Okarina
Die Okarina (aus ital. ocarina, wörtlich „kleine Gans“), instrumentenkundlich Gefäßflöte, auch Kugelflöte, ist ein kleines einteiliges Blasinstrument mit einer runden Form, das nach der Art der Tonerzeugung den Flöten ohne ausgebildeten Schnabel oder den Flöten mit vorhandenem Kernspalt, also den Schnabelflöten, zugeteilt wird. Okarinas bestehen aus gebranntem und glasiertem Ton, luftgetrocknetem Ton, Porzellan, Holz oder aus einer Kalebasse. Für besondere Anforderungen werden jedoch auch andere Materialien verwendet, wie z. B. Kunststoff (preisgünstig und robuster als Ton, daher oft von Kindern genutzt) oder auch Metall (sehr robust).
Bauform
Der Name stammt aus der Emilia-Romagna und bedeutet etwa „Gänschen“. Die dort entwickelten und in der alpenländischen Volksmusik gespielten Okarinas aus Ton werden mit beiden Händen gespielt und haben je nach Modell vier bis zwölf Löcher, (beim Double- und Triple-System allerdings deutlich mehr). Es werden verschiedenste Formen erzeugt, etwa birnenförmig, polsterförmig und rübenförmig. Auch in den verschiedensten Tierformen, wie z. B. Schildkröten, kann man Okarinas erhalten. Die Inka-Okarina hat auf der Vorderseite vier Löcher, auf der Rückseite zwei (für die Daumen).
Afrikanische Gefäßflöten bestehen aus einer kleinen Kalebasse oder der Steinschale einer anderen Frucht. Die Anblaskante befindet sich an der oberen Öffnung am schmalen Ende der Kalebasse. An beiden gegenüberliegenden Seiten ist jeweils eine Öffnung für den Zeigefinger der linken und rechten Hand angebracht. Gefäßflöten sind unter anderem in Mosambik, bei den Venda in Südafrika und in Uganda bekannt. In Uganda heißen sie kigwari, ebundi und kigwara.[1] Die hölzerne epudi (Pl. mapudi) der Bassonge im Kongo wird von Jägern als Signalinstrument eingesetzt.[2]
Experten nehmen an, Okarinas seien über 12.000 Jahre alt, sie waren in vielen alten Hochkulturen vertreten und wurden auch von den Maya, Inka und Azteken gespielt. Dort hatten sie meist die Form von Vögeln oder anderen Tieren, während die Xun genannten Gefäßflöten im alten Kaiserreich China eher eiförmig waren.
Tönerne Okarinas
Geschichte
Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte der italienische Tonbrenner Giuseppe Donati aus Budrio die heute vorherrschende rübenförmige Gestalt mit einem Tonumfang von eineinhalb Oktaven, die 10-Loch-Okarina. Er baute seine Instrumente in mehreren Größen, von der kleinen Sopranokarina bis zur großen Bassokarina.[3] Der erste öffentliche Auftritt eines Okarinaquintetts fand 1863 in Budrio statt.
Auf der Basis von Donatis 10-Loch Okarina entwickelte Takashi Aketagawa 1928 die erste 12-Loch Okarina, eine international sehr verbreitete Bauform.
Um 1965 verbesserte der Instrumentenbauer Josef Plaschke aus Südtirol unter Mithilfe des Volksmusikanten Franz Kofler die Okarina, welche seither in der deutschen und österreichischen Volksmusik eingesetzt wird (siehe zweites Bild). Kurt Posch aus Braz in Vorarlberg entwickelte das Instrument ab 1990 weiter.
Mittlerweile gibt es weltweit dutzende Okarina-Hersteller, welche die Okarina immer weiter verbessern. So begann beispielsweise „Hind“ damit, hölzerne Okarinas in der klassischen „Sweet-Potato“- und in der „Walnut“-Form herzustellen. „Mountainocarinas“ entwickelte gar „Outdoor-Okarinas“ in der „Inline“-Form, welche aus Materialien wie z. B. Aluminium, Polycarbonat, Corian und diversen Harthölzern bestehen. In den letzten Jahren wurden auch in besonderem Maße Mehrkammer-Okarinas entwickelt, das „Double“-, „Triple“- und „Quadruple“-System, basierend auf dem von Luigi Silvestri erdachten Mehrkammersystem.
Neben der Okarina gibt es noch andere Instrumente, welche nach demselben Prinzip arbeiten. So zählt beispielsweise das Gemshorn zur Familie der Okarinas, geht der von Donati entwickelten modernen Okarina jedoch um einige Jahrhunderte voraus.
Bauformen
- „Inka-/ Peruanische Okarina“. Die ursprüngliche, südamerikanische Bauform der Okarina. Wird heutzutage meist nur noch als Souvenir an Touristen verkauft. Daher oftmals schlecht oder gar nicht gestimmt.
- „Ei-Okarina“. Okarina in Eiform. Meist mit 4-Loch-System. War im alten Kaiserreich China sehr verbreitet.
- „Pendant“ (Anhänger). Für das „Um den Hals hängen“ konzipierte Okarina-Bauform. Meist 4-, 5- oder 6-Loch-System, häufig als die „English-Pendant“ nach dem System Langleys.
- „Inline“. Längliche, blockflötenähnliche Bauform. An der Oberseite 8 Löcher, an der Unterseite 2 Daumenlöcher. Im Gegensatz zur „Sweet-Potato“ ist das Mundstück nicht senkrecht zur Okarina bzw. den Löchern angebracht, sondern „in einer Reihe“ dazu.
- „Walnut“. Im Grunde genommen wie „Inline“. Allerdings etwas rundlicheres Design.
- „Blockarina“. Eine von Richard Voss erfundene 4-Loch Okarina. Lässt sich dank eines verschiebbaren Kolbens um bis zu einem Ganzton tiefer stellen.
- Transverse/Budrio Okarina. Ovale Bauform; an einer Seite abgerundet, auf der anderen Seite spitz zulaufend. Das Mundstück ist senkrecht/im 90° Winkel zur Okarina bzw. den Löchern angebracht. Ursprüngliches Design von Giuseppe Donati.
Tonumfang
- Triple-System: Spezialokarina mit 3 Oktaven Tonumfang, über 30 Löcher (Bauart Songbird, Hind, Focalink, Maparam)
- Double-System: Okarina mit 2 Oktaven Tonumfang, über 20 Löcher (Bauart Songbird, Hind, Focalink, Maparam)
- 12-Loch-System: Bauart St. Louis Ocarina, Songbird: 1 Oktave und 5 Töne chromatisch
- 10-Loch-System: Bauart Rotter, Plaschke, Posch, Songbird: 1 Oktave und 3 Töne chromatisch
- 8-Loch-System (mittel bis einfache Spielweise): c, d, e, f, g, a, h, c
- 7-Loch-System, Bauart Rotter: 1 Oktave chromatisch
- 4-Loch-System (englische Bauart nach Langley) [1]: 1 Oktave chromatisch. In einer Variante mit zwei Daumenlöchern (insgesamt 6 Löcher) kommt man auf 1 Oktave und 2 Töne chromatisch.
- 4-Loch-System (easy-Okarina, für die musikalische Früherziehung und für Personen ohne Notenkenntnisse): 6 Töne (c, d, e, f, g, a) - auch Halbton-Schritte möglich.
Tonlagen
Tonlage | Stimmung | Tonumfang* | ||
---|---|---|---|---|
Piccolo | c’’’ | C6 | c’’’–f’’’’ | C6–F7 |
Sopran | g’’ | G5 | g’’-c’’’’ | G5–C7 |
Alt | c’’ | C5 | c’’–f’’’ | C5–F6 |
Tenor | g’ | G4 | g’-c’’’ | G4–C6 |
Bass | c’ | C4 | c’–f’’ | C4–F5 |
Kontrabass | c | C3 | c–d’’ | C3–D4 |
* Typischer Tonumfang einer 10/12-Loch-Ocarina |
Weitere Verwendung
Filme
- Im Kriegsfilm-Klassiker Stalag 17 (1953) taucht ein Okarina spielender Gefangener auf.
- Die Titelmelodie von Zwei glorreiche Halunken enthält Okarinas.
- „Melody“ spielt in Pokémon 2 – Die Macht des Einzelnen eine Okarina.
- Tapion aus Dragonball Z im Film Drachenfaust spielt auf einer Okarina.
- Im Film Spione am Werk spielt ein Agent Okarina.
- In Monty Pythons Der Sinn des Lebens spielt ein Schüler eine Okarina im Unterricht.
- In Mein Nachbar Totoro spielt Totoro eine Okarina.
Serien
- In der Doug-Folge Doug's No Dummy spielt Skeeter eine Okarina.
- Menma aus der Anime-Umsetzung von Naruto besitzt eine Okarina.
Musik
- György Ligeti setzt Okarinas und Lotusflöten in seinem Violinkonzert ein.
- In Wild Thing von The Troggs kommt ein Okarina-Solo vor.
Spiele
- In mehreren Konsolenspielen der Reihe The Legend of Zelda sind Okarinas mit besonderen Fähigkeiten für den Helden Link von Bedeutung, vor allem in The Legend of Zelda: Ocarina of Time.
- Im Konsolenspiel Lunar: Silver Star Story (1996) spielt Alex eine Okarina.
- Im Konsolenspiel Jade Cocoon: Die Tamamayu-Legende (1998) besitzt der Held Levant eine Okarina, mit der er Monster fangen kann.
- Im Konsolenspiel Professor Layton und der Ruf des Phantoms (2009) ist die Okarina, laut einer Legende, eine Flöte die das Phantom beschwören kann.
- In Sims 2 - Gestrandet (2007), hat der Spieler die Möglichkeit auf einer Okarina zu spielen.
Literatur
- Gerlinde Haid: Okarina. In: Oesterreichisches Musiklexikon. Online-Ausgabe, Wien 2002 ff., ISBN 3-7001-3077-5; Druckausgabe: Band 4, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2005, ISBN 3-7001-3046-5.
- Anton Hirschmugl: Die Okarina. (Steirisches Volksliedwerk (Hrsg.): Sätze und Gegensätze – Beiträge zur Volkskultur.) Weishaupt, Graz 1998, ISBN 3-7059-0068-4
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Gerhard Kubik: Ostafrika. Musikgeschichte in Bildern. (Band 1: Musikethnologie. Lieferung 10) Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1982, S. 96f
- ↑ Alan P. Merriam: The Epudi: A Basongye Ocarina. In: Ethnomusicology, Vol. 6, No. 3, September 1962, S. 175–180
- ↑ Ocarina History. ocarinaforest.com