Liliana Cavani

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Liliana Cavani (1993)
Liliana Cavani neben den Regisseuren Ang Lee und Joe Dante, Filmfestspiele von Venedig 2009

Liliana Cavani (* 12. Januar 1933 in Carpi, Provinz Modena) ist eine italienische Filmregisseurin und Drehbuchautorin. International bekannt wurde sie durch den kontroversen Film Der Nachtportier.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Cavani studierte nach dem Besuch des Gymnasiums klassische Literatur und Linguistik an der Universität Bologna. Schon zu dieser Zeit war sie aktiv im dortigen Filmclub tätig. Nach ihrer Promotion ebenda in Linguistik und Altphilologie[1] mit der Monografie La figura di Giovanni Marsiglio Pio e le sue rime in testo critico (1959)[2], betreut durch Raffaele Spongano, ging sie 1960 nach Rom und belegte den Regiekurs an der dortigen Filmakademie.

Cavani inszenierte hier zwei Kurzfilme, Il contro notturno über die Freundschaft zwischen einem Weißen und einem Senegalesen und L'evento über eine Gruppe von Touristen, die aus Spaß einen Italiener umbringt. 1961 gewann sie bei einem Wettbewerb der RAI unter 10.000 Kandidaten einen der drei Preise.

Zwischen 1962 und 1965 arbeitete sie für die RAI und drehte mehrere Dokumentarfilme. Ihr Beitrag Philippe Pétain – Processo a Vichy erhielt 1965 bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig eine Auszeichnung als beste Fernsehproduktion.

1966 wechselte sie zum Kino und debütierte mit ihrer Biografie Francesco d’Assisi über Franz von Assisi. Mit diesem Film, laut Cavani ein „Film über den ersten Hippie in der Geschichte“,[3] erregte sie einiges Aufsehen, das sich nach ihrer kirchenkritischen Galilei-Biografie Galileo fortsetzte. Weltweite Wirkung erzielte 1974 ihr Film Der Nachtportier über die sexuelle Beziehung einer ehemaligen KZ-Insassin zu ihrem SS-Peiniger. Der Skandalfilm wurde nach gerichtlichen Auseinandersetzungen schließlich offiziell zum Kunstwerk erklärt und ohne Schnitte freigegeben. In ihrem nächsten Werk Jenseits von Gut und Böse standen der Philosoph Friedrich Nietzsche und sein Liebesleben im Mittelpunkt. Zu ihrem Film Leidenschaften wählte sie wieder das „Dritte Reich“ als Hintergrund, diesmal für eine lesbische Beziehung. 1989 erschien mit Franziskus ihre zweite Filmbiografie über Franz von Assisi. 2014 drehte sie dann ihre dritte Franziskus-Verfilmung Sein Name war Franziskus.

2009 wurde sie in die Wettbewerbsjury der 66. Filmfestspiele von Venedig berufen. Drei Jahre später wurde sie abermals mit ihrem Kurzfilm Clarisse (2012) nach Venedig eingeladen. Im Jahr 2023 wurde Cavani der Goldene Löwe als Ehrenpreis für ein Lebenswerk zuerkannt.[4] Die Laudatio hielt die Schauspielerin Charlotte Rampling, Hauptdarstellerin aus Der Nachtportier.[5]

Filmografie (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1961: Il contro notturno (Kurzfilm)
  • 1962: L’evento (Kurzfilm)
  • 1963: Storia del III° Reich
  • 1963: Le donne della resistenza
  • 1964: L’età di Stalin
  • 1965: Primo Piano: Philippe Pétain processo a Vichy
  • 1965: La casa in Italia
  • 1966: Francesco d’Assisi (auch Drehbuch)
  • 1968: Galileo Galilei (Galileo) (auch Drehbuch)
  • 1970: I cannibali (auch Drehbuch)
  • 1972: L’ospite (auch Drehbuch)
  • 1974: Milarepa (auch Drehbuch)
  • 1974: Der Nachtportier (Il portiere di notte) (auch Drehbuch)
  • 1977: Jenseits von Gut und Böse (Al di là del bene e del male) (auch Drehbuch)
  • 1981: Die Haut (La pelle) (auch Drehbuch)
  • 1982: Jenseits der Schwelle (Oltre la porta) (auch Drehbuch)
  • 1985: Leidenschaften (Interno berlinese) (auch Drehbuch)
  • 1989: Franziskus (Francesco) (auch Drehbuch)
  • 1989: La traviata
  • 1993: Einmal dein Lachen hören (Dove siete? Io sono qui) (auch Drehbuch)
  • 1996: Cavalleria rusticana
  • 1998: Manon Lescaut
  • 2002: Ripley’s Game (Il Gioco di Ripley) (auch Drehbuch)
  • 2005: De Gasperi, l’uomo della speranza (auch Drehbuch)
  • 2008: Einstein (Fernsehfilm)
  • 2012: Clarisse (Kurzfilm)
  • 2014: Sein Name war Franziskus (Francesco)
  • 2023: Die Ordnung der Zeit (L'ordine del tempo)

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Alfons Maria Arns: Liliana Cavanis Der Nachtportier. In: Die Ästhetik des Bösen im Film. GEP u. Evangelischer Akademie Arnoldshain (Hg.). Frankfurt am Main 1987, S. 18–25 (Arnoldshainer Filmgespräche, Bd. 4).
  • Lorenzo Quaglietti: Cavani, Liliana. In: Enciclopedia Italiana. Appendice V. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 1991.
  • Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Zweiter Band C – F. John Paddy Carstairs – Peter Fitz, Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 23 f.
  • Flavio De Bernardinis: Cavani, Liliana. In: Enciclopedia del Cinema, Rom 2003.
  • Anne-Berenike Binder: „Mon ombre est restée là-bas.“ Literarische und mediale Formen des Erinnerns in Raum und Zeit. (Reihe: Romania Judaica. Studien zur jüdischen Kultur in den romanischen Ländern ISSN 1435-098X) Niemeyer, Tübingen 2008 ISBN 978-3-484-57008-5 Über ihren Film „Il portiere di notte“ von 1973 (ferner über Bücher und Filme von Romain Gary, Soazig Aaron, Alain Resnais’ Nacht und Nebel und Charlotte Delbo)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Liliana Cavani – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. „Das Leben ist ein Born der Lust“. Spiegel, abgerufen am 4. November 2016.
  2. opac.sbn.it: La figura di Giovanni Marsiglio Pio e le sue rime in testo critico. Abgerufen am 9. Oktober 2022 (italienisch).
  3. Phelix/Thissen: Pioniere und Prominente des modernen Sexfilms, München, 1983, S. 186–187.
  4. Director Liliana Cavani and actor Tony Leung Chiu-wai Golden Lions for Lifetime Achievement. In: labiennale.org, 23. März 2023 (abgerufen am 23. März 2023).
  5. La regista Liliana Cavani e l’attore Tony Leung Chiu Wai Leoni d’Oro alla carriera. In: labiennale.org, 30. August 2023 (abgerufen am 31. August 2023).