Reichsstrafgesetzbuch

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Basisdaten
Titel: Strafgesetzbuch
Abkürzung: RStGB
Art: Reichsgesetz
Geltungsbereich: Deutsches Reich
Beachte auch §§ 3–7 StGB für Auslandstaaten
Rechtsmaterie: Strafrecht
Erlassen am: 15. Mai 1871 (RGBl. S. 127)
Inkrafttreten am: 1. Januar 1872
Außerkrafttreten: Gilt als Strafgesetzbuch in der
Bundesrepublik Deutschland fort
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das Reichsstrafgesetzbuch (RStGB, Langform Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich) ist die Bezeichnung für die Fassung des deutschen Strafgesetzbuches in der Zeit bis zur Neubekanntmachung durch das Dritte Strafrechtsänderungsgesetz vom 4. August 1953 (BGBl. 1953 I S. 735 ff.). Seine Verkündigung erfolgte im Deutschen Kaiserreich am 15. Mai 1871 (RGBl. 1871 S. 127), trat am 1. Januar 1872 in Kraft und gilt im Wesentlichen bis heute als Strafgesetzbuch (StGB) in der Bundesrepublik fort.

Das RStGB unterteilte die Straftaten in drei Klassen: Verbrechen, Vergehen und Übertretung; Westdeutschland übernahm 1949 diese Einteilung des RStGB zunächst, die Übertretungen entfielen jedoch durch die Großen Strafrechtsreform von 1969. Bagatelldelikte gelten seither entweder als strafbare Vergehen oder als Ordnungswidrigkeiten. Für Verbrechen konnte je nach Sachverhalt die Todesstrafe, Zuchthaus oder Festungshaft verhängt werden, für Vergehen Gefängnis und für Übertretungen in der Regel nur eine Geldstrafe oder kurzzeitige Haft.

Geschichte

Strafgesetzbuch von 1914

Heinrich von Friedberg hatte ab 1868 ein Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund erarbeitet. Nachdem der Bundesrat und der Reichstag zugestimmt hatten und es am 31. Mai 1870 in Kraft getreten war, verkündete König Wilhelm I. als Inhaber des Bundespräsidiums es am 8. Juni. Durch die Verfassung des Deutschen Bundes (Art. 80) vom 1. Januar 1871 galt es auch im Deutschen Reich fort. Mit redaktionellen Änderungen wurde es außerdem am 15. Mai 1871 vom nunmehrigen Deutschen Kaiser als Reichsstrafgesetzbuch „verordnet“ und als solches im Reichsgesetzblatt vom 14. Juni 1871 verkündet.

Vorgängerregelungen des Staates Preußen waren:

Das RStGB wurde ab 1923 durch die Einführung des Jugendgerichtsgesetzes, die Geldstrafenverordnung von 1924 und die Bestimmungen zur Zweispurigkeit des Strafrechts sowie über die Maßregeln von 1933[1] umfassend reformiert.

In der Bundesrepublik Deutschland gilt das RStGB nach umfassenden Änderungen bis heute fort. In der DDR hingegen wurde mit Wirkung zum 1. Juli 1968 das RStGB, das bereits 1958 durch das Strafrechtsergänzungsgesetz wesentlich reformiert worden war, durch das Strafgesetzbuch der DDR ersetzt.

Aufbau

Das Strafgesetzbuch ist in zwei Hauptabschnitte unterteilt:

Allgemeiner Teil Hier ist Grundsätzliches geregelt, wie zum Beispiel:

Besonderer Teil Dieser enthält die einzelnen Straftatbestände, geordnet nach geschützten Rechtsinteressen (sogenannte Rechtsgüter):

Obwohl in zeitlich nachgehenden Reformen teilweise weitreichende Änderungen vorgenommen wurden und zahlreiche Vorschriften ersatzlos entfielen (s.u.), gilt das RStGB – nunmehr als StGB – besonders im Bereich der Straftaten gegen Leben und körperliche Unversehrtheit, sowie den Eigentumsdelikten, in der obigen, 1871 verkündeten Form weitgehend fort.

Nach 1945

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Untergang des NS-Regimes wurde das Strafgesetzbuch mehrfach novelliert. Insbesondere der Alliierte Kontrollrat bemühte sich um eine Revision von Vorschriften, die zwischen 1933 und 1945 ergangen und von nationalsozialistischem Gedankengut geprägt waren. Hierzu ergingen etwa die Kontrollratsgesetze Nrn. 11 vom 30. Januar 1946 und 55 vom 20. Juni 1947, sowie von bundesdeutscher Seite das Strafrechtsänderungsgesetz vom 30. August 1951.

Zahlreiche weitere Novellierungen folgten, die teils neue, durch veränderte Lebens- und Wirtschaftsbedingungen erforderlich gewordene Straftatbestände einfügten (beispielsweise Computerbetrug gem. § 263a StGB); viele Vorschriften des RStGB verloren jedoch umgekehrt ihre Geltung, hauptsächlich aus dem XIII. Abschnitt, wodurch der Gesetzgeber sich wandelnden Moralvorstellungen in der Gesellschaft Rechnung trug und Strafen enger an die Verletzung von Rechtsgütern knüpfte. Zu den prominentesten Vorschriften des allgemeinen Teiles sowie den Strafzumessungsregeln des StGB, die nach 1945 abgeschafft wurden, gehören überdies die Abschaffung der Todes- (bedingt bereits durch Art. 102) sowie die Abschaffung der Zuchthausstrafe (BGBl. I S. 645) als verschärfter Form der Gefängnishaft.

Todesstrafe

Die Todesstrafe war im RStGB als Strafe für vollendeten Mord gemäß § 211, für Mordversuch an Kaiser oder Landesherren gemäß § 80, sowie für einige Staatsschutzdelikte wie Hochverrat und Landesverrat im Kriege (Kriegsverrat) vorgesehen. Als Hinrichtungsmethode wurde Enthauptung festgelegt; lediglich Bayern vollstreckte die Exekutionen zwischen 1920 und 1923 durch Erschießung. Unter dem Nationalsozialismus kam als „entehrende“, besonders quälende Strafe für Landes- und Hochverräter die Strangulation mittels einer Drahtschlinge hinzu. Ab 1877 fanden Hinrichtungen nur noch nicht-öffentlich innerhalb der Strafanstalten statt.

Entfallene Straftatbestände des XIII. Abschnittes (Auszug)

§ 175 RStGB (Unzucht zwischen Männern)

Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Thieren begangen wird, ist mit Gefängniß zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. (Fassung von 1871)[2]

Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt, wird mit Gefängnis bestraft. Bei einem Beteiligten, der zu Zeit der Tat noch nicht einundzwanzig Jahre alt war, kann das Gericht in besonders leichten Fällen von Strafe absehen. (Fassung von 1935)[3]

Diese Vorschrift wurde zunächst 1969 auf Handlungen zwischen Männern, die in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen, auf Männer über 18 Jahren, die Handlungen mit Männern unter 21 Jahren begehen und auf die gewerbsmäßige Begehung beschränkt; 1973 auf Handlungen eines Mannes über 18 Jahren mit einem Minderjährigen enger gefasst; und 1994 ganz aufgehoben.

§ 180 RStGB (Vorschubleisten der Unzucht; sogenannte Kuppelei)

Wer gewohnheitsmäßig oder aus Eigennutz durch seine Vermittlung oder durch Gewährung oder Verschaffung von Gelegenheit der Unzucht Vorschub leistet, wird wegen Kuppelei mit Gefängniß bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, sowie auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. (Fassung von 1871)

Diese Vorschrift wurde 1969 aufgehoben.

§ 184 RStGB (Verbreitung pornographischer Schriften; auch bekannt als „Lex Heinze“)

Mit Gefängniß bis zu Einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer

  1. Unzüchtige Schriften, Abbildungen oder Darstellungen feilhält, verkauft, vertheilt, an Orten, welche dem Publikum zugänglich sind, ausstellt oder anschlägt oder sonst verbreitet, sie zum Zwecke der Verbreitung herstellt oder zu demselben Zwecke vorräthig hält, ankündigt oder anpreist;
  2. Unzüchtige Schriften, Abbildungen oder Darstellungen einer Person unter sechzehn Jahren gegen Entgelt überläßt oder anbietet;
  3. Gegenstände, die zu unzüchtigem Gebrauche bestimmt sind, an Orten, welche dem Publikum zugänglich sind, ausstellt oder solche Gegenstände dem Publikum ankündigt oder anpreist;
  4. Öffentliche Ankündigungen erläßt, welche dazu bestimmt sind, unzüchtigen Verkehr herbeizuführen.

Neben der Gefängnisstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte sowie auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden.

Diese Vorschrift (jetzt § 184 StGB) wurde enger gefasst.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Strafgesetzbuch, Tröndle, Seite 1
  2. s:Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich (1871)#§. 175.
  3. http://lexetius.com/StGB/175,6