Polnisch-Sowjetischer Evakuierungsvertrag

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Der Polnisch-Sowjetische Evakuierungsvertrag (poln. Umowa między Tymczasowym Rządem Jedności Narodowej RP a rządem ZSRR o prawie zmiany obywatelstwa radzieckiego osób narodowości polskiej i żydowskiej, mieszkających w ZSRR i ich ewakuacji do Polski i o prawie zmiany obywatelstwa polskiego osób narodowości rosyjskiej, ukraińskiej, białoruskiej, rusińskiej i litewskiej mieszkających w Polsce i ich ewakuacji do ZSRR) ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen der Volksrepublik Polen und der Sowjetunion über Staatsbürgerschaft und einen „Minderheitenaustausch“ in der Kresy und in Polen. Er wurde am 6. Juli 1945 unterzeichnet.

Geschichte

Nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens schienen die Gegensätze zwischen der Sowjetunion und der polnischen Exilregierung in London unüberbrückbar. Nur auf Druck der britischen Regierung wurde am 30. Juli 1941[1] vom polnischen Ministerpräsidenten Władysław Sikorski und dem sowjetischen Botschafter in Großbritannien Iwan Maiski in Gegenwart des britischen Premierministers Winston Churchill und des britischen Außenministers Anthony Eden das Sikorski-Maiski-Abkommen in London unterzeichnet.

Am 11. Januar 1944 gab die Sowjetunion eine Erklärung zur Restitution eines unabhängigen polnischen Staates innerhalb der Curzon-Linie ab. In der Konferenz von Jalta bestätigten Großbritannien und die USA die Curzon-Line als künftige Ostgrenze Polens. Das Vertragswerk vom 6. Juli 1945[2] bestätigte im wesentlichen die Evakuierungsvertäge des Polnischen Komitees der Nationalen Befreiung mit der Weißrussischen, Litauischen und Ukrainischen SSR vom 9. September 1944. Vom völkerrechtlichen Status besaß er große Bedeutung, da er von der international anerkannten polnischen Regierung unterzeichnet wurde.[3] Die USA und Großbritannien hatten einen Tag zuvor, am 5. Juli 1945 der polnischen Exilregierung in London die diplomatische Anerkennung entzogen. Die USA beabsichtigten als besondere Geste des Wohlwollens, die Anerkennung der neuen polnischen Regierung auf den 4. Juli, dem Unabhängigkeitstag der USA, zu veröffentlichen. Jan Ciechanowski, der polnischer Botschafter der Exilregierung konnte diesen peinlichen Akt für seine Regierung zumindest dahingehend abändern, dass es auf den darauffolgenden Tag verschoben wurde.[4]

Der Exakuierungsvertrag wurde durch den 1. Polnisch-Sowjetischer Grenzvertrag am 16. August 1945 und den den 2. Polnisch-Sowjetischer Grenzvertrag vom 15. Februar 1951 erneut bestätigt. Da er unmittelbar vor der Potsdamer Konferenz geschlossen wurde, war die Grenzregelung zwischen Polen und der Sowjetunion bereits abgeschlossen und nicht mehr Gegenstand der Potsdamer Nachkriegsregelung. Polen forderte nun Ausgleich für die Repatriierung in Polen nach dem Zweiten Weltkrieg, die es selbst einwilligte. Der Vertrag war daher die Grundlage für eine territoriale Kompensation Polens mit den deutschen Ostgebieten und gleichzeitig der Beginn eines homogenen ethnischen Polentums in der Volksrepublik Polen.

Inhalt

In diesem Vertragswerk verzichtet Volksrepublik Polen auf ihre Besitzungen östlich der Curzon-Linie zugunsten der Sowjetunion. Gleichzeitig räumte diese Seite allen in der UdSSR lebenden Personen polnischer oder jüdischer Volkszugehörigkeit das Recht ein, die russische Staatsangehörigkeit aufzugeben und nach Polen auszureisen. Ebenso erhielten die in Polen lebenden Personen russischer, ukrainischer, weißrussischer, ruthenischer und litauischer Volkszugehörigkeit das Recht, die polnische Staatsangehörigkeit abzulegen und in die UdSSR überzusiedeln.[5]

Literatur

  • Philipp Ther: Deutsche und polnische Vertriebene, Gesellschaft und Vertriebenenpolitik in der SBZ/DDR und in Polen 1945–1956, Vandenhoeck & Ruprecht 1998, ISBN 978-3-525-35790-3
  • Katrin Boeckh: Stalinismus in der Ukraine: Die Rekonstruktion des sowjetischen Systems nach dem zweiten Weltkrieg, Veroffentlichungen Des Osteuropa-Instituts München 2007, ISBN 3-447-05538-3

Einzelnachweise

  1. katyncrime.pl: Ereignisse 1941–1942, abgefragt am 29. Juni 2010
  2. AAN, ZC PUR, sygn II/3, Bll.134 – 138
  3. Philipp Ther: Deutsche und polnische Vertriebene, S. 136
  4. Jan Ciechanowski: „Vergeblicher Sieg“, Thomas Verlag, Zürich, S. 203
  5. Hans-Peter Schwarz (Hrsg.): Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland. 1953 Band 1: 1. Januar bis 30. Juni 1953. Institut für Zeitgeschichte, Verlag Oldenbourg, München 2001, ISBN 3-486-56560-5, S. 474.