Über Kugel und Zylinder

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Seite aus Über Kugel und Zylinder in der lateinischen Übersetzung von Wilhelm von Moerbeke, ca. 1270

Über Kugel und Zylinder (griech. Περὶ σφαίρας καὶ κυλίνδρου (perì sphaíras kaì kylíndrou), latinisiert De Sphaera et Cylindro) ist eine aus zwei Büchern bestehende Abhandlung von Archimedes aus seiner frühen Schaffenszeit. Er bewies als erster, wie man das Volumen und die Oberfläche einer Kugel sowie deren Verhältnisse im Vergleich zu einem Zylinder ermitteln kann.[1] Seine Behandlung von Problemen der Stereometrie gilt als Vorläufer der Methoden der modernen Integralrechnung.[2]:85[3]

Formulierungen von Archimedes

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Die wesentliche Schlussfolgerung lässt sich angeben wie folgt:[4]

Für eine Kugel und einen Kreiszylinder, dessen Grundfläche einem Großkreis der Kugel und dessen Höhe dem Kugeldurchmesser entspricht, stehen die Flächeninhalte der Oberflächen und die Volumina beider Körper jeweils in demselben Verhältnis und dabei gilt:

Archimedes stellt in Buch I von Über Kugel und Zylinder den obigen Satz als Korollar zu Proposition 33 und 34, die folgendes besagen:[5][6]

Proposition 33:
Für eine Kugel ist der Flächeninhalt der Kugeloberfläche viermal so groß wie der Flächeninhalt eines größten Kugelkreises.
Proposition 34:
Für eine Kugel ist das Volumen viermal so groß wie das Volumen eines Kreiskegels, dessen Grundfläche einem größten Kugelkreis und dessen Höhe dem Kugelradius entspricht.

Zylindereigenschaften

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96-Eck
96-Eck

Mit als Radius der Kugel und des Zylinders und als Höhe eines geraden Zylinders gilt für die Oberfläche des Zylinders

und das für Volumen des Zylinders

.[7]:227

Archimedes bestimmte in seinem Werk Die Kreismessung, das er zwischen Buch I und Buch II von Über Kugel und Zylinder schrieb, eine untere und obere Grenze für die Kreiszahl durch ein eingeschriebenes und umschreibendes 96-seitiges Polygon als einen Wert zwischen und und damit erstmals auf zwei Kommastellen genau.[1]:42–43

Volumen der Kugel

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Bild 1
Volumenvergleich
Bild 2
Volumenvergleich

Archimedes bewies, dass das Volumen der Kugel zwei Drittel des Volumens eines Zylinders beträgt, dessen Basis ein Großkreis der Kugel ist und dessen Höhe ihrem Durchmesser entspricht (Bild 1):

Das Verfahren von Archimedes zum Beweis des Volumens einer Kugel war ziemlich kompliziert. Viele moderne Lehrbücher verwenden eine vereinfachte Version mit einer Grenzwertberechnung, die zu Archimedes’ Zeit noch nicht existierte. Er verwendete eine in einen Halbkreis eingeschriebene Polygonhälfte und drehte dann beide, um eine Ansammlung von Kegelstümpfen in einer Kugel zu schaffen, deren Volumen er dann bestimmte.[7]:226

In seinem späteren Werk Die Mechanische Methode beschrieb Archimedes eine Analogie mittels Hebelgesetz, um das Volumen der Kugel im Verhältnis zu Kreiskegel und Zylinder zu bestimmen.

Der folgende Satz wird manchmal auch als Satz des Archimedes bezeichnet (Bild 2):[8]

Das Volumen einer Halbkugel ist gleich der Differenz der Volumina des umgebenden Kreiszylinders und des darin enthaltenen Kreiskegels gleicher Höhe und gleicher Grundfläche.

Oberfläche von Kugel und Zylinder

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Oberflächenvergleich
Berechnung der Kugeloberfläche durch die ähnlichen Dreiecke

Für den umschreibenden Zylinder mit einer Höhe , so dass die Kugel den Zylinder oben und unten berührt, zeigte Archimedes, dass die Oberfläche der Kugel zwei Drittel des Zylinders beträgt. Dies bedeutet, dass die Fläche der Kugel gleich der Fläche des Zylinders abzüglich seiner Kappen ist. Dieses Ergebnis führte zu Lamberts winkeltreuer Kegelprojektion für die flächentreue Abbildung der Erdoberfläche. Auf dieses letztgenannte Ergebnis war Archimedes besonders stolz, so dass er darum bat, dass die Skizze einer in einen Zylinder einbeschriebenen Kugel auf seinem Grabstein eingraviert wird. Etwa 140 Jahre später entdeckte der römische Philosoph Marcus Tullius Cicero, als er Quästor in Sizilien war, das von Gestrüpp überwucherte Grab.[9]

Die Oberfläche der Kugel entspricht der Mantelfläche eines Zylinders, dessen Grundfläche der Großkreis der Kugel und dessen Höhe der Durchmesser ist.

Der Beweis dieses Satzes zeigt auch, dass die Oberfläche der Kugel das Vierfache ihres Großkreises beträgt. Tatsächlich ist die Mantelfläche des von uns betrachteten Zylinders:

.

Für die Kugel bewies er, dass ihre Oberfläche das Vierfache der Fläche ihres Großkreises beträgt:

Betrachten wir zwei generische horizontale Ebenen mit einem verschwindend kleinen Abstand voneinander, die die Oberflächen der Kugel und des Zylinders wie in der Abbildung schneiden. Wir zeigen, dass die Mantelfläche des Elementarzylinders der Höhe gleich der Fläche ist, die durch die Drehung des Segments um die Achse erzeugt wird, d. h. (mit R als Radius des Zylinders und der Kugel)

was zu bzw. äquivalent ist.

Aber dieses Verhältnis ist in der Abbildung zu erkennen, wenn man die Ähnlichkeit der Dreiecke bedenkt, die durch zueinander senkrechte Geraden gebildet werden. Nimmt man die Abstände unendlich klein, damit sich die Bögen den Strecken annähern, so erhält man durch Addition aller Elementarflächen des Zylinders und der Kugel zwei gleiche Flächen.

  • Archimedis Opera Omnia. Cum commentariis Eutocii, 3 Bände, Stuttgart, Teubner 1972 (Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana, Nachdruck der 2. Auflage, Teubner, Leipzig 1910–1915, erste Auflage 1880/81, Ausgabe von Heiberg, mit den Kommentaren von Eutokios)
  • William Dunham: Journey Through Genius. John Wiley and Sons, 1990, ISBN 0-471-50030-5 (englisch, archive.org).
  • Lucio Lombardo Radice: La matematica da Pitagora a Newton (= Il piacere della scienza). Editori Riuniti, Rom 1971, ISBN 88-7413-069-4 (italienisch, 136 S.).

Einzelnachweise

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  1. a b Ivo Schneider: Archimedes. Ingenieur, Naturwissenschaftler und Mathematiker. In: Erträge der Forschung. Nr. 102. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1979, ISBN 3-534-06844-0 (209 S.).
  2. Howard Eves: Great Moments in Mathematics (Before 1650) (= The Dolciani Mathematical Expositions. Band 5). The Mathematical Association of America, Washington 1980, ISBN 0-88385-305-1.
  3. Der Mathematikhistoriker Howard Eves schreibt in seinen Great Moments in Mathematics (Before 1650), S. 88: Surely, from almost any point of view, we have here in Archimedes’ work a truly GREAT MOMENT IN MATHEMATICS.
  4. Fritz Kliem: Archimedes' Werke. Satz 34. Verlag von 0. Häring, Berlin 1914, S. 189 (archive.org).
  5. Fritz Kliem: Archimedes' Werke. Satz 33. Verlag von 0. Häring, Berlin 1914, S. 186 (archive.org).
  6. Fritz Kliem: Archimedes' Werke. Satz 34. Verlag von 0. Häring, Berlin 1914, S. 187 (archive.org).
  7. a b William Dunham: The Mathematical Universe. John Wiley and Sons, 1994, ISBN 0-471-53656-3 (englisch, archive.org).
  8. Hugo Fenkner, Karl Holzmüller: Mathematisches Unterrichtswerk. Nach den Richtlinien für die Lehrpläne der höheren Schulen Preußens neu bearbeitet von Dr. Karl Holzmüller. Geometrie. Ausgabe A in 2 Teilen. I. Teil. 12. Auflage. Verlag von Otto Salle, Berlin 1926, S. 347.
  9. Cicero: Tuskulanische Gespräche. Lateinischer Text, Latin Library Buch 5, XXIII, 64, 65