Kommunar (Traktor)

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ХПЗ имени Коминтерна

Abbildung eines Kommunar (vor 1931)

Kommunar
Hersteller: ChPS imeni Kominterna
Verkaufsbezeichnung: Коммунар
Produktionszeitraum: 1924–1931/36
Motoren: Benzin- und Petroleummotoren
Länge: 5150 mm
Breite: 2060 mm
Höhe: 2460 mm
Standardbereifung: Kettenlaufwerk
Höchstgeschwindigkeit: 7,0–15,2 km/h
Maximal zulässige Gesamtmasse: 10.500 kg
Leergewicht: 8500 kg
Vorgängermodell: Hanomag WD-50
Nachfolgemodell: Komintern

Der Kommunar (russisch Коммунар, benannt nach den Mitgliedern der Pariser Kommune) war ein sowjetischer schwerer Kettentraktor, der ab 1924 im Charkower Lokomotivwerk namens Komintern (russisch Харьковский паровозостроительный завод имени Коминтерна, meist kurz ХПЗ имени Коминтерна bzw. transkribiert ChPS imeni Kominterna) produziert wurde. Er war einer der ersten sowjetischen Kettentraktoren und eine Kopie des deutschen Hanomag WD-50. Bis 1931 oder 1936 wurden je nach Quelle zwischen 2000 und 4000 Fahrzeuge gebaut, danach wurde die Fertigung auf den Kettenschlepper Komintern umgestellt.

Die Mehrzahl der Traktoren wurden zivil genutzt, aber auch die Rote Armee erhielt knapp 1000 Exemplare und nutzte sie als Artilleriezugmaschinen.

Fahrzeuggeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Vorbild, ein Hanomag WD-50, in Ungarn (1943).
Dahinter ein Stalinez-65
Der erhaltene Hanomag WD-50 im Technikmuseum Sinsheim (2009)

In den frühen 1920er-Jahren beschafften sowjetische Stellen im westlichen Ausland verschiedene Traktoren unterschiedlicher Hersteller. Auf diese Weise sollte sowohl die Landwirtschaft mechanisiert als auch mögliche Typen für die zukünftige Traktorenproduktion in der Sowjetunion gefunden werden. So kamen zum Beispiel Maschinen von Holt bzw. Caterpillar (später als Stalinez-60 gebaut), International Harvester (Vorbild für den SChTS-15/30) und Fordson (sowjetisches Pendant: Fordson-Putilowez) ins Land. Auch das deutsche Unternehmen Hanomag lieferte 1922 zu Erprobungszwecken einen Kettenschlepper vom Typ WD-50.[1]

Erste Prototypen aus sowjetischer Fertigung entstanden 1923. Geplant war, 1200 Schlepper des neuen Typs zu produzieren. Die Serienfertigung begann im April 1924 mit dem Modell Kommunar G-50, das von einem Petroleummotor mit 50 PS Nennleistung angetrieben wurde.[1][2] Diese Motoren sind ihrem Wirkprinzip nach Ottomotoren. Um das schwerere Petroleum allerdings verbrennen zu können, sind einige Besonderheiten notwendig. So werden sie mit leichten Kraftstoffen wie Benzin angelassen und auf Betriebstemperatur gebracht. Erst danach wird das vorgeheizte Petroleum verwendet. Petroleum war insbesondere in den USA bedeutend günstiger als Benzin und wurde deshalb eingesetzt.[3]

Am Kommunar wurden diverse Änderungen gegenüber dem Vorbild von Hanomag vorgenommen. Am auffälligsten ist das verlängerte Kettenfahrwerk. Es wurde notwendig, weil die komplette Konstruktion durch einen massiveren Rahmen und dem Einsatz diverser Gussteile deutlich schwerer als das Original geworden war. Insgesamt erinnerte der Entwurf an die Bauweise der Panzer des Ersten Weltkriegs. Bereits bei Beginn der Serienproduktion war das Fahrzeug technisch so veraltet, dass es bei westlichen Besuchern Verwunderung hervorrief.[2] Der Name „Kommunar“ ging zurück auf die Pariser Kommune, deren Mitglieder als Kommunarden bezeichnet wurden. Er ist kein Hinweis auf den Produktionsort, obwohl in Russland auch mehrere Orte diesen Namen tragen.[1]

Im Laufe der Serienproduktion wurde der Motor zweimal gegen ein anderes Fabrikat getauscht. Es kamen Ottomotoren mit 75 PS (55 kW) für das Modell Kommunar G-75 und 90 PS (66 kW) für das Modell Kommunar S-90 zum Einsatz.[1]

Der größte Teil der Fahrzeuge kam in den zivilen Gebrauch, z. B. in die sowjetische Forstwirtschaft. Für die Landwirtschaft war er nicht vorgesehen. Darüber hinaus erhielt die Rote Armee maximal 1000 Exemplare der beiden stärker motorisierten Versionen. Sie wurden als Artilleriezugmaschinen für Geschütze genutzt, die für den Transport mit Pferden zu schwer waren. 1932 wurden für militärische Zwecke zwölf Prototypen gebaut, darunter ein gepanzertes Fahrzeug mit einer Kanone vom Kaliber 7,62 cm sowie ein Grabenpflug. Auch ein Schneepflug wurde für den zivilen Einsatz konzipiert.[2][4]

Ähnlich wie bei anderen Schleppern jener Zeit experimentierte man mit einem Holzgasantrieb. Über ein Versuchsmuster kam das Projekt jedoch nicht hinaus.[2]

Produktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wie viele Traktoren des Typs letztlich gefertigt wurden, ist nicht gesichert. Auch das letzte Baujahr ist nicht völlig klar. Einige Quellen sprechen von 2000 Stück bis 1931,[4] andere von 3700 Exemplaren bis 1935[2] und wieder andere von etwa 3900 bis 1936.[1] Bekannt ist, dass der Nachfolger Komintern ab 1935 gebaut wurde. Folgende Produktionszahlen nach Baujahren finden sich in der modernen Literatur[1]:

Baujahr 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932–1936 Summe
Anzahl 30 50 70 150 300 700 850 1550 ca. 200 ~3900

Dagegen werden die einzelnen Modellvarianten wie folgt angegeben:

Modell G-50 G-75 S-90 Summe
Anzahl[2] 850 1100 1750 3700

Für die Jahre 1928 bis 1934 gab die RAND Corporation die Stückzahlen in den frühen 1950er-Jahren wie folgt an:[5]

Baujahr 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 Summe
G-50 157 87 320 208 0 0 0 772
G-75 0 144 188 23 0 0 0 355
S-90 0 0 0 378 464 451 495 1788
Summe nach Baujahr 157 231 508 609 464 451 495 gesamt: 2915

Dieser Quelle waren keine Produktionszahlen vor 1928 und nach 1934 bekannt, ebenso wenig das Enddatum der Produktion.[5]

Es finden sich keine Anhaltspunkte darüber, ob ein Kommunar bis heute erhalten geblieben ist. Ein erhaltener Hanomag WD-50 steht im Auto- und Technikmuseum Sinsheim.

Technische Daten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die folgenden technischen Daten entstammen der originalen Gebrauchsanweisung zum Fahrzeug von 1934.[6]

Modellvariante G-50 G-75 S-90
russische Bezeichnung Г-50 Г-75 З-90
Antriebsstrang
Motor Reihenvierzylinder-Ottomotor, einzeln stehende Zylinder
Treibstoff Petroleum Benzin
Bohrung 150 mm
Hub 180 mm
Hubraum 12.723 cm³
Verdichtung 3,5:1 4,05:1 4,35:1
Zündfolge 1–3–4–2
Leistung 50 PS (37 kW) bei 900 min−1 75 PS (55 kW) bei 1100 min−1 90 PS (66 kW) bei 1250 min−1
Gemischaufbereitung Vergaser, System „Zenith“
Tankinhalt 320 l + 60 l Benzin 380 l
Motorabmessungen (ohne Kühler); L×B×H 1900 × 760 × 1532 mm
Gewicht des Motors 1000 kg
Kühlung Wasserkühlung mit Kühlmittelpumpe und Kühler
Getriebe handgeschaltet, 3 Vorwärtsgänge, 1 Rückwärtsgang
Höchstgeschwindigkeit (km/h) 1. Gang: 1,8
2. Gang: 4,75
3. Gang: 7,0
Rückwärtsgang: 2,4
1. Gang: 2,33
2. Gang: 6,5
3. Gang: 9,16
Rückwärtsgang: 3,0
1. Gang: 3,9
2. Gang: 10,3
3. Gang: 15,2
Rückwärtsgang: 5,1
Zugkraft* (kg) 1. Gang: 5400
2. Gang: 2000
3. Gang: 1100
1. Gang: 6350
2. Gang: 2360
3. Gang: 1320
1. Gang: 4600
2. Gang: 1620
3. Gang: 870
Riemenscheibe 700 mm Durchmesser, 250 mm Breite
Drehzahl / Leistung 405 min−1 / 45 PS 495 min−1 / 68 PS -
Fahrwerk
Bauart Gleiskettenfahrwerk
Antriebsrad Durchmesser 705 mm, Breite 50 mm, 17 Zähne
Kette Gesamtlänge 8128 mm, Auflagefläche 2000 mm, 400 mm breit, 32 Kettenglieder
spezifischer Bodendruck ~0,5 kg/cm²
Maße und Gewichte
Länge 4350 mm
Länge mit Lasthaken 5150 mm
Länge mit Riemenscheibe 4940 mm
Breite 2060 mm
Höhe 2000 mm
Höhe mit Fahrerhaus 2460 mm
Bodenfreiheit 600 mm
Leergewicht (einsatzbereit) 8500 kg
Leergewicht (trocken) 8000 kg

*Der Hersteller gibt die Zugkraft des Fahrzeugs in Kilogramm statt der heute üblichen und physikalisch korrekten Einheit Newton an. Diese Angaben wurden aus Authentizitätsgründen im Original übernommen. Um die übliche Angabe (überschlägig) in Newton zu erhalten, multipliziere man die gegebenen Werte mit 9,81.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Narkom Tjaschprom SSSR: Трактор „Коммунар“. Описание конструкции, уход, регулировка и управление. Staatlich-wissenschaftlich-technischer Verlag der Ukraine, Charkow 1934.
  • Alain Dupouy: Tracteurs et engins spéciaux chenillés soviétiques, tome II. Les Remorqueurs et transports chenillés. In: Véhicules de l'URSS. 1986, ISSN 0296-2357 (französisch).
  • Jochen Vollert: TYAGATSHI – Soviet Full-tracked artillery tractors of World War II. Tankograd Publishing, Erlangen 2005 (deutsch und englisch).
  • Uwe Siemer: Traktoren aus der Sowjetunion. Eine Chronik von den Anfängen bis 1990. TRAKULA, Rastede. Ohne ISBN, etwa 2015.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Kommunar – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f Uwe Siemer: Traktoren aus der Sowjetunion. Eine Chronik von den Anfängen bis 1990. S. 11; S. 76.
  2. a b c d e f Jochen Vollert: TYAGATSHI – Soviet Full-tracked artillery tractors of World War II. S. 28 f.
  3. Die Besonderheiten der Petroleummotoren. Verein für historische Fahrzeuge und Geräte Unterriexingen. (PDF-Dokument)
  4. a b Alain Dupouy: Tracteurs et engins spéciaux chenillés soviétiques, tome II. Les Remorqueurs et transports chenillés. S. 54 ff.
  5. a b Richard Moorsteen: Research Memorandum. PRICES OF TRACTORS, TRUCKS AND AUTOMOBILES, U.S.S.R., 1928-1949. U.S. Air Force, PROJECT RAND, Santa Monica, 23. Juli 1953.
  6. Narkom Tjaschprom SSSR: Трактор „Коммунар“. Описание конструкции, уход, регулировка и управление. S. 10 ff.