis) überbaut wurde.

Das Ende des römischen Kumpfmühl

Kastell, wie zivile Siedlung gingen in den Markomannenkriegen (166–180 n. Chr.) unter. Dem Fundmaterial zufolge erfolgte die Zerstörung zwischen 171 und 175. Nach den Markomannenkriegen wurde das Kastell nicht wieder aufgebaut. Wiederverwendbares Baumaterial wurde später systematisch abgetragen und beim Bau des Regensburger Legionslagers verwendet. Nach der Zerstörung des Kastells lassen sich lediglich vereinzelte Besiedlungsspuren im Vicus fassen, die wahrscheinlich zu villae rusticae gehören.[2]

Truppe

Belegt war das Kastell, wie durch Inschriften und Ziegelstempel nachgewiesen ist, von wechselnden Auxiliareinheiten, von denen die Cohors III Britannorum equitata (3. teilberittene Kohorte der Briten) und die zwischen 107 und 116 aus dem obergermanischen Kastell Arnsburg nach Rätien verlegte Cohors II Aquitanorum equitata (2. teilberittene Kohorte der Aquitanier) bekannt sind, Einheiten von knapp 500 Mann, die zu etwa einem Viertel aus Kavallerie bestanden. Es wird angenommen, dass die Aquitanier bis zum Untergang des Kastells in den Markomannenkriegen vor Ort blieben. Möglicherweise baute diese Einheit im Anschluss das Kastell Dambach aus.[3]

Ein in Kumpfmühl entdeckter Ziegelstempel der Cohors III Thracum civium Romanorum equitata bis torquata ist wahrscheinlich aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen alleine oder auch mit einer Bauabteilung der Herstellereinheit dorthin gelangt.[4] Die Thraker lagen bis in die ersten Jahrzehnte des 2. Jahrhunderts in dem südlicher gelegenen Donaukastell Künzing.

Der Schatz von Kumpfmühl

1989 wurde bei Bauarbeiten im Westen des ehemaligen Kastells ein Depotfund aufgedeckt, an Münzen der größte in Süddeutschland.

ein Bronzekessel, in dem die übrigen Gegenstände sorgfältig verstaut gewesen waren
vier schwere goldene Fingerringe
zwei goldene Anhänger, radförmig bzw. halbmondförmig
ein silbernes Miniaturgefäß
zwei silberne Halsketten
ein Paar Armringe aus Silberblech
ein Paar Kolbenarmringe aus Silber
ein Paar Flügelfibeln aus versilbertem Bronzeblech, Herkunft: Noricum-Pannonien
Münzen: 25 Aurei, 610 Denare, zwei Asse, ein Quadrans

Es handelt sich offenbar um einen Familienschatz, etwa eines Offiziers und seiner Frau – geradezu um ein Musterbeispiel eines römischen Versteckfundes: wertvolles persönliches Eigentum (Geld und Schmuck) wurde sorgfältig, nicht in panischer Eile, verborgen, innerhalb der Befestigung, offenbar als längerfristige Sicherung.

Wie üblich ist die Datierung durch Münzen möglich, während geringe Keramikfragmente keine nähere Eingrenzung ermöglichen. Die Schlussmünze stellen acht typengleiche, sogar weitgehend stempelidentische Denare des Kaisers Mark Aurel von 166 dar, prägefrisch erhalten. Sie sind offenbar nie im Umlauf gewesen, sondern „ziemlich unmittelbar bei der Emission von 166 in den Boden gekommen“.[5] Gerade beim Charakter der Sicherung muss die Zerstörung des Kastells nicht unmittelbar gefolgt sein.

Denkmalschutz

Das Kastell Kumpfmühl und die erwähnten Anlagen sind geschützt als eingetragene Bodendenkmale im Sinne des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes (BayDSchG). Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind erlaubnispflichtig, Zufallsfunde sind den Denkmalbehörden anzuzeigen.

Siehe auch

Literatur

Anmerkungen

  1. Sarmaninnae ... martiribus sociatae“; Abbildung des Grabsteins bei Thomas Fischer S. 384
  2. Faber, S. 244
  3. Nicole Lambert, Jörg Scheuerbrandt: Das Militärdiplom: Quelle zur römischen Armee und zum Urkundenwesen. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2002. ISBN 3806217262. S. 54.
  4. Peter Schmid (Hrsg.): Geschichte der Stadt Regensburg. Band 1. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2000. ISBN 3791716824. S. 21.
  5. Overbeck, S. 65