Thoraxdrainage

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Die Thoraxdrainage (Synonym: Pleuradrainage) dient der Förderung von Blut, Sekreten oder Luft aus dem Pleuraspalt (dem Raum zwischen der Lungenoberfläche und dem Rippenfell), um dessen physiologischen Unterdruck aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen. Dabei werden der Brustkorb und das Rippenfell (Pleura parietalis) durch einen Zwischenrippenraum (Intercostalraum) eröffnet, ein Drainageschlauch eingeführt und schließlich ein kontrollierter Sog angelegt, um den Pleuraspalt zu drainieren.

Anwendung

p.a.-Röntgenbild eines linksseitigen Spannungspneumothorax vor (oben) und nach (unten) Anlage einer Thoraxdrainage. Gut zu sehen ist die Verlagerung des Mediastinums hin zur gesunden Seite.

Eine Thoraxdrainage muss angelegt werden, um den im Normalfall bestehenden Unterdruck im Pleuraspalt wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten. Dieser Unterdruck ist für die Mechanik der Lungen unerlässlich. Es drohen sonst ein Kollaps der Lungen und daraus resultierend ein Lungenversagen. Bei weniger ausgeprägten Befunden drohen Atelektasen. Steigt der Pleuradruck wie bei Spannungspneumothorax oder starken inneren Blutung der Brusthöhle an, droht auch ein Versagen von Lunge und Herz durch Verdrängung der Organe und Blutgefäße im Brustkorb.

Die häufigste Anwendung der Drainagen erfolgt im Zusammenhang mit Operationen, bei denen der Brustkorb geöffnet werden muss. Hier werden meist eine oder mehrere Drainagen eingebracht.

Pneumothorax und/oder Hämatothorax entstehen oft auch im Zusammenhang mit Unfällen, bei denen der Brustkorb größerer Gewalt ausgesetzt war.[1]

Im Zusammenhang mit zahlreichen Krankheiten der Brusthöhle und des Herz-Kreislauf-Systems können Serothorax, Chylothorax, Pleuraempyem, Pneumothorax und/oder Hämatothorax langsam oder rasch entstehen.

Vorgehensweise

Die Thoraxdrainage wird entweder offen, im Rahmen einer Thorakotomie oder Thorakoskopie, oder „geschlossen“ über einen kleinen Hautschnitt eingebracht.

Das Legen einer Thoraxdrainage ist ein chirurgischer Eingriff in den Brustkorb (Thorax), der in der Regel von Chirurgen durchgeführt wird, aber auch als lebensrettende Sofortmaßnahme von allen im Notarztdienst oder in der Intensivmedizin tätigen Ärzten beherrscht werden muss.

Bei elektiven (also planbaren, nicht zeitkritischen) Eingriffen ist das Anlegen einer Thoraxdrainage im Operationsraum oder in der Funktionsabteilung (etwa Endoskopie) aus hygienischen Gründen den Örtlichkeiten einer Intensiv- oder Normalstation vorzuziehen.

In der Regel wird die Thoraxdrainage mittels einer Inzision von 2 bis 3 cm (Minithorakotomie) angelegt. Nach der Inzision mit einem Skalpell und der Präparation mit einer Schere wird die zu drainierende Pleura mit dem Finger palpiert und gelöst. Das alternative Anlegen der Drainage durch Punktion mit einem Trokar birgt die Gefahr von Verletzungen des Lungengewebes und nachfolgenden Blutungen in sich.

Pleuradrainagen bestehen meist aus hartem Silikon, Latex und auch Gummi, mit und ohne Röntgenkontraststreifen. Sie unterscheiden sich neben dem Material auch in der Größe, die von wenigen Charrière (CH) bis hin zu 36 CH reicht. Häufig verwendete Pleuradrainagen sind die Monaldi- und die Bülau-Drainage. Die Anlage der Bülau-Drainage (nach Gotthard Bülau (1835–1900)) erfolgt dabei in Höhe des 3. bis 5. Zwischenrippenraums (Intercostalraum, ICR) in der vorderen bis mittleren Axillarlinie, falls es sich um einen reinen Pneumothorax handelt, in Höhe der Schulterblattspitze in der mittleren bis hinteren Axillarlinie, falls auch Flüssigkeit (Hämatothorax, Pleuraerguss) abgesaugt werden soll. Punktionsort für die Monaldi-Drainage, benannt nach dem italienischen Pulmologen Vincenzo Monaldi (1899–1969), hingegen ist der 2. bis 3. ICR (medioclavikulär).[2][1]

Im Gegensatz zur Bülau-Drainage ist die Monaldi-Drainage meist dünner (kleinlumiger); sie kommt vor allem für die Behandlung eines Pneumothorax (Luft zwischen innerem und äußerem Lungenfell) zum Einsatz. Für die Drainage der Luft ist das kleinere Lumen ausreichend und ermöglicht einen kleineren Hautschnitt mit weniger invasivem Eingriff. Der Einstich erfolgt an der Vorderseite des Brustkorbs unterhalb des Schlüsselbeins (im zweiten Intercostalraum (Zwischenrippenraum, ICR) in der Medioklavikularlinie). Hierbei wird der Zwischenrippenraum entweder durch eine Schnittinzision mit einem Skalpell, einer scharfen Schere oder mit einem Trokar eröffnet bzw. durchstoßen.

Zur Behandlung einfacher Sero- oder Hämatothoraxes gibt es auch deutlich lumenschmälere Direktpunktionssets mit Ableitungssystemen.

Abgeklemmte Thoraxsaugdrainage links

Wenn kein Drainagesystem zu Hand ist und ein gefährlicher Spannungspneumothorax besteht, sollte dieser sofort durch Punktion des Thorax mit mehreren großlumigen Kanülen in einen offenen Pneumothorax umgewandelt werden. Hierdurch wird der gefährliche Überdruck entlastet und die nicht betroffene Lunge wird wieder normal belüftet. Danach, unter geordneten Bedingungen, wird die Thoraxdrainage angelegt.

Drainagesysteme

Drainagesystem

Um die Aufrechterhaltung des negativen Pleuradruckes zu gewährleisten und diesen zu regulieren werden verschiedene technische Vorrichtungen eingesetzt.

Die einfachste und deshalb vor allem in der Notfallmedizin gebräuchliche ist ein Heimlich-Ventil.

Drainagesaugungen für Thoraxdrainagen entwickelten sich vom Einflaschensystem (Unterwasserschloss und Sekretkammer in einer Kammer) hin zum Dreiflaschensystem (mit oder ohne Saugung). Die Funktionsweise der heutzutage häufigsten Einwegsysteme ist an das Dreiflaschensystem angelehnt.

Möglichkeiten der Vakuumerzeugung

Ein Vakuum kann auf unterschiedliche Weise erzeugt werden:

  • Mit einer elektrischen Pumpe (Membran-, Rotations- oder Kolben-Zylinderpumpe): Voraussetzung ist, dass die Pumpe nach dem Medizinproduktegesetz eine Zweckbestimmung zum Betrieb an Thoraxdrainagen hat. Die Pumpe regelt im Niedervakuumbereich zwischen 0 und 100 mbar. Eine Saugleistung von mindestens 5 Litern pro Minute ist sinnvoll.
  • Mit einem Druckluftwandler (Venturi-System): Man unterscheidet Hochvakuum-Druckluftwandler (HV-Druckluftwandler) mit einem Durchfluss von etwa 25 l/min und einem Regelbereich zwischen 0 und 1000 mbar, sowie Niedervakuum-Druckluftwandler (NV-Druckluftwandler) mit einem Durchfluss von ungefähr 8 bis 12 l/min und einem Regelbereich zwischen 0 und 100 mbar (Anzeigebereich 0–160 oder 0–250 mbar). HV-Druckluftwandler sind in der Regel sehr laut, NV-Druckluftwandler hingegen relativ leise.
  • Über eine Zentralvakuumanlage mit Vakuumregler: Auch hier unterscheidet man HV-Vakuumregler (45 bis 55 l/min Saugleistung) und NV-Vakuumregler (etwa 12 l/min Saugleistung) mit entsprechend ähnlichen Regel- und Anzeigebereichen. Der Unterschied zu Druckluftwandlern ist, dass Vakuumregler kaum hörbar sind.

Die Regulierung der Sogstärke erfolgt je nach verwendetem System. Am häufigsten verbreitet sind Hochvakuum-Vakuumregler und Hochvakuum-Druckluftwandler mit einem Regelbereich bis 1000 mbar oder solche, die ohne Vakumeter ausgerüstet sind. Hier wird die Sogstärke über eine Sogkontrollkammer/-flasche/-gefäß reguliert, man spricht dann von einem Dreikammersystem (zum Beispiel bei Thoraxdrainagekompaktsystemen)

Einflaschensysteme

Das erste und einfachste Thoraxdrainagesystem bestand aus einer Flasche mit Flüssigkeit, in die der Drainageschlauch eintauchte. Das Ziel, sowohl Luft als auch Sekret aus dem Pleuraspalt zu entfernen und zu verhindern, dass die Luft wieder zurück in den Pleuraspalt gelangte, erreichte man durch dieses „Wasserschlossprinzip“. Ein spontan atmender Patient drückt in der Exspiration (Ausatmung) Sekret aus dem Pleuraspalt durch das Wasserschloss. Durch das Wasser hindurch kann jedoch keine Luft in die Pleura gelangen. Das Einflaschensystem war gut zu gebrauchen, solange keine großen Sekretmengen das Ausströmen und Nachlaufen von Luft und Flüssigkeiten verhinderten. Bei Einflaschensystemen, bei denen die Eintauchtiefe des Stabes/Schlauches nicht verändert werden kann, steigt mit zunehmender Sekretmenge auch der Widerstand im Gefäß und dadurch auch der Sog in der Pleura.

Zweiflaschensysteme

Diese Form der Thoraxdrainage besteht aus dem oben genannten Wasserschloss und der Sekretsammelflasche, in der das Sekret aufgefangen wird, ohne die Funktion des Wasserschlosses zu beeinträchtigen.

Dieses System kann mit und ohne Dauersogquelle verbunden werden.

Häufig reicht der alternierende Druck der Atmung in Kombination mit einem Wasserschloss nicht aus, um den Pleuraraum wieder ausreichend zur Entfaltung zu bringen. In diesem Fall wird Vakuum benötigt, das an der Ausgangsöffnung des Behälters/Kammer/Flasche mit dem Wasserschloss angeschlossen wird.

Dreiflaschensysteme

Die dritte Kammer/Flasche dient einzig der Begrenzung des Soges. Die Dritte Flasche kommt zum Einsatz, wenn ein Sog durch ein Druckwandler oder Zentralvakuum erzeugt wird, welches über kein Vakumeter verfügt, oder mit dem ein Niedervakuum nicht einstellbar ist (z.B. bei Hochvakuumreglern mit Anzeige bis 1 bar (entspricht 1000 mbar)).

Die Befüllung dieser zusätzlichen Kammer mit Wasser verhindert, dass zu starker Sog sich lungenschädigend auswirkt. Überschreitet der Sog (gemessen in Zentimeter Wassersäule) die Gewichtskraft der zuvor gefüllten Wassersäule, so wird diese in eine Ausgleichskammer niedergesaugt, und Luft kann nachströmen. So wird der maximal erwünschte Sog stets beibehalten. Typisch für solche Saugsysteme ist das stete „Blubbern“ in der Sogkontrollkammer/-flasche, welches zu großen Irritationen bei der Diagnostik eines Pneumothorax führen kann (dort ist ein „Blubbern“ im Wasserschloss typisch).

Vierflaschensysteme

Die vierte Kammer oder Flasche zeigt an, wie stark der Sog ist, der im Pleuraspalt anliegt. Diese vierte Kammer wird auch U-Rohr genannt. Einige wenige Kompaktsysteme (ähnlich dem im Foto oben) verfügen über eine solche Kammer. Für den ungeübten Anwender jedoch ist die Vielzahl der Kammern und die verschiedenen Möglichkeiten des Blubberns eher verwirrend.

Elektrische digitale Systeme

Digitales Thoraxdrainagesystem

Bei dieser Form des Drainagesystems übernimmt ein elektrisches, auf Akku basierendes, digital gesteuertes Saugsystem die Aufgabe der Vakuumerzeugung und Steuerung. Die Komponenten des Vierflaschensystems werden beinahe gänzlich ersetzt. Ein Kanister ersetzt die Sekretflasche, ein Motor-Aggregatssystem ersetzt die Vakuumquelle, Sogkontrollflasche und Wasserschloss. Durch den Einsatz eines digitalen System ergeben sich neue Möglichkeiten, z.B. kann der Therapieverlauf des Patienten gemessen und festgehalten werden. Parallel wird die Sicherheit des Patienten gesteigert, da die meisten digitalen Systeme über automatisierte Alarme und Warnhinweise verfügen. Außerdem wird die Mobilität des Patienten durch den kompakten Aufbau des digitalen Drainagesystems erhöht.

Weitere Entwicklung

Der heutige Markt bietet viele Möglichkeiten der Thoraxdrainagetherapie:

  • Flaschensysteme mit Wasserschlossprinzip, Einweg und Mehrweg, mit und ohne elektrische Pumpe mit unterschiedlich guten Therapieergebnissen gehören zu den traditionellen Systemen mit all deren Problemen im Umgang in Bezug auf Sicherheit und Hygiene. Mehrwegsysteme werden immer weniger genutzt, Ursache sind mangelnde Hygiene und Probleme bei der Dichtigkeit nach Re-Sterilisation.
  • Thoraxdrainagekompaktsysteme verschiedenster Hersteller, mit und ohne Wasserschloss. Es werden bislang wenige „trockene“ Systeme angeboten, meistens wird ein Hochvakuumregler benötigt, die Mobilität der Patienten ist eingeschränkt. Therapieergebnisse für Patienten, die keinen Dauersog benötigen relativ gut. Haupteinsatzgebiet ist die Herzchirurgie. In der Lungenchirurgie werden in immer mehr Zentren andere Systeme genutzt.
  • Neu seit 2007 sind digitale Pumpen, die für Mobilität des Patienten, Entlastung des Pflegepersonals und Sicherheit der Therapie sorgen, mit Akku betrieben werden und unabhängig von Druckluft und Vakuumanlagen sind.

Weitere Arten von Drainagen im Thoraxraum

Mediastinaldrainagen

Meist aus sehr weichem Silikon mit Röntgenkontraststreifen mit ca. 28 CH Durchmesser. Anwendung nach Operationen am Herzen (in Kombination mit Pleuradrainagen) und im Mediastinum. Lage: Innerhalb des Mediastinums.

Herzbeuteldrainagen

Meistens dünner Spezialkatheter (Pig-tail-Katheter) mit Ableitung in einen Einwegbeutel. Nach Operation am Herzen (selten), Herzbeutelpunktion.

Geschichte

Bereits aus prähistorischer Zeit gibt es Hinweise auf Thoraxeingriffe wie Resektionen von Rippen oder Pleurapunktionen bei Pleuraempyemen. In der Antike wurden diese Verfahren weiter angewandt und verbessert. So wird im Corpus Hippocraticum die Punktion von Körpersekreten aus dem Pleuraraum mit Hohlrohren aus Zinn beschrieben.[3] In der Zeit der Arabischen Medizin und des Mittelalters finden sich keine wesentlichen Fortschritte in der Thoraxchirurgie. Erst Fabrizio D'Aquapendente (1537–1613) beschreibt eine dauerhafte Drainage eines Pleuraempyems mit einer Fadendrainage und eine spezielle Pleurapunktionsnadel mit Fixierungsflügeln.[3] Der französische Chirurg Jean Louis Petit riet 1795, bei penetrierenden Thoraxverletzungen einen Hämatothorax operativ auszuräumen, und empfahl im Gegensatz zur damals vorherrschenden abwartenden Haltung eine frühzeitige Punktion. Solche Empfehlungen stießen teilweise auf erbitterten Widerstand. So hielt Guillaume Dupuytren Punktionen oder Drainagen im Bereich des Thorax für zu gefährlich und lehnte sie wegen möglicher Spätfolgen und Vernarbungen strikt ab.[3] Nach der akademischen Anerkennung der Chirurgie als wissenschaftliche Disziplin zu Beginn des 19. Jahrhunderts leistete August Gottlieb Richter Pionierarbeit auf dem Gebiet der Thoraxchirurgie. Neben operativer Ausräumung von Empyemen und Hämatothoraces und Entlastung von Pneumotoraces führte er auch Operationen am Mediastinum durch. Zur postoperativen Drainage verwendete er metallische Thokare, unter anderem auch zur Drainage des Herzbeutels.[3] Obwohl sich allmählich die Erkenntnis durchsetzte, dass intrathorakale Flüssigkeits- oder Luftansammlungen einer dauerhaften Drainage und nicht nur einer einmaligen Punktion bedürfen, gelang es erst Gotthard Bülau, Internist und Oberarzt am Hamburgischen St.-Georg-Krankenhaus, den physiologischen Unterdruck im Pleuraraum nach der Operation wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten. Er verwendete ein sogenanntes (Unter-)Wasserschloss.

Quellen

  1. a b Brokmann J., e.a.: Repetitorium Notfallmedizin: Zur Vorbereitung auf die Prüfung„notfallmedizin“, Springer, 2007, S.105-6, ISBN 3-540-33702-4, hier online
  2. AWMF-Leitlinie Pneumothorax der Deutschen Gesellschaft für Thoraxchirurgie vom 22. April 2000
  3. a b c d Annegret Gahr und Ralf Gahr: "Die Geschichte der Thorax-Traumatologie" in Ralf Gahr (Hrsg.), „Handbuch der Thorax-Traumatologie, Band I und II“ Einhorn-Presse Verlag ISBN 978-3-88756-812-2