Landgericht Bremen

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Haupteingang des Gerichtshauses

Das Landgericht Bremen ist ein Landgericht (LG) und gehört zur ordentlichen Gerichtsbarkeit. Es ist das einzige Landgericht in der Freien Hansestadt Bremen und im Bezirk des Hanseatischen Oberlandesgerichtes Bremen.

Geschichte des Landgerichtes Bremen

Gerichtshaus Bremen um 1900

Bis weit in das 19. Jahrhundert galt in Bremen mit dem Bremer Stadtrecht die mittelalterliche Verfassung, nach der Verwaltung und Justiz nicht getrennt waren. Beide waren vielmehr in der Hand des Senates der freien Stadt Bremen. Erst in der Folge der Revolution von 1848/49 kam es in Bremen zur Verfassung von 1849. In dieser wurde ein „Richtercollegium“ aus 12 gewählten Berufsrichtern vorgesehen. Aus Rücksicht auf die vorherige Einheit von Verwaltung von Justiz und Verwaltung wurde es den Senatoren freigestellt, aus dem Senat auszuscheiden und Mitglieder dieses Richtergremiums zu werden. Sechs Senatoren und ein Senatssyndikus, die promovierte Juristen waren, nahmen die Möglichkeit wahr, dem Richterkollegium beizutreten.

Dem Richterkollegium war eine weitgehende Selbständigkeit eingeräumt worden. Es wählte selbst seinen Präsidenten, der damit Vorsitzender des bremischen Obergerichtes und später Landgerichtspräsident wurde. Ebenso wählte das Kollegium die Direktoren der Gerichte und die Wahlmänner für die Richterwahl. Hintergrund dieser großen Selbständigkeit war das Hervorgehen des Richterkollegiums aus dem Senat. An dieser Ordnung änderte sich auch nichts durch die spätere reaktionäre Verfassung von 1854. Zweiter Präsident des Kollegiums war in der Zeit von 1850 bis 1864 der vormalige Senator Gerhard Caesar. Als Berufungsgericht war nach der Verfassung des Deutschen Bundes das Oberappellationsgericht der vier Freien Städte mit dem Sitz in Lübeck zuständig.

Kaiserreich

Am 1. Oktober 1879 traten die sogenannten Reichsjustizgesetze (Gerichtsverfassungsgesetz, Zivilprozessordnung, Strafprozessordnung, Konkursordnung und Rechtsanwaltsordnung) in Kraft, es traten an die Stelle der bisherigen historischen bremischen Gerichte das Landgericht und die Amtsgerichte Bremen und Bremerhaven. Etliche Aufgaben des Richterkollegiums gingen auf die nun zu bildende Justizverwaltung über. Das Kollegium bestimmte bei der Richterwahl aber noch immer entscheidend mit. Neue Richterstellen wurden durch einen zu gleichen Teilen von dem Richterkollegium, dem Senat und der Bremischen Bürgerschaft (dem bremischen Landesparlament) zu besetzenden Wahlausschuss vergeben. Weiterhin wählte das Kollegium seinen Landgerichtspräsidenten und die Gerichtsdirektoren.

Nationalsozialismus

Der Nationalsozialismus führte zur Vereinheitlichung der Justiz. Für Bremen führte dies dazu, dass die bisher praktizierte Selbstverwaltung der Richterschaft beendet wurde. Am 31. März 1936 trat mit Adolf Meyer der letzte nach bremischen Brauch durch das Vertrauen seiner Mitrichter in sein Amt gewählte Landgerichtspräsident in den Ruhestand. Sein Nachfolger wurde durch Roland Freisler persönlich in sein Amt eingeführt.

In Bremen tagte am Landgericht auch ein Sondergericht. Vor dem bremischen Sondergericht wurden zwischen 1940 und 1945 403 Verfahren wegen politischer Straftaten und 159 Verfahren wegen nichtpolitischer Straftaten durchgeführt. Besondere Bekanntheit erlangte hierbei der Fall des jungen polnischen Zwangsarbeiters Walerian Wróbel, der in der Hoffnung, nach Polen zurückgeschickt zu werden, eine Strohwand anzündete, ohne großen Schaden anzurichten. Er wurde hierzu vor dem Sondergericht zum Tode verurteilt.

Nachkriegszeit

Am 15. Juni 1945 beauftragten die amerikanischen Besatzungsbehörden den Rechtsanwalt Diedrich Lahusen mit der Wahrnehmung der Geschäfte eines Landgerichtspräsidenten. Aus diesem Amt schied er erst am 14. Februar 1951 aus. Er blieb während dieser Zeit weiter als Rechtsanwalt tätig. Am 2. August 1945 wurde durch eine Verordnung betreffend die Wiedereröffnung der Gerichte im Staatsgebiet der Freien Hansestadt Bremen das Landgericht wiedereröffnet. Allerdings konnte der Umfang der früheren weitgehenden Selbstverwaltung der bremischen Gerichte nicht mehr erreicht werden.

Das Gebäude

Die Alte Börse, Sitz des Landgerichts von 1879 bis 1895
Gerichtshaus Bremen 1902

Sitz des Landgerichts war ab 1879 zunächst das Gebäude der alten Börse.[1] Im Oktober 1891 wurde feierlich der Grundstein für ein neues Gerichtsgebäude zwischen Buchtstraße, Violenstraße und Ostertorstraße in der Altstadt Bremens gelegt.

Das heutige Gelände war weitgehend unbebaut geblieben. Obwohl es innerhalb der alten Stadtbefestigung lag, gehörte es ursprünglich nicht zur Stadt, sondern zum Bistum Bremen. Zur Stadt Bremen war es erst mit dem Reichsdeputationshauptschluss gelangt.

Das inzwischen als Altes Gerichtshaus bezeichnete Haus wurde nach den Entwürfen der Oldenburger Architekten Weber und Klingenberg im Stile des Historismus errichtet. Die mit Sockelinschriften einzeln bezeichneten Standbilder Kaiser Karl der Große und Kaiser Wilhelm I. auf der Balkonbrüstung an der Fassade schuf der Bildhauer Karl Gundelach. Das Gebäude wurde am 30. September 1895 seiner Bestimmung übergeben. In ihm waren ursprünglich die gesamten bremischen Gerichte (Amtsgericht und Landgericht, Handelsgericht), die Staatsanwaltschaft und ein Untersuchungsgefängnis untergebracht. Es konnte trotz schwerer Bombenschäden in der bremischen Innenstadt den Zweiten Weltkrieg weitgehend unbeschadet überstehen. Das Alte Gerichtshaus ist seit dem 29. Oktober 1961 mit dem Neubau des Amtsgerichtes über eine gläserne Brücke verbunden.

Das Untersuchungsgefängnis befindet sich heute in der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen. Das Alte Gerichtshaus steht seit 1992 unter Denkmalschutz.[2] Im ehemaligen Gebäude des Untersuchungsgefängnisses ist nach einem Umbau seit dem 3. März 1994 die Staatsanwaltschaft untergebracht. Die Anschrift des Landgerichts lautet Domsheide 16, 28195 Bremen.

Durchgang zur Staatsanwaltschaft in Bremen am Gerichtshaus Bremen.

Architektur

Die Fassade des Gerichtsgebäudes ist entsprechend der Entstehung im Historismus reich mit dekorativem Schmuck und Allegorien versehen. Hierbei wurde vor allem auf christliche Überlieferungen zurückgegriffen. Insbesondere zu nennen sind hierbei die Zehn Gebote. Diese wurden während der Nazidiktatur verdeckt, da nach Ansicht der Nationalsozialisten die Gesetzestafeln des jüdischen Moses nicht an ein Gerichtsgebäude gehören würden. Am 26. Februar 1936, so schreibt Fritz Peters in seiner „Bremer Chronik“, sollten ... die Tafeln „auf höhere Anordnung hin“ entfernt werden. Ursprünglich war ihre Zerstörung geplant. Nur ließen zwei Männer, die einander vertrauen konnten, das nicht zu. ... So erging an die Baufirma, ..., lediglich der Auftrag, die Tafeln mit leichten Betonplatten abzudecken. ... Schon kurz nach Kriegsende, nämlich am 17. September 1945, wurde Bürgermeister Kaisen von einem „Bremer Bürger, der offensichtlich Bescheid wußte“ schriftlich gebeten, die Platten entfernen zu lassen, damit „durch die Freilegung der Zehn Gebote am Gerichtsgebäude öffentlich zum Ausdruck gebracht“ werde, „daß auch in unserer Stadt wieder Recht und Gerechtigkeit gelten“.[3] Nach dieser Zeit wurden sie wiederhergestellt. Der Schmuck ist bewusst in aufwendiger Handwerksarbeit ausgeführt worden, da den bremischen Handwerkern die Gelegenheit gegeben werden sollte, ihr Können darzustellen.

Im Inneren des Gebäudes ist noch ein großes Glasbild der Justitia im Treppenhaus zu erwähnen. Auch dieses war in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur entfernt worden. Grund hierfür waren die verbundenen Augen der Justitia, womit symbolisiert wird, dass die Gerechtigkeit ohne Ansehen der Person urteilt. Nach dem Krieg konnte auch dieses Glasbild wieder angebracht werden.

Weiter hervorzuheben ist der Schwurgerichtssaal mit seinem reichen Schmuck.

Gedenktafeln

Im Treppenhaus an den Seitenwänden des Podestes zwischen dem ersten und dem zweiten Stock befinden sich zwei Gedenktafeln für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Justizangehörigen aus dem Landgerichtsbezirk Bremen. Bemerkenswert ist, dass auf diesen Tafeln nicht die Berufsgruppe der Richterschaft, sondern die Gerichtsschreiber zuerst genannt werden.

Im ersten Stock befindet sich über dem Eingang des Anwaltzimmers eine Gedenkplakette des bremischen Anwaltsvereins für die während der Nazidiktatur ausgeschlossenen jüdischen Kollegen.

Vor dem Eingang zum Strafkammersaal ist eine Tafel mit folgendem Wortlaut angebracht:

Während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden in diesem Gebäude 54 Menschen von dem Sondergericht Bremen zum Tode verurteilt. Schnell wurden sie vergessen – einer von ihnen war der erst 17 Jahre alte Pole Walerjan Wrobel. Ihr Leiden mahnt uns.

Verkehrsanbindung

Das Gerichtsgebäude befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Haltestelle Domsheide. Die Domsheide stellt einen Knotenpunkt des öffentlichen Personennahverkehrs dar. Dementsprechend ist es Haltestelle vieler Bus- und Straßenbahnlinien.

Gerichtsbezirk und Zuständigkeit

Der Gerichtsbezirk umfasst das gesamte Bundesland Bremen mit seinen Städten Bremen und Bremerhaven. Der Gerichtsbezirk umfasst damit 404 km², in ihm leben mehr als 663.000 Menschen.

Das Landgericht ist sachlich zuständig für alle gesetzlich den Landgerichten zugewiesenen Angelegenheiten. Dies sind Straf- und Zivilsachen. Intern richtet sich die Zuständigkeit nach dem Geschäftsverteilungsplan, der auf der Webseite des Gerichts veröffentlicht wird.

2015 waren 97 Mitarbeiter beim Landgericht Bremen beschäftigt.[4]

Übergeordnete / nachgeordnete Gerichte

Dem LG Bremen übergeordnet ist als zuständiges Oberlandesgericht das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen, nachgeordnet sind die Amtsgerichte Bremen, Bremen-Blumenthal und Bremerhaven.

Bedeutsame Urteile

  • Vor dem LG Bremen fand 2007/2008 ein Mord-Prozess wegen der Vernachlässigung eines Kindes („Kevin-Prozess“) statt.[5][6]
  • Im Zivilrecht fiel das LG Bremen durch ein Urteil vom 24. Mai 2006 zu Gaspreiserhöhungen[7] auf. Das Urteil erlangte überörtliche Beachtung.[8][9]
  • Vor dem Landgericht Bremen fand am 25. Oktober 1999 ein Strafprozess um 1997 wieder aufgeteilte Bestandteile des Bernsteinzimmers (ein Mosaik und eine Kommode) statt.[10]
  • Der Strafprozess zum Bremer Bunkermord wurde zweimal (2001 und 2002/2003) am LG Bremen verhandelt.

Siehe auch

Literatur

  • Otto Fritz: Die lateinischen Inschriften des Landgerichtsgebäudes in Bremen, in: Schriften der Wittheit zu Bremen, Bd. 28, 1984, S. 39-53.
  • Norbert Larisch: Gerichtshaus Bremen. Hauschild Verlag, Bremen 1985, ISBN 3-920699-69-6.
  • Walter Richter: 100 Jahre Gerichtshaus in Bremen, Der Senator für Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen (Hrsg.), WMIT-Druck-u.-Verlag-GmbH, 1998, ISBN 3-929542-11-0.
  • Das neue Gerichtsgebäude in Bremen. In: Deutsche Bauzeitung. Jg. 30, Nr. 28 (4. April 1896), S. 173–175 (Erster Teil), Nr. 30 (11. April 1896), S. 185–189 (Zweiter Teil). (PDF des Jahresbandes, 132 MB)

Weblinks

Commons: Gerichtsgebäude Bremen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Norbert Larisch: Gerichtshaus Bremen. Hauschild Verlag, Bremen 1985, Seite 9
  2. Denkmaldatenbank des LfD
  3. Erika Thies: „Sieh mal an: die zehn Gebote am Gerichtsgebäude“ im Weser-Kurier, 2. März 2015
  4. Silke Helwig: Im Namen des Volkes. In: Weser-Kurier vom 28. Dezember 2015.
  5. Katrin Schmiedekampf, Kevin-Prozess - „Es gab viel problematischere Fälle“, Spiegel-Online vom 7. März 2008
  6. Berichte von Radio Bremen über den Fall (Memento vom 4. April 2012 im Internet Archive) bei web.archive.org
  7. Az. 8 O 1065/05
  8. Gericht kippt Gaspreiserhöhung Spiegel-Online vom 24. Mai 2006
  9. Gericht vereitelt Gaspreiserhöhung, Sueddeutsche Zeitung vom 24. Mai 2006
  10. tagesspiegel.de: Versuchter schwerer Betrug im Auftrag eines Unbekannten

Koordinaten: 53° 4′ 27,6″ N, 8° 48′ 37,5″ O