Panzerzug

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Panzerzug, Zvolen, Slowakei
Belgischer Panzerzug im Gefecht, 1914

Ein Panzerzug ist ein Eisenbahnzug, der gegen Beschuss gepanzert und selbst bewaffnet ist. Panzerzüge wurden hauptsächlich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eingesetzt, im Ersten Weltkrieg, im Russischen und Chinesischen Bürgerkrieg und in der Sowjetunion während des Zweiten Weltkriegs. Erste Experimente mit gepanzerten Zügen wurden während des Amerikanischen Bürgerkrieges sowie von deutschen Kolonialtruppen während des Aufstands der Herero im Jahre 1904 gemacht.

Panzerzug-Typen

Panzerzug der Roten Garden im Finnischen Bürgerkrieg 1918
Panzertriebwagen Nr 16 in Chabówka n. Rabka-Zdrój (Polen)
Im Deutsch-Sowjetischen Krieg zerstörter sowjetischer Panzerzug, Aufnahme vom 4. September 1941
  1. der Panzerzug im Fronteinsatz mit granatsicherer Panzerung, panzerbrechenden und Fliegerabwehr-Waffen
  2. der Streckenschutzzug (zum Einsatz im eigenen Hinterland) mit kugel- bzw. splittersicherer Panzerung, Maschinengewehren, etwa 100 Mann ausbootbarer Infanterie (die ihrerseits wieder schwere Maschinengewehre und Granatwerfer besitzt) und ablastbaren leichten Panzern zur Verfolgung von Feinden abseits der Gleise
  3. der Panzerspähzug als Sonderform des Streckenschutzzuges, zusammengesetzt aus mehreren kugelsicher gepanzerten Wagen mit Maschinengewehren (auch zur Fliegerabwehr) als Bewaffnung und eigenem Motor. Die Bezeichnung Spähzug ist irreführend, denn diese Züge handelten nicht als Späher (Aufklärer), sondern bewährten sich im eigenen Hinterland wegen der enormen Deckungsbreite, wenn der Zug in Einzelfahrzeuge aufgelöst wurde.

Front- und Streckenschutzzüge fuhren mit Dampflokomotiven, Spähzüge mit Dieselmotoren. Ein Beispiel für einen Streckenschutzzug ist der Eisenbahn-Panzerzug 21, der – aus polnischen Beutewagen zusammengestellt – in den Jahren 1940 bis 1944 von der deutschen Wehrmacht eingesetzt wurde.

Deutscher Panzerzug im Jahre 1938
Der Miniaturpanzerzug der englischen Romney, Hythe and Dymchurch Railway im Oktober 1940

Zweck von Panzerzügen

Datei:1943-10-20 - Die Deutsche Wochenschau Nr. 685.ogv
Deutsche Wochenschau über den Einsatz von Panzerzügen
Panzerzug der Wehrmacht in der Sowjetunion mit Geschütz und Vierlingsflak

Panzerzüge sind defensiv. Sie sichern das eigene Hinterland oder riegeln (im Fronteinsatz) durchgebrochene feindliche Truppen ab. Die Versuche der deutschen Wehrmacht, beim Angriff auf Polen am 1. September 1939 und beim Angriff auf die Niederlande am 10. Mai 1940 Panzerzüge zum Angriff einzusetzen, scheiterten durchweg.

Panzerzüge waren während des Zweiten Weltkrieges in Osteuropa und auf dem Balkan in Erscheinung getreten, wo lange Eisenbahnlinien durch nur dünn bewohntes Gebiet führten und sich als Objekte für Partisanenaktivitäten anboten. Der Schutz der Eisenbahnverbindungen und die Eskortierung von (in Konvois zusammengefassten) Transportzügen wurden ab 1942 die Hauptaufgabe der deutschen Panzerzüge. Durch ihren Einsatz gelang es (bis auf einen kurzen Zeitraum im Mai 1944) den sowjetischen Partisanen nicht, ihr Ziel – das Abschneiden der Versorgung für die deutsche Front – zu erreichen. Ein weiteres Einsatzgebiet für Panzerzüge war der bewegliche Schutz von Hauptquartieren der deutschen Heeresgruppen.

Erfolgreich wurde ein Panzerzug bei der Schlacht um Breslau eingesetzt. Die Bewaffnung dieses Zuges bestand aus vier Wannen für schwere Panzer, die mit vier 8,8-cm-Flak-, einem 3,7-cm-Flak- und vier 2-cm-Flak-Geschützen sowie zwei MG 42 bestückt waren. Außerdem besaß der Zug eine Funkstelle.

Die British Army setzte während des Krieges auf der Romney, Hythe and Dymchurch Railway, einer in der Spurweite von 381 Millimetern erbauten Liliputbahn an der südenglischen Küste, den wahrscheinlich kleinsten je gebauten Panzerzug als Streckenschutzzug ein. Er diente dem Schutz des breiten, als möglicher Landungsplatz für eine deutsche Invasion eingeschätzten Küstenstreifens vor der flachen Romney Marsh.[1]

Gegenwärtig ist von der Existenz von Panzerzügen nichts bekannt. Einzig der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-il benutzte einen gepanzerten, aber unbewaffneten Zug, um sicher zu reisen.

Eine Sonderform sind die von der sowjetischen Strategischen Raketentruppe benutzten geschützten Transportzüge für Mittelstrecken- und Interkontinentalraketen mit Startplattform.

Vor- und Nachteile der Panzerzüge

Vorteile

Panzerzüge sind schnell und können dank ihrer Größe und Panzerung sicher große Truppen über weite und kurze Entfernungen transportieren. Außerdem benötigen Panzerzüge kein speziell geschultes Personal zum Betrieb, da der Unterschied zwischen der Steuerung von Panzerzügen und anderen Zügen gering ist und daher auf bereits ausgebildete Lokführer zurückgegriffen werden kann. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Waggons an verschiedene Triebwagen angekoppelt werden können, wodurch diese von einer speziellen Ressource als Kraftstoff bei der Fortbewegung unabhängig sind. So können Panzerzüge mit einer Diesellok, Elektrolok oder Gaslok angetrieben werden.

Zusätzlich ist es möglich, genau die Anzahl oder Art der Waggons anzukoppeln, die in der jeweiligen Kriegsperiode benötigt werden. Ist die gegnerische Armee im Luftkampf überlegen, können beispielsweise verstärkt Flak- oder Raketenwaggons gekoppelt werden. Wird eine geringe Transportkapazität verlangt, kann der Zug verkürzt werden. Ein weiterer wichtiger Vorteil ist die Möglichkeit, verschiedene Waffensysteme einbauen oder entfernen zu können. Ein Panzerzug kann beispielsweise mit Raketen, Flakgeschützen, Maschinengewehren und leichten Geschützen bestückt werden.

Da sich auf der Eisenbahnstrecke keine Gebäude oder andersartige Fahrzeuge, sondern allenfalls einholbare Züge befinden, hat ein Panzerzug meistens freie Fahrt.

Wurden Panzerzüge bis zum Zweiten Weltkrieg als Angriffsmittel auch direkt gegen Feindkräfte genutzt, dienten sie während des Zweiten Weltkriegs, in dem sie zum letzten Mal zum Einsatz kamen, nur noch zur Sicherung rückwärtiger Gebiete und des Eisenbahntransportwesens.

Nachteile

Panzerzüge haben entscheidende Nachteile, weswegen sie seit Ende des Zweiten Weltkrieges militärisch nicht mehr eingesetzt werden. So sind die Panzerzüge vollständig von dem Gleissystem abhängig, welches leicht zerstört oder zum Beispiel mit Minen versehen werden kann. Durch diese Abhängigkeit sind sie für den heutigen Kriegsfronteinsatz ungeeignet. Außerdem besteht die Gefahr, dass der Zug entgleist, wodurch er nicht mehr vollständig oder im ungünstigsten Fall überhaupt nicht mehr weiterfahren kann. Wird der Zug beispielsweise wegen einer zu dicken Panzerung zu schwer, besteht die Gefahr, dass das Gleissystem den Zug nicht mehr tragen und der Zug die Strecke damit schwer beschädigen kann. Für Einsätze, die in weit entfernte Gebiete führen, besteht die Möglichkeit, dass das Gleissystem eine andere Spurweite als die im Heimatland hat, wodurch der Zug, wenn es überhaupt möglich ist, nur durch spezielle Vorrichtungen weiterfahren kann.

Panzerzüge in Filmen

Sehr detailliert wird ein Panzerzug, besonders auch sein Innenleben, in Michail Kalatosows Agitpropfilm Der Nagel im Stiefel (Gwosd w sapoge) von 1931 gezeigt. Weiterhin sind Panzerzüge zum Beispiel in den Spielfilmen Doktor Schiwago, James Bond – 007 – GoldenEye, Der Zug, dem 1999er Film Wild Wild West, Der Tag, der nicht stirbt, im japanischen Animefilm Das Schloss im Himmel und in dem russischen Film Panzerzug nach Stalingrad zu sehen.

Literatur

  • Wolfgang Sawodny: Die Panzerzüge des Deutschen Reiches. 1899–1945. EK-Verlag, Freiburg (Breisgau) 1996, ISBN 3-88255-678-1, (Eisenbahn-Kurier), auch: überarbeitete Neuauflage, ebenda 2006, ISBN 3-88255-678-1.
  • Heigl’s Taschenbuch der Tanks. Teil 1. Neu bearbeitet von O. H. Hacker, R. J. Icks, O. Merker und G. P. von Zezschwitz, J. F. Lehmanns Verlag, München 1935, S. 701–716.
  • Steven Zaloga: Armored Trains. Osprey Publishing, Oxford 2008, ISBN 978-1-84603-242-4, (New Vanguard 140).

Einzelnachweise

  1. About RH&DR: Those early years, abgerufen am 3. Juni 2015.

Weblinks