Kurt Gildisch

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Kurt Werner Rudolf Gildisch (* 2. März 1904 in Potrempschen, Ostpreußen; † 3. März 1956 in West-Berlin) war ein deutscher Polizeibeamter und SS-Offizier. Gildisch wurde bekannt als zeitweiliger Befehlshaber des SS-Begleitkommandos des Führers und als Mörder von Erich Klausener, den er im Rahmen des sogenannten Röhm-Putsches erschoss.

Kurt Gildisch (zweiter von rechts, mit über der Brust angewinkeltem Arm).

Leben

Frühes Leben (1904 bis 1931)

Gildisch war das vierte Kind des Lehrers Paul Gildisch und seiner Ehefrau Marie, geborene Riel. In seiner Kindheit besuchte er die Volksschule in Potrempschen. Anschließend wurde er bis 1922 am Lehrerseminar in Kaalene, Insterburg, ausgebildet. Die Lehrerprüfung legte er 1924 ab. Da er keine Möglichkeit fand, den Lehrerberuf auszuüben, bewarb er sich bei der Schutzpolizei. Im Januar 1925 wurde er zur Polizeischule Sensburg geschickt, die er im September 1925 mit der Qualifikation für die beschleunigte Beförderung zum Offizier verließ.

Im Oktober 1925 wurde Gildisch nach Berlin versetzt. Nachdem sein Ruf dort bereits seit einigen Jahren aufgrund von starker Unachtsamkeit und einem Hang zum Trinken gelitten hatte, wurde er 1931 wegen seiner Verbindungen zur NSDAP entlassen. Direkter Anlass war das Singen tendenziöser Lieder in Polizeikasernen.[1]

Führerbegleitkommando und Röhm-Putsch (1931 bis 1934)

Nach seinem Ausscheiden aus der Polizei trat Gildisch der NSDAP (Mitgliedsnr. 690.762) offiziell bei. Nachdem er kurzzeitig der SA angehört hatte, trat Gildisch Ende 1931 in die SS (SS-Nr. 13.138) ein.

1932 wurde Gildisch – der seit dem 23. März 1932 im Parteidienst der NSDAP stand – für das sogenannte Führerbegleitkommando, die persönliche Leibwache Adolf Hitlers, ausgewählt, zu deren Kommandeur er im April 1933 ernannt wurde. Aufgrund von Alkoholproblemen wurde er am 1. Mai 1934 von Heinrich Himmler von diesem Posten entfernt und zur Leibstandarte SS Adolf Hitler in Berlin-Lichterfelde versetzt. Zuvor war er zum SS-Sturmführer (1. Juli 1933), SS-Obersturmführer (1. September 1933) und SS-Hauptsturmführer (9. November 1933) befördert worden.

Am 30. Juni 1934 wurde Gildisch im Rahmen der unter der Propagandabezeichnung als Röhm-Putsch bekannt gewordenen politischen Säuberungswelle der Nationalsozialisten vom Frühsommer 1934 vom Chef des Sicherheitsdienstes (SD) und Leiter des Geheimen Staatspolizeiamtes Reinhard Heydrich mit der Ermordung des Ministerialdirektors im Reichsverkehrsministerium Erich Klausener beauftragt. Gildisch suchte daraufhin Klausener, der aufgrund seiner Eigenschaft als Leiter der Katholischen Aktion von Heydrich als „gefährlicher Katholikenführer“ angesehen wurde, zusammen mit einem unbekannten Gestapo-Beamten, in seinem Büro im Reichsverkehrsministerium auf, wo er ihm eröffnete, dass er verhaftet sei. Als Klausener seinen Hut vom Garderobenhaken in seinem Büro nahm, um Gildisch und den Gestapobeamten zu begleiten, schoss Gildisch ihm hinterrücks in den Kopf. Er tarnte den Mord anschließend als Selbstmord, indem er die Tatwaffe in Klauseners Hand legte und das Büro von zwei Wachposten abriegeln ließ. Später am selben Tag flog Gildisch nach Bremerhaven, wo er den Obergruppenführer der SA Karl Ernst übernahm, der kurz zuvor verhaftet worden war, als er im Begriff war, ein Kreuzfahrtschiff zu besteigen, um seine Hochzeitsreise anzutreten. Mit Ernst in seinem Gewahrsam flog Gildisch nach Berlin zurück, wo er seinen Gefangenen in der Kadettenanstalt Lichterfelde ablieferte. Dort wurde Ernst noch am selben Abend in Gildischs Gegenwart erschossen. Am folgenden Tag nahm Gildisch in Heydrichs Auftrag noch zwei weitere SA-Führer fest, nämlich den SA-Arzt Erwin Villain und einen Mann, den er vor Gericht als Klein identifizierte (wahrscheinlich Karl Ernsts Adjutant Willi Klemm), die er zur Erschießung nach Lichterfelde brachte.

Am 4. Juli 1934 wurde Gildisch in Anerkennung seiner Leistungen am 30. Juni und 1. Juli zum SS-Sturmbannführer befördert.

Ausschluss aus der SS, Rehabilitierung und Zweiter Weltkrieg (1934 bis 1945)

Am 18. Mai 1936 wurde Gildisch aufgrund einer Verfügung des Gauleiters von Sachsen aus der NSDAP ausgeschlossen, weil er in Leipzig in betrunkenem Zustand bei einer Auseinandersetzung SA und Polizei, insbesondere den Polizeipräsidenten von Leipzig, beschimpft und den Gaustellenleiter Rentmeister beleidigt hatte. Aus demselben Grund wurde er auf Veranlassung Himmlers mit Verfügung zum 3. Juni 1936 zum einfachen SS-Mann degradiert und aus der SS ausgeschlossen.

Am 1. September 1939 meldete Gildisch sich sofort bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges freiwillig zur Waffen-SS. Mit der Aussicht auf Rehabilitierung und Wiederaufnahme in die Allgemeine SS wurde er am 2. Januar 1940 zunächst dem „Verlorenen Haufen“, einer Bewährungseinheit, zugeteilt. Aufgrund seiner Leistungen in den Jahren 1940 und 1941 empfahl sein Kommandeur die Wiederaufnahme Gildischs in die SS. Einem Antrag in dieser Richtung wurde jedoch nicht stattgegeben, da Himmler entschied, dass eine Wiederaufnahme in die SS erst nach Kriegsende möglich sei.

Nach dem Westfeldzug wurde erneut ein Disziplinarverfahren gegen Gildisch eingeleitet, diesmal weil er in angetrunkenem Zustand einen Vorfall in einem französischen Lokal verursachte. Da Gildisch sich bedroht fühlte, legte er ostentativ seine Pistole auf seinen Tisch und nahm dann einem Gast seine Aktentasche ab. Anschließend weigerte er sich erst einem herbeigerufenen Feldgendarmen, später einem Stabsscharführer und schließlich einem Leutnant gegenüber, Angaben zu seiner Person zu machen, da er sich seiner Meinung nach Unterführern gegenüber nicht auszuweisen brauchte. Erst auf mehrfache Aufforderung hin ging er mit auf die Wache, um sich dort auszuweisen. Das Verfahren wurde schließlich ohne Urteil eingestellt.

Im Anschluss an die Teilnahme an einem Lehrgang bei der SS-Junkerschule in Bad Tölz wurde Gildisch zum Oberscharführer der Waffen-SS und kurz darauf mit Wirkung zum 20. April 1941 zum Untersturmführer der Waffen-SS befördert.

Ab 1942 nahm Gildisch am Deutsch-Sowjetischen Krieg teil. Dort fiel Gildisch erneut wegen eines Trunkenheitsvorfalles auf: Am 24. Juni 1942 beleidigte Gildisch in leicht angetrunkenem Zustand Unteroffiziere und Soldaten des Baubataillons 25, als diese sich gegenüber seiner Aufforderung, ihm dabei zu helfen, steckengebliebene Kraftfahrzeuge frei zu bekommen, reserviert verhielten, sowie deren nichtanwesende Offiziere, indem er diese als „faule Schweine“ und „Saubaubataillon“ bezeichnete. Die Offiziere beschimpfte Gildisch durch den Hinweis, diese könnten ihn am Arsch lecken, als die Unteroffiziere erklärten, vor einer Hilfeleistung für seine im Sumpf steckengebliebenen LKWs zuerst die Entscheidung ihrer Offiziere einholen zu müssen.

Theodor Eicke verurteilte Gildisch am 27. Dezember 1942 als Gerichtsherr zu mehrwöchigem Stubenarrest. Von November bis Dezember 1943 verbrachte Gildisch einige Tage in der Entzugsklinik im Konzentrationslager Buchenwald.

Seit 1944 gehörte Gildisch der SS-Division Nordland an, mit der er in der Sowjetunion eingesetzt wurde. Im August 1944 wurde Gildisch an der Ostfront verwundet. Nach der Ausheilung seiner Verwundung kämpfte er erneut mit der Division Nordland. Am 2. Mai 1945 geriet Gildisch bei der Schlacht um Berlin in sowjetische Kriegsgefangenschaft, aus der er im August 1946 entlassen wurde.

Nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft musste Gildisch sich sein rechtes Bein infolge einer im Krieg erlittenen Verwundung amputieren lassen, das durch eine Prothese ersetzt wurde.

Nachkriegszeit (1945 bis 1956)

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Gildisch noch längere Zeit arbeitsunfähig. Aufgrund seiner politischen Belastung konnte er nur beschränkt Arbeit finden. Er fand schließlich nach einer Umschulung zum Buchbinder als Schwerbeschädigter in den Sozialen Werken des Evangelischen Hilfsdienstes Arbeit.

1949 wurde Gildisch an einem Berliner Bahnhof von einem alten Bekannten, vor dem er sich 1934 der Ermordung Klauseners gerühmt hatte, wiedererkannt, der ihn daraufhin polizeilich anzeigte. Gildisch wurde verhaftet und nach einem Verfahren beim Landgericht Berlin in den Jahren 1951 bis 1953 vom Schwurgericht Berlin am 18. Mai 1953 wegen des Mordes an Klausener zu einer Zuchthausstrafe von fünfzehn Jahren verurteilt.

Gildisch starb 1956 an einem unheilbaren Leberleiden in einem Wilmersdorfer Privatkrankenhaus, nachdem die Strafvollstreckung wegen Haftunfähigkeit und mangelnder Behandlungsmöglichkeit unterbrochen worden war.

Beförderungen

  • 1. Juli 1931: SS-Scharführer
  • 1. Oktober 1931: SS-Truppführer
  • 1. Juli 1933: SS-Sturmführer
  • 1. September 1933: SS-Obersturmführer
  • 9. November 1933: SS-Hauptsturmführer
  • 4. Juli 1934: SS-Sturmbannführer
  • 1936 Degradierung zum einfachen SS-Mann und Ausschluss aus der SS
  • 1939: Eintritt in die Waffen-SS
  • 1941: Oberscharführer der Waffen-SS
  • 20. April 1941 Untersturmführer der Waffen-SS

Archivalien

  • Bundesarchiv: Bestand PK Film D 54 „Gigler, Maria – Gilg, Karl“, Bilder 2403–2408.
  • Verfahrensakten im Archiv des Instituts für Zeitgeschichte, Sign. Gb 06.12.

Literatur

  • Robert M.W. Kempner: SS im Kreuzverhör. München 1964, S. 256ff. (Urteil des Schwurgerichts Berlin in Auszügen).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hsi-Huey Liang: Die Berliner Polizei in der Weimarer Republik, 1977, S. 185.