Staatsquote

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Die Staatsquote, auch Staatsausgabenquote, ist eine wirtschaftswissenschaftliche Kennzahl. Sie soll den Anteil der staatlichen und staatlich bedingten wirtschaftlichen Aktivität (Staatsausgaben) an der wirtschaftlichen Gesamtleistung einer Volkswirtschaft aufzeigen.

Kerngedanke

Die Staatsquote ist in den meisten Fällen definiert als das Verhältnis der öffentlichen Ausgaben (Bund, Länder, Kommunen sowie Sozialversicherungen (Parafisci)) zum Bruttoinlandsprodukt (BIP).

Die Art der Berechnung ist bisweilen uneinheitlich. Manche Wirtschaftswissenschaftler legen auch das Volkseinkommen oder das Bruttonationaleinkommen (BNE) anstatt des BIP als Maßstab an. Mitunter werden die Staatseinnahmen anstatt der Staatsausgaben als Grundlage für die Berechnung genommen.

Man unterscheidet oft zwei Staatsquoten, eine im engeren Sinn und eine im weiteren Sinn. Die Staatsquote i. e. S. ist wie folgt definiert.

Die Staatsquote i. w. S. ist wie folgt definiert:

Hierbei: = Konsum; = Investitionen; = Ausgaben für Sozialtransfers und Subventionen; = Bruttoinlandsprodukt; = Zinsausgaben.

Letztere ist eigentlich keine echte Quote, da sie sich mit der privaten Ausgabenquote und der Auslandsabgabenquote nicht zu 100 % addiert. Sie wird oftmals jedoch als aussagekräftiger angesehen, da sie angibt, wie viel Geld durch die Hand des Staates geht.

Neben den allgemeinen Quoten, bei denen die gesamten Staatsausgaben ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt gesetzt werden, gibt es auch spezielle Staatsquoten. Die Ausgaben für Gesundheit im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt wäre beispielsweise eine spezielle Staatsquote.

Berechnung und Quellen

Als Quellen für die Staatsquote dient einerseits die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, andererseits die Finanzstatistik.

Staatsquote in ausgewählten Ländern

Angaben in Prozent. Hinweis: Die Angaben können je nach Institut und Erhebung geringe Abweichungen aufweisen.

Land 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2012 2014
Belgien 51,1 49,3 52,1 48,6 48,4 50,1 54,1 52,8 55,1
Dänemark 55,3 55,1 52,6 51,5 50,8 51,9 58,3 58,2 56
Deutschland 47,6 48,1 48,5 47,1 46,8 45,4 43,7 43,7 47,6 46,6 44,9 44,3
Finnland 50,0 50,3 50,0 48,9 47,2 49,3 55,8 54,4 58,3
Frankreich 53,4 53,2 53,3 52,7 52,3 52,8 56,0 56,2 57,5
Griechenland 49,2 49,8 43,8 44,9 46,2 49,1 53,2 51,0 49,9
Irland 33,5 34,0 34,0 34,5 36,8 42,7 48,9 42,8 38,2
Italien 48,3 47,8 48,1 48,7 47,9 48,9 51,9 51,0 51,2
Japan 38,4 36,0 35,8 36,4
Luxemburg 42,3 43,1 41,5 38,6 36,2 36,9 42,2 43,8 42,4
Niederlande 47,1 46,3 44,8 45,5 45,2 46,0 51,4 50,1 46,2
Österreich 51,1 50,3 50,1 49,3 48,3 48,7 52,3 51,5 52,7
Portugal 45,8 46,7 45,8 44,5 43,7 43,5 48,1 46,7 51,7
Schweden 58,2 56,7 53,6 52,6 50,9 51,5 54,6 49,2 51,8
Schweiz 35,0 36,3 37,9 37,5 37,2 35,4 34,2 32,5 34,6 34,1 34,7
Spanien 38,2 38,8 38,4 38,4 39,2 41,3 45,8 42,7 44,5
Vereinigtes Königreich 42,8 43,1 44,1 44,2 43,9 47,5 51,7 45,5 43,9
Vereinigte Staaten 36,6 36,5 37,4 38,6 43,2
Volksrepublik China 18,4 18,5 18,3 22,6 25,8 25,9 28,1 29,7

Verwendete Quellen:

Staatsquote und Wirtschaftswachstum

Es besteht keine Einigkeit bei Vertretern der Wirtschaftswissenschaften, ob eine niedrige Staatsquote auch generell zu höherem Wirtschaftswachstum führt. So führen Kritiker einer niedrigen Staatsquote die skandinavischen Länder an, welche zwar eine Staatsquote von teilweise über 50 % haben, dafür aber auch einen überdurchschnittlich hohen Lebensstandard vorweisen.[9] Bislang liegt keine Untersuchung vor, die einen eindeutigen Zusammenhang von Staatsquote und Wachstum belegen konnte.[10] Gemäß dem Haavelmo-Theorem lässt sich allerdings „festhalten, dass der Staat das gesamtwirtschaftliche Einkommen/Inlandprodukt erhöhen kann, indem er mehr Steuern erhebt und diese Einnahmen sofort wieder voll ausgibt (so genannte Budgetverlängerung).“

Lars Feld, Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, ist der Ansicht, es bestehe „kein linearer Zusammenhang zwischen Staatsquote und Wirtschaftswachstum“. Läge die Staatsquote bei 0 %, so bestünden „essentielle staatliche Rahmenbedingungen“ nicht. Eigentums- und Verfügungsrechte wären „nicht gesichert“ und Verträge ließen sich „nicht gerichtlich durchsetzen“. Läge die Staatsquote hingegen bei 100 %, so wäre jedes individuelle ökonomische Handeln unterbunden. Hier nennt Feld die Zentralverwaltungswirtschaften realsozialistischer Staaten. Die optimale Staatsquote sei von Land zu Land verschieden und würde von den jeweiligen Rahmenbedingungen abhängen.[11]

Es ist hingegen klar, dass der Staat durch Erhöhung der Staatsschulden die Wirtschaft fiskalisch fördern kann (prinzipiell eine staatliche Geldmengenerhöhung), dieser Vorgang im Falle von Angebotsmangel bzw. zu tiefen Steuern jedoch zu garantierter Inflation führt.

Phänomen steigender Staatsquoten

Steigende Staatsquoten werden durch das Wagnersche Gesetz beschrieben. Einen Erklärungsversuch bietet die Peacock-Wiseman-Hypothese. Eine weitere Erklärung wird durch das Budgetmaximierungsmodell von Niskanen geleistet.

Das Popitzsche Gesetz postuliert einen Zusammenhang zwischen steigender Staatsquote und steigendem Anteil des Zentralstaats an den Gesamtstaatsausgaben. In diesen Zusammenhang gehört auch das Modell der Baumolschen Kostenkrankheit.

Ein weiterer Erklärungsansatz ist die Bezeichnung staatlicher Leistungen als sogenannte „superiore Güter“. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass deren Konsum mit steigendem Einkommen zunimmt. Steigt die Nachfrage schneller als das Einkommen, so nehmen die Ausgaben für diese Güter nicht nur absolut, sondern auch relativ gemessen an den Gesamtausgaben zu.[12]

Des Weiteren wird auch die fiskalische Illusion diskutiert. Sie besagt, dass Bürger, ohne die Konsequenzen absehen zu können, Regierungen wählen, die hohe Staatsausgaben tätigen. Das spiegelt sich wiederum in einem immer komplexer werdenden Steuersystem wider, welches die tatsächlichen finanziellen Lasten verschleiern soll.[12]

Das Brecht’sche Gesetz hingegen findet eine Erklärung in der stets zunehmenden Urbanisierung. Die staatlichen Leistungen fallen in Städten tendenziell höher aus, als auf dem Land. Mit zunehmendem Anstieg der Stadtbevölkerung müssen also auch die Staatsausgaben noch stärker wachsen.[12]

Eine weitere, besonders in der westlichen Welt nicht zu unterschätzende, mögliche Erklärung bietet der demographische Wandel. Mit zunehmender Überalterung der Bevölkerung steigen die staatlichen Leistungen, die die damit einhergehenden finanziellen Konsequenzen decken, wie z. B. Absicherungsmaßnahmen gegen Altersarmut, Renten- und Gesundheitsleistungen.[12]

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Anteil der Gesamtausgaben des Staates am Bruttoinlandsprodukt (Memento vom 7. Juni 2007 im Internet Archive) (Stand 1. November 2006, Internet Archive)
  2. Statistisches Jahrbuch 2010 (PDF)
  3. USA: Staatsquote von 2003 bis 2013
  4. 18 Abgabenquoten im internationalen Vergleich Deutsches Bundesministerium der Finanzen auf Basis „Statistischer Anhang der Europäischen Wirtschaft“ der EU-Kommission
  5. Entwicklung der Staatsquote. Bundesministerium der Finanzen
  6. Kennzahlen in % des BIP. Statistik Schweiz, abgerufen am 3. November 2011.
  7. Staatsquote im internationalen Vergleich (Memento vom 12. Januar 2014 im Internet Archive) (PDF; 42 kB)
  8. Europäische Union: Staatsquoten in den Mitgliedsstaaten im Jahr 2014, China: Staatsquote von 2005 bis 2015
  9. Deutschland auf dem Weg in den Sozialismus. In: . 11. Januar 2010.
  10. Wie hoch soll die Staatsquote sein? In: Die Zeit. 26. Juni 2007.
  11. Lars Feld: Zwischen Anarchie und totalem Staat. In: Frankfurter Allgemeinen Zeitung. 3. Juli 2011.
  12. a b c d Berthold Wigger: Grundzüge der Finanzwissenschaft. Springer, Heidelberg 2006, ISBN 3-540-28169-X, S. 9–11.