August Bohny

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August Bohny (1. von links), Friedel Reiter (1. Reihe sitzend: 2. von links) SRK-Mitarbeiter Treffen in Montluel, Juni 1942

August Bohny (* 9. Juli 1919 in Basel; † 18. August 2016 ebenda) war ein Schweizer Lehrer, Logopäde und Flüchtlingshelfer.

August Bohny wuchs als Sohn eines Tram-Kondukteurs in Basel auf, wo er das Gymnasium besuchte und eine musikalische Ausbildung (Klavier und Klarinette) machte. 1937 trat der dem Freiwilligen Internationalen Zivildienst bei. 1939–1941 studierte er am Lehrerseminar und absolvierte die Rekrutenschule.

Im Mai 1941 meldete er sich bei Maurice Dubois, dem Leiter Südfrankreich der Arbeitsgemeinschaft für kriegsgeschädigte Kinder (SAK) (ab 1942 Kinderhilfe des Schweizerischen Roten Kreuzes), in Toulouse. In der Kinderkolonie Pringy wurde er von der Leiterin Ruth von Wild in die Arbeit eingeführt.

Bohny verbrachte kurze Zeit in der Kolonie Talloires, bevor er im September in 1941 in Le Chambon-sur-Lignon eintraf. Die einsame Gegend auf dem Hochplateau der Cevennen war eine ehemalige Hochburg der Hugenotten, die hier Kamisarden hiessen, und im Zweiten Weltkrieg ein Zentrum der französischen Résistance. Dort war er Mitbegründer und Leiter der Kinderhäuser Abric, Faidoli, Atelier Cévenol und Ferme Ecole, wo rund 200 Kinder jeweils etwa sechs Monate verbrachten.[1]

Dank der Zusammenarbeit von Bohny mit Pfarrer André Trocmé und einheimischen Flüchtlingshelfern gelang es, zahlreiche Kinder vor Razzien und Deportationen zu retten. In der Gegend von Chambon-sur-Lignon wurden 3.000 bis 5.000 Personen durch das Engagement (falsche Ausweispapiere, Lebensmittelkarten, Unterstützung der Flucht in die Schweiz) ihrer Bewohner vor dem sicheren Tod in den Lagern gerettet.[2]

1942 traf er in Montluel Friedel Reiter, die 1944 seine Frau wurde. Nach der Befreiung Frankreichs kehrten sie im Dezember 1944 in die Schweiz zurück, wo ihre vier Kinder (Jörg, Verena, Hansruedi und Christoph) geboren wurden.

1945 half er bei den Vorbereitungen zum Aufbau des Kinderdorfes Pestalozzi und im Juli 1945 leitete er für die Buchenwaldaktion der Schweizer Spende den Erholungsurlaub der überlebenden Kinder aus dem KZ Buchenwald auf dem Zugerberg. Später betreute er unterernährte holländische Kinder im Tessin.

Ab 1946 unterrichtete er schwererziehbare Kinder und war als Logopäde tätig. Er war von 1979 bis 1995 Präsident des Schweizerischen Zentralvereins für das Blindenwesen (SZB).

Der Vorlass befindet sich im Archiv für Zeitgeschichte in Zürich.

  • 1994: Moral Courage Award der Jewish Foundation for Christian Rescuers (heute: Jewish Foundation for the Righteous), gemeinsam mit seiner Frau.

Veröffentlichungen

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  • mit Roger Darcissac[4] und illustriert von Hans Beutler: Faïdoli: chansonnier franco-suisse de la "Montagne". Liederbuch. Verlag Gilbert Chabrut, Saint-Étienne 1944.
  • mit Walter Hohl: Mathematik in der Volksschule : Operatives Rechnen mit farbigen Stäben. Mehrteilig für 1.–3. Schuljahr mit Lehrerheften. Verlag Klett und Balmer, Zug 1972.
  • Unvergessene Geschichten. Zivildienst, Schweizer Kinderhilfe und das Rote Kreuz in Südfrankreich 1941–1945. Vorwort von Margot Wicki-Schwarzschild. Bearbeitet und eingeleitet von Helena Kanyar Becker. Herausgegeben von Erhard Roy Wiehn. Hartung-Gorre Verlag, Konstanz 2009, ISBN 3-86628-278-8.

Die Ereignisse in Le Chambon-sur-Lignon sind dreimal verfilmt worden:

  • Friedel Bohny-Reiter: Tagebuch Le Journal de Rivesaltes. In französischer Übersetzung, 1993.
  • Friedel Bohny-Reiter: Vorhof der Vernichtung. Konstanz 1995.
  • Friedel Bohny-Reiter: Camp de Rivesaltes. Tagebuch einer Schweizer Schwester im französischen Internierungslager Rivesaltes 1941–1942. Vorwort von Margot Wicki-Schwarzschild. Einleitung von Michèle Fleury-Seemuller. Bearbeitet von Helena Kanyar-Becker, Erhard Roy Wiehn (Hrsg.). Verlag Hartung-Gorre, Konstanz 2010, ISBN 3-86628-291-5. (Neuauflage von Vorhof der Vernichtung),
  • Paul Senn: «Bist du ein Mensch... so fühle meine Not. Lest in Gesichtern!» Ein Bildbericht von der Tätigkeit des schweizerischen Hilfswerks in südfranzösischen Kinderheimen und Flüchtlingslagern. in: Schweizer Illustrierte Zeitung, Zofingen, Jg. 31 (Nr. 9/25. Februar 1942), S. 261–265.
  • Mathilde Paravicini: Kinder kommen in die Schweiz. In: Eugen Theodor Rimli (Hrsg.): Das Buch vom Roten Kreuz. Das Rote Kreuz von den Anfängen bis heute. Fraumünster-Verlag. Zürich 1944, S. 336–367.
  • Antonia Schmidlin: Eine andere Schweiz. Helferinnen, Kriegskinder und humanitäre Politik 1933–1942. Chronos-Verlag. Zürich 1999, ISBN 978-3-905313-04-8.
  • Helena Kanyar Becker (Hrsg.): Vergessene Frauen. Humanitäre Kinderhilfe und offizielle Flüchtlingspolitik 1917–1948. Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft, Band 182. Schwabe Verlag, Basel 2010, ISBN 3-7965-2695-0.
  • François Wisard: Les Justes suisses. CICAD 2007
  • Madeleine Lerf: «Buchenwaldkinder» – eine Schweizer Hilfsaktion. Humanitäres Engagement, politisches Kalkül und individuelle Erfahrung. Veröffentlichungen des Archivs für Zeitgeschichte der ETH Zürich, Band 5. Zürich 2010, ISBN 978-3-0340-0987-4.

Einzelnachweise

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  1. United States Holocaust Memorial Museum: Foto von Friedel Reiter und August Bohny mit einer Kindergruppe vor den Schweizerhilfebaracken im Internierungslager Rivesaltes
  2. Französisches Komitee für Yad Vashem: Chambon-sur-Lignon
  3. August Bohny auf der Website von Yad Vashem (englisch)
  4. Roger Darcissac war Direktor des Collège Cévenol in Chambon-sur-Lignon. Er wurde 1988 als Gerechter unter den Völkern geehrt.