Satz von Gauß über das vollständige Vierseit

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4 Seiten (schwarz), 3 Diagonalen (blau), gemeinsame Gerade der Diagonalemitten (rot)

Der Satz von Gauß über das vollständige Vierseit ist ein Satz der affinen Geometrie. Er geht zurück auf Carl Friedrich Gauß (1777–1855), welcher ihn im Jahre 1810 fand[1][2]. Der Satz gehört in die Reihe der sogenannten Schließungssätze, zu denen unter anderem auch der Satz von Pappos-Pascal, der Satz von Desargues, der Satz von Menelaos und der Satz von Ceva gehören[3].

Klärung der Begriffe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gegeben sei ein affiner Raum über einem Körper mit . Ein vollständiges Vierseit in (engl. manchmal als quadrilateral[4] oder eher als complete quadrilateral[5][6] bezeichnet) besteht aus vier verschiedenen Geraden , die sich paarweise schneiden, von denen jedoch keine drei durch ein und denselben Punkt von gehen[7][8].

Die Ecken des vollständigen Vierseits[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die paarweisen Schnittpunkte der vier Ausgangsgeraden werden als Ecken des vollständigen Vierseits bezeichnet und bilden die Eckenmenge . Dabei gehört zu jeder 2-Menge von Geraden umkehrbar eindeutig die Ecke von , was insgesamt zu

-Ecken führt.

Weiter liegen auf jeder Geraden genau drei Ecken, nämlich denjenigen Ecken, welche als Schnittpunkte von mit den übrigen Geraden entstehen.

Darüber hinaus gehört zu jeder Ecke umkehrbar eindeutig die Gegenecke oder Komplementärecke , welche man dadurch gewinnt, dass man das zugehörige Komplement bildet und dann die zu gehörige Gegenecke als .

Das Bilden der Gegenecke ist eine involutorische Abbildung auf :

  .

Die Eckenmenge lässt sich demnach schreiben wie folgt:

mit
 
 
 

Führt man diese Überlegung mit einer der drei von verschiedenen Geraden statt mit durch, so erhält man eine entsprechend andere, aber gleichwertige Darstellung der Eckenmenge . Der Zusammenhang zwischen Ecken und Gegenecken ist von der Art der Darstellung der Eckenmenge unberührt und allein von der der vier Ausgangsgeraden abhängig.

Die Ebene des vollständigen Vierseits[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Verbindungsraum ist eine affine Ebene innerhalb , welche die gesamte Eckenmenge enthält[9]:

Dies ist für die Ecken unmittelbar klar. Wegen enthält dann aber auch die Gerade und damit schließlich .

ist also unabhängig von der Art der Darstellung der Eckenmenge die zum vollständigen Vierseit gehörige und von diesem erzeugte Ebene innerhalb .

Die Diagonalen des vollständigen Vierseits und deren Mittelpunkte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Konstruktion liegen für keinen Index   die beiden -Ecken und zugleich auf einer der vier gegebenen Geraden . Verbindet man also jede Ecke von mit der Gegenecke , so erhält man zu den vier gegebenen Geraden drei weitere Geraden hinzu. Dies sind die Diagonalen des vollständigen Vierseits :

Zu jeder der drei Diagonalen existiert unter den Punkten, die mit inzidieren, jeweils ein ausgezeichneter Punkt . Diesen Punkt nennt man den Mittelpunkt der Diagonalen oder kurz die Mitte der Diagonalen [10][11]. Der Mittelpunkt der Diagonalen erfüllt die Gleichungen:

und

und ist dadurch eindeutig bestimmt.

Von diesen drei Mittelpunkten der Diagonalen des vollständigen Vierseits handelt der Satz von Gauß.

Formulierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Satz lautet wie folgt[12][13]:

In einem affinen Raum über einem Körper der Charakteristik liegen die Mittelpunkte der Diagonalen eines vollständigen Vierseits stets auf einer Geraden, der sogenannten Gauß-Geraden.

Der Fall der euklidischen Ebene[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Satz gilt insbesondere für den Fall, dass , also die Koordinatenebene über ist. Ein besonders hervorzuhebender Fall liegt hierbei dann vor, wenn ist, also der Körper der reellen Zahlen vorliegt und wenn dann der gegebene affine Raum mit der euklidischen Ebene zusammenfällt.

Unter diesen Gegebenheiten lässt sich der Satz dann so aussprechen:[14]

Wenn vier Geraden so in der euklidischen Ebene liegen, dass keine drei davon durch einen Punkt gehen, so liegen die Mitten der zugehörigen Diagonalen stets auf einer Geraden.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. G. Bol: Elemente der Analytischen Geometrie. 1. Teil, 1948, S. 28.
  2. R. Brandl: Vorlesungen über Analytische Geometrie. 1996, S. 36.
  3. R. Brandl: Vorlesungen über Analytische Geometrie. 1996, S. 34–38.
  4. H. F. Baker: An Introduction to Plane Geometry. 1971, S. 11.
  5. C. F. Adler: Modern geometry : an integrated first course. 1967, S. 143.
  6. C. A. Scott: Projective methods in plane analytical geometry. 1961, S. 41.
  7. G. Bol: Elemente der Analytischen Geometrie. 1. Teil, 1948, S. 27.
  8. R. Brandl: Vorlesungen über Analytische Geometrie. 1996, S. 36.
  9. R. Brandl: Vorlesungen über Analytische Geometrie. 1996, S. 36.
  10. G. Bol: Elemente der Analytischen Geometrie. 1. Teil, 1948, S. 28.
  11. R. Brandl: Vorlesungen über Analytische Geometrie. 1996, S. 36.
  12. M. Koecher, A. Krieg: Ebene Geometrie. 2000, S. 64.
  13. R. Brandl: Vorlesungen über Analytische Geometrie. 1996, S. 36.
  14. Diese Darstellung schließt an die von Gerrit Bol (Elemente der Analytischen Geometrie. 1. Teil, 1948, S. 27–28) an und schlägt die Brücke zu obiger Skizze.