Theater Ulm

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Ulm, Theaterbau von 1969

Das Theater Ulm ist das städtische Theater in Ulm. Es ist das älteste städtische Theater Deutschlands (gegründet 1641) und wird heute als Dreispartenhaus betrieben, das eigene Ensembles für Oper/Operette, Schauspiel und Ballett besitzt. Bis 2006 hieß das Haus Ulmer Theater.

Der heutige Theaterbau am Herbert-von-Karajan-Platz 1 wurde von 1966 bis 1969 nach Plänen des Architekten Fritz Schäfer errichtet und am 3. Oktober 1969 eröffnet.

Geschichte

16. Jahrhundert

Die frühesten Belege für Theateraufführungen in Ulm reichen bis in den Beginn des 16. Jahrhunderts zurück, wenn auch szenische Darstellungen schon in noch früherer Zeit dargeboten worden waren. Zwischen 1550 und 1650 erlebte das Komödienspiel seine Blütezeit.

17. Jahrhundert

Wegen des großen Publikumszuspruchs wurde im Jahr 1641 nach den Plänen des Stadtbaumeisters Joseph Furttenbach in einer Kornscheuer auf dem Binderhof beim ehemaligen Dominikanerkloster ein Zweckbau für das Theater erbaut, das bereits Vorhang und Orchestergraben hatte und mit einer wie auf italienischen Bühnen üblichen Technik ausgestattet war, unter anderem also mit prismenförmigen, drehbaren Kulissen (Telari). In diesem Theater gab es für das Publikum 600 in ansteigender Folge angeordnete Sitzplätze und 150 Stehplätze. Schon 1650 wurde es auf 1000 Plätze aufgestockt.

Für deutsche Verhältnisse war so ein Theater ein Novum. Es zog deshalb auch häufig fremde Schauspielergruppen an. Nachweisbar traten ab 1572 auswärtige Truppen mit Berufskomödianten in Ulm auf, besonders hervorzuheben die ab 1594 bis Mitte des 17. Jahrhunderts gastierenden englischen und niederländischen Schauspieler.

18. Jahrhundert

Die blühende Theaterszene in Ulm beflügelte den Komponisten, Musiker und Journalisten Christian Friedrich Daniel Schubart, einen unbequemen, unkonventionellen Querkopf (u. a. Herausgeber der Teutschen Chronik), in Ulm nach Wiener Vorbild den Gedanken eines deutschen Nationaltheaters zu verwirklichen. Die angespannte Finanzlage und die Verhaftung und Einkerkerung Schubarts auf dem Hohen Asperg ließen diese Pläne versanden.

Auf Drängen der in Ulm tagenden Gesandten des Schwäbischen Kreises beschloss der Rat 1780, die städtische Remise, das sogenannte Kutschenhaus, zu einem Theater umbauen zu lassen durch den herzoglich württembergischen Premiermaschinisten Johann Christian Kaim. Der Hauptschmuck dieses relativ schlichten, als Komödienhaus bezeichneten Theatergebäudes war ein von Viktor Wilhelm Peter Heideloff gemalter Vorhang mit allegorischen Darstellungen der Theatermusen.

19./20. Jahrhundert

Dieses Theater wurde während des 19. Jahrhunderts immer wieder um- und ausgebaut und zuletzt 1923 wesentlich erweitert. 1944 und 1945 wurde das Theatergebäude durch Bomben nahezu vollständig zerstört. In den ersten Nachkriegsjahren wurde in der unzerstörten Turnhalle der Wagnerschule ein Interimstheater eingerichtet, welches bis zur Einweihung des Neubaus 1969 in Betrieb blieb und heute verschiedenen freien Theatergruppen oder Schultheatergruppen als Spielstätte dient.

Von 1994 bis 2011 war der amerikanische Dirigent James Allen Gähres Generalmusikdirektor am Theater Ulm. Dem Theater zugeordnet ist das Philharmonische Orchester der Stadt Ulm, das eigene Sinfoniekonzerte – neben dem Opernbetrieb – gibt.

Bis heute wurde und wird an wechselnden Orten in Ulm Theater gespielt, wobei auch in jüngerer Zeit Intendanten wie Kurt Hübner für herausragende Theater-Ereignisse verantwortlich zeichneten. Dieser sorgte Anfang der 1960er Jahre mit dem Engagement von Peter Zadek an das Ulmer Theater für den Durchbruch des Regisseurs. Während seiner Intendanz 1959 bis 1962 beeinflusste Kurt Hübner das Profil wesentlich in Richtung eines Theaters, welches die Regieführung mit Persönlichkeiten unterschiedlicher Herkunft und künstlerischer Handschrift teilt und der Talentsichtung dient, wie bei dem Bühnenbildner Wilfried Minks und dem Regisseur Johannes Schaaf. Schon damals, als man noch mit äußerstem Missfallen einen Bertolt Brecht auf deutschen Bühnen sah, setzte sich der Ulmer Intendant für den Augsburger ein, verpflichtete Peter Palitzsch als Regisseur, brachte den Prozeß der Jeanne d'Arc heraus. Für Furore sorgte auch Kurt Hübners Inszenierung von Brendan Behans Die Geisel.

Mit Paul Pörtners Stück Scherenschnitt (1963) in Ulm wurde erstmals in Deutschland der Orchestergraben überwunden und das Publikum konnte den Fortgang einer Bühnenaufführung mitbestimmen. Mit dem oben erwähnten Neubau wurde gleichzeitig auch das besonders für Aufführungen moderner (kleiner) Stücke von zeitgenössischen Autoren (Beckett, Ionesco etc.) gedachte Podium eingerichtet, ein sechseckiger Spielraum, der mit achtzehn gegeneinander verfahrbaren Bodenelementen eine sehr variable Bühnen- und Zuschaueranordnung erlaubt und in dem das Publikum bei Bedarf auch rund um die Bühne sitzen kann. Damit reagierte man auf die zur Mitte des 20. Jahrhunderts überall aus dem Boden sprießenden Zimmer- oder Werkraumtheater.

Das Theater Ulm erwies sich für eine Reihe von Künstlern (SchauspielerInn und SängerInnen), Regisseuren, Intendanten usw. als Sprungbrett für eine große Karriere, beispielsweise für Hannelore Hoger, Judy Winter, Ernst Seiltgen, Liselotte Losch, Margarete Klose, Angela Denoke, Rita Kapfhammer, Philippe Jordan, Deborah Polaski, die sich in Ulm in das schwere Wagner-Fach vorarbeitete, Erwin Belakowitsch, Horst Lamnek, Harald Serafin, Mirjana Irosch, Vera Schoenenberg und Iva Mihanovic. Herbert von Karajan hatte am Ulmer Theater sein erstes Engagement – als Erster Kapellmeister – von 1929 bis 1934.

21. Jahrhundert

Seit der Spielzeit 2006/07 ist Andreas von Studnitz Intendant des Theaters Ulm. Eine seiner ersten Amtshandlungen bestand darin, das Ulmer Theater in Theater Ulm umzubenennen. Im Musiktheater sind bzw. waren seitdem u.a. Sängerinnen und Sänger wie Oxana Arkaeva, Merav Barnea, Rúni Brattaberg, Gillian Crichton, Lee Kwang-Keun, Hélène Lindqvist sowie Helena Zubanovich als feste Ensemble-Mitglieder engagiert. Seit 2011 ist Timo Handschuh Generalmusikdirektor am Theater Ulm.

Nachdem zunächst auch ein Neubau zur Diskussion stand, wurde am 19. Februar 2008 eine Sanierung und Modernisierung des Gebäudes beschlossen. Neben der Beseitigung baulicher Mängel wird auch die Technik auf den neuesten Stand gebracht werden. Dies wird in den kommenden acht Jahren jeweils in den Sommerpausen geschehen. Die veranschlagten Kosten belaufen sich auf 18,3 Mio. Euro.

Intendanten

Peter Wackernagel gründete 1950 das Podium und galt als einer der profiliertesten Intendanten der Nachkriegszeit[1]

Freunde des Ulmer Theaters

Der Verein Freunde des Ulmer Theaters wurde am 2. Oktober 1979 hauptsächlich von Michael C. Wieland gegründet, wobei noch einige andere wie zum Beispiel Volkmar Clauß, der damalige Intendant, mitgeholfen haben. Der Verein bezeichnet sich selber als „Bindeglied“ zwischen dem Ulmer Theater und dem Publikum. Die „Freunde des Ulmer Theaters“ helfen mit, außergewöhnliche Produktionen zu realisieren und besondere Anschaffungen (neues Gestühl im Zuschauerraum, neuer Bühnenvorhang) zu machen; ferner sammeln sie Verbesserungsvorschläge und helfen, sie umzusetzen. Auch werden Konzerte und Auktionen organisiert sowie eine Theatermedaille herausgegeben, um damit die für ihre Zwecke notwendigen Gelder hereinzuholen.

Literatur

  • Theodor Schön: Geschichte des Theaters in Ulm. In: Diöcesanarchiv von Schwaben, 17. Jg. 1899, S. 17 ff. und zahlreiche Fortsetzungen bis 20. Jg. 1902 (Details)
  • Walter Tappe: Jubiläums-Jahrbuch des Ulmer Stadttheaters aus Anlaß des hundertfünfzigjährigen Bestehens 1781–1931. Ulm 1931
  • Kurt Füller: Die Städtische Bühne Ulm, in: Ulmer Statistik – Sonderreihe, Heft Nr. 2, Ulm 1955
  • Herbert Wiegand, Alexander Bergengruen: Zwischen Traumtheater und Arena – Zum Gedenken an Peter Wackernagel, Ulm 1958
  • Eberhard Stiefel: Artikel Ulm, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, Bd. 13, hrsg. von Friedrich Blume, Bärenreiter-Verlag Kassel 1966, ISBN 3-7618-5913-9, Sp. 1042–1046
  • Gunther Volz: Kunstgeschichtliches vom Ulmer Theater – Theaterspielstätten in Ulm vom ausgehenden Mittelalter bis zum Neubau von 1969, Mag. Ludwig-Maximilians-Universität München 1985
  • Hans Radspieler: Theater in der Reichstadt Ulm. Vom Mittelalter bis 1802, und Gertrud Beck: Theater in Ulm seit dem 19.Jahrhundert, in: Ulmer Volksbank (Hrsg.): Theater in Ulm Ulmer Stadtgeschichte Heft 24 – Beilage zum Geschäftsbericht 1990, Ulm 1991
  • Sabine Kraume-Probst: Jung geblieben! Das Theater in Ulm. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, 38. Jg. 2009, Heft 3, S. 184 f. (PDF)

Weblinks

Anmerkungen

  1. Vgl. Kurt Fried: Peter Wackernagel zum Gedenken. In: Herbert Wiegandt, Alexander Bergengruen (Hrsg.): Zwischen Traumtheater und Arena. Süddeutsche Verlagsgesellschaft, Ulm 1958, S. 31.: „Der Geistigsten einer und Profiliertesten unter den Intendanten und Spielleitern, war er Theatermann im hohen Sinne“

Koordinaten: 48° 24′ 5,4″ N, 9° 59′ 11,7″ O