Schauspiel Leipzig

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Das Schauspiel Leipzig ist eine städtische Schauspielbühne in Leipzig. Seit der Spielzeit 2013/14 wirkt Enrico Lübbe als Intendant des Hauses. Die Hauptspielstätte ist das Schauspielhaus. Davon zu unterscheiden ist das 1943 zerstörte Privattheater Leipziger Schauspielhaus.

Haupteingang des Schauspielhauses in der Bosestraße
Das Centraltheater 1902
„Matthäuspassion“: Szenenfoto aus der Eröffnungspremiere 2008 (R.Arnold/CT)

Geschichte

Gründung des städtischen Leipziger Theaters

Das am 10. Oktober 1766 unter der Leitung Heinrich Gottfried Kochs eröffnete Comödienhaus auf der Rannischen Bastei war das erste feste innerstädtische Theaterhaus Leipzigs. Einer der Gäste der feierlichen Eröffnung und häufiger Besucher bis 1768 war der Student Johann Wolfgang von Goethe. Durch eine Initiative der Leipziger Bürger wurde das Theater, das phasenweise als Ableger der Dresdener Hofbühne fungierte, umgebaut und am 26. August 1817 als Theater der Stadt Leipzig neu eröffnet. Bis ins Jahr 1912 wurde das Haus, dessen Eigentümer nun die Stadt war, an einen Unternehmer verpachtet und auf privatwirtschaftlicher Basis betrieben.

Einen Höhepunkt in Leipzigs Theatergeschichte stellte die Uraufführung von Friedrich Schillers Johanna von Orleans 1801 dar. Aufsehen erregte auch die Uraufführung von Bertolt Brechts Frühwerk Baal, das nach seiner Premiere vom Magistrat der Stadt verboten wurde. Seit der Eröffnung des Neuen Theaters 1868 hieß das Comödienhaus allgemein nur noch Altes Theater.

Zusammenschluss mit dem Centraltheater

In der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember 1943 wurden die drei städtischen Bühnen Leipzigs – das Alte Theater, das Neue Theater (die heutige Oper) sowie das (erst 1938 in den Verband der städtischen Bühnen eingegliederte) Schauspielhaus in der Sophienstraße – durch das schwerste Bombardement, das die Stadt im Zweiten Weltkrieg erfuhr, zerstört. Auch das Centraltheater (das vor seiner Arisierung als Operettentheater diente) war betroffen und erlitt starke Schäden. Die Suche der Leipziger Theater nach geeigneten Spielstätten führte schließlich zu einer Anmietung des notdürftig wiederhergestellten Centraltheaters durch die Stadt Leipzig 1945. Das städtische Schauspiel eröffnete seine neue feste Bühne an der Ecke Bosestraße/Gottschedstraße am 19. Dezember 1945 mit Shakespeares Ein Sommernachtstraum. Es folgten Inszenierungen von Brechts Die Dreigroschenoper, Lessings Nathan der Weise und Gogols Die Heirat, allerdings war die Spielgenehmigung zunächst nur bis 1950 erteilt worden.

DDR

Die Ausrichtung

Nach der Gründung der DDR wurden, in der Spielzeit 1950/51, alle Leipziger Theater unter einer einheitlichen Generalintendanz zusammengefasst. Karl Kayser führte drei Jahrzehnte lang das Kombinat aus Oper, Schauspiel und Gewandhaus mit einem „konsequent parteilich[en] und volksverbundenen“ Darstellungsstil. Neben Aufführungen der deutschen Klassik gab es auch einige Uraufführungen, wie beispielsweise von Franz Xaver Kroetz, Bertolt Brecht, Heinar Kipphardt oder Tennessee Williams, aber auch die fünf Teile der Wolokolamsker Chaussee von Heiner Müller wurden erstmals zusammenhängend am Haus aufgeführt.

Der Umbau des Schauspielhauses

Der Auftrag zum Wiederaufbau des Schauspielhauses wurde von 1954 bis 1957 von dem Architektenkollektiv Karl Souradny, Franz Herbst und Rolf Brummer ausgeführt. Da eine Nachbildung des Hauses, wie es vor der Zerstörung 1944 bestanden hatte, nicht möglich war (aufgrund der fehlenden Genehmigung für die Errichtung eines Bühnenhauses im Hofgelände), fand der Aufbau in drei Abschnitten statt: einem Neubauteil am Dittrichring, in dem u.a. die Kostümwerkstätten untergebracht wurden, dem Bühnenhaus an der Bosestraße und dem Zuschauertrakt zwischen Bosestraße und Gottschedstraße. Es entstand, entsprechend der vorherrschenden Strömung der DDR-Architektur, ein neoklassizistisch anmutendes Bauwerk, das heute unter Denkmalschutz steht. Eingeweiht wurde die vergrößerte Spielfläche mit einer Inszenierung von Schillers „Wallenstein“ am 1. März 1957.

In den 70er Jahren wurde im Zuge der Technisierung ein erneuter Umbau des Zuschauerraums notwendig, um weitere Räumlichkeiten für Licht und Ton zu schaffen. Nach dem Ende der DDR erfolgte noch im selben Jahr die Auflösung des Verbundes der Leipziger Bühnen.

Nach der Wende

Unter der Leitung von Intendant Wolfgang Hauswald und Chefdramaturg Wolfgang Kröplin plante das nun wieder eigenständige Schauspiel ein „Theater der Alternativen“, das unterschiedlichen Anschauungen Raum geben und sowohl für Experimentelles als auch für Bewährtes offen sein wollte.

Rekonstruktion 2002

Zwischen April und Oktober 2002 wurden die nachträglichen Einbauten der 70er Jahre, welche sich auf Rang und Parkett erstreckten, zurückgebaut, so dass der Zuschauersaal in seiner ursprünglichen Größe wiederhergestellt wurde. Außerdem wurden Modernisierungsarbeiten an Akustik, Beleuchtung sowie Sitz- und Sichtbedingungen vorgenommen. Die Restauration der äußeren Fassade sowie die Schaffung rollstuhlgerechter Zugänge in das Gebäude wurde von 2002 bis 2006 durch das Architekturbüro Angela Wandelt vorgenommen. Das Gebäude stand zu diesem Zeitpunkt bereits unter Denkmalschutz.

Spielstätten

Von 2008 bis 2013, während der Intendanz von Sebastian Hartmann, wurde das Schauspielhaus im Zuge inhaltlicher Neuausrichtungen in Centraltheater um- bzw. rückbenannt. Seit 2013 führt das Theaterhaus wieder seinen angestammten Namen Schauspielhaus.

Neben der Hauptbühne des Schauspiel Leipzig, die seit 2013 669 Zuschauer fasst, existieren innerhalb des Hauses weitere Spielstätten, die Raum für moderne Dramatik oder Formate bieten. Die Hinterbühne (vormals Theater hinterm Eisernen) zeichnet sich durch die besondere Nähe zu den Darstellern aus. Die Diskothek in der Bosestraße/Ecke Dittrichring ist eine Plattform für junge Autoren: Lukas Linder, Wolfram Höll oder Ferdinand Schmalz präsentieren hier ihre zeitgenössischen Werke. Ebenfalls an der Bosestraße/Ecke Dittrichring befindet sich die Baustelle. Diese bietet offene Bühnenfomate, die von Expertengesprächen bis zu Konzerten reichen. Zukünftig sollen Diskothek und Baustelle zur Zweitspielstätte ausgebaut werden.

Eine weitere Spielstätte des Schauspiel Leipzig ist die Residenz. Auf dem Gelände der Leipziger Baumwollspinnerei in der Halle 18 werden performative Produktionen präsentiert, bei denen sich KünstlerInnen verschiedener Genres als Artists in Residence für einen Zeitraum von sechs bis acht Wochen mit einem Thema beschäftigen und dieses intermedial umsetzen. Eine ehemalige Spielstätte ist die Skala, die auch unter dem Namen Neue Szene bzw. Kammerspiele in der Gottschedstraße zu finden war.

Ein regelmäßiger Aufführungsort des Sommertheaters des Schauspiel Leipzig ist das Gohliser Schlösschen.

Audiodeskription am Schauspiel Leipzig

Als erstes deutschsprachiges Theater mit einem kontinuierlich erweiterten Angebot im Sinne der sozialen Inklusion führt das Schauspiel Leipzig bereits seit 2013 Audiodeskriptionen ausgewählter Aufführungen durch: Auf Wunsch werden blinden und sehbehinderten Menschen über einen Kopfhörer die visuellen Vorgänge auf der Bühne live beschrieben. Seit dem Herbst 2015 verfügt das Schauspielhaus darüber hinaus über ein taktiles Leitsystem, das sehbehinderten Personen eine bessere Orientierung im Haus ermöglicht.

Intendanten

  • Johannes Arpe, 1954–1958 Generalintendant des Leipziger Theater-Kombinats
  • Karl Kayser, 1958–1989 Generalintendant des Leipziger Theaters
  • Wolfgang Hauswald, November 1989 bis Oktober 1993
  • Horst Ruprecht und Gerhard Nodurft, Interimsintendanz, Oktober 1993 bis Dezember 1993
  • Gerhard Nodurft, Interimsintendanz, Januar 1994 bis August 1995
  • Wolfgang Engel, 1995–2008
  • Sebastian Hartmann, 2008–2013
  • Enrico Lübbe, seit 2013

Ehrenmitglieder

Bekannte Schauspieler (Auswahl)

Literatur

  • Roland Dreßler: Stadt-Theater – statt Theater? oder Das fahrende Volk kommt zum Stehen. Ein Kapitel aus der Geschichte des Leipziger Schauspiels zwischen 1727 und 1828. 225 Jahre Comödienhaus auf der Rannischen Bastei 1766–1991. Schauspiel Leipzig, Leipzig 1991.
  • Wolfgang Engel, Erika Stephan (Hrsg.): Theater in der Übergangsgesellschaft. Schauspiel Leipzig 1957–2007. Theater der Zeit, Berlin 2007, ISBN 978-3-934344-84-6.

Weblinks

Ausstellung

  • Milewsky, Tanja: Schauspielhaus – Geschichten. 100 Jahre Theater in der Bosestraße. Eine Ausstellung von Tanja Milewsky und KOCMOC.NET, 16. November 2002 bis 30. Juni 2003 Schauspielhaus, Rangfoyer.

Koordinaten: 51° 20′ 26″ N, 12° 22′ 11″ O