Tourenwagen (Automobilbauart)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 4. Mai 2016 um 12:03 Uhr durch Wurgl (Diskussion | Beiträge) (→‎Weblinks: typo). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Adler 24/28 PS Tonneau (1908) mit optionalem, festem "Surrey"-Dach
Rolls-Royce 40/50 h.p. ("Silver Ghost") Tourenwagen (1912)
Chevrolet Independence Series AE Phaeton (1931)
Wetterschutz an einem Chevrolet 490 Touring von 1922

Der Tourenwagen ist eine Automobilbauart, die von Anfang des 20. Jahrhunderts bis Mitte der 1930er-Jahre verbreitet war. Im Vereinigten Königreich wurde er auch (four door) open tourer, in Frankreich Double Phaëton und später Phaëton und in den USA touring oder touring car genannt. Die Bezeichnung kam ab den 1920er Jahren aus der Mode und die Unterschiede zu den sportlicheren Phaeton und Torpedo verwischten sich.

Ein Tourenwagen war für längere Reisen geeignet – daher der Name – und hatte einen offenen Aufbau mit üblicherweise vier bis sieben Sitzplätzen in zwei Reihen welche direkt über seitliche Türen zugänglich waren. Es sind auch Varianten mit drei Sitzreihen und neun bis zehn Plätzen bekannt wobei die mittlere Reihe dann aus zwei Einzelsitzen mit Durchgang bestand. Bis zur Mitte der 1920er-Jahre war der Tourenwagen neben dem Roadster die häufigste Automobilbauart, erst dann kamen in größerem Umfang geschlossene Limousinen und Coupés auf, die zur Unterscheidung vom Tourenwagen anfangs auch als Innenlenker bezeichnet wurden.

Im Unterschied zur Limousine, Cabriolimousine oder viertürigem Cabriolet (Convertible Sedan, Berline transformable) hatte der Tourenwagen keine B- und C-Säulen und keine Seitenscheibenrahmen. Vordere Türen kamen erst ab ca. 1912 auf. Diese Ausführung wurde in den USA anfangs fore door touring genannt. Die ersten Versionen besaßen keine Windschutzscheiben, danach wurde eine senkrecht oder fast senkrecht stehende Scheiben, in der Regel umklappbar, verwendet. Tourenwagen haben ein leichtes, in der Regel ungefüttertes Stoffverdeck. Zusätzlichen Wetterschutz bieten entweder Seitenteile aus Stoff mit Sehschlitzen die am Verdeck und an der Karosserie resp. Tür angeknüpft werden oder, bei späteren Ausführungen, Seitenscheiben die analog dem Roadster eingesteckt werden. Teure Ausführungen haben manchmal eine hintere, zusätzliche Tonneau-Windschutzscheibe welche mittels kompliziertem Klappmechanismus hinter die Rückenlehne der vorderen Sitzbank geschwenkt werden kann.

Spezielle Bauformen des Tourenwagens (Beispiele)

Corbin 4-pass. Runabout (USA, 1908). Diese Bauform wird auch Tourabout genannt.
Panhard & Levassor Typ X19 Skiff mit geschwungenen Kotflügeln, karossiert vom Spezialisten Jean-Henri Labourdette (1912)
  • Tonneau
  • Torpedo
  • Phaeton
  • Roi-des-Belges: leicht erhöhte hintere Sitzbank. Roi-des-Belges kamen nach 1910 aus der Mode, sodass sie häufig noch keine vorderen Türen aufwiesen; benannt nach König Leopold II von Belgien
  • Tulip
  • Close-Coupled: Hintere Sitzbank etwas nach vorne verschoben; dadurch sind die Passagiere im Tonneau näher bei den vorderen Mitreisenden. Zudem wird am Heck mehr Platz frei für das Gepäck.
  • Skiff: zwei- bis fünfsitzige, offene Karosserie in Bootsform aus Holz; gebaut nach den Prinzipien des Schiffbau. Die Kotflügellinie verläuft of wellenförmig; gebaut zwischen 1912 und ca. 1925.
  • Fore-Door Touring (USA): Frühe Fahrzeuge (nicht nur Tourenwagen) hatten vorne keine Türen. Diese setzten sich ab etwa 1910 durch. In der Übergangszeit versahen viele Hersteller ihre neuen Modelle mit vorderen Türen zur Unterscheidung von den altmodischeren mit der dieser Bezeichnung. Nachdem die vorderen Türen allgemein üblich geworden waren, verschwand auch dieser Begriff wieder.
  • Fore-Seat Touring: Bei Konstruktionen mit Heck- oder Unterflurmotor ergab sich die Möglichkeit, in die vordere Spritzwand eine Sitzbank zu integrieren. Nach dem Öffnen des zweiteiligen Deckels wurde sie zugänglich wobei dessen oberer Teil die Rückenlehne bildete und der untere Trittbrett und Beinstütze bildete. Oft ließ sich eine Decke anbringen welche den Passagieren auf diesem zugigen Sitz wenigstens von der Hüfte abwärts einen notdürftigen Schutz vor Wind und Wetter bot.
  • Three-Door Touring (USA): Bei manchen preiswerteren Modellen verzichteten die Hersteller auf eine Fahrertür. Diese wurde in der Karosserie angedeutet, der Zugang erfolgte über die Beifahrertür. Nach 1920 verschwand diese Variante.
  • Salon Touring mit Durchgang zur vordersten Sitzbank; selten auch ohne direkten Zugang zur vordersten Sitzreihe.[1]
  • Tourabout: Leichte und besonders sportliche Ausführung für in der Regel vier bis fünf Personen. Tourabout kamen nach 1910 aus der Mode, so dass sie häufig noch keine vorderen Türen aufwiesen. Je nach Karossier waren auch hinten keine Türen vorgesehen. Der Begriff überschneidet sich mit dem Toy Tonneau.[2]
  • Convertible Touring: Touring mit vier Türen, versenk- oder abnehmbaren Seitenscheiben und Verdeck[1]; daraus entstanden das All Weather Phaeton mit erweitertem Wetterschutz[3] und der Convertible Sedan (in Deutschland und Frankreich: Cabriolet, viertürig).
  • Convertible Sedan: Salon Touring mit abnehmbarem, festem Dach.[1] Das Dach würde man heute als Hardtop bezeichnen. Diese Bauform setzte sich nicht durch und der Begriff wurde danach für ein konventionelleres Fahrzeug verwendet (siehe oben).
  • Open Sedan: Touring mit nicht abnehmbarem, festem Dach und abnehmbaren Scheiben.[1] Das Dach würde man heute als Hardtop bezeichnen. Begriff und Bauform setzten sich nicht durch.[1]
  • Open Limousine: Touring mit nicht abnehmbarem, festem Dach und abnehmbaren Scheiben.[1] Das Dach würde man heute als Hardtop bezeichnen. Begriff und Bauform setzten sich nicht durch. Zu beachten ist, dass die Limousine zu dieser Zeit definiert wurde mit offenem Chauffeurabteil (aber festem Dach), geschlossenem Passagierabteil und Trennscheibe. Eine Chauffeur-Limousine nach heutigem Verständnis (rundum geschlossen, Trennscheibe) wäre damals als Berline, Conduite-Intérieur resp. Enclosed-drive Limousine bezeichnet worden.[1][3]

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es die offenen Tourenwagen nur noch zum Gebrauch beim Militär oder bei der Polizei, wobei diese Fahrzeuge Kübelwagen genannt wurden und im Allgemeinen Seitenfenster aus Weichkunststoff besaßen.

Literatur

  • George Hildebrand (Hrsg.): The Golden Age of the Luxury Car - An Anthology of Articles and Photographs from Autobody. 1927-1931. Dover Publications, 1980, ISBN 0-486-23984-5.
  • Hugo Pfau: The Coachbuilt Packard. Dalton-Watson, London; Motorbooks International, Minneapolis 1973, ISBN 0-901564-10-9.
  • Lawrence Dalton: Those Elegant Rolls Royce. überarbeitete Auflage. Dalton-Watson Publishers, London 1978.
  • Lawrence Dalton: Rolls Royce - The Elegance Continues. Dalton-Watson Publishers, London, ISBN 0-901564-05-2.
  • Nick Walker: A-Z of British Coachbuilders, 1919-1960. Bay View Books, Bideford, Devon, UK 1997, ISBN 1-870979-93-1.
  • Beverly Rae Kimes (Hrsg.), Henry Austin Clark jr.: The Standard Catalogue of American Cars 1805-1942. 2. Auflage. Krause Publications, Iola WI 1985, ISBN 0-87341-111-0.
  • G. N. Georgano (Hrsg.): Complete Encyclopedia of Motorcars, 1885 to the Present. 2. Auflage. Dutton Press, New York 1973, ISBN 0-525-08351-0.
  • Beverly R. Kimes (Hrsg.): Packard, a history of the motor car and the company. General edition. Automobile Quarterly, 1978, ISBN 0-915038-11-0.
  • Mark A. Patrick (Hrsg.): Packard Motor Cars 1935-1942 Photo Archive. Iconographix Osceola WI 1996, ISBN 1-882256-44-1.
  • Don Butler: Auburn Cord Duesenberg. Crestline Publishing Co., Crestline Series. 1992, ISBN 0-87938-701-7.
  • Jon M. Bill: Duesenberg Racecars & Passenger Cars Photo Archive. Auburn Cord Duesenberg Museum (Hrsg.). Iconografix, Hudson WI, ISBN 1-58388-145-X.
  • A-C-D-Museum (Hrsg.): 19th Annual Auburn Cord Duesenberg Festival; Official Souvenir Book. Broschüre zur Eröffnung des Auburn Cord Duesenberg Museums ins Auburn, Indiana (USA) am Labor Day Weekend 1974.

Weblinks

Wiktionary: Tourenwagen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g New York Times: Karosseriebezeichnungen gemäss SAE (1916)
  2. Kimes (1985), S. 895.
  3. a b coachbuilt.com: Terminology