Laurence-Moon-Biedl-Bardet-Syndrom

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Klassifikation nach ICD-10
Q87.8 Sonstige näher bezeichnete angeborene Fehlbildungssyndrome, anderenorts nicht klassifiziert
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Das Laurence-Moon-Biedl-Bardet-Syndrom (LMBBS) ist eine angeborene und nicht ursächlich heilbare Behinderung auf der Grundlage einer autosomal-rezessiv vererbbaren Genmutation an zwölf möglichen Genen. Es wurden früher zwei Syndromtypen unterschieden: Laurence-Moon-Syndrom und Biedl-Bardet-Syndrom. International wird inzwischen in die Typen 1 bis 12 eingeteilt, je nachdem welches Gen betroffen ist. Das Syndrom gehört zur Gruppe der Ziliopathien

Auftretenshäufigkeit und Entstehung

Das LMBB-Syndrom ist selten. Die Auftrittswahrscheinlichkeit des Biedl-Bardet-Typs beträgt zwischen 1:160.000 und 1:15.000, der Laurence-Moon-Typ ist noch seltener.

Grundlage der Behinderung ist eine Genmutation. Die relevanten Genorte für den Biedl-Bardet-Typ sind 16q21 und 11q13.

Bei etwa 30 % der BBS-Patienten ist die Ursache der Erkrankung der Zilien eine Störung der Protein-Zufuhr. Die Proteine BBS1 bis BBS19 bilden an sich den Transporter BBSome, der Zilien neue Proteinbausteine zuführt. Hat das BBSome Fracht im Inneren der Zelle aufgenommen, bringt es ein Lotse zur Zelloberfläche, zu den Zilien.
Der Lotse, das Molekül ARL6, dockt am Protein BBS1 des BBSome an und geleitet es zur Zelloberfläche. Der Mechanismus ist universell - beim Mensch wie bei Grünalgen. Bei der Ziliopathie liegt ein Gendefekt an der BBS1-Bindestelle von ARL6 mit BBS1 vor.
BBSome findet daher keinen Lotsen, so dass Zilien wichtige Bausteine fehlen und sie ihre Funktion verlieren. [1]

Für die übrigen 70 % der Erkrankungen vermutet man als Ursache eine Enzymopathie, eine Störung der hypothalamo-hypophysären Funktion oder einen Kinesin-Defekt. Etwa 50 % der Kinder mit dem Syndrom stammen aus inzestuösen Beziehungen (Verwandtenverbindungen).

Heterozygote Träger der Mutation sind gesund, für sie besteht kein erhöhtes Risiko, typische Manifestationen des Syndroms wie Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck oder eine Nierenkrankheit zu entwickeln.[2]

Geschichte

Das Syndrom wurde unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten erstmals beschrieben zu verschiedenen Zeiten von John Laurence (1866, Fachgebiet Augenheilkunde), seinem Kollegen Robert Charles Moon (Fachgebiet Augenheilkunde), Georges Bardet (Anfang 20. Jahrhundert, Fachgebiet Allgemeinmedizin) und Artur Biedl (Anfang 20. Jahrhundert, Fachgebiet Endokrinologie). 1925 wurden die Forschungen zur Symptomatik vorerst abgeschlossen und das Behinderungsbild bekam den Namen Laurence-Moon-Bardet-Biedl-Syndrom, der später zu Bardet-Biedl-Syndrom verkürzt wurde.

Merkmale

Im Bereich der klinischen Symptomatik wird unterschieden in das Laurence-Moon-Syndrom (ohne Polydaktylie und Adipositas, dafür aber mit Paraplegie und Muskelhypotonie) und das Bardet-Biedl-Syndrom (mit Polydaktylie, Adipositas und Besonderheiten der Nieren wie Nierendysplasie). Nicht alle Menschen mit dieser Besonderheit zeigen alle Merkmale und nicht alle Merkmale sind in gleich starker Ausprägung nachweisbar; es muss bei der Diagnose eine starke intrafamiliäre Expressivität beachtet werden. Gehäuft sind bei Menschen mit dieser Genmutation folgende Kennzeichen festzustellen:

Behandlung und Differentialdiagnostik

Das Syndrom ist nicht ursächlich heilbar, lediglich die Symptome können behandelt werden.

Als Differentialdiagnose kommen das Alström-Syndrom, das Börjeson-Forssman-Lehmann-Syndrom, das Prader-Willi-Syndrom, das Smith-Lemli-Opitz-Syndrom, das Pallister-Hall-Syndrom und das Cohen-Syndrom in Frage.

Siehe auch

Literatur

  • Gerhard Neuhäuser: Syndrome bei Menschen mit geistiger Behinderung. Ursachen, Erscheinungsformen und Folgen. 3. Auflage. Lebenshilfe-Verlag, Marburg 2010, ISBN 978-3-88617-315-0
  • Regine Witkowski u. a.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Ursachen, Genetik und Risiken. Springer, Berlin 2003, ISBN 3-540-44305-3

Weblinks

Einzelnachweise

  1. A. Mourão, A.R. Nager, M.V. Nachur, E. Lorentzen: Structural basis for membrane targeting of the BBSome by ARL6. In: NSMB. 17. November 2014, doi:10.1038/nsmb.2920.
  2. Michael P Webb, et al.: Autosomal recessive Bardet-Biedl syndrome: first-degree relatives have no predisposition to metabolic and renal disorders. In: Kidney International. 76. Jahrgang, Nr. 2, Juli 2009, ISSN 1523-1755, S. 215–223, doi:10.1038/ki.2009.116, PMID 19367329.