Langzeitbelichtung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 18. Juni 2016 um 23:28 Uhr durch Alchemist-hp (Diskussion | Beiträge) (+ Bild - Bild da doppeltes Thema). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Langzeitbelichtung eines Zuges (25 Sekunden)
Der Himmel dreht sich scheinbar um den Polarstern (30 Min).

Als Langzeitbelichtung wird in der Fotografie eine Belichtungszeit von mehreren Sekunden bezeichnet. Langzeitbelichtungen werden bei schwachen natürlichen Lichtquellen eingesetzt oder, im technischen und künstlerischen Bereich, um Bewegungsabläufe aufzuzeigen.

In der Available-Light-Fotografie werden Langzeitbelichtungen durch hochempfindliche Filme oder Bildsensoren und lichtstarke Objektive nach Möglichkeit vermieden, da hier normalerweise kein Stativ verwendet wird. In der Nachtfotografie werden Langzeitbelichtungen häufig eingesetzt, das Anwendungsgebiet ist jedoch universeller.

International ist der englische Begriff Bulb gebräuchlich, da in früherer Zeit die Fernauslösung mit einem Blasebalg bedient wurde. Dementsprechend ist die Kamerafunktion der Langzeitbelichtung meist mit einem „B“ gekennzeichnet, das in deutscher Sprache ersatzweise auf den Begriff Beliebig übertragen wird.

Bildwirkung

Blende 22 / 30 Sek.

Langzeitbelichtungen zeigen einen Ausschnitt der Zeit, wie wir ihn normalerweise nicht wahrnehmen können. Im Gegensatz zu „normalen“ Fotografien halten sie nicht einen kurzen Augenblick fest, sie bilden das Motiv in einem längeren Prozess ab. Bewegungen werden dabei verwischt, sie zerfließen in der Zeit.

Die ca. zweijährigen Belichtungszeiten vom Potsdamer Platz durch Michael Wesely (siehe Weblinks) zeigen einen Horizont durch die neuen Gebäude hindurch, der schon vor der Bebauung des Platzes zu sehen war. Auch die Sonnenbahnen treten als helle Streifen sehr stark in den Vordergrund.

Durch die lange Belichtungszeit ergibt sich bei bewegten Objekten eine große Bewegungsunschärfe, die als gestalterisches Mittel genutzt werden kann (siehe Light Painting). Bewegte Objekte oder Personen verschwimmen und können sogar völlig „verschwinden“, was bei z. B. Architekturaufnahmen genutzt wird. Im Dunklen hinterlassen helle Objekte (z. B. Scheinwerfer von Fahrzeugen) Lichtstreifen. Langzeitaufnahmen eines Nachthimmels (ohne Beeinflussung störender Lichtquellen wie beispielsweise Straßenbeleuchtungen) lassen die Sterne durch die Erddrehung wie Striche bzw. Kreissegmente aussehen.

Durchführung

Blende 22 / 15 Sek.
Insektenflugspuren: 30 Sek.

Die meisten Langzeitbelichtungen liegen im Bereich von fünf Sekunden bis hin zu mehreren Minuten. Der Belichtungszeit ist nach oben kaum eine Grenze gesetzt, so hat Michael Wesely extreme Langzeitbelichtungen von bis zu 26 Monaten durchgeführt.

Eine korrekte Belichtung bei langen Zeiten und nicht zu dunklem Motiv kann durch verschiedene Mittel erreicht werden:

  • kleinere Blende, z. B. auf Blende 16 bis 32 (je nach Objektiv)
  • Verwendung eines Films mit geringer Lichtempfindlichkeit, z. B. 50 ASA
  • Graufilter am Objektiv
  • Verringerung des Umgebungslichtes, Dämmerung und Nacht.

Bei einigen Motiven und Motiveffekten, etwa bei Lichtpendelaufnahmen oder Experimenten im Rahmen einer Lomographie, kann auf die Verwendung der ersten drei Mittel verzichtet werden.

Soll nur ein sich bewegendes Objekt, nicht aber der Hintergrund verwackelt und verschwommen wiedergegeben werden, so muss die Kamera gegen Verwackeln gesichert werden z. B. durch ein stabiles Stativ. Bei Verwendung eines Stativs sollten Bildstabilisierungs-Systeme abgeschaltet werden. Sie können sonst durch „Überreaktionen“ wieder zu verwackelten Bildern führen.

Bei Kameras mit manueller Belichtungseinstellung oder Zeitvorwahl lassen sich lange Belichtungszeiten direkt einstellen. Auf den meisten Kameras ist die Funktion für die Langzeitbelichtung mit einem B gekennzeichnet, das in Deutschland für Beliebig[1], in den USA für Bulb[2] (engl. Blasebalg/-Ball) steht. Dies rührt daher, dass ältere Kameras mit einer solchen Blasebalgvorrichtung fernausgelöst wurden. Bei den meisten elektronisch gesteuerten Kameras wird die Belichtungszeit jedoch durch die Kapazität der Batterie begrenzt, da das Offenhalten des Verschlusses Strom benötigt. Kameras mit mechanischem Verschluss erlauben (nahezu) unbegrenzte Belichtungszeiten, für Kameras ohne Verschluss, etwa Lochkameras, gilt dies ebenso. Für die erschütterungsfreie Betätigung des Verschlusses ist ein Drahtauslöser, bei moderneren Kameras ein Auslösekabel oder Funkfernauslöser und – so vorhanden – Spiegelvorauslösung hilfreich, alternativ kann der verzögerte Selbstauslöser benutzt werden.

In den Anfängen der Fotografie war die Langzeitbelichtung kein reines Gestaltungsmittel, sondern eine Notwendigkeit. Gründe dafür waren die geringe Empfindlichkeit des Fotomaterials und die geringe Lichtstärke der verwendeten Objektive. Tagesaufnahmen belebter Straßen zeigen daher oft keine oder schemenartig verwischte Personen, für Porträtaufnahmen waren Hilfsmittel notwendig.

Besonderheiten

Zu beachten ist, dass bei chemischem Filmmaterial durch den Schwarzschildeffekt längere Belichtungszeiten notwendig sind, als der Belichtungsmesser angibt. Diese Abweichung ist abhängig vom Filmmaterial.

Bei digitalen Kameras entfällt diese Korrektur, dafür entsteht ein höheres Rauschen des Bildsensors, das zum Teil durch bestimmte „Entrauschungsverfahren“ ausgeglichen werden kann. Außerdem können vermehrt dauerleuchtende Hotpixel auftreten. Manche modernen Digitalkameras nehmen im Anschluss an die Langzeitbelichtung ein Bild bei geschlossenem Verschluss als „Rauschmuster“ auf und nutzen dieses durch Subtraktion vom eigentlichen Bild, um dessen Rauschen zu reduzieren. Nachteilig an diesem Verfahren ist, dass diese Dunkelbelichtung in der Regel genauso lange aufgenommen wird wie das eigentliche Bild und die Kamera in dieser Zeit nicht einsatzbereit ist.

Eine weitere Methode, welche jedoch nicht angewendet werden kann, wenn sich im Bild Bewegungsmuster befinden, ist die Methode der mehrfachen Aufnahmen. Hierbei wird das Bild mit identischen Einstellungen mehrfach aufgenommen. Störungen durch zufälliges Bildrauschen können anschließend in einem Bildbearbeitungsprogramm vermindert werden.

Beispielbilder

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Klaus-Eckard Riess' (Dänemark): Auf und ab mit Compur
  2. T. Rand Collins MD on the Wonderful World of Vintage Camera Photography: Shutters (englisch)