Mindestumtausch

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Als verbindlicher Mindestumtausch (inoffiziell Zwangsumtausch oder Eintrittsgeld genannt[1]) wurde die Verpflichtung für Besucher der DDR bezeichnet, einen bestimmten Betrag bei der Einreise in Mark der DDR zum offiziellen Kurs (der deutlich über dem Marktkurs lag) umzutauschen. Diese Regelung der Devisenverkehrsbeschränkung wurde am 1. Dezember 1964 eingeführt. Der umzutauschende Betrag änderte sich mehrmals. Nach der Wende wurde der Mindestumtausch am 24. Dezember 1989 wieder abgeschafft. Insgesamt erzielte die DDR-Regierung mit dieser Maßnahme Einnahmen von 4,5 Milliarden DM.[2] Hintergrund war, dass insbesondere bei Tagesbesuchen und bei Verwandtenbesuchen aufgrund der Mangelwirtschaft der DDR keine Möglichkeit bestand, die zwangsweise umgetauschten Beträge auszugeben.[3]

Auch in anderen Ländern, insbesondere denen des RGW, gab es ähnliche Regelungen.

Hintergrund

Im besonderen Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur DDR gab es einen Mindestumtausch. Hierunter versteht man die von der Regierung der DDR verhängte Regelung, nach der Bürger des so genannten NSW (Nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet, also westliche, marktwirtschaftliche Staaten) bei der Einreise in die DDR oder nach Ost-Berlin konvertierbare Währung in Mark der DDR (früher MDN), das Zahlungsmittel der DDR, umtauschen mussten.

Pro Aufenthaltstag und pro Person war eine vorgeschriebene Höhe zu wechseln. Der Mindestumtausch betrug für Bürger der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlins zuletzt 25,00 Mark der DDR im Kurs 1 : 1 (eine Mark der DDR = eine Deutsche Mark der Deutschen Bundesbank). Weiterhin mussten mitgeführte Devisen jeweils bei der Ein- und Ausreise auf einem Formblatt den Zollbehörden der DDR mitgeteilt werden. Bei Tagesaufenthalten in Ost-Berlin erfolgte der Wechsel unmittelbar beim Grenzübertritt von West- nach Ost-Berlin. Verantwortlich für die Erhebung des Mindestumtausch war die Passkontrolleinheit des MfS.[4] An allen innerstädtischen Grenzübergängen befanden sich daher Niederlassungen der Staatsbank der DDR (früher Deutsche Notenbank). Bei mehrtägigen Aufenthalten musste der Währungstausch nach erfolgter Einreise bei einer beliebigen Filiale der Staatsbank der DDR vorgenommen werden. Die Aufenthaltsgenehmigung wurde dann durch die zuständige Volkspolizeikreisstelle für die Anzahl der Tage erteilt, für die man getauscht hatte. Die beim Aufenthalt eventuell nicht verbrauchte DDR-Währung durfte aufgrund der Devisenverkehrsbeschränkungen der DDR nicht ausgeführt oder in Devisen zurückgetauscht werden. Überschüssige Beträge konnten jedoch bei der Ausreise aus der DDR bei den Grenzfilialen der Staatsbank der DDR „deponiert“ werden und bei einer erneuten Einreise über dieselbe Grenzübergangsstelle wieder im Empfang genommen werden. Auf diese Weise war auch das Ansammeln und Abheben von mehreren Mindestumtauschbeträgen möglich. Für Einnahmen in der DDR (reguläre Geschäftstätigkeit, Honorare, Gagen, Bar-Erbschaften) konnte bei der Staatsbank der DDR ein Konto für sogenannte Devisenausländer eingerichtet werden, die Beträge wurden jedoch nicht verzinst.

Obwohl der Wert der Währungen im internationalen Handel und den danach orientierten Kursen der West-Berliner Wechselstuben und Banken in der BRD deutliche Unterschiede zu Gunsten der D-Mark aufwies, bestand die DDR beim Wechsel von DM in M auf einen Kurs im Verhältnis von 1:1. War die rechtliche Grundlage für einen Rücktausch gegeben, wurde zum „international üblichen“ Kurs gewechselt. Da generell die Aus- und Einfuhr von DDR-Mark verboten war und als Devisenvergehen geahndet wurde, konnte ein Rücktausch in diesen besonderen Fällen nur bei der Staatsbank der DDR vorgenommen werden. Dieser Kurs war noch ungünstiger als ein Rücktausch bei westlichen Wechselstuben und Banken.

Dennoch gab es in West-Berlin einen regen Geschäftsverkehr mit der Mark der DDR. In fast allen Zweigstellen der Sparkasse der Stadt Berlin West wurde die Mark der DDR gegen die Deutsche Mark der Deutschen Bundesbank getauscht, der Umtauschkurs lag über die Jahre hinweg zwischen 1 : 3 und 1 : 10. Die Kundschaft bestand hauptsächlich aus Soldaten der westalliierten Streitmächte, die an der Grenze nicht kontrolliert wurden.

Chronologie

Im Laufe der Jahre wurden die Rahmenbedingungen, insbesondere die jeweiligen Tagessätze, immer wieder verändert. Diese Veränderungen waren stets auch als Anpassung an die aktuelle politische Situation im Verhältnis der beiden deutschen Staaten zu verstehen.

Einführung 1964

Am 25. November 1964 teilt die Regierung der DDR mit, dass man mit Wirkung des 1. Dezembers 1964 einen Mindestumtausch einführen wird. Als Hintergrund für diese Maßnahme nahm man an, dass die DDR nach der Absetzung des sowjetischen Staatschefs Chruschtschow verstärkt auf Distanz zur Bundesrepublik gehen wollte. Westdeutsche mussten 5,00 DM, West-Berliner 3,00 DM umtauschen pro Besuchstag, Rentner und Kinder waren vom Mindestumtausch ausgenommen.

Änderung 1973

Ab dem 15. November 1973 machen die neuen Regelungen keinen Unterschied mehr zwischen Westdeutschen und West-Berlinern. Die Regelungen gelten nunmehr für Bürger kapitalistischer Staaten einheitlich. Allerdings wird jetzt hinsichtlich des Reiseziels unterschieden. Die Umtauschsätze betragen fortan für das Gebiet der DDR 20,00 DM, für Reisen nach Ost-Berlin 10,00 DM. Kinder und Rentner sind von dieser Regelung nicht mehr ausgenommen.

Änderung 1974

Ab dem 15. November 1974 werden die Sätze wieder gesenkt. Jetzt muss für den Aufenthalt in der DDR 13,00 DM, für eine Reise in die "Hauptstadt der DDR" 6,50 DM pro Tag und pro Person gewechselt werden. Vom 20. Dezember an sind Personen unter 14 Jahren und Rentner vom Mindestumtausch wieder ausgenommen.

Änderung 1980

Die DDR kündigt am 9. Oktober 1980 eine zum 13. Oktober in Kraft tretende Änderung an. Demnach müssen nun 25,00 DM pro Person und Tag umgetauscht werden, zwischen den Reisezielen (DDR bzw. Ost-Berlin) wird nicht mehr unterschieden, auch Rentner müssen den vollen Satz wieder tauschen. Für Personen unter 14 Jahren muss fortan ein ermäßigter Satz in Höhe von 6,50 DM gewechselt werden, Kinder unter sechs Jahren sind weiterhin vom Mindestumtausch befreit.

Empört über die Maßnahme der DDR zeigte sich damals vor allem die oppositionelle CDU/CSU in der Bundesrepublik. Sie vermutete eine Wahlkampfhilfe der DDR für die Sozialliberale Koalition. Denn nach Meinung der Opposition hätte die DDR bereits seit längerer Zeit eine Absicht zur Anhebung der Sätze gehabt, diese jedoch bewusst erst Tage nach der am 5. Oktober abgehaltenen Bundestagswahl angekündigt, um nicht Einfluss auf die Wahlen zu nehmen.

Änderung 1983

Ab dem 15. September sind nun wieder Kinder unter 14 Jahren von den Regelungen ausgenommen.

Änderung 1984

Der Umtauschsatz für Rentner wird zum 1. August auf 15,00 DM gesenkt.

Abschaffung 1989

Im Rahmen der Wende in der DDR (erstmals war es mit der Maueröffnung am 9. November 1989 für DDR-Bürger einfacher als für Bundesbürger in den jeweils anderen Teil Deutschlands zu reisen) wurden zum 24. Dezember die Mindestumtauschregelungen auf Anordnung der DDR-Finanzministerin Uta Nickel außer Kraft gesetzt.

Ähnliche Regelungen in anderen Ländern

Einen Mindestumtausch zu fordern war nicht nur auf die DDR beschränkt. Nahezu alle Länder des RGW bedienten sich dieser Deviseneinnahmequelle. Auch andere, insbesondere lateinamerikanische Staaten, verlangten einen Mindestumtausch (in US-$). Teilweise konnten aber auch vor Reiseantritt Hotelgutscheine, Benzincoupons und Verpflegungs- und Warengutscheine in einer vorgeschriebenen Mindestmenge pro Reisetag gegen Devisen erworben werden. Oft war die Erteilung des Einreisevisums vom Nachweis eines Mindestumtauschs oder dem Erwerb der Gutscheine abhängig. Die Regelung entfiel nur bei Pauschalreisen. Hier sorgten die Reiseveranstalter für ausreichenden Devisenzufluss, der durch den Reisepreis abgedeckt war.

Auch im Verkehr der RGW-Länder untereinander gab es teilweise verbindliche Umtauschregelungen (Mindestumtausch, aber auch Höchstumtausch). So konnte man die transferierten Geldmengen und letztlich auch den Reiseverkehr besser kontrollieren. Darüber hinaus barg es die Möglichkeit, unerwünschte Treffen von DDR-Bürgern mit westlichen Verwandten und Freunden in den liberaleren sozialistischen „Bruderländern“ zu kontrollieren und einzudämmen.

Rechtsgrundlagen

  • Beschluß der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik vom 11. Juni 1968, online
  • Anordnung über Durchführung eines verbindlichen Mindestumtauschs von Zahlungsmitteln vom 4. Juni 1972, online[5]
  • Anordnung über Durchführung eines verbindlichen Mindestumtauschs von Zahlungsmitteln vom 5. November 1973, online
  • Anordnung über Durchführung eines verbindlichen Mindestumtauschs von Zahlungsmitteln vom 5. November 1974, online
  • Anordnung über Durchführung eines verbindlichen Mindestumtauschs von Zahlungsmitteln vom 9. Oktober 1980, online
  • § 5 der Verordnung über die zeitweilige Einreise von Personen mit ständigem Wohnsitz in Berlin (West) in die Deutsche Demokratische Republik vom 23. Februar 1972[6], online

Einzelnachweise

  1. Birgit Wolf: Sprache in der DDR:Ein Wörterbuch, 2000, ISBN 3-11-016427-2, , Stichworte "Mindestumtausch", "Zwangsumtausch" und "Eintrittsgeld", Seite 51, 147 und 258
  2. Hans-Peter Schwarz: Die Bundesrepublik Deutschland: Eine Bilanz nach 60 Jahren, 2008, ISBN 3412202371, Seite 165, online
  3. Birgit Wolf: Sprache in der DDR:Ein Wörterbuch, 2000, ISBN 3-11-016427-2, , Stichwort "Mindestumtausch", Seite 147
  4. Jens Gieseke. Staatssicherheit und Gesellschaft: Studien zum Herrschaftsalltag in der DDR, Band 30 von Analysen und Dokumente, Deutschland Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, 2007, ISBN 352535083X, Seite 144 ff., online
  5. GBl. DDR 1972 Teil II S. 361
  6. GBl. DDR 1972 Teil II S. 125