Otto Wuth

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Otto Wuth (* 19. Mai 1885 in Ramsbottom, Bury; † 7. März 1946 in Garmisch-Partenkirchen[1]) war ein deutscher Psychiater und im Zweiten Weltkrieg ranghöchster Militärpsychiater der Wehrmacht.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wuth, dessen Vater Chemiker war, absolvierte nach dem Ende seiner Schullaufbahn ein Studium der Medizin an der Universität München. Von 1911 bis 1914 war er als Assistenzarzt an der II. Medizinischen Klinik unter deren Leiter Friedrich von Müller tätig und war 1912 zum Dr. med. promoviert worden. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges meldete er sich freiwillig zur Deutschen Armee und nahm als Sanitätsoffizier bis 1916 am Krieg teil.[2]

Von 1915 bis 1927 war Wuth in erster Ehe mit der ältesten Tochter von Ernst Rehm, Karoline Rehm, verheiratet. Aus dieser Ehe gingen drei Söhne hervor.[3]

Nach Kriegsende war er in Berlin-Dahlem am Kaiser-Wilhelm-Institut für experimentelle Therapie tätig.[4] Er kehrte 1919 nach München zurück und leitete dort das Chemische Institut der Psychiatrischen Klinik zunächst unter Emil Kraepelin und ab Frühjahr 1924 unter dessen Nachfolger Oswald Bumke. Er habilitierte sich 1921 mit der Schrift: „Untersuchungen über körperliche Störungen der Geisteskranken“.[5] Ende 1925 wurde er an der Münchner Universität zum Privatdozenten ernannt und als ao. Professor geführt.[6][7]

Von 1925 an war er bereits an der Psychiatrischen Klinik der Johns Hopkins University in Baltimore im Rahmen eines Forschungsaufenthalts tätig. Er zog von dort 1927 in die Schweiz und war danach bis 1936 bei der Binswangerschen Kuranstalt Bellevue in Kreuzlingen beschäftigt.[8] Auf Anregung von Wilhelm Gustloff wurde er 1934 zu einem Gründungsmitglied der Schweizer Auslandsorganisation der NSDAP/AO.[9] Nach seiner Scheidung ging er Ende 1927 in Kreuzlingen eine zweite Ehe mit Hilda Milker ein.[10] Danach lebte er wieder in Deutschland und ließ sich zum Wintersemester 1935/36 nach Berlin umhabilitieren. Als Sanitätsoffizier der Wehrmacht trat er 1935 in den Dienst des Reichskriegsministeriums ein, wo er zunächst die Leitung des Physiologischen Laboratoriums übernahm.[4] Von 1935 bis Ende September 1944 leitete er das Institut für Allgemeine Psychiatrie und Wehrpsychologie der Militärärztlichen Akademie. Wuth war in die Aktion T4 involviert[11] und verteidigte die Krankenmorde.[12] Wuths dritter Sohn war geistig und körperlich behindert. Er überlebte die NS-Zeit.[13] Während des Zweiten Weltkriegs war er als Oberstarzt zudem Beratender Psychiater des Heeres-Sanitätsinspekteurs. Sein Nachfolger in diesen Funktionen wurde Max de Crinis. Ende Dezember 1944 schied er aus der Wehrmacht aus.[9] Durch den von ihm entwickelten Ansatz des „psychopathischen Soldaten“ wurden Wehrmachtsangehörige mit „abweichendem Verhalten“ stigmatisiert und damit ausgegrenzt.[7] Dazu gehörten insbesondere homosexuelle Soldaten, die auch auf seinen Rat hin rigoros von der Wehrmachtsjustiz verfolgt wurden.[4] Anfang März 1946 wurde Wuth als Fragebogenfälscher von einem US-Militärgericht in Garmisch-Partenkirchen zu einer einjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Kurz nach Antritt der Strafe suizidierte er sich durch Erhängen.[14][15]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Lebensdaten nach Günter Grau: Lexikon zur Homosexuellenverfolgung 1933–1945. Institutionen – Personen – Betätigungsfelder. Berlin 2011, S. 331. Sterbejahr und -ort abweichend u. a. bei Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Frankfurt am Main 2007, S. 690 (1945 Berlin)
  2. Reinhard Lampe: Moritz Bendit und die Kuranstalt Neufriedenheim. Der Psychiater Ernst Rehm und sein jüdischer Patient. In: Studien zur Jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern, Band 15 (Michael Brenner und Andreas Heusler, Hrsg.): De Gruyter Oldenbourg, Berlin/Boston 2024, ISBN 978-3-11-134087-6, S. 86
  3. Reinhard Lampe: Moritz Bendit und die Kuranstalt Neufriedenheim. Der Psychiater Ernst Rehm und sein jüdischer Patient. In: Studien zur Jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern, Band 15 (Michael Brenner und Andreas Heusler, Hrsg.): De Gruyter Oldenbourg, Berlin/Boston 2024, ISBN 978-3-11-134087-6, S. 85–95
  4. a b c Günter Grau: Lexikon zur Homosexuellenverfolgung 1933–1945. Institutionen – Personen – Betätigungsfelder. Berlin 2011, S. 331 f.
  5. H. Hippius, H -J Maller, Norbert Müller, G. Neundörfer: Die Psychiatrische Klinik der Universität München 1904–2004. Berlin 2006, S. 96
  6. Reinhard Lampe: Moritz Bendit und die Kuranstalt Neufriedenheim. Der Psychiater Ernst Rehm und sein jüdischer Patient. In: Studien zur Jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern, Band 15 (Michael Brenner und Andreas Heusler, Hrsg.): De Gruyter Oldenbourg, Berlin/Boston 2024, ISBN 978-3-11-134087-6, S. 89
  7. a b Der Nürnberger Ärzteprozess 1946/47. Erschließungsband zur Mikrofiche-Edition. Walter de Gruyter, 2000, S. 158
  8. Reinhard Lampe: Moritz Bendit und die Kuranstalt Neufriedenheim. Der Psychiater Ernst Rehm und sein jüdischer Patient. In: Studien zur Jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern, Band 15 (Michael Brenner und Andreas Heusler, Hrsg.): De Gruyter Oldenbourg, Berlin/Boston 2024, ISBN 978-3-11-134087-6, S. 90
  9. a b Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Frankfurt am Main 2007, S. 690
  10. Reinhard Lampe: Moritz Bendit und die Kuranstalt Neufriedenheim. Der Psychiater Ernst Rehm und sein jüdischer Patient. In: Studien zur Jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern, Band 15 (Michael Brenner und Andreas Heusler, Hrsg.): De Gruyter Oldenbourg, Berlin/Boston 2024, ISBN 978-3-11-134087-6, S. 90
  11. Reinhard Lampe: Moritz Bendit und die Kuranstalt Neufriedenheim. Der Psychiater Ernst Rehm und sein jüdischer Patient. In: Studien zur Jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern, Band 15 (Michael Brenner und Andreas Heusler, Hrsg.): De Gruyter Oldenbourg, Berlin/Boston 2024, ISBN 978-3-11-134087-6, S. 91
  12. Uwe Henrik Peters: Karsten Jaspersen. ...der einzige deutsche Psychiater, der alles riskierte, um den Krankenmord zu verhindern. ANA Publishers, Köln 2013, S. 126f
  13. Reinhard Lampe: Moritz Bendit und die Kuranstalt Neufriedenheim. Der Psychiater Ernst Rehm und sein jüdischer Patient. In: Studien zur Jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern, Band 15 (Michael Brenner und Andreas Heusler, Hrsg.): De Gruyter Oldenbourg, Berlin/Boston 2024, ISBN 978-3-11-134087-6, S. 91–92
  14. Reinhard Lampe: Moritz Bendit und die Kuranstalt Neufriedenheim. Der Psychiater Ernst Rehm und sein jüdischer Patient. In: Studien zur Jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern, Band 15 (Michael Brenner und Andreas Heusler, Hrsg.): De Gruyter Oldenbourg, Berlin/Boston 2024, ISBN 978-3-11-134087-6, S. 94f, 248f
  15. Entlarvter Nazi begeht Selbstmord, In: Hochland-Bote, Garmisch-Partenkirchen, 16. März 1946