Thiobacillus

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Thiobacillus
Systematik
Domäne: Bakterien (Bacteria)
Abteilung: Proteobacteria
Klasse: Betaproteobacteria
Ordnung: Nitrosomonadales
Familie: Thiobacillaceae
Gattung: Thiobacillus
Wissenschaftlicher Name
Thiobacillus
Beijerinck 1904 (Approved Lists 1980)

Thiobacillus ist eine Gattung gramnegativer, Schwefel-oxidierender, nicht-phototropher Bakterien. Die ehemals umfangreiche Gattung wird seit Untersuchungen um die Jahrtausendwende deutlich kleiner gefasst und umfasst nur noch drei Arten (Stand Dezember 2022).[1]

Merkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Zellen der Arten von Thiobacillus sind stäbchenförmig. Sporen werden nicht gebildet. Die Zellen treten einzeln, in Paaren oder in kurzen Ketten auf. Es folgt eine Tabelle mit weiteren Merkmalen der einzelnen Arten.

Einige Merkmale der Arten von Thiobacillus
T. denitrificans T. thioparus T. thiophilus
Zellänge 1.0–3.0 1.0–2.0 1.8–2.5
Zellform Stäbchen kurze Stäbchen Stäbchen
Optimale Temperatur 28–32 °C 25–30 °C 25–30 °C
Optimaler pH-Wert 6.8–7.4 6.0–8.0 7.5–8.3
GC-Gehalt in Mol% 63–68 61–66 61.5

Lebensraum und Lebensweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die farblosen Schwefelbakterien können aus Flusssedimenten, Kanälen, Mündungen, Wattenmeerböden, sauren Sulfatböden, (heißen) Säurequellen, Minenschachtentwässerungen, Thermalquellen, Kläranlagen und hyperalkalischen Salzseen isoliert werden, vor allem aus Zonen zwischen aerobem Wasser und anaeroben Sediment. Sie leben in Bereichen, in denen als Elektronendonatoren reduzierte Schwefelverbindungen (häufig Sulfide) und Elektronenakzeptoren wie Sauerstoff oder Stickoxide vorkommen. Marine Arten benötigen Natriumchlorid zum Leben.[2]

Sie werden aufgrund ihrer Produktion von Schwefelsäure für Schäden durch oxidative Korrosion an Beton und Röhren, aber auch an Gebäuden und antiken Bauwerken verantwortlich gemacht. Man kann sie jedoch auch als Nützlinge im Bergbau für die Extraktion von Metallen aus erzarmen Böden benutzen, die nicht durch konventionelle metallurgische Methoden zugänglich sind, wobei jedoch das Problem saurer Eisensulfat-Abwässer noch ungelöst ist.[2] Thiobacillus-Arten wurden zur Bekämpfung von Kartoffelschorf eingesetzt: Das betroffene Gebiet wurden mit Schwefel behandelt und die Bakterien oxidieren diesen zu Schwefelsäure. Dadurch wird der Boden sauer und das Wachstum des Erregers Streptomyces scabies verhindert.[3]

Zudem können Thiobacillus-Arten Pyrit löslich und zugänglich für andere Mikroorganismen und Pflanzen machen.[2]

Stoffwechsel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die vollständige Oxidation von reduzierten Schwefelverbindungen zu Sulfaten ist allen obligat und fakultativ autotrophen Schwefeloxidierern gemein, ebenso wie die Fähigkeit, den pH-Wert zu senken sowie auf thiosulfathaltigen Nährböden zu wachsen, was auch zum Nachweis verwendet wird. Einige Reaktionen können folgendermaßen zusammengefasst werden:[2]

Systematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Äußere Systematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gattung Thiobacillus wurde 1904 durch Martinus Willem Beijerinck erstbeschrieben, lange Zeit wurden in der Gattung alle gramnegativen, schwefeloxidierenden, nicht-phototrophen Bakterien zusammengefasst. Umfangreiche physiologische und genetische Untersuchungen (Sequenzierung der 16S ribosomalen RNA, rRNA) haben in den 1990er und 2000er Jahren zur Ausgliederung zahlreicher Arten in andere Gattungen geführt, die zum Teil auch neu beschrieben wurden, so die Gattungen Acidithiobacillus, Halothiobacillus und Thermithiobacillus.[2][4] Die Gattungen Acidithiobacillus und Thermithiobacillus gehören innerhalb der Proteobacteria zu der 2013 etablierten Klasse der Acidithiobacillia mit der einzigen Ordnung Acidithiobacillales.[5] Die Gattung Halothiobacillus wurde 2005 in die Ordnung Chromatiales in der Klasse der Gammaproteobacteria gestellt.[6]

2017 wurde die Art Thiobacillus aquaesulis durch Boden et al. als Annwoodia aquaesulis reklassifiziert und in die neu beschriebene Gattung Annwoodia gestellt.[7] Die beiden Gattungen bilden die Familie der Thiobacillaceae.[8] Zugleich wurde die Familie aus der Ordnung der Hydrogenophilales in die Ordnung der Nitrosomonadales in der Klasse der Betaproteobacteria transferiert.[7] Andere Arten wurden zu neuen Gattungen gestellt, die den Alphaproteobacteria zugehörig sind.[4]

Innere Systematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aktuell umfasst die Gattung nur noch drei Arten (Stand 2020):[1]

Synonyme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durch die umfangreichen Änderungen in der Systematik wurden die früher als Thiobacillus-Arten bekannten Bakterien zu anderen Gattungen gestellt, bei den zuvor verwendeten Namen handelt es sich um homotypische Synonyme. Im Folgenden eine Auflistung der früher bekannten Thiobacillus-Arten und ihre aktuelle Nomenklatur (Stand 2020):[1]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Jean Euzéby, Aidan C. Parte: Genus Thiobacillus. In: List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN). Abgerufen am 22. Februar 2020.
  2. a b c d e Lesley Robertson und J. Kuenen: The Prokaryotes - The Genus Thiobacillus, 2006, Part 1, Section 3.2, Seite 812–827, doi:10.1007/0-387-30745-1_37
  3. Kevin Byrne: Bath Advanced Science - Environmental Science. ISBN 978-0174483052
  4. a b Donovan P. Kelly, Ann P. Wood: Reclassification of some species of Thiobacillus to the newly designated genera Acidithiobacillus gen. nov., Halothiobacillus gen. nov. and Thermithiobacillus gen. nov. In: International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology. Band 50, Nr. 2, März 2000, S. 511–516, doi:10.1099/00207713-50-2-511, PMID 10758854.
  5. Jean Euzéby, Aidan C. Parte: Order Acidithiobacillales. In: List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN). Abgerufen am 22. Februar 2020.
  6. Jean Euzéby, Aidan C. Parte: Order Chromatiales. In: List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN). Abgerufen am 22. Februar 2020.
  7. a b Rich Boden, Lee P. Hutt, Alex W. Rae: Reclassification of Thiobacillus aquaesulis (Wood & Kelly, 1995) as Annwoodia aquaesulis gen. nov., comb. nov., transfer of Thiobacillus (Beijerinck, 1904) from the Hydrogenophilales to the Nitrosomonadales, proposal of Hydrogenophilalia class. nov. within the ‘Proteobacteria’, and four new families within the orders Nitrosomonadales and Rhodocyclales. In: International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology. Band 67, Nr. 5, Mai 2017, S. 1191–1295, doi:10.1099/ijsem.0.001927.
  8. Jean Euzéby, Aidan C. Parte: Family Thiobacillaceae. In: List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature (LPSN). Abgerufen am 22. Februar 2020.