Industriestaat

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Als Industriestaat, Industrieland oder Staaten der Ersten Welt bezeichnet man technisch und wirtschaftlich hoch entwickelte Staaten (Länder) mit einer bedeutenden industriellen Produktion. In ihnen besteht eine durch hochspezialisierte Arbeitsteilung gekennzeichnete Industriegesellschaft.

Begriff

Industriestaaten im ursprünglichen Sinn waren Staaten, die ihre Wirtschaftskraft überwiegend aus industrieller Produktion erzeugten, im Gegensatz zu den Agrarstaaten, in denen die Landwirtschaft überwog. Der erste Staat der Welt, auf den diese Definition zutraf, war das Vereinigte Königreich. Dort setzten die Anfänge der Industrialisierung bereits Ende des 18. Jahrhunderts ein. Im 20./21. Jahrhundert wurde der Dienstleistungssektor weltweit bedeutender.

Der Begriff Industriestaat wird heute ausgeweitet auf Staaten mit einer hoch entwickelten, starken, überwiegend vom Dienstleistungssektor getragenen Wirtschaft. Die Industriestaaten sind deshalb heute die wirtschaftsstärksten und somit reichen Staaten.

Die Wortwahl Industriestaat kann irreführend sein, da sie, wie in der englischen Sprache (industrialized country bzw. developed country), eigentlich industriell entwickelter Staat bzw. entwickelter Staat heißen müsste. In der deutschen Sprache wird er allgemeinsprachlich verwendet.

Die Bezeichnung wird also der Bedeutung nicht mehr gerecht, da die Einteilung der Staaten vorwiegend nicht mehr nach dem Grad ihrer Industrialisierung erfolgt, sondern überwiegend auf der Basis des Bruttoinlandsprodukts pro Einwohner. Staaten mit einem hohen Dienstleistungssektor nehmen dabei in der Rangfolge die vorderen Plätze ein. In Veröffentlichungen werden deshalb Begriffe verwendet, wie „OECD-Staaten und übrige marktwirtschaftlich organisierte Industriestaaten“, „Staaten der Ersten Welt“ oder englisch advanced economies.

Der Begriff Industriestaat wird unter anderem zur Abgrenzung gegenüber den Schwellenländern und den Entwicklungsländern angewendet.

Der Begriff Erste Welt wurde zur Zeit des Kalten Krieges für die hochindustrialisierten marktwirtschaftlichen Länder geprägt, während die planwirtschaftlich organisierten Staaten als Zweite Welt bezeichnet wurden. Mit dem Ende des Ost-West-Konflikt hat diese Einteilung an Bedeutung verloren. Dagegen ist die Bezeichnung Dritte Welt gebräuchlich geblieben.

Weitere Kriterien

Als weitere Kriterien der Einteilung von Staaten könnten auch gelten: Infrastruktur, Investitionstätigkeit, Handelsbedingungen (Terms of Trade), aber auch demographische Merkmale (z. B. Lebenserwartung und Bildungsstand), die Gesundheitsversorgung oder ökologische Bedingungen. Tatsache ist aber, dass zur begrifflichen Abgrenzung von Staaten fast ausschließlich das ökonomisch orientierte Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner dient.

Von verschiedenen Seiten (zum Beispiel Weltbank, OECD, IWF, EG) wurden in den letzten Jahrzehnten Listen mit Schwellen- oder Entwicklungsländern erstellt. Eine verbindliche Liste gibt es jedoch nicht; die Zahlen in den Listen schwanken erheblich und die Festlegungen sind auch politisch gekennzeichnet. Allgemeingültige, messbare und akzeptierte Normen fehlen.

1990 begann das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (englisch United Nations Development Programme, UNDP), ein differenziertes Bewertungskonzept zu entwerfen. Dabei sollten zunehmend auch soziale Faktoren berücksichtigt werden. Der hieraus entstandene Index der menschlichen Entwicklung (HDI) wird im jährlich vom UNDP herausgegebenen Bericht über die menschliche Entwicklung (englisch Human Development Report, HDR) veröffentlicht.[1]

Einzelnachweise

  1. Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP): Bericht über die menschliche Entwicklung 2015. Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin (undp.org [PDF; 9,3 MB; abgerufen am 1. November 2016]).