Ulrike Edschmid

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 14. Juli 2016 um 16:05 Uhr durch Toss (Diskussion | Beiträge) (→‎Literarisches Schaffen). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Ulrike Edschmid (* 1940 in Berlin) ist eine deutsche Schriftstellerin und Textilkünstlerin.

Leben

Ulrike Edschmid wuchs auf der Burg Schwarzenfels in der Rhön (Main-Kinzig-Kreis) auf. Sie studierte Literaturwissenschaft und Pädagogik in Berlin und Frankfurt sowie an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin und lebt heute in Berlin.

Literarisches Schaffen

Die ersten literarischen Arbeiten von Ulrike Edschmid sind Ergebnisse von langen Gesprächen, aus denen biographische Erzählungen entstanden sind. In Diesseits des Schreibtischs und Verletzte Grenzen (1990 und 1992) waren es Frauen von Schriftstellern, mit denen sie zum ersten Mal über deren Leben, nicht über das ihrer berühmten Ehemänner sprach. In Frau mit Waffe (1996) geht sie in einem behutsamen Prozess der Annäherung den Motiven zweier politischer Täterinnen (Katharina de Fries und Astrid Proll) und den Hintergründen ihrer terroristischen Taten nach.

Wir wollen nicht mehr darüber reden (1999) wurde im Juni desselben Jahres zum Buch des Monats gewählt. Die Geschichte in Briefen ist Dokument einer mit dem Jahr 1933 zerstörten deutschen Kultur. Erna Pinner und Kasimir Edschmid – ehemaliger Schwiegervater von Ulrike Edschmid – waren ein Traumpaar der zwanziger Jahre. Der Nationalsozialismus zwang sie 1935 zur Trennung. Als sie sich 1946 in Briefen wiedertreffen, liegt die vergangene Welt in Trümmern. Aus der Korrespondenz von über sechshundert Briefen, die bis zu Edschmids Tod reicht, hat Ulrike Edschmid einen Dialog herausgearbeitet, in dem sich Nachkriegszeit und Wiederaufbau ebenso wie die von ehemaligen Nazis kontaminierte neue Bundesrepublik widerspiegeln.

Nach dem Gewitter (2003) widmet sich Fotografien, einem Zufallsfund an einer italienischen Landstraße Jahre zuvor. Sie spürt in diesem Text dem lautlosen Verschwinden nach, das sich unseres Lebens in jedem Augenblick bemächtigen kann. Aus dieser klaren und genauen Erzählung weht die Melancholie der Zufälligkeit.

Der Roman Die Liebhaber meiner Mutter (2006) stand im Dezember 2006 und im Januar 2007 auf der Bestenliste des SWR. Er beschreibt die Lebensstationen einer Frau nach dem Zweiten Weltkrieg, deren Wegmarken ihre Liebhaber sind. Der Roman entfaltet sich in der Intensität von Momentaufnahmen. Nicht das Sensationstaugliche und Anekdotische ist hier von Belang, sondern die verborgenen Motive, die Brüche, die Zufälle und Nebenpfade des Lebens, die das Geheimnis von Menschen umkreisen, ohne es zu verletzen.

In ihrem Roman Das Verschwinden des Philip S. (2013) erzählt Ulrike Edschmid vom Verlust ihres damaligen Freundes Werner Sauber, der in den bewaffneten Untergrund geht. Fast vierzig Jahre nach seinem Tod wirft sie einen Blick zurück auf die dramatischsten Jahre im Leben ihrer revoltierenden Generation. Sie ruft die Stationen des gemeinsamen Lebens auf, um den Weg nachzuzeichnen, der für ihren einstigen Gefährten im Schusswechsel mit der Polizei auf einem Parkplatz in Köln endet.

Auszeichnungen

Für ihren Roman Das Verschwinden des Philip S. wurde Edschmid 2013 mit dem Johann-Jacob-Christoph von Grimmelshausen-Preis und dem Preis der SWR-Bestenliste sowie mit dem Johann Friedrich von Cotta-Literatur- und Übersetzerpreis der Landeshauptstadt Stuttgart 2014 ausgezeichnet. 2015 erhielt sie ein Stipendium des Berliner Senats.

Werke

  • Diesseits des Schreibtischs. Lebensgeschichten von Frauen schreibender Männer. Luchterhand, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-630-61908-8.
  • Verletzte Grenzen. Zwei Frauen, zwei Lebensgeschichten. Luchterhand, Hamburg 1992; Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-596-13034-4.
  • „Wir wollen nicht mehr darüber reden…“ Erna Pinner und Kasimir Edschmid. Eine Geschichte in Briefen. Luchterhand, München 1999, ISBN 3-630-87027-9.
  • Frau mit Waffe. Zwei Geschichten aus terroristischen Zeiten. Rowohlt Berlin, Berlin 1996; Suhrkamp, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-518-39807-5.
  • Nach dem Gewitter. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-518-39981-0.
  • Die Liebhaber meiner Mutter. Insel, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-458-17308-0.
  • Das Verschwinden des Philip S. Suhrkamp, Berlin 2013, ISBN 978-3-518-42349-3.

Weblinks