MOSH/MOAH

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Mit den Abkürzungen MOSH und MOAH werden zwei unterschiedliche Gruppen chemischer Verbindungen bezeichnet, die im Mineralöl vorkommen. MOSH steht dabei für englisch Mineral Oil Saturated Hydrocarbons (etwa: Gesättigte Mineralöl-Kohlenwasserstoffe), MOAH für englisch Mineral Oil Aromatic Hydrocarbons (etwa: Aromatische Mineralöl-Kohlenwasserstoffe).

Zusammensetzung

Die zur MOSH-Fraktion gehörenden Komponenten sind Paraffine (offenkettige Kohlenwasserstoffe) und Naphthene (cyclische Kohlenwasserstoffe), die meist hoch alkyliert sind. Diese stammen entweder direkt aus dem Erdöl oder wurden durch Hydrierung von Aromaten und weitere Reaktionen bei der Raffination gebildet.

Die MOAH-Fraktion, die im Mineralöl grob 20 % ausmacht, enthält Verbindungen mit mono- oder polyaromatischen Ringen, die zusätzlich auch hoch alkyliert sein können. Definitionsgemäß werden Kohlenwasserstoffe mit mindestens einem aromatischen Ring der MOAH-Fraktion zugerechnet, auch wenn das Gesamtmolekül zum weit überwiegenden Teil gesättigt ist.

Biologische Wirkung

Für MOSH- und MOAH-Gemische liegen bisher keine Studien zur Toxizität nach oraler Aufnahme vor. Eine konkrete Risikoabschätzung für den Menschen ist daher bislang nicht möglich. Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass in der MOAH-Fraktion auch krebserzeugende Verbindungen enthalten sind.[1]

Für die biologische Wirkung der Verbindungen ist entscheidend, welche Komponenten vom Körper resorbiert werden. Es muss davon ausgegangen werden, dass sich die aufgenommenen Gemische im menschlichen Körper anreichern können, weil sie nur langsam wieder ausgeschieden werden.[1]

Circa 90 % der kürzerkettigen Kohlenwasserstoffe (mit 14 bis 18 C-Atomen) können ohne weiteres über das Portalgefäßsystem bzw. das lymphatische System resorbiert werden. MOSH können sich in Fettzellen, Lymphdrüsen, Milz und Leber anreichern. Die Konzentration von Kohlenwasserstoffen in Fettgewebe ist mit durchschnittlich 60 ppm so hoch wie in Muttermilch. Tierversuche haben gezeigt, dass Mineralölgemische geringer Viskosität zur Entzündung in der Leber, den Herzklappen und zu Histiozytose in Lymphknoten führen können.[2]

Auftreten in Lebensmitteln und Konsumgütern

MOSH und MOAH wurden wiederholt in Lebensmitteln nachgewiesen.[3][4][5][6][7] Als Quelle der Verunreinigung gelten häufig die verwendeten Verpackungsmaterialien aus Recyclingkarton oder die auf der Verpackung zum Einsatz kommenden Druckfarben auf Mineralölbasis, die durch Migrationsprozesse in die Lebensmittel übergehen. Allerdings können auch Maschinenöle aus dem Herstellungsprozess für Kontaminationen verantwortlich sein. Mittlerweile werden Lebensmittelverpackungen zumeist aus fabrikneuem Papier gefertigt. Dies gilt nicht für Sekundär- und Transportverpackungen. Dabei kann auch von benachbarten Verpackungen eine Kontamination ausgehen.[2]

Weitere Quellen bei Lebensmittel wie z. B. Reis sind Klebstoffe am Karton, aber auch Verarbeitungs- und Behandlungsmethoden wie die Anwendung von Antiverklumpungs- und Staubbindemitteln oder Sprühglanzmitteln.[2]

Viele Kosmetika enthalten Mineralölprodukte (z. B. Paraffinum, Petrolatum, Cera microcristallina) als fettende Komponente. Darin wurden teilweise deutliche Anteile an aromatischen Kohlenwasserstoffe (MOAH) festgestellt.[8] Die von den Kosmetikherstellern angewendeten Tests, um die Einhaltung von Limits für krebserregende polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe sicherzustellen, sind laut Stiftung Warentest nicht geeignet, alle Verbindungen aus der Gruppe der MOAH zu erfassen.

Die Stiftung Warentest hält Lippenpflegeprodukte für problematisch, da MOSH und MOAH beim Ablecken und Verschlucken in den Körper gelangen und resorbiert werden können.

Übertragungswege

Bei Kohlenwasserstoffen mit bis zu 25 C-Atomen erfolgt die Kontamination von Lebensmitteln durch Ausgasen aus den Verpackungsmaterialien und das Niederschlagen auf der Lebensmitteloberfläche. Große Oberflächen (wie beispielsweise bei Reis) führen zu stärkerer Belastung mit Kohlenwasserstoffen. Innenverpackungen aus Polyethylen (PE) oder Polypropylen (PP) bremsen den Übergang. Nur so genannte funktionale Barrieren, die Aluminiumschichten oder Polyethylenterephthalat (PET) enthalten, gelten als undurchlässig (migrationsdicht). Jedoch ist die Herstellung von Alufolie energieintensiv, beeinflusst den Recyclingprozess negativ und ist umweltschädlich. Wasserdampfundurchlässige Verpackungen können außerdem das Wachstum von Mikroorganismen in Lebensmitteln fördern. Jüngst entwickelte spezielle Folien sind wahrscheinlich nur für bestimmte Verpackungssysteme nutzbar.[2]

Nachweis

Der analytische Nachweis und die quantitative Bestimmung der MOSH- und MOAH-Fraktion erfolgt als Summenparameter. Hierfür werden die Proben mit n-Hexan extrahiert und der Extrakt mit gekoppelter HPLC-GC mit Flammenionisationsdetektor oder massenspektrometrischem Detektor analysiert.[9]

Rechtliche Bewertung

Lebensmittel

Laut EG-Verordnung gilt der Grundsatz, dass ausgeschlossen werden muss, dass „Stoffe in Mengen, die genügen, um die menschliche Gesundheit zu gefährden [...], in Lebensmittel übergehen.“[10]

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMELV) plant sowohl eine Druckfarben- als auch eine Mineralölverordnung. Auf europäischer Ebene hat die Expertendiskussion begonnen, ohne dass bislang (Stand: 2014) eine Gesetzesinitiative in Sicht ist.[11]

Kosmetika

Gemäß den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 über kosmetische Mittel „sind Mineralöle in kosmetischen Mitteln nur erlaubt, wenn der Raffinationsprozess vollständig bekannt und der Ausgangsstoff frei von kanzerogenen Substanzen ist oder das Destillat mit bestimmten Methoden geprüft wurde“. Wenngleich gesundheitliche Risiken nach bei einer Aufnahme über die Haut zwar nicht zu erwarten seien, rät das Bundesinstitut für BfR, dass dennoch „die MOAH-Gehalte in kosmetischen Mitteln auf die nach dem gegenwärtigen Stand der Technik unvermeidbaren Spurengehalte reduziert werden sollten.“ Zu einer abschließenden gesundheitlichen Bewertung zur Mineralölaufnahme über die Haut sah sich das BfR 2015 noch nicht in der Lage, da hierzu die Datenlage noch nicht ausreichend sei.[12]

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b Bundesinstitut für Risikobewertung: Fragen und Antworten zu Mineralöl-Übergängen aus Verpackungsmaterialien auf Lebensmittel. FAQ vom 10. März 2010.
  2. a b c d Reinhard Matissek: Mineral oil transfer to food – Strategies for preventing the migration of MOSH/MOAH. In: FOOD-LAB international Bd. 1, 2014, S. 8.
  3. Stiftung Warentest: Adventskalender mit Schokoladenfüllung: Mineralöl in der Schokolade vom 26. November 2012, abgerufen am 11. Dezember 2015.
  4. Institut Fresenius: MOSH/MOAH – Mineralölbestandteile in Lebensmitteln und Verpackungen vom 11. Februar 2014, abgerufen am 18. Dezember 2015.
  5. Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL): MOSH/MOAH - Mineralölübergänge auf Lebensmittel vom 1. November 2015, abgerufen am 18. Dezember 2015.
  6. foodwatch.org: Mineralöle in Lebensmitteln - Ergebnisse des foodwatch-Tests. Oktober 2015, abgerufen am 11. Dezember 2015.
  7. Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL): Bestimmung von Mineralölbestandteilen in Adventskalendern – Untersuchungsergebnisse 2015 vom 1. Dezember 2015, abgerufen am 12. Dezember 2015.
  8. Stiftung Warentest: Mineralöle in Kosmetika: Kritische Stoffe in Cremes, Lippenpflegeprodukten und Vaseline, vom 26. Mai 2015, abgerufen am 11. Dezember 2015.
  9. Bundesinstitut für Risikobewertung: Bestimmung von Kohlenwasserstoffen aus Mineralöl (MOSH und MOAH) oder Kunststoffen (POSH, PAO) in Verpackungsmaterialien und trockenen Lebensmitteln mittels Festphasenextraktion und GC-FID. (PDF).
  10. https://www.verbrauchergesundheit.gv.at/dateien/lebensmittel/rechtstexte/lm_recht_eu_kontaktmaterialien_vo-1935-2004.pdf 1935/2004
  11. Reinhard Matissek: Mineral oil transfer to food – Strategies for preventing the migration of MOSH/MOAH. In: FOOD-LAB international Bd. 1, 2014, S. 11.
  12. Mineralöle in Kosmetika: Gesundheitliche Risiken sind nach derzeitigem Kenntnisstand bei einer Aufnahme über die Haut nicht zu erwarten. Stellungnahme Nr. 014/2015 des BfR vom 26. Mai 2015.